Rede:
ID0203004100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Arndgen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 30. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Mai 1954 1373 30. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1374 A Mitteilung und Beschlußfassung über Verzicht auf erneute erste Beratung der Gesetzentwürfe betr. Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (zu Drucksache 44), Einkommensgrenze für das Erlöschen der Versicherungsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung (zu Drucksache 67) und Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (zu Drucksache 68) 1374 B Mündliche Berichterstattung des Ausschusses für Petitionen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung in Verbindung mit der Beratung der Übersicht 5 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen nach dem Stand vom 7. Mai 1954 (Drucksache 508) 1374 B Frau Albertz (SPD), Berichterstatterin 1374 B Beschlußfassung 1378 B Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313; Antrag Umdruck 18) 1378 B Kalbitzer (SPD), Anfragender . . . 1378 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern . . 1380 D, 1396 D, 1400 B, 1401 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1381 C Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 1385 B Brandt (Berlin) (SPD) 1388 D Feller (GB/BHE) 1392 C Becker (Hamburg) (DP) 1394 D Kühn (Köln) (SPD) 1399 B, 1400 B Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Sozialreform (Drucksache 314) 1402 A Dr. Preller (SPD), Anfragender 1402 A, 1429 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1408 A, 1418 A, B Dr. Schellenberg (SPD) 1411 D, 1418 A, 1427 B Dr. Atzenroth (FDP) 1419 C Dr. Elbrächter (DP) 1421 D Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 1422 D Arndgen (CDU/CSU) 1424 C Frau Korspeter (SPD) 1426 A Schüttler (CDU/CSU) 1428 C Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksachen 223, 419) von der Tagesordnung 1430 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und des Rabattgesetzes (Drucksache 475) 1430 C Überweisung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit, für Rechtswesen und Verfassungsrecht und für Sonderfragen des Mittelstandes . . 1430 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache Nr. 218) 1430 C Dr. Siemer (CDU/CSU), Berichterstatter 1430 D Dr. Lütkens (SPD) 1431 C Dr. Hammer (FDP) (zur Geschäftsordnung) 1433 C Abstimmung 1431 C Weiterberatung vertagt 1433 D Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten (Drucksache 346) . . 1433 D Horn (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 1434 A Beratung vertagt 1434 C Nächste Sitzung 1433 D, 1434 C Anlage: Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage betr. pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Umdruck 18) 1435 Die Sitzung wird um 9 Uhr 9 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Antrag der Fraktion der SPD (Umdruck 18) zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zu erklären, daß sie von allen Plänen Abstand nimmt, die geeignet sind, die Unabhängigkeit und die Freiheit der Presse zu beeinträchtigen. Bonn, den 31. März 1954 Ollenhauer und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erni Finselberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! An den Vorgefechten der Debatte, die wir heute erleben, ist meine Fraktion bisher nicht beteiligt gewesen. Aber ich möchte deshalb um so stärker betonen, daß wir an der Problematik der heute aufgeworfenen Fragen schon immer sehr stark interessiert gewesen sind, weil es sich letzten Endes um ein Anliegen handelt, das zwar in erster Linie diejenigen betrifft, die auf die Verbesserung ihrer mißlichen Lebenslage hoffen, aber nicht nur diese; vielmehr geht es auch alle diejenigen an, die seit 1945 in eine bessere Lebenslage versetzt sind, und sie sollten ein ebenso lebendiges Interesse an diesem Thema haben.
    Herr Bundesarbeitsminister, Sie wissen, daß ich in verschiedenen Gesprächen mit Ihnen sehr häufig darauf hingewiesen habe, wie sehr meine Fraktion und meine Partei daran interessiert waren, auch an der Arbeit des Beirats teilzunehmen. Im Laufe der Monate, die inzwischen vergangen sind, habe ich drei verschiedene Einwendungen gehört, so daß leider noch immer kein Vertreter meiner Partei Mitglied dieses Beirats ist. Wir hätten sehr gern an dieser Vorarbeit teilgenommen, und ich meine, daß es auch das gute Recht meiner Parteifreunde gewesen wäre, zu einem früheren Zeitpunkt an dieser Arbeit beteiligt zu werden. Was uns aber von allem, was hier bisher besprochen worden ist, ganz besonders enttäuscht — das möchte ich Ihnen, Herr Minister, einmal sagen; man kann es doch nun gar nicht verhindern, daß


