Das haben Sie gesagt! Sie haben nur, glaube ich — die Kontrolle des wörtlichen Stenogramms wird Sie davon überzeugen; ich habe von vornherein unterstellt, daß Sie es nicht in diesem Sinne gemeint haben —, gesagt, die Regierung vertrete eine große Wählerschaft. Es geht mir schon deshalb darum, diese Dinge klarzustellen, weil der Kollege Becker gefordert hat, daß beispielsweise der Rundfunk gerade der Regierung ein größeres Maß an Verlautbarungsmöglichkeiten abseits von den Parteiquoten einrichten sollte. Das stützt sich ja doch auf jene These, die davon ausgeht und die wir für falsch halten, daß man die Regierung bei ihren Aktionen als Vertretung des ganzen Volkes, aber nicht als die Vertretung einer bestimmten Gruppe der Wählerschaft empfinden könnte.
Wir halten das für eine sehr theoretische Unterscheidung. Aber es war mir interessant, jedenfalls von dem Herrn Innenminister die Bestätigung, die Interpretation seiner Ausführungen hier einzuholen.
Nun hat der Herr Innenminister auch noch gesagt, der Kollege Brandt habe erklärt, er — der Herr Innenminister — hätte Widerstand geleistet, daß man „auf vernünftige Fragen vernünftige Antworten" geben sollte. Ich unterstelle der Intelligenz des Herrn Innenministers gewiß nicht, daß er dies in dieser Form gemeint hat. Herr Minister, es gilt nur manchmal die Anlehnung an ein Wort von
Pascal, der einmal gesagt hat: „Was diesseits der Pyrenäen Wahrheit ist, ist jenseits Irrtum". Vielleicht, was diesseits der Regierungsbank vernünftig ist, könnte jenseits durchaus als unvernünftig empfunden werden.
Nun, worum geht es, und was war das Anliegen unserer Anfrage? Es macht sich eine Tendenz bemerkbar, die heimlichen Methoden der Zensur zu praktizieren.
Es macht sich eine Tendenz ganz allgemein in dieser Zeit, die wir durchleben, bemerkbar, die subtilen Formen der Meinungsbildung zu praktizieren, die sich ja nicht mehr der nun hinter uns oder vorläufig jedenfalls hinter uns liegenden Periode der brutalen Gewalt der „Zensur" bedient. Sie wissen, daß die Skala der subtilen Beeinflussungsmethoden — auf unserem Gebiet Favorisierung gefügiger Journalisten usw. und alles mit Mitteln, die gar nicht in materieller Gestalt in Erscheinung zu treten brauchen — sehr weit reicht und daß das außerordentlich gefährliche Methoden sind. Wir möchten nach dem Grundsatz, daß bereits den Anfängen zu wehren ist, daß in diesem Hause eine Meinungserklärung vorliegt. Ich danke dem Herrn Innenminister, daß er die Auffassung hier vertreten hat, daß die Regierung jedenfalls nicht den Willen hat — und ich nehme diese seine Erklärung zunächst als bare Münze —, solche Methoden zu praktizieren.
Wir hätten deshalb gewünscht, daß sich auch bereits bei den Etatberatungen eine Mehrheit aus den Regierungsparteien für die Auffassung gefunden hätte, die Subsidien- und Ermittlungsfonds, die der Regierung zur Verfügung stehen, durch einen parlamentarischen Ausschuß kontrollieren zu lassen.
Der Sprecher der FDP, Prinz zu Löwenstein, hat darauf hingewiesen, daß die FDP diesen Wunsch hat. Ich habe lebhaft bedauern müssen, daß die FDP das zu anderen Zeiten, als man abstimmungsmäßig diese Neigung in diesem Hause hätte bekunden müssen, nicht in der notwendigen Form zum Ausdruck gebracht hat.
Ich glaube, daß wir sehr daran interessiert sein müßten, daß ein Ausschuß vorhanden ist, in dem eine absolute Offenherzigkeit herrscht und in dem Menschen sitzen, denen das Vertrauen zugesprochen werden muß und die eben die Gewähr
— die einzige einem Parlament gegenüber zu praktizierende Gewähr — bieten, daß diese Fonds nicht
— wie es der Herr Innenminister erklärt hat und, ich wiederhole, wie ich es ihm zunächst glaube — in bestimmtem Parteien-, Koalitions- oder Regierungsinteresse verwendet werden.
Aber ein demokratisches Parlament bedarf dazu eines Instruments, das über den Rahmen der Regierung und ihrer Koalitionsparteien hinausgeht. Prinz zu Löwenstein hat von der „Opposition in der Koalition" gesprochen, und ich werte es als einen Ausfluß seiner Absicht — er hat sich „einen ganz freien Demokraten" genannt —, die FDP zu einer GFDP — zu einer ganz Freien Demokratischen Partei — zu wandeln.
Wir würden es jedenfalls sehr lebhaft begrüßen, wenn die FDP unsere Absicht, für diese Fonds einen Ausschuß zu schaffen, unterstützen würde.
