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ID0203515600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1954 1631 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1633 C, 1648 D Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Frau Wolff (Berlin) und Holla 1633 C Fragestunde (Drucksache 599): 1. Frage der Gleichberechtigung vom Malteserorden ausgestellter Ausweispapiere mit staatlichen Pässen: Zurückgestellt 1633 D 2. betr. Nachricht des „Daily Express" über Benutzung einer Denkschrift des Oberregierungsrats Dr. Sonnenhol als Grundlage für eine Diskussion im Außenpolitischen Ausschuß der FDP: Zurückgestellt 1633 D 3. betr. Vorhaltungen der Oberpostdirektion Bremen an einen Beschwerdeführer über Unterrichtung zweier Bundestagsabgeordneter und der Presse vor Abschluß der postalischen Ermittlungen: Hübner (FDP) 1633 D, 1634 B Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . 1633 D, 1634 B, C 4. betr. Herausgabe örtlicher Fernsprechverzeichnisse: Hübner (FDP) 1634 C, D Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . 1634 C, D 5. betr. Äußerung des Bundesbahnrats Heinrich Schmücker in einer Beamtenversammlung in Alfeld über die Richter des Karlsruher Urteils: Dr. Greve (SPD) 1635 A, B, C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1635 A, C 6. betr. Planung und Bau von Bundesautobahnen: Dr. Leiske (CDU/CSU) 1635 C Dr. Seebohn, Bundesminister für Verkehr 1635 D 7. betr. Antrag der bundeseigenen Kurhessischen Bergbausiedlungsgenossenschaft in Sontra auf rückwirkende Mieterhöhung: Dr. Freidhof (SPD) . . . . 1636 A, 1637 A, B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1637 B 8. betr. Status der Bevölkerung der von schweizerischem Staatsgebiet umschlossenen Gemeinde Büsingen: Maier (Freiburg) (SPD) 1636 A, C Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1636 B, D 9. betr. Auslegung der Erklärung des Bundesministers der Finanzen in der 32. Sitzung über die Beteiligung von Organisationen an der Ausarbeitung der Rechtsverordnungen zum Bundesentschädigungsgesetz: Dr. Greve (SPD) 1636 D, 1637 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1637 C 10. betr. Zulassung nicht ausgelasteter Besatzungszüge für deutsche Reisende: Kühlthau (CDU/CSU) 1636 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1637 A 11. betr. Pressemeldungen über Anerkennung madjarischer Emigranten als deutsche Heimatvertriebene, Lastenausgleichsberechtigte bzw. Angehörige des unter Art. 131 fallenden Personenkreises: Dr. Rinke (CDU/CSU) . . . 1638 A, 1639 A Dr. Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte . . . . 1638 B, 1639 A 12. betr. Verschandelung des deutschen Landschaftsbildes durch Errichtung von Funk- und Fernsehtürmen und -gerüsten: Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . 1639 B, C, D Dr. Schrader, Bundesminister des Innern 1639 B, C, D 13. betr. Wiederaufbau der Hindenburgbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim: Josten (CDU/CSU) . . . . 1639 D, 1640 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1640 A, B 14. betr. Anerkennung des Personalausweises für Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates als Paß: Dr. Mommer (SPD) 1640 C Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1640 C 15. betr. Verkehrsschwierigkeiten durch Ausfüllung von Zählkarten an Grenzübergangsstellen: Dr. Mommer (SPD) 1640 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1640 D 16. betr. Gutachten des Bundesfinanzhofes über die Nichtberechtigung der pharmazeutischen Industrie zum Bezug steuerbegünstigten Alkohols und Frage der Herabsetzung der Steuer auf Weingeist für medizinische Zwecke: Frau Meyer (Dortmund) (SPD) . . 1640 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1641 A 17. betr. Zoll für Rohstoffe zur Herstellung von Rheumamedikamenten: Frau Meyer (Dortmund) (SPD) . . 1641 B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1641 B 18. betr. Wiederzulassung der Gewichtsbezeichnung „Pfund": Griem (CDU/CSU) 1641 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundes- minister für Wirtschaft 1642 A 19. betr. Gliedertriebzug der Deutschen Bundesbahn: Brück (CDU/CSU) 1642 D 20. betr. Ablehnung des Versorgungsantrags eines früher in der russisch besetzten Zone Inhaftierten durch das Versorgungsamt Düsseldorf: Dr. Menzel (SPD). 1643 A Storch, Bundesminister für Arbeit 1643 A 21. betr. Überbringung von Grüßen der Bundesregierung an den Dritten Deutschen Studententag: Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 1643 B, D Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben . 1643 B, 1644 A 22. betr. Überbringung von Grüßen der Bundesregierung in einem überwiegend mit den Farben Schwarz-Weiß-Rot drapierten Saal: Schmidt (Hamburg) (SPD) 1644 C Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 1644 C 23. bis 27.: Wegen Fristablaufs der Fragestunde abgesetzt 1644 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Wahl der deutschen Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 634) 1644 C Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. „Vulkan"-Fall (Drucksache 315) 1645 A Dr. Greve (SPD), Anfragender 1645 A, 1653 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1648 D, 1656 C, 1663 D, 1666 B Präsident D. Dr. Ehlers 1653 A Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 1657 D Euler (FDP) 1659 B Dr. Mocker (GB/BHE) 1660 A Dr. Arndt (SPD) 1661 A Neumayer, Bundesminister der Justiz 1665 C Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 1665 D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Volksernährung und zur Verbesserung der Produktivität in der Landwirtschaft (Drucksache 405) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Volksernährung und zur Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft (Drucksache 448) 1666 D Mauk (FDP), Antragsteller 1667 A Lücker (München) (CDU/CSU), Antragsteller 1670 C Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1674 B Kriedemann (SPD) 1676 B Kunz (Schwalbach) (GB/BHE) . . . 1681 B Fassbender (FDP) 1682 D Struve (CDU/CSU) 1684 C Dannemann (FDP) 1686 D Weiterberatung vertagt 1688 D Nächste Sitzung 1689 C Berichtigungen zum Stenographischen Be- richt der 28. Sitzung 1689 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen ist zu lesen: Seite 1308 A Zeile 8 von unten: Dr. Leverkuehn Seite 1308 C Zeile 15: Schmidt-Wittmack: Abstimmung 1. I 2. entschuld. entschuld. Nein Nein
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    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ausführliche, gewissenhafte und sachliche Berichterstattung, die uns der Herr Bundesinnenminister heute in seiner ersten Rede gegeben hat, hat uns ausgesprochen befriedigt.