    (Frau Finselberger)

    dies in einer sehr starken Optik dabei hervortritt —, ist die Tatsache, daß der Beirat in den zwei Jahren, seit er besteht, so gut wie nichts geleistet hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich hätte mir vorstellen können, daß es die Aufgabe und der Beginn der Arbeit dieses Beirats gewesen wäre, zunächst einmal einen Grundsatzausschuß zu bilden, um in ihm gewisse Grundsätze und Leitthemen herauszuarbeiten, und daß nach diesen Leitthemen dann auch die Fachausschüsse gebildet worden wären. Ich kann nicht einsehen, weshalb man erst so eine gewisse thematische Ouvertüre in Gang gesetzt hat, um irgendwelche allgemeinbildenden Themen anzureißen; denn in diesem Beirat sitzen doch Persönlichkeiten, die über die fachlichen Aufgaben, über den sittlichen Gehalt dieser fachlichen Aufgaben aus ihrer Berufserfahrung, ihrem großen Wissen und Können und ihren Fähigkeiten durchaus im Bilde sind und sich nicht erst darüber allgemeinbildend unterrichten zu lassen brauchen.
    Ich sage das auch um deswillen, weil wir doch einmal feststellen müssen, daß es vielleicht besser gewesen wäre, Herr Bundesarbeitsminister, wenn dieser Beirat von Anfang an ein unabhängiger Beirat gewesen wäre; mit „unabhängig" meine ich: weil Sie als Bundesarbeitsminister doch außerordentlich stark an sehr viele Aufgaben gebunden sind. Ich habe den Eindruck, daß die so geringen Zusammenkünfte dieses Beirates darunter gelitten haben, daß Sie als der Vorsitzende dieses Beirates nicht so häufig zur Verfügung gestanden haben. Aber es gibt auch noch eine sachliche Begründung, und ich bitte Sie, es nicht als eine persönliche Unfreundlichkeit anzusehen, wenn ich das hier offen ausspreche. Sie als Bundesarbeitsminister, als der zuständige Ressortminister, haben ja das Ergebnis der Arbeit, die erledigten Aufgaben dieses Beirates wieder in Empfang zu nehmen. Es steht Ihnen dann alleine zu, diese Aufgabe zu beurteilen, ganz oder teilweise abzulehnen oder ganz oder teilweise dem Parlament zu empfehlen. Es scheint mir nicht ganz richtig zu sein, daß Sie als Mitglied oder Vorsitzender dieses Beirates an dieser Vorarbeit mitbeteiligt sind und auf der anderen Seite sich ein Urteil zu bilden und es auszusprechen haben.
    Ich meine, es sei notwendig gewesen, gleich zu Beginn des Zusammenfindens dieses Beirates zu der Bildung der Ausschüsse zu kommen. Ich muß sagen, meine politischen Freunde sind ebenso wie ich außerordentlich enttäuscht, wenn wir feststellen, daß diese Gremien innerhalb des Beirates erst vor wenigen Wochen oder Monaten gebildet worden sind. Wenn man sich einmal den großen Komplex einer Sozialreform vorstellt, wobei eine Rentenreform — diese ist heute in der Debatte am stärksten angesprochen worden — einen wichtigen Teil im Rahmen dieser Sozialreform darstellt, und wenn man sich einmal überlegt, welcher große Arbeitsbereich zu einer Neubildung und Umformung kommen und auf die heutige Lebenslage unserer Menschen abgestellt werden soll, dann müssen wir doch heute schon sagen: Wenn die Arbeit in dem Beirat und in den Ausschüssen jetzt erst begonnen hat, können wir vielleicht erst nach einem oder eineinhalb Jahren damit rechnen, daß uns irgend etwas vorgelegt wird, und dann haben wir im Parlament überhaupt erst die Möglichkeit, zu diesem Arbeitsergebnis Stellung zu nehmen. Wir wollen