Nun hat Herr B e c k e r davon gesprochen, daß sich in der Presse auch Dinge täten, die eben nicht zu tolerieren seien; daß die Freiheit auch mißbraucht werde. Dazu liegen — und hier möchte ich an die Adresse des Herrn Innenministers eine konkrete Angabe machen — mittlerweile in der Tat eine Fülle von Publikationen in der Bundesrepublik vor. Mir ist ein Organ vorgelegt worden, das unter dem aufreizenden Titel „Die Anklage" als Organ der Entnazifizierungsgeschädigten erscheint und in dem man beispielsweise Formulierungen findet, in denen gegenüber allen Politikern, die nach 1945 in Erscheinung getreten sind, Worte geprägt werden wie: „Diese Garnitur der 1945er, die nicht Deutschland, sondern das Gangstertum und den Auswurf der Menschheit repräsentieren".
Dieses Blatt erscheint immer noch, und ich könnte Ihnen eine Fülle von ähnlichen Zitaten aus diesem Blatt vorlesen.
Ich glaube, daß hier in der Tat die Grenze der Freiheit liegt.
Um dies festzustellen, bedürfen wir keines Pressegesetzes, ob es nun aus den Kreisen der Regierung ursprünglich initiiert wurde oder ob gewisse Kreise der Presse — vielleicht mehr aus der Haltung heraus, eines Presse schut z gesetzes zu bedürfen
— glaubten, es nunmehr selbst initiieren zu sollen.
— Dazu genügen die gesetzlich gegebenen Bestimmungen und die Bestimmungen des Bundesgrundgesetzes.
Hier ist ein fundamentaler Angriff gegen die demokratische Grundordnung gestartet. Ich glaube, daß die Regierung hier eine mimosenhaftere Empfindlichkeit bekunden muß. Ich weiß nicht, ob die Regierung endgültig ihre Absichten, ein Informationsministerium zu schaffen, zu Grabe getragen hat, Jedenfalls ist heute mehrfach der beziehungsreiche und bedeutungsvolle Name Lenz gefallen, der gewissermaßen das Symbol für die Frühlingsgefühle politischer Zensurabsichten bei manchen Leuten geworden ist.
Herr Kollege Dresbach hat gesagt, daß Herr Lenz aus den Diensten des Kabinetts ausgeschieden sei, „um sich wahrhaft freiem geistigem Schaffen" zu widmen. Ich hoffe, daß dies nicht etwa doch bedeutet, daß er weiterhin am Gedanken des Informationsministeriums festhält.
Die heutige Debatte hat uns nicht vollends davon überzeugt, daß die Regierungsabsichten völlig harmlos seien. Wir wollen keine Zensur. Wir danken der Regierung, daß sie erklärt hat, auch sie wolle sie in keiner Form. Wir wünschen aber auch keinen irgendwie anders genannten Meinungslenkungsapparat. Wir wünschen, daß die Presse nach einem Wort Heinrich Heines der Sauerteig des widerstrebenden Geistes ist und bleibt. Das ist ihre große Funktion, eine Funktion, die sie zu erfüllen hat aus einer tiefen Verantwortung heraus. Die Aufgabe der Presse — und es gibt Presseorgane, die diese Grundaufgabe leider nicht immer mit aller Deutlichkeit empfinden — liegt ja nicht so sehr darin, „Knüller" und Nachrichtensensationen zu bringen; die große sittliche Funktion der Presse ist doch, daß sie ein gesinnungsbildendes Instrument ist.
Diese Aufgabe kann sie nur aus der großen Verantwortung heraus erfüllen, die mit dem Beruf des Journalisten verbunden ist. Sie kann sie aber auch nur erfüllen aus der ganzen Substanz des Wissens um die Dinge, des Wissens, das ihr vermittelt werden muß von all denen, die es besitzen. Hier hat die Regierung — von welchen Parteien sie auch immer getragen ist — die große Funktion, die Presse an dieses Wissen herankommen zu lassen. Ich glaube, es ist eine Frage des inneren Ehrenkodex der wahrhaften Journalisten und gar nicht so sehr der Disziplinierung von außen, die für den Beruf nicht geeigneten Elemente auf ihre Art aus dem Gewerbe herauszubringen. Wir wünschen keine Form der Zensur, keine Gängelung der Meinungsbildung.
Ich möchte schließen mit einem Wort Hebbels : Leicht ist ein Sumpf zu verhüten, doch
ist er einmal entstanden, so verhütet kein Gott Schlangen und
Molche in ihm.
Und was Gott — nach Hebbel — nicht möglich ist, das würde auch — nun will ich keinen Namen nennen — nicht irgendeinem Informationsminister möglich sein. Deshalb wünschen wir, daß die Regierung künftig nicht — auch nicht zögernd — an die • Diskussion solcher Institute herangeht. Wir danken dem Herrn Bundesinnenminister dafür, daß er in aller Form eine Erklärung abgegeben hat, die vollinhaltlich mit unserem Antrag übereinstimmt. Wir können unseren Antrag durch diese positive Erklärung des Herrn Innenministers als erledigt ansehen.