Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem auf die Meinung unseres allseits doch sicherlich hochverehrten Herrn Wirtschaftsministers soviel Wert gelegt wird, darf ich ganz kurz zitieren, was er im Wirtschaftspolitischen Ausschuß als seine Meinung angegeben hat. Auf Vorhalt hat er nämlich geäußert, daß auch nach seiner Ansicht die Bestimmungen der §§ 2 und 3 mit der Marktwirtschaft nicht ganz in Einklang zu 'bringen seien. Wenn wir das Wort „ganz" noch streichen, dann haben wir die echte Meinung unseres Wirtschaftsministers. Daß er als Vertreter einer Behörde die Vorlagen seines Ministeriums zu decken versucht, ist wohl verständlich.
Der § 3 ist aber nach meiner Auffassung wirklich nicht zu vertreten. Auch die noch so beredten Ausführungen unseres Kollegen Schöne können uns nicht überzeugen, daß der Preis nicht doch das gegebene Instrument ist, wie Kollege Scheel es ausgeführt hat, um nun wirklich zum gerechten Preis zu kommen. Entweder glaube ich an die echte Funktion des Preises in einem Wirtschaftssystem oder ich glaube nicht daran. Wenn ich daran glaube, muß ich vermeiden, daß der Strafrichter in dieses System eingreift, und dann muß ich konsequent sein und es auf der ganzen Linie vermeiden. Daher darf ich schon jetzt an dieser Stelle sagen, daß meine politischen Freunde nicht nur den § 3, sondern das ganze Gesetz ablehnen werden.
Ich bin überzeugt — es kam eben schon in den Ausführungen des Kollegen Naegel zum Ausdruck —, daß dieses Gesetz letzten Endes nur geschaffen worden ist, um eine Handhabe für eventuelle Notzeiten zu haben. Die Erfahrung sollte uns aber doch gelehrt haben, daß selbst in Notzeiten eine Zwangswirtschaft ein unrationelles System ist. Die Untersuchungen gerade amerikaninischer Volkswirtschaftler über unsere deutsche Kriegswirtschaft haben meiner Meinung nach überzeugend gelehrt, daß die deutsche Kriegsverwaltungswirtschaft ein unrationelles System gewesen ist. Ich glaube also, daß man auf diese Methode
ganz verzichten soll. Das Wort „unangemessen" — das klang auch schon aus den Ausführungen des Kollegen Hoogen heraus — zeigt doch, daß das letzten Endes eine Denkvorstellung der Zwangswirtschaftler ist. Also überall da, wo die Worte „unangemessener Preis" aufkreuzen, mahne ich zur Vorsicht. Wir täten gut, auf alle diese Kriterien zu verzichten.
Ich gebe selbstverständlich ebenfalls zu, daß Wucher vorkommt. Die Ministerialbürokratie hält unseren Einwänden entgegen, die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, §§ 302 a bis e, seien nicht ausreichend. Nun, sie sind deswegen nicht ausreichend, weil sie entweder nicht ausreichend formuliert worden sind — dann haben wir also die Aufgabe, eine neue Formulierung vorzunehmen, was meines Erachtens nicht sehr schwierig sein dürfte —,
oder aber es liegt daran, daß wir doch nun praktisch seit mehreren Jahrzehnten — das muß auch einmal ausgesprochen werden — solche Wirtschaftsstrafgesetze haben — sie stammen ja schon aus dem ersten Weltkrieg — und daß diese Wucherbestimmungen eben niemals angewandt worden sind; man hat sich vielmehr gleich auf das sehr viel bequemere Instrument der Verwaltung gestützt.