    (Abg. Baur [Augsburg]: Was befriedigt euch nicht?!)

    Wir freuen uns, feststellen zu können, daß ein großer Teil der Einwendungen, die zunächst gegen das Verfahren erhoben werden mochten, durch diese Ausführungen als erledigt und ausgeräumt angesehen werden kann. Ich stehe nicht an zu erklären, meine Herren von der Opposition, daß ich selber nicht ohne Bedenken an die Beurteilung des Falles herangegangen bin. Gewiß stimmt ein großer Teil des Hauses mit mir darin überein, daß durch die Beantwortung der Großen Anfrage durch den Herrn Bundesinnenminister diese Bedenken im wesentlichen zerstreut sind. Meine Herren von der Opposition, Sie täten gut daran, nicht durch Dramatisierung von Einzelfragen den Blick vom Ganzen abzulenken.

    (Abg. Dr. Greve: Dramatisierung? — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja die Absicht!)

    Sie gestatten deshalb, daß ich noch einmal das Gesamtbild vor Ihnen aufrolle.
    Wie unbestreitbar und unbestritten feststeht, hat die „Vulkan"-Aktion einen sehr ernsten Hintergrund gehabt. Es kann nicht bestritten werden, daß auf dem Gebiet der Bundesrepublik eine weit gespannte, systematische und gut durchorganisierte Verbindung bestanden hat mit dem Zweck, hier


    (Dr. Friedensburg)

    Dinge auszuspähen, die im Staatsinteresse als geheim angesehen werden müssen.

    (Abg. Dr. Greve: Aber die Vorschriften müssen beachtet werden! — Weiterer Zuruf von der SPD: Um so korrekter muß man sein!)