uns darüber gar nichts vormachen, und ich bin jener Optik sehr abhold, irgendwelche Hoffnungen zu erzeugen, daß wir in wenigen Wochen oder Monaten eine Sozialreform haben, weil ich sehr genau weiß, daß das so schnell gar nicht möglich ist. Um so mehr ist zu bedauern, daß zwei Jahre verstrichen sind, ohne daß praktisch etwas erreicht worden ist. Dieser Verlust an Zeit geht auf Kosten derjenigen, die heute oftmals ohne eigenes Verschulden in eine sehr traurige Lebenssituation hineingeraten sind. Das scheint mir das bedauerlichste Ergebnis dieser Debatte überhaupt zu sein. Ich hätte deshalb auch den Wunsch an Sie, Herr Bundesarbeitsminister, zu richten, sich einmal zu überlegen, ob die Anregung meiner Fraktion nicht richtig wäre, diesen Beirat unabhängig arbeiten zu lassen, damit er so oft wie möglich zusammentreten und das an Zeit nachholen kann, was bisher versäumt worden ist.
    Was die Sozialreform und ganz besonders den enger gezogenen Rahmen der Rentenreform angeht, so will ich trotz der vorgeschrittenen Zeit und obwohl meine Vorredner vieles schon angesprochen und erläutert haben, was auch das Anliegen meiner politischen Freunde ist, doch noch auf einiges hinweisen. Es scheint mir doch notwendig zu sein, in etwa einen Rahmen abzustecken und gewisse Grundsätze aufzustellen, nach denen man arbeiten sollte. Da nach meiner Auffassung aus den Darlegungen des Herrn Bundesarbeitsministers festzustellen war, daß man sich über diese Grundsätze noch nicht geeinigt hat, und da der Grundsatzausschuß jetzt erst gebildet worden ist, glaube ich, hier einige Anregungen geben zu müssen.
    Die allererste Forderung sollte sein, unter allen Umständen eine Rechtsvereinheitlichung der Sozialgesetzgebung anzustreben. Hier liegt eine echte Aufgabe des Beirats vor. Die starke Streuung der Erlasse und Verordnungen und die sonstigen Flickschustereien, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, müssen vermieden werden. Das soll kein Vorwurf sein. Wir haben ja irgendwie arbeiten müssen, um dem Ansturm der sozialen Anliegen wenigstens einigermaßen entgegentreten zu können. Diese Anliegen müssen einmal im Wege einer einheitlichen Gesetzgebung, in einer Rechtsvereinheitlichung, d. h. durch Zusammenfassung all dieser gesetzlichen Bestimmungen geordnet werden. Ich möchte einmal an das immerhin noch sehr gute Beispiel der Reichsversicherungsordnung, die im damaligen Reich grundlegend war, erinnern und daran, daß wir nach 1945 mit den verschiedenen Ländern zu rechnen hatten. Dabei hat es sich eingeschlichen, daß bei gleichen Beitragsleistungen verschiedene Leistungen von den Sozialversicherungsträgern gegeben werden. Das konnte kaum vermieden werden, und heute stehen wir vor der Tatsache einer außerordentlich starken Rechtsunsicherheit auf Grund dieser unterschiedlichen Leistungen.
    Dasselbe Bild bietet sich auch schon in der Krankenversicherung. Ich weise nur auf die unterschiedlichen Arzneigebühren und Zuschüsse hin sowie auf die verschiedensten Leistungen in der Familienhilfe selbst, die wir dabei auch zu beachten haben.
    Die Besserstellung gegenüber den Fürsorgeempfängern empfinden wir auch nicht mehr in diesem Sozialversicherungssystem. Wenn man sich einmal die Durchschnittsleistungen der Invalidenversicherung oder der Angestelltenversicherung ansieht, muß man feststellen, daß das Ruhe-


