Rede von
Walter
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 3 ist in diesem Gesetz das, was ein solches Gesetz immer magisch an sich zu ziehen versucht, nämlich eine Generalklausel. Wir sollten alles versuchen, diese Generalklausel herauszubekommen. Der Ausschuß hat es ja auch mit der Mehrheit vorgeschlagen.
Herr Lange hat soeben geglaubt erklären zu müssen, warum für den § 3 ein Ersatz geschaffen werden sollte, und die SPD-Fraktion hat auch einen ähnlich gearteten Antrag gestellt. Wenn wir das tun, dann mißachten wir damit die Wirtschaftsordnung, der gerade der linke Teil des Hauses heute mit viel mehr Wärme gegenübersteht als früher, nämlich die Ordnung der Marktwirtschaft. In der Marktwirtschaft hat nun einmal der Preis eine sehr wichtige Funktion. Der Preis bildet sich am Markte durch Angebot und Nachfrage. Das sollten wir auf gar keinen Fall verfälschen. Greifen wir nämlich von seiten des Staates, von seiten der Bürokratie — meist durch gar nicht qualifizierte Leute — in diese Funktion des Preises ein, die sehr sinnvoll, aber auch sehr diffizil ist, dann brechen wir überhaupt dem ganzen Ordnungssystem das Rückgrat.
In den Marktordnungsgesetzen, die auf dem landwirtschaftlichen Sektor und in anderen Bereichen noch bestimmte Preisvorschriften enthalten, wird es nötig sein, soweit man solche Marktordnungsgesetze überhaupt noch behalten muß — wir wollen diese Frage ja überprüfen —, in der Zukunft jeweils Strafbestimmungen anzuhängen. Aber ein allgemeines Wirtschaftsstrafrecht in dieser Form scheint mir völlig überholt zu sein, vor allen Dingen der § 3.
Soeben ist gesagt worden, die praktischen Beispiele deuteten doch darauf hin, daß es notwendig sei, einen solchen Generalparagraphen im Gesetz zu lassen. Aus dem Lande Hessen wurde, etwa parallel zu dem, was der baden-württembergische Wirtschaftsminister gesagt hat, berichtet, welche Erfolge dort die Preisprüfung bei der Vergabe von Besatzungsaufträgen gehabt hat. Das scheint mir ein völlig falscher Akzent zu sein. Man sollte sich darum bemühen, daß in die Vergabe von Besatzungsaufträgen Ordnung hineingebracht wird und daß die öffentliche Hand Einfluß auf die Aufträge bekommt, für die sie zahlen muß. Da muß die Initiative ansetzen. Es ist klar, daß man vor Vergabe eines Auftrags das Angebot prüfen muß, genau so wie ich das Angebot prüfe, wenn ich mir eine Krawatte kaufe.
Weil wir gerade von Krawatten sprechen — die Beispiele des Wirtschaftsministers von BadenWürttemberg über Textilien haben mir ein Lächeln entlockt. Ich weiß nicht, wer die Käufer gewesen sind, die heute im Textilsektor 200 und mehr Prozent an Überpreisen anlegen. Diese Käufer, glaube ich, haben es nicht anders verdient; denn irgendwie muß auch der Käufer selber erzogen werden, die Angebote, die ihm gemacht werden, zu prüfen. Das kann nicht Aufgabe einer noch zu schaffenden oder bestehenden und abbauwürdigen Preiskontrollbehörde sein.
Vor allen Dingen die Rechtsunsicherheit, die mit den sehr weit auslegungsfähigen Begriffen, etwa der Fassung „für die ein wirksamer und freier Leistungswettbewerb nicht besteht", geschaffen würde, macht es völlig unmöglich, einen solchen Paragraphen beizubehalten. Wollen Sie es etwa einem Richter überlassen, gerichtlich festzustellen, wo ein freier Leistungswettbewerb besteht oder nicht? Es kommt hinzu, daß dieser Tatbestand fluktuierend ist. Das ist ja kein Dauertatbestand, sondern es gibt in der Wirtschaft sehr wohl immer wieder Augenblicke, in denen in bestimmten Bereichen der Wirtschaft der freie Wettbewerb zum mindesten beeinträchtigt ist. Hier können wir etwas Positives nur im Rahmen eines Gesetzes zur Herstellung des Wettbewerbs tun, indem wir alle Möglichkeiten ausnutzen, einen freien Wettbewerb in den Bereichen der gewerblichen Wirtschaft immer und zu jeder Zeit zu erhalten. Aber mit dem Strafrichter ist hier überhaupt nichts anzufangen.
In der Diskussion des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ist mehrfach erwähnt worden, daß es doch notwendig sei, in unserem Recht den Konsumenten zu schützen. Ich habe mich darüber gewundert, daß diese Auffassung am allerstärksten von einem Kollegen der CDU-Fraktion vertreten worden ist. Es war, glaube ich, der Kollege Lenz, der geradezu darum gekämpft hat, dem Konsumenten den Schutz nicht zu nehmen. Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Lenz inzwischen mit seiner Fraktion solidarisch geworden ist und sich die Auffassung zu eigen gemacht hat, daß die marktwirtschaftliche Ordnung mit dem Wort „sozial" davor für den Konsumenten einen guten und ausgezeichneten Schutz bietet, daß diese ganze Wirtschaftsordnung ja ausschließlich auf den Schutz des Konsumenten ausgerichtet ist. Deswegen kann ich nicht verstehen, daß Sie zusätzlich einen Strafrichter für nötig halten.
Daß dieses Ziel, den Konsumenten zu schützen
— und zwar nicht nur den Konsumenten mit den geldlichen Fettpolstern, sondern auch den anderen, der sehr wenig auszugeben hat —, nicht nur eine Theorie ist, das haben gerade diese Konsumenten
— diese waren es doch — bei der letzten Wahl bewiesen. Ich glaube, man darf uneingeschränkt sagen, daß diese Wahl ein Votum für das Wirtschaftssystem gewesen ist, das in der Theorie wie in der Praxis für den Konsumenten eingetreten ist.
— Natürlich, das ist doch ganz klar. Sie hätten doch einen besseren Erfolg gehabt, wenn es nicht so gewesen wäre; denn Sie haben sich gegen dieses Wirtschaftssystem gewandt und sind sehr schlecht belohnt worden.
— Herr Heiland, diese Entwicklung ist ein erfreuliches Positivum. Ein Positivum ist es auch, daß
Ihre Partei wirklich die Konsequenzen daraus gezogen hat und sich post festum zu dieser Marktwirtschaft bekannt hat.