Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem Gesetzentwurf im wesentlichen zu; denn er ist ein entscheidender Schritt zur funktionellen Entlastung des Richters von subalternen Aufgaben und schafft durch Verminderung der Richterzahl die Möglichkeit, die Stellung und das Ansehen des Richters zu erhöhen. Ich unterstreiche das, was der Herr Minister der Justiz soeben hier ausgeführt hat, daß gerade nach dem Willen des Grundgesetzes der Richter der Repräsentant der rechtsprechenden Gewalt sein soll. Das erfordert aber eine Erhöhung seiner Stellung. Ein Teil meiner Freunde ist allerdings der Auffassung, dieses Rechtspflegergesetz sei nicht notwendig, weil eine genügende Anzahl von juristisch ausgebildeten Kräften vorhanden sei. Aber darum geht es bei diesem Gesetz nicht. Es geht nicht darum, daß junge Juristen in Richterstellen kommen, sondern es geht hier um die entscheidende Frage der funktionellen Entlastung des Richters von rein technisch-formalen Aufgaben.
Die Auswirkung dieses Gesetzes liegt natürlich in der Länderebene. In dieser Beziehung darf am Rande der Debatte gesagt werden, daß gerade bei den Landesjustizverwaltungen eine ungeheure Arbeitsüberlastung der Richter besteht und daß diese die Qualität der Rechtsprechung nicht unerheblich beeinträchtigt; denn ein von der Arbeit gehetzter Richter kann den Feinheiten des einzelnen Streitfalles nicht in dem Maße nachgehen, wie es im Interesse der Gerechtigkeit notwendig ist, und daraus ergibt sich zwangsläufig eine relative Krise des Vertrauens zur Justiz.
Aber auch diese Frage steht mit der Grundtendenz dieses Gesetzes nicht im Zusammenhang; denn dabei handelt es sich nur um rein finanzielle Dinge: Schaffung der notwendigen Planstellen. Deshalb halte ich es für erforderlich, in diesem
Hause einmal zu sagen, daß es in einigen Ländern notwendig ist, die Justiz, finanziell gesehen, aus der Rolle des Aschenbrödels zu erlösen.
Als Grund für die Notwendigkeit dieses Gesetzes ist in der öffentlichen Debatte auch angeführt worden, man wolle durch seine Verabschiedung die Rechtspflege verbilligen. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen: wo es um die ideellen Werte von Recht und Gerechtigkeit geht, da kann der Grundsatz der Billigkeit keine Rolle spielen.
Der Herr Minister hat vorhin bereits gesagt, daß dieses Gesetz sich zwei Aufgaben stellt. Ich darf zu diesen beiden Aufgaben kurz noch einiges sagen. Zunächst die Frage der funktionellen Stellung des Rechtspflegers. Herr Kollege Wittrock von der sozialdemokratischen Fraktion hat die Frage bereits erörtert, ob nicht in diesem Gesetz der Aufgabenbereich des Richters einerseits und des Rechtspflegers andererseits grundsätzlich hätte abgegrenzt werden können. Herr Kollege Wittrock hat unter Bezugnahme auf Art. 92 des Grundgesetzes die Meinung vertreten, diese Abgrenzung könne nach der Richtung versucht werden, daß als Aufgabenbereich des Richters grundsätzlich die rechtsprechende Tätigkeit im Sinne der Streitentscheidung bezeichnet werde, andererseits als grundsätzlicher Aufgabenbereich des Rechtspflegers die rechtsordnende Tätigkeit im Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Wir sind der Ansicht, daß diese schematische Trennung der beiden Aufgabenbereiche grundsätzlich unmöglich ist. Zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit bestehen zahlreiche Übergänge. Diese beiden Gebiete lassen sich gar nicht so mit einem Strich abgrenzen, wie manche Teilnehmer an der Debatte um dieses Gesetz es sich denken. Auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es Streitentscheidungen.
Ganz richtig ist die Regierung im Hinblick auf die Bedürfnisse von Rechtsschutz und Rechtssicherheit hier einen Mittelweg gegangen, wie er in § 3 des Gesetzentwurfs im einzelnen aufgezeigt worden ist. Auf diesem Wege wird die Gefahr einer Verminderung der Qualität der Rechtspflege und eines Formalismus gebannt. Wenn Herr Kollege Wittrock von der Sozialdemokratischen Partei gemeint hat; daß im Hinblick auf § 5 Abs. 2 des Gesetzentwurfs eine — wenn auch flüssige — Grenzziehung zwischen den Aufgabenbereichen des Richters und des Rechtspflegers möglich sei, so muß dazu gesagt werden: Glaubt man denn etwa, daß ein Rechtspfleger, der sich nun als qualifizierter gehobener Justizbeamter fühlt, so schnell zur Vorlage eines Falles an den Richter bereit sein wird?
Wir stimmen grundsätzlich auch der Regelung des § 8 zu. Mit der Regierung sind wir der Auffassung, daß dem Rechtspfleger als Organ der Rechtspflege die Selbständigkeit bei seinen Entscheidungen gewährleistet werden muß. Aber es ist unseres Erachtens nicht angängig, dem Rechtspfleger eine Unabhängigkeit zuzugestehen, denn nach unserer Sicht ist er nicht Organ der rechtsprechenden Gewalt.
Im einzelnen darf ich noch kurz folgendes sagen. Wir stimmen der Aufgabenaufteilung- zwischen Richter und Rechtspfleger, wie der § 3 des Gesetzentwurfs sie im einzelnen zeigt, im Prinzip zu. Wir sind mit der Regierung der Auffassung, daß diese Grundlinie eingehalten werden muß, weil dem höher qualifizierten Richter einmal alle Akte
der Rechtsprechung, ferner alle Geschäfte, die einen schwerwiegenden Eingriff in die Interessen Beteiligter darstellen, und schließlich auch Geschäfte, die den Rahmen rein technisch formaler Geschäfte überschreiten, vorbehalten bleiben müssen.
Eine Frage darf ich noch besonders behandeln. Der Bundesrat hat zum Ausdruck gebracht, daß er die ganze Beurkundungstätigkeit generell dem Rechtspfleger übertragen wissen will. Wir sind der Auffassung, daß die Beurkundungstätigkeit von demjenigen, der sie ausübt, ganz erhebliche Rechtskenntnisse fordert. Wir haben deshalb grundsätzliche Bedenken gegen eine völlige Übertragung der Beurkundung auf den Rechtspfleger. Aber am Rande der Debatte stellen wir hier die Frage: Warum beschreitet man nicht den Ausweg, ein Beurkundungsmonopol für die Notare im gesamten Bundesgebiet zu schaffen?
Meine Fraktionsfreunde werden im Ausschuß die Abgrenzung des beiderseitigen Aufgabenbereichs in den Einzelheiten noch in aller Eindringlichkeit erörtern, weil es uns notwendig erscheint, diese Grenzziehung in einzelnen Punkten zu revidieren. Aber im Prinzip begrüßen wir den Entwurf, und wir werden uns bei der Beratung im Ausschuß von den Bedürfnissen des Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit leiten lassen; denn wir sind uns bewußt, daß es bei diesem Gesetz um sehr hohe Werte unseres Volkes geht, nämlich um Recht und Gerechtigkeit.