    (Frau Finselberger)

    geld im Durchnitt bei einem Angestellten über 65 Jahre etwa 118 DM beträgt. Die Invalidenrente eines 65jährigen Arbeiters beträgt etwa '76 DM. Bringt man das in Vergleich zu den Fürsorgeleistungen und berücksichtigt man ferner, daß der Betreffende ebenso wie der Arbeitgeber seine Leistungen bezahlt hat, so meinen wir, daß diese Unterschiede unter allen Umständen ausgeräumt werden müßten, wenn man die Leistungen auf dem Versicherungsprinzip aufbauen will.
    Eine weitere Frage kann ich, nachdem Sie die baldige Anhebung der Renten angekündigt haben, freundlicher anschneiden. Dabei habe ich Ihnen einmal ein Beispiel zu sagen. Ein Versicherter der Klasse II erhält nach 40 Arbeitsjahren nur 25% mehr als ein Versicherter, der in der gleichen Leistungsklasse nur fünf Jahre lang seine Beiträge gezahlt hat. Es sollte einmal geprüft werden, ob solche Unterschiede gerechtfertigt sind. Vielleicht könnte man in der allgemeinen Rentenreform diese Dinge nach gerechteren Maßstäben ordnen.
    Wenn wir von der Sozialreform sprechen, müssen wir daran denken, daß auch eine Rechtsverbesserung notwendig ist. Eine der wichtigsten Forderungen ist die nach einer gerechteren Verteilung der Lasten. Gerade das vorhin erwähnte Beispiel ist dafür kennzeichnend.
    Die Sozialreform muß außer der Rentenreform einiges andere in sich schließen, wie hier schon gesagt worden ist, zuletzt von dem Kollegen Dr. Atzenroth. Wir müssen an all die Leistungen, an die ganze soziale Betreuung und an die soziale Hilfestellung denken, die wir den Menschen zu geben haben, die schuldlos in eine besonders schwierige Lage geraten sind. Dazu gehören die Vertriebenen ebenso wie die Kriegsopfer, die Heimkehrer und Spätheimkehrer, unsere alten Invaliden und auch die Körperbehinderten. Eine einheitliche Sozialverfassung ist notwendig, um unter allen Umständen jedem deutschen Staatsbürger das Gefühl der Rechtssicherheit wie der sozialen Sicherheit zu geben, denn jeder kann einmal diesen Wechselfällen des Lebens ausgesetzt sein.
    Ich darf dabei darauf hinweisen, daß diese umfassende Aufgabe, die uns hiermit gestellt ist, nicht nur von den Menschen getragen werden kann, die darauf angewiesen sind, einmal die Leistungen aus der Sozialreform für sich selber in Anspruch zu nehmen. Es sollte vielmehr von dieser Stelle aus ein starker Appell erfolgen, daß die Lösung dieser Aufgabe eine Angelegenheit des gesamten Volkes sein muß. Alle müssen gemeinsam mit dem gleichen Interesse, mit gleicher Leidenschaftlichkeit an dieser Aufgabe arbeiten. Das muß mit dem ganzen Herzen geschehen. Alle müssen sich auf ihre Verpflichtung besinnen.
    Ich glaube auch, sagen zu müssen — und ich denke dabei an die Notstandsgebiete in Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein usw. —, daß am Beginn einer gesunden Sozialpolitik das Streben stehen muß, jedem Menschen das Recht auf Arbeit zu sichern. Meine politischen Freunde und ich sind nicht der Meinung, daß man den Menschen dazu erziehen sollte, sich auf einen sogenannten Rentenstaat zu verlassen. Das entspricht auch gar nicht der Mentalität des deutschen Menschen, denn der will in eigener Verantwortlichkeit sein Leben für sich und seine Familienangehörigen selber meistern. Es dürfte deshalb eine ganz besonders wichtige Aufgabe des Bundesarbeitsministers sein, dafür zu sorgen, daß die Menschen wieder einen Arbeitsplatz finden, die nun schon seit Jahr und Tag durch Arbeitslosigkeit oder Verlust ihrer materiellen Existenz in eine hoffnungslose Lage gekommen sind, aus der sie keinen Ausweg sehen. Auch diese Menschen sollen wieder aus eigener Kraft ihr Schicksal meistern können. Das Grundrecht auf Arbeit müssen wir in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen und daraus alles Weitere entwickeln, was im Laufe dieser Debatte von den verschiedensten Seiten vorgetragen wurde.
    Wenn ich das, was heute in diesen Stunden der Aussprache gesagt worden ist, überschaue und über das Ergebnis nachsinne, so muß ich doch folgendes sagen. Von den Rednern aller Fraktionen und selbstverständlich auch von unserem Herrn Bundesarbeitsminister habe ich den erfreulichen Eindruck, daß alle das gleiche Anliegen beseelt. Wir wollen uns trotz aller zum Ausdruck gekommenen Leidenschaftlichkeit und der sehr offenen Worte, die, wie ich unterstreichen möchte, sicherlich notwendig waren, zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden. Wir wollen diese Verantwortung übernehmen, den Menschen zu helfen und dazu beizutragen, daß unser deutsches Volk einen weiteren sozialen Aufstieg erlebt.

