Rede von
Wilhelm
Naegel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollten wir uns nur über den juristischen oder wirtschaftspolitischen Inhalt des § 3 unterhalten. Nachdem aber nunmehr schon die wissenschaftlichen Gepflogenheiten bemüht wurden und hier seminar- und kollegmäßige Vorträge gehalten werden, kann es mir nicht verwehrt werden, sowohl als Vorsitzender des Wirtschaftspolitischen Ausschusses als auch als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion einige Dinge richtigzustellen.
Herr Dr. Schöne sagte betont, wenn die SPD an der Regierung wäre, würde sie keine Vorlage machen, die nachher im Plenum nicht angenommen wird;
sie würde sie nicht torpedieren. Ich darf das Wort „torpedieren" übersetzen. Es heißt: ablehnen und damit zu Fall bringen. Wenn Sie eine Vorlage nicht torpedieren, nicht zu Fall bringen wollen, dann müssen Sie sie annehmen; eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ich glaube aber, daß man dann mit aller Betonung die Frage aufwerfen muß: Welche Aufgabe ist dann dem Parlament und seinen Ausschüssen zugewiesen?
Ich meine, dazu gehört in erster Linie eine sachliche Kritik der Vorlage, ganz gleich, woher sie kommt.
Wir bemühen uns objektiv, die Vorlagen der Opposition ebenso ernst zu nehmen wie die aus den Kreisen der Koalition
und von der Regierung, und wir sind bisher mit diesem Verfahren auch richtig gelaufen. Wir haben auch im vorliegenden Falle nach diesem bekannten Grundsatz gehandelt. Was heißt denn letzten Endes demokratisch-parlamentarisches System, wenn wir ohne eigene Stellungnahme nur das akzeptieren wollen, was uns von der Regierung oder von anderen Stellen vorgelegt wird?
Diese Hinweise sind doch wohl notwendig, um die hier vorgetragenen falschen Auffassungen wieder geradezurücken, nach denen wir nicht berechtigt seien,
zu den Vorlagen auch kritisch Stellung zu nehmen. Dabei behalten wir uns selbstverständlich das Recht vor, unsere Meinung aus der Erfahrung der einzelnen Abgeordneten heraus, gegebenenfalls im Gegensatz zu der Meinung, die von einem Herrn Vertreter der Regierung vorgetragen wird, zu bilden.
Auf dieser Basis sind wir an die Arbeit herangegangen, als wir das Wirtschaftsstrafrecht und damit den hier zur Diskussion stehenden § 3 behandelt haben. Dabei haben wir wirklich versucht, alle Überlegungen zu berücksichtigen, die vorgetragen wurden. Herr Abgeordneter Hoogen hat Ihnen bereits nachdrücklich gesagt, daß sowohl die in § 1 des Gesetzes aufgezählten neun Einzelgesetze als auch die nach meiner Auffassung schon sehr weitgehende globale Bestimmung des § 2 die Grundlage für ein Einschreiten der Regierung bieten. Wir sind uns in den Kreisen meiner Freunde völlig einig darüber gewesen, daß wir mit dem § 3 eine Gesetzesbestimmung gemacht hätten, die praktisch für die Schublade gewesen wäre, eine fleet in being haben wir es genannt. Man wollte – das waren auch die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers, unseres Freundes Erhard — nur eine Maßnahme treffen, die gegebenenfalls einmal die Möglichkeit geben könnte, über bestimmte Dinge im wirtschaftlichen Geschehen ins Gespräch zu kommen. Wir waren der Auffassung, daß wir dazu eine gesetzliche Bestimmung wie diese nicht brauchen, daß es vielmehr dem Bundeswirtschaftsminister jederzeit möglich ist, sich mit den Kreisen der Wirtschaft entsprechend zu unterhalten und der Notwendigkeit zu entsprechen.
Wenn Sie sich aber einmal — das möchte ich aus meiner eigenen Erfahrung mit Nachdruck vortragen — in der Praxis der Vergangenheit die Fälle ansehen, die auf Grund der alten Bestimmungen des § 19, des jetzigen § 3, zur Aburteilung gekommen sind, werden Sie feststellen, daß es sich in den allermeisten Fällen um Bagatellvergehen gehandelt hat, die des Aufwandes nicht wert sind.
Ich könnte Ihnen aus den Sammlungen von Urteilen über Bußgeldbescheide und ähnliches eine Fülle von Material zur Verfügung stellen. Daraus wurde festgestellt, daß einmal für drei Apfelsinen oder
drei Zitronen oder fünf Bananen der sonst übliche I Marktpreis um 1 oder 2 Pfennig überschritten wurde. Wegen solcher Bagatellschäden wurde nicht nur der Apparat der Justizverwaltung, sondern wurden auch die Preisbehörden in Bewegung gesetzt, und darauf sind auch Bußgeldbescheide gekommen. Gerade der Hinweis auf diese Tatsache hat auch Herrn Professor Erhard bewogen, sich im Ausschuß hinsichtlich der Möglichkeit, den § 3 zu erhalten, sehr zurückhaltend zu äußern.
Wir sollten uns deshalb hier nicht Vorlesungen über volkswirtschaftliche Grundbegriffe und nationalökonomische Kollegs halten. Wir sollten einander aber auch nicht vorwerfen, auf der einen Seite seien bessere Demokraten als auf der anderen. Wir sollten vielmehr in der echten Ausübung der uns im parlamentarisch-demokratischen System übertragenen Aufgaben die Vorlagen prüfen, dann unsere Entscheidung fällen und unsere Beschlüsse fassen.
Ich bitte Sie, dem Beschluß des Wirtschaftspolischen Ausschusses, dem Beschluß des Rechtsausschusses Ihre Zustimmung zu geben, und beantrage namentliche Abstimmung.