    Die zuständigen Behörden der Bundesrepublik haben rechtzeitig, noch ehe diese Organisation zur vollen Entfaltung gelangte, von dem Treiben Kenntnis bekommen und haben nunmehr meiner Überzeugung nach durchaus pflichtgemäß und pflichtgetreu eingegriffen. Ich wüßte nicht, wie wir die Gelder verantworten sollten, die wir für diese Institutionen ausgeben, wenn sie gegenüber einem solchen Tatbestand versagten.
    Die Öffentlichkeit hatte ein berechtigtes Interesse daran, darüber informiert zu werden, und sie ist informiert worden. Alles, was sich seitdem ereignet hat, kann die berechtigte Grundlage des ganzen Vorgehens nur bestätigen. Der Abgeordnete Greve hat — namentlich in seiner ersten Begründung — die zahlreichen nachträglichen Haftentlassungen als Beweis dafür angeführt, daß die Aktion doch wohl nicht ganz zu rechtfertigen sei. Ich würde das für einen sehr bedenklichen Fehlschluß halten, Herr Kollege Greve, einen Fehlschluß, den wir auch im Interesse der Inhaftierten gar nicht für richtig halten wollen. Es wäre für die Rechtsprechung sehr bedenklich, wenn die Entscheidung eines Richters, der mit der Haftnachprüfung beauftragt ist, etwa nachher immer dahin beurteilt würde, ob sie ein Vorgriff auf die endgültige Urteilsfindung des Gerichtes ist. Im Gegenteil, wir freuen uns, daß sich der Richter im Laufe des Verfahrens für berechtigt angesehen hat, den einen oder anderen der ursprünglich Inhaftierten wieder freizugeben. Das ist durchaus normal und durchaus üblich. Ich wüßte nicht, wie man daraus die Schlußfolgerung ziehen könnte, daß das gesamte Verfahren etwa ungerechtfertigt gewesen sei.
    Gestatten Sie mir ein besonderes Wort über dieses sogenannte Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute habe ich das Bedürfnis, festzustellen, daß es sich um eine ausgesprochene Tarnorganisation handelt, die mit eigentlicher wissenschaftlicher Forschung auch nichts gemein hat. Der Name ist gegeben worden, um die Beteiligten oder die Nichtbeteiligten irrezuführen. Aber selbst im sowjetischen Besatzungsgebiet gibt es Wirtschaftsforschungsinstitute, die, mögen sie auch zum großen Teil der Propaganda ihrer Regierung dienstbar sein, einen gänzlich anderen Charakter haben als dieses sogenannte wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut, dessen Name lediglich ein Deckmantel für eine andersgeartete Tätigkeit war.
    Jedenfalls können wir in der bedrängten und bedrohten Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet, von unseren Bundesbehörden gar nichts anderes erwarten, als daß sie in solchen Fällen wach und verantwortungsfreudig auf dem Posten sind, um die Gefahren, die sich dort zeigen, auszuräumen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es liegt in der Natur der Sache, daß ein solches Durchgreifen zunächst in einer gewissen summarischen Weise erfolgen muß; das läßt sich gar nicht anders machen. Ich kenne das aus meiner eigenen Verwaltungspraxis nur zur Genüge. Ich muß sagen,
    Herr Bundesminister des Innern, ich bin eher überrascht, daß die Zahl der Fälle, in denen sich der Verdacht mehr oder weniger bestätigt hat, noch so groß gewesen ist. Das ist beinahe eine Rarität in Polizeiaktionen dieser Art. Man kann im Einzelfall — gestatten Sie, daß ich das als alter Fachmann einmal sage — nicht abwarten, bis der Tatverdacht für jeden der Beteiligten bis ins einzelne nachgewiesen ist. Das ist gar nicht möglich, da sonst die anderen durch die Verhaftung der ersten gewarnt würden. Der Eingriff also kann nur in einem gewissen summarischen Verfahren erfolgen. Der Haftrichter hat doch auch zunächst nur die Haftbefehle erlassen und ihre Zahl dann allmählich wieder verringert.

    (Abg. Dr. Greve: Wir haben gesehen, wie er sie erlassen hat!)