    (Beifall beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Arndgen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beratungen um Große Anfragen, die sich mit einem in Vorbereitung befindlichen Gegenstand beschäftigen, sind und können Dynamik sein. Aber diese Dynamik kann einen bitteren Geschmack hinterlassen, wenn man die Begleitmusik, mit der diese Beratungen begonnen worden sind, auf sich wirken läßt. Nach meinem Dafürhalten ist es nicht tunlich, anderen bei den Beratungen sozialpolitische Gesinnung abzusprechen. Es ist weiter nicht tunlich, anderen vorzuwerfen, sie benutzten die Rentner als Spielball für politische Reden. Ich meine, bei einer derartig ernsten Beratung wie der, in der wir heute stehen, sollte man diese Ausdrücke vermeiden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf der Abg. Frau Korspeter.)

    — Ihr Hintermann, Frau Korspeter! — Auch, glaube ich, sollte man keinem einen Vorwurf machen — wie es Herr Professor Schellenberg getan hat —, wenn er von Sozialreform spricht. Herr Professor Schellenberg, von Sozialreform ist gesprochen worden, da hatten wir noch kein Bundesarbeitsministerium; und ich habe einen Professor Schellenberg erlebt, der — im Jahre 1946, glaube ich, war es — auf Einladung des Herrn Ministerpräsidenten Geiler in Wiesbaden in der Staatskanzlei auch schon über Sozialreform gesprochen hat, ohne daß er damals in der Lage gewesen wäre, uns irgendeine Konstruktion für diese Reform vorzutragen.
    Man soll auch nicht jemanden den Vorwurf machen, er trage Pläne vor, die die Rentner in Aufregung brächten, und im gleichen Atemzug die Kenntnisnahme dieser Pläne verlangen. Das ist auch nicht logisch. Ich meine den Vorwurf, Herr Professor Schellenberg, den Sie hier gemacht haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das verstehe ich nicht!)

    Sie haben in Ihren Ausführungen zu den Finanzierungsmöglichkeitaen und -notwendigkeiten bei


    (Arndgen)

    der Altrentenaufbesserung kritisiert, daß die Mittel der Versicherungsträger in Anspruch genommen werden sollen. Ich möchte doch darauf verweisen, daß die SPD-Fraktion im 1. Bundestag bei Anträgen auf Erhöhung der Renten immer und immer wieder auf die Millionen verwiesen hat, die die Rentenversicherung noch zur Verfügung hat.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Wenn man das getan hat und wenn man sogar mehrfach eine Inanspruchnahme dieser Mittel verlangt hat, dann glaube ich, sollte man sich jetzt nicht hier hinsteilen und den Herrn Minister kritisieren, wenn er die anfallenden Finanzen der Rentenversicherungsträger für diese Dinge in Anspruch nehmen will.

    (Abg. Samwer: Richtig!)

    Nun noch ein ganz kurzes Wort zu der Großen oder Kleinen, überhaupt zu der Sozialreform. Sowohl von Herrn Professor Preller als auch von Herrn Professor Schellenberg sind dem Herrn Arbeitsminister Vorwürfe gemacht worden. Es ist behauptet worden, der Beirat der hierfür eingesetzt ist, habe versagt. Wer sich seit dem Jahre 1945 mit sozialpolitischen Fragen beschäftigt hat, der weiß, daß dieser Beirat nicht die einzige Institution ist, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Wir haben außer diesem Beirat eine ganze Reihe Institutionen, die frei sind, die also nicht von einer Regierung abhängig sind, die sich mit diesen Fragen intensiv beschäftigen. Ich nenne den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, ich nenne die Gesellschaft für sozialen Fortschritt, die dem Herrn Preller nicht unbekannt sein wird, ich nenne die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung. Ich nenne weiter sonstige Institute, die sich bei Universitäten befinden. Ich erinnere an den Herrn Professor Mackenrodt, der hier schon genannt worden ist, ich erinnere an den Herrn Professor Neuendörfer, ich erinnere an den Herrn Professor Achinger, — Menschen und Institute, die sich in Freiheit, also nicht einer Regierungsinstitution irgendwie verpflichtet oder unterstellt, mit allen diesen Fragen schon seit Jahren beschäftigen. Trotz der Arbeiten, die in den hinter uns liegenden Jahren von diesen Stellen dankenswerterweise geleistet worden sind, ist es bis heute noch nicht zu einer Konstruktion gekommen, wie man die Sozialreform durchführen soll. Wenn dem so ist, dann geht daraus hervor, wie schwierig und wie außerordentlich kompliziert die ganze Angelegenheit ist.
    Mir scheint, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund deswegen sehr vorsichtig gewesen ist.

