Rede von
Dr.
Karl
Mocker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Eine der schlimmen Erbschaften, welche die Nachkriegszeit uns brachte, besteht nun einmal darin, daß die Bundesrepublik vielfach zum Tummelplatz von Agenten mit den verschiedensten Aufträgen wurde. Die Teilung Deutschlands, die aus den weltpolitischen Spannungen resultiert, brachte es weiter mit sich, daß die Bundesrepublik in die unmittelbare Gefahrenzone der kommunistischen Aggression kam. Die Bundesrepublik ist dadurch in eine besonders schwierige Lage gekommen und verpflichtet, um ihre verfassungsmäßigen Einrichtungen besonders besorgt zu sein und besonders darüber zu wachen. Jeder Staat hat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, mit allen ihm gesetzmäßig zu Gebote stehenden Mitteln gegen die äußeren und inneren Feinde anzugehen.
Es ist auch mit ein Kriterium des Rechtsstaats, daß er die Schutzmaßnahmen, die er für sich selbst ergreift, nicht zum Gegenstand einer besonderen Gesetzgebung macht, sondern in den Rahmen der allgemeinen Strafgesetzgebung einschließt und daß er weiter auch die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen diese Schutzbestimmungen nicht etwa Sonderbehörden, sondern den ordentlichen Gerichten in die Hand gibt.
Hierbei muß aber eingeräumt werden, daß die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden jene Methoden im Rahmen der Gesetze anwenden können, die nach Art des Delikts allein die Gewähr bieten, das doch vom Gesetzgeber in jedem Fall erstrebte Ziel zu erreichen, nämlich den Schutz des Staates und seiner verfassungsmäßigen Einrichtungen und damit auch den Schutz des einzelnen Staatsbürgers.
Die Leute, die sich mit Spionage beschäftigen, sind nicht nur besonders ausgesucht, geschult und stellen damit nicht nur besonders gerissene Delinquenten dar, sondern sie sind auch mit allen modernen technischen Mitteln ausgerüstet, die ihnen ihr Geschäft wesentlich erleichtern und vor allem auch ihr Erkennen, ihre Entdeckung wesentlich erschweren. Die vom Staat mit der Spionageabwehr betrauten Organe werden daher nicht erst dann berechtigt sein, zuzupacken, wenn sie gewiß sind, daß sie den Verdächtigen auch endgültig und wirklich überführen, sondern auch schon dann, wenn an und für sich der Verdacht als solcher besteht. Es ergibt sich nun einmal aus der Natur der Sache, daß eben bei Beginn einer derartigen Aktion Unschuldige mitbetroffen werden können, und vor allem dann, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine größere Aktion handelt.
Man wird den mit der Spionageabwehr betrauten Organen erst recht dann keinen Vorwurf machen können, wenn sich diese Verdächtigen durch ihr Verhalten selbst in diesen Zustand des Verdachtes gebracht haben oder wenn sie sich durch auf welche Art auch immer zustande gekommene Verbindungen mit den zu Recht Verdächtigen selbst in die Gefahr bringen, mitverdächtigt zu werden.
Meine Fraktion ist der Ansicht, daß die im Zusammenhang mit dem Sachverhalt der „Vulkan"-Affäre erfolgten Maßnahmen, wie sie heute in der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD vom Herrn Innenminister vorgetragen wurden, insoweit keinen Raum zu Beanstandungen geben, als
sie ergriffen wurden, um den Personenkreis, der der Spionage verdächtig war, sicherzustellen, und um zu gewährleisten, daß irgendwelche Spionagehandlungen keine nachteiligen Folgen und Auswirkungen für den Staat haben können.
Wenn aber dem Staat zu seinem Schutz eine so weitumfassende Vollmacht eingeräumt wird, trifft ihn auf der anderen Seite auch die Pflicht, die Interessen des einzelnen der Spionage Verdächtigen nicht weiter zu beeinträchtigen, als dies zur erfolgreichen Aufklärung und Abwehr dieser Spionagehandlungen unbedingt notwendig ist.
Insbesondere hat der Staat alles zu unterlassen, was dem Ansehen und der Integrität der Person des einzelnen Festgenommenen schaden könnte, solange er ihn nicht ausreichend irgendwelcher Spionagehandlungen wirklich überführen kann.
Der Staat wird auch dafür Sorge tragen müssen, daß überall dort, wo nicht an und für sich stärkere Beweise als das von seinen Agenten beigebrachte Material vorliegen, dieses sogenannte Beweismaterial auf schnellstem Wege auf seine Stichhaltigkeit überprüft wird; denn alle Agenten, ob es nun eigene oder fremde sind, sind nun einmal mit ganz wenigen Ausnahmen charakterlich nicht ganz einwandfrei. Sie nehmen es mit der Wahrheit nicht ganz genau,
und ihre Angaben sind mit Vorsicht aufzunehmen.
Meiner Meinung nach sollte daher vermieden werden, daß ein Zeitraum von 14 Tagen vergeht, bis eine durch eine Agentenangabe erfolgte Personenverwechslung aufgeklärt wird. Das sollte doch viel schneller möglich sein.
Es wäre auch bestimmt glücklicher gewesen, wenn nicht die Bundesregierung in der „Vulkan"-Affäre die Namen aller Verhafteten zu einem Zeitpunkt bekanntgegeben hätte, als noch keineswegs überprüft war, ob sich der Spionageverdacht tatsächlich begründeterweise auf alle Verhafteten bezog.
Um aufbauschenden Gerüchten entgegenzutreten, muß man keineswegs Namen bekanntgeben, sondern es genügt, die Zahl und in großen Zügen auch den Sachverhalt mitzuteilen.
Die Nennung von Namen sollte man überhaupt immer den Anklagebehörden überlassen, nicht allein aus staatsrechtlichen Überlegungen, sondern auch deshalb, weil die Anklagebehörde aus dem Fortgang der Ermittlungen am besten den Zeitpunkt erkennen kann, wann man mit den Namen herauskommen kann, dies sowohl im Interesse der Aufklärung der Spionagefälle wie auch im Interesse der Integrität der Person des einzelnen Betroffenen.
In der Öffentlichkeit entstand vor allem dadurch der Eindruck eines Fehlgriffs, weil anfänglich allzu schnell und in einer doch hervorstechenden Form die Öffentlichkeit von der „Vulkan"-Affäre mit Nennung aller Verhafteten unterrichtet wurde, während in der Folgezeit weitere Mitteilungen allzu lange auf sich warten ließen. Dieser Eindruck wäre vermieden worden, wenn die Auskünfte, wie
dies heute auch der Herr Innenminister selbst ganz richtig festgestellt hat, viel eher gegeben worden wären. Dazu bestand ohne weiteres die Möglichkeit.
Nach den heutigen Darlegungen des Herrn Innenministers besteht aber wohl kein Anlaß mehr, daß die „Vulkan"-Affäre in der Öffentlichkeit in der bisherigen Art und Weise weiter diskutiert wird. Mit besonderer Freude haben meine politischen Freunde und ich die Erklärungen des Herrn Innenministers zur Kenntnis genommen, daß die Fälle, in denen sich die Verhaftung als unbegründet erwiesen hat — das sind weitaus weniger Fälle, als man bisher in der Öffentlichkeit annahm —, durch Ehrenerklärungen und allenfalls durch Schadensersatzleistung bereinigt werden; denn nur eine solche Erledigung entspricht tatsächlich staatsrechtlichen Prinzipien.