    Man kann auch eine Verpflichtung der Minister der Bundesregierung nicht bestreiten, die Öffentlichkeit über solche Fragen, die sie in hohem Maße angehen, zu unterrichten. Ob bei der ersten Presseverlautbarung der von mir als notwendig oder unvermeidbar angesehene summarische Charakter der Aktion nicht vielleicht etwas zu stark zum Ausdruck gekommen ist, mag dahingestellt bleiben. Wir freuen uns, aus dem Munde des Bundesinnenministers zu hören, daß er bereit ist, sowohl nach der moralischen wie nach der materiellen Seite hin die notwendigen Korrekturen eintreten zu lassen, sobald das Verfahren abgeschlossen ist. Wir alle haben ein Interesse daran, daß das Anliegen, das die sozialdemokratische Fraktion hierbei vertritt, nämlich der Schutz der persönlichen Freiheit, gewahrt wird.
    Herr Kollege Greve, Sie haben verschiedentlich den Journalisten Herrn Tüngel zitiert. Gestatten Sie, daß ich aus seinem Artikel ein weiteres Zitat bringe, das Sie vielleicht doch zum Nachdenken veranlassen kann.

    (Abg. Dr. Greve: Das hat aber keine Beziehung zum Fall „Vulkan"! Ich habe nur zitiert, was zum Fall „Vulkan" Beziehung hat! Jetzt werden Sie unfair, Herr Friedensburg! — Glocke des Präsidenten. — Gegenrufe von der Mitte.)

    — Ich werde nicht unfair.

    (Abg. Dr. Greve: Ich habe nur zitiert, was zum Fall „Vulkan" gehört!)

    — Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will, Herr Kollege Greve! In dem von Ihnen mehrfach zitierten Artikel von Herrn Tüngel zum Falle „Vulkan" heißt es wörtlich:
    Wir haben schon mehrfach Veranlassung gehabt, davor zu warnen, daß in der Bundesrepublik vor allem auf der Landesebene

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    mit den Methoden des Polizeistaates regiert wird.
    Ich glaube, daß, wenn das Wort „Landesebene" hier fällt, bestimmte Länder gemeint sind, auf die unser Kollege Greve örtlich und politisch stärkeren Einfluß hat, als ihn die Bundesregierung besitzt.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Heiland: Und Nordrhein-Westfalen? — Abg. Dr. Bärsch: Das ist doch kein Gegenstand der Parteipolitik! Gehen Sie auf den Kern der Sache ein!)



    (Dr. Friedensburg)

    Lassen Sie mich zum Abschluß noch etwas Grundsätzliches sagen. Es handelt sich bei dem hier erörterten Problem in der Tat um eine besonders schwierige Aufgabe des demokratischen Rechtsstaats. Wir wünschen von unserer Staatsregierung, daß sie wachsam ist und verantwortungsbewußt allen Versuchen, die demokratische Staats-und Rechtsordnung zu untergraben, entgegentritt.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)