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Auf dem Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes — ich glaube, im Jahre 1952 — in Berlin ist beschlossen worden, auch von dieser Organisation aus eine Kommission zusammenzusetzen, die sich mit all diesen Fragen beschäftigen sollte. Erst vor einigen Wochen hat der Deutsche Gewerkschaftsbund diese Kommission gebildet, vielleicht aus dem Gedanken heraus, wie schwierig es heute ist, die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich kann mich noch daran erinnern, als Goebbels während des Krieges den totalen Krieg proklamiert und über alle Lautsprecher damals ausgerufen hat: „Wenn wir einmal abtreten, dann schlagen wir die Tür mit einem Krach zu, daß diejenigen, die das in Ordnung bringen müssen, was dann übrigbleibt, in Gefahr geraten, von ihrer eigenen Bevölkerung zur Verantwortung gezogen zu werden." Gerade
    auf dem Gebiete der Sozialpolitik sind wir durch das „Dritte Reich" in eine Situation hineingekommen, die es sehr schwierig macht, die Dinge alle in Ordnung zu bringen. Die Verantwortung nun aber auf unseren Bundesarbeitsminister abwälzen zu wollen, das ist doch ein sehr starkes Stück!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Ich meine, wenn es all den Einrichtungen, die ich vorhin genannt habe, in all den Jahren, die hinter uns liegen, nicht gelungen ist, eine entsprechende Konstruktion zu finden und zu formen, dann sollte man es nicht tragisch nehmen, wenn der Beirat bisher in den zwei Jahren erst bis zu dem gekommen ist, was der Herr Arbeitsminister hier vorgetragen hat. Ich weiß nicht, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, ob Sie heute den Mund so voll genommen hätten, wenn einer Ihrer Herren an der Stelle des Herrn Arbeitsministers säße.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Pohle: Herr Arndgen, denken Sie an Ihren Artikel in der „Ketteler-Wacht"!)

    Alle diejenigen, die sich in den hinter uns liegenden Jahren seit 1945 — dazu rechne ich Preller, dazu rechne ich Pohle, dazu rechne ich auch Schellenberg — eingehend mit all den Dingen auf sozialpolitischem Gebiet beschäftigt haben, die wissen um die Schwierigkeit dieser Fragen. Daher soll man nicht Menschen, die sich in dieser Richtung mit Ernst bemüht haben und weiter bemühen, mit solchen Formulierungen anreden, wie es hier geschehen ist.

    (Zuruf der Abg. Frau Korspeter.)

    Ich glaube, wenn wir die Diskussion um diese Dinge in einer etwas anderen Atmosphäre geführt hätten, wären wir weiter gekommen. Gestern habe ich gehört, daß Herr Professor Schellenberg davon gesprochen hat, wir sollten weniger reden und mehr arbeiten.

    (Abg. Winkelheide: Richtig, das hat er gestern gesagt!)

    Wenn, meine ich, der Herr Professor Schellenberg von dieser seiner Auffassung heute Gebrauch gemacht hätte und wir hätten uns, statt hier zu reden, im Ausschuß für Sozialpolitik auf den Hosenboden gesetzt und wären an die Arbeiten, die wir im Ausschuß schon vorliegen haben, herangegangen,

    (Abg. Frau Korspeter: Das ist ja unerhört!) dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, wären wir weiter gekommen!


    (Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schellenberg: Dann wollen wir das Plenum abschaffen! — Abg. Frau Korspeter: Aber Herr Arndgen!)

    Wir hätten die Dinge, die heute hier im Interesse der Rentner und auch im Interesse der Öffentlichkeit besprochen worden sind, in einem kürzeren Zeitraum erledigen können; dann wären wir mit unserer Arbeit hier zeitlich fertig gewesen und hätten an die richtige Arbeit herangehen können, von der Herr Professor Schellenberg gestern gesprochen hat.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Wenn ein Gesetzentwurf fristgemäß vorgelegt worden wäre, wie es der Minister versprochen hat!)

    Ich glaube, daß Frau Finselberger in ihren Schlußausführungen den richtigen Ton gefunden hat, und zwar, daß wir, nachdem wir diese Dinge


    (Arndgen)

    jetzt im einzelnen besprochen haben, nun gemeinsam an die Arbeit gehen sollen, die berechtigten Anliegen der Rentner so bald wie möglich in Ordnung zu bringen. Das ist auch meine Auffassung, und ich bin der Meinung, daß der Herr Arbeitsminister mit seinen Mitarbeitern uns dabei zur Seite stehen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)