Die Zahlen, die Herr Kollege Lange aus BadenWürttemberg genannt hat,
sind nicht sehr überzeugend. Wenn ich Sie recht verstanden habe, Herr Kollege Lange, bewegen sich die Ersparnisse, von denen Sie sprachen, in einer Größenordnung von 1 bis 3 %. Sie mögen mich berichtigen, denn es ist sehr schwer, Zahlen immer genau zu behalten. Solche absoluten Zahlen sind natürlich imponierend. Millionenbeträge von Ersparnissen, das wirkt auf den einfachen Mann. Wenn Sie dem aber einmal den Verwaltungsaufwand gegenüberstellen, der für die Kontrollen erforderlich ist, die in den meisten Fällen überdies zu nichts führen, dann, glaube ich, kommen ganz andere Millionenbeträge heraus. Wenn man also vom Gesichtspunkt der Kostenersparnis ausgeht, jenseits aller moralischen Überlegungen, wird man feststellen, daß sich nichts so schlecht auszahlt wie ein Kontrollapparat im Wirtschaftsleben.
— Nein, so ist es nicht, mein lieber Kollege vom BHE! Ich habe gerade ausgeführt, man solle dafür plädieren, daß die Bestimmungen im Strafgesetzbuch so formuliert werden, daß man sie auf die Wirtschaftstatbestände auch anwenden kann; denn es ist hier zweifellos oft ein Mißbrauch getrieben worden.
Ich meine, der Vorschlag, den Kollege Scheel wiederholt im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gemacht hat, weist ,den richtigen Weg, nämlich überall, wo noch Marktordnungsgesetze bestehen, die Strafbestimmungen in diese Marktordnungsgesetze einzubauen. Die Argumente, die hier auch vom Berichterstatter vorgebracht worden sind und die besagen, daß das ein zu schwieriger Weg sei, sind nach meiner Überzeugung nicht einleuchtend. Herr Kollege Scheel hat im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ironischerweise gemeint, das sei weniger eine Angelegenheit des Gesetzgebers als des
Druckers; man brauche lediglich die an und für sich vorhandenen Strafbestimmungen hineinzunehmen. Ich bin nicht der Auffassung, daß die Gesetze dadurch unleserlich würden. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß unsere jetzigen Gesetzesfassungen sehr unleserlich sind, nicht nur für uns, sondern gerade auch für den Mann draußen. Wir berufen uns immer wieder auf den Paragraphen sowieso eines bestimmten Gesetzes, ohne ihn zu zitieren. Dadurch werden die Ausführungen oft praktisch unverständlich. Wir sollten daher in Zukunft bei Neuformulierungen darauf achten, daß die zitierten Gesetze auch wirklich in Kleindruck oder im Anhang angeführt werden.
Aber nun weiter zur Sache. Im Namen meiner Fraktion bitte ich darum, nicht nur den § 3, sondern überhaupt das ganze Gesetz abzulehnen. Ich glaube nicht, daß die Folgen so schwerwiegend sein werden, wie es befürchtet wird. Was würde sich denn wirklich ändern? Es würde sehr schnell möglich sein — und ich meine, daß dieser Druck sehr heilsam wäre —, die Strafbestimmungen in die einzelnen Marktordnungsgesetze zu übernehmen. Das wäre innerhalb kürzester Zeit möglich. Ich bin aber auch der Überzeugung, daß auf diesem Gebiet, wo die Marktordnungsgesetze und auch das Mietpreisrecht gelten, nicht etwas Wesentliches eintreten würde, was volkswirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Ich darf auch noch daran erinnern, daß vor anderthalb Jahren ähnliche Befürchtungen geäußert worden sind, als es darum ging, den Art. 3 des Grundgesetzes — es ist eine ganz andere Rechtsmaterie, ich weiß — in Kraft zu setzen. Und was hat sich ereignet? Gar nichts! Die Gerichte sind, ohne daß exakte Bestimmungen da waren, mit der Materie fertig geworden. Und gerade Sie, meine Herren von der Opposition, haben sich für diesen Standpunkt erwärmt. Ich meine also, daß genau das gleiche wie damals eintreten wird. Wenn wir jetzt das ganze Wirtschaftsstrafgesetz ,auslaufen lassen, wird sich an der gesamten Wirtschaft gar nichts ändern. Ich glaube, wir sollten endlich Schluß mit Gesetzen machen, die nicht mehr in unser Wirtschaftssystem hineinpassen und die verdient haben, daß sie das Zeitliche segnen.