Rede von
Heinz
Kühn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu einigen abschließenden Bemerkungen haben mich zunächst Herr Kollege Dresbach und zum Schluß der Herr Bundesinnenminister veranlaßt. Herr Kollege Dresbach ist in seiner charmanten Courtoisie so weit gegangen, daß er uns die Dessous der Bundesregierung freundlicherweise zur Untersuchung überlassen hat, gewissermaßen als Monopolaufgabe für die Opposition; eine wenig anreizende Ermunterung. Der Herr Bundesinnenminister hat dann seinerseits noch schamhaft alles das in einer recht charmanten Weise zugedeckt, was Kollege Dresbach doch zur Unterstützung der Opposition mit zu enthüllen unternommen hatte.
Nun, die Bemerkungen des Herrn Bundesinnenministers waren der Versuch, dieses Problem sehr zu bagatellisieren.
Es ist ihm weitgehend gelungen. Ich will versuchen, auf einige seiner Bemerkungen etwas zu sagen. Ich glaube, daß die aufmerksame Prüfung des Protokolls der heutigen Verhandlungen ihn davon überzeugen wird, daß meine beiden Freunde Kalbitzer und Brandt bei den beiden entscheidenden Fragen durchaus „Roß und Reiter" genannt haben; über andere Dinge wird noch zu reden sein. Nur glaube ich, Herr Minister, das Entscheidende, um das wir heute hier diskutiert haben, war doch ein Symptom, das in der Entwicklung