daß die Bundesregierung sich zu dieser öffentlichen Erklärung erst durch die Große Anfrage veranlaßt gesehen hat.
Warum konnte das nicht früher geschehen? Denn, Herr Bundesminister, wir haben ja als Opposition nur eine Frage aufgenommen, die von parteipolitisch durchaus nicht gebundenen, angesehenen Zeitungen schon wochenlang vorher wiederholt an die Bundesregierung gestellt war. Hält man die Presse für so „untergeordnet", daß man ihr nicht zu antworten braucht, oder warum läßt man sich erst im letzten Augenblick zwingen?
Das bedauern wir. Aber wir freuen uns, daß eine solche Ehrenerklärung bevorsteht; denn wir sind mit Ihnen einig: es können Fehlgriffe geschehen, es können auch einmal Falsche verhaftet werden. Es kann auch einmal jemand auf Grund einer Namensverwechslung verhaftet werden; allerdings darf es dann nicht 14 Tage dauern, bis sich das herausstellt.
Dann soll man auch mit der Ehrenerklärung schneller sein, mindestens so schnell wie mit der Verhaftung.
Wir freuen uns auch über die Beantwortung der vierten Frage, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um die Schäden auszugleichen. Wir haben gehört, es sei in Einzelfällen schon eine Prüfung im Gange, ob Schadenersatz zu leisten sei, und im ganzen werde anschließend an die Erledigung aller Verfahren diese Frage Gegenstand der entsprechenden Maßnahmen der Bundesregierung sein. Auch das hätte früher erklärt werden können.
Aber nun sind ja noch zwei andere Fragen gestellt worden, und die Antwort des Herrn Bundesministers des Innern auf diese Fragen befriedigt uns nach wie vor nicht. Das eine ist die Frage, ob die Bundesregierung das Verhalten des Herrn Bundesministers Blücher billigt, das andere die Frage, welche Vorsorge die Bundesregierung treffen will, um künftig zu vermeiden, daß eine für die Strafverfolgung nicht zuständige Behörde, insbesondere ein Mitglied der Bundesregierung, in ein schwebendes Verfahren durch öffentliche Äußerungen eingreift, die geeignet sind, einer Schuldfeststellung der unabhängigen Gerichte vorzugreifen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat auf die Ausführungen meines Fraktionskollegen Greve geantwortet, offenbar sei Dr. Greve mit seinen Darlegungen durchaus zufrieden, weil er in seiner Erwiderung darauf nicht eingegangen sei. Aber, meine Damen und Herren, das hat doch einen vollkommen anderen Grund! Sie, Herr Bundesminister des Innern, haben doch zu Fragen gesprochen, die hier gar nicht gestellt sind,
nämlich zu den Fragen, ob die inzwischen verurteilten Leute schuldig waren und ob andere noch in Verdacht Stehende sich schuldig gemacht haben. Das bestreitet doch kein Mensch. Das ist doch überhaupt nicht Gegenstand unseres Anliegens.
Es ist doch auch gar nicht zu diskutieren, um es zum tausendsten Male zu wiederholen, daß es keinen Abgeordneten dieses Hauses gibt, der nicht ein Vorgehen mit der ganzen Strenge des Gesetzes gegen alle diejenigen will, die sich vor dem Gesetz schuldig gemacht haben oder in Verdacht stehen, sich schuldig gemacht zu haben. Darüber ist keine
Diskussion, sondern die Diskussion ist darüber, ob man einen Kriminalfall benutzen durfte, um damit Politik zu machen.
Das ist allein der Kern der Sache. In Rechtsstaaten ist es die Aufgabe der Rechtspflege, mit Kriminalfällen fertig zu werden, aber man treibt damit keine Politik. Das geschieht nur in gewissen anderen Ländern.
Da kann man uns nun auch nicht mit einer Erwägung kommen, die wir, um es einmal auf eine kurze Formel zu bringen, so zu hören pflegen: Wo gehobelt wird, da fallen Späne! Meine Damen und Herren, das ist nichts, was es in einem Rechtsstaat gibt. In einem Rechtsstaat gibt es das Gesetz und nochmals das Gesetz. Es gibt Irrtümer, die mit rechtlichen Mitteln ausgeglichen werden. Aber es gibt weder Hobel noch Späne in einem Rechtsstaat.
—Mit Herrn Kollegen Euler möchte ich mich heute hier nicht beschäftigen, denn ich glaube, seine Ausführungen waren so, daß sich das wirklich nicht verlohnt.
Es geht darum, daß hier mit einem rechtlichen Verfahren Politik gemacht worden ist, und zwar in einem ganz bestimmten Zeitpunkt, und daß man es nicht dem Herrn Oberbundesanwalt und seiner Pressestelle oder dem Bundesgerichtshof und dessen Pressestelle überlassen hat, etwas bekanntzugeben, sondern daß dafür gänzlich ungeeignete Instanzen, der Herr Bundesminister des Innern, Ihr Herr Amtsvorgänger, durch seinen Beamten Herrn Ministerialdirektor Egidi und der Herr Bundesminister Blücher, eine Pressekonferenz veranstalteten und dabei 40 Namen bekanntgaben, und zwar so bekanntgaben, als ob die Schuld aller dieser 40 Personen im wesentlichen feststand.
Ich empfehle Ihnen, nur einmal das „Bulletin" jener Zeit nachzulesen, die Nummern vom 11. und vom 14. April 1953, in denen die Sache unter der Überschrift „Sowjetischer Spionagering zerschlagen" groß aufgemacht worden ist und die Aktion „Vulkan" in Frage und Antwort — die Antwort immer von dem Herrn Ministerialdirektor Egidi — behandelt worden ist. Ein völlig ungewöhnliches Verfahren bei der Namensnennung und bei der Verfolgung strafbarer Handlungen!
Meine Damen und Herren! Überlegen Sie doch einmal, was das für einen Beteiligten und für seine Angehörigen bedeutet, wenn der Name in der Zeitung erscheint als der eines sowjetischen Agenten, eines absolut verwerflichen Menschen, der sich schlimmster und unehrenhaftester Straftaten schuldig gemacht hat. Dann bleibt das auf der Familie Wochen und Wochen, Monate und Monate sitzen; denn der Familie steht ja kein „Bulletin" zur Verfügung, damit sie sich dagegen zur Wehr setzen kann, was hier „von hoher Hand" durch die Bundesregierung geschehen ist. So kann eine demokratische und rechtsstaatliche Bundesregierung den Bürgern gegenüber nicht vorgehen. Das ist unser Anliegen.
Da haben wir keine irgendwie befriedigende Antwort gehört, und ohne Rücksicht darauf, wie man darüber denkt, ob aus der „Aktion Vulkan" viel oder wenig herausgekommen ist — nach unserer Auffassung ist bedenklich wenig dabei herausgekommen —, sind diese Fehler ganz anderer Art, die auf einem ganz anderen Blatt stehen, große Fehler, die sich in Deutschland nicht wiederholen sollen.