    Auf der andern Seite erwarten wir von der Staatsregierung, daß sie die Interessen des einzelnen, seine Ehre und seine materiellen Belange, schützt. Wenn es im Grenzfalle nicht ganz leicht ist, die Interessen des einzelnen mit dem Interesse der Staatssicherheit in Einklang zu bringen, sind wir nach den Erfahrungen aus der Zeit vor 1933 lieber dafür, daß die Staatsregierung kraftvoll und verantwortungsfreudig eingreift, als daß sie aus Angst, irgendwelche Einzelinteressen zu stören, eine notwendige und von uns allen für richtig gehaltene Maßnahme unterläßt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Gerade in der Weimarer Republik hat es genug Schaden gegeben, weil sich eine Polizeibehörde aus Erwägungen, wie sie hier der Herr Kollege Greve vorgetragen hat, nicht für stark genug gehalten hat und nicht genügend selbstbewußt gewesen ist, einzugreifen. Es ist vielleicht kein Zufall, daß die in erster Linie zuständige Staatsbehörde unter der Leitung eines der Opfer der damaligen Zeit steht, das ganz genau weiß, was in solchen Fällen die Folge ist, wenn die Behörden nicht auf dem Posten sind und nicht ihre Pflicht tun.
    Und ein Letztes, meine Damen und Herren! Ich kann es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß wir auch hier wieder ein schmerzliches Beispiel für den Zustand erleben, in dem sich unser armes Vaterland befindet. Was hier als „Staatsgeheimnis" angesehen wird, betrifft großenteils Tatsachen, deren Kenntnis wir uns noch vor wenigen Jahren aus den statistischen Handbüchern oder mit einer einfachen telefonischen Anfrage innerhalb Deutschlands zu beschaffen pflegten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist außerordentlich bitter, daß sich nun auf deutschem Boden solche Tatbestände ergeben. Ich glaube, wir sollten auch diesen Vorfall zum Anlaß nehmen, alles zu tun, um die Uneinigkeit, die Zerrissenheit, die zu solchen Folgen führen kann, zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das ganze Haus hat Anlaß, dem Herrn Bundesinnenminister für die außerordentlich subtile Darlegung des Falles zu danken, der in der Öffentlichkeit auf den Namen „Vulkan" getauft wurde. Diese Ausführungen werden ihren Eindruck gerade auch bei den Damen und Herren der sozialdemokratischen Opposition nicht verfehlt haben. Denn was machen diese Darlegungen allerdings klar? Sie machen doch der ganzen Öffentlichkeit klar, daß bisher in der Beurteilung des Falles „Vulkan" von falschen Grundlagen ausgegangen wurde.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die öffentliche Beurteilung des Falles „Vulkan" hatte bisher völlig andere Wertakzente, als sie nach den heutigen Darlegungen des Innenministers angebracht sind. Ich möchte sagen, gerade das, was der Herr Innenminister über die Tatbestandsmerkmale bei den verschiedenen Gruppen der Beschuldigten sagte, zeigt, daß wir hier einen Rechtsstaat haben, in dem sich die sorgfältigste Prüfung in Fällen durchsetzt, in denen nach der Beurteilungsweise in der sowjetischen Diktatur, wie wir sie in Mitteldeutschland haben, ohne weiteres Zuchthausstrafen von 15 bis 20 Jahren verhängt würden.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Über diesen Unterschied sollte man die Öffentlichkeit nicht hinwegzutäuschen suchen, sondern gerade an Hand der völlig unterschiedlichen Behandlungsweise der Fälle hier gegenüber der üblichen Behandlung in der Sowjetzone sich bewußt werden, daß wir mit Recht den Anspruch erheben, als Rechtsstaat gewertet zu werden.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

    Gerade die Kritik des Herrn Kollegen Dr. Greve hat aber auch nicht den mindestens Anlaß gegeben, die Sachlage anders zu beurteilen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Im Gegenteil!)

    Im Gegenteil, was er an kleinlicher Kritik von Einzelheiten, die hier der Nachprüfung überhaupt nicht zugänglich sind, vorgetragen hat, war doch nicht anders zu werten als ein Rückzug aus Verlegenheit, nachdem er in der Hauptsache anerkennen mußte, daß die Darlegungen des Innenministeriums nicht angreifbar sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was er zuletzt noch glaubte an Kritik gegenüber dem Beschluß der Bundesregierung vorbringen zu können, den der Herr Vizekanzler damals in der Öffentlichkeit nur ausgeführt hat, ist schon deshalb ungerechtfertigt, weil zum ersten nicht bestritten werden kann, daß die Bekanntgabe der Aktion und die Nennung der Namen damals nur aus der Erwägung hervorgegangen sind, ein weiteres Aufsehen und eine größere Personenkreise ergreifende Ungewißheit und Unsicherheit auszuschließen, gerade also um Aufbauschungstendenzen der Öffentlichkeit entgegenzuwirken. Zum zweiten ist die Bekanntgabe der Namen seinerzeit unter dem ausdrücklichen Hinweis erfolgt — der dann allerdings in der Presse vielfach verlorenging —, daß es sich nicht um die Nennung von Schuldigen, sondern lediglich um die Nennung von Beschuldigten handle, die einer Tat verdächtig seien. Daß das Zufassen damals richtig war, daß der Tatverdacht hinreichend konkret war, haben die Darlegungen des Herrn Bundesinnenministers, ich glaube, auf das allerwirksamste ergeben. Und so glaube ich abschließend sagen zu können, daß, wenn Herr Dr. Greve vorhin als das Ende der Aktion „Vulkan" bezeichnete, es sei lediglich ein Haufen Unrat übriggeblieben, wir zu dem Urteil befugt sind: der Haufen Unrat ist nur in dem Gehirn eines Abgeordneten vorhanden, der eine so überspitzte Kritik ausdrückt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Greve: Sie können mir nur leid tun! — Weiterer Zuruf von der SPD: SA marschiert! — Abg. Euler: Was soll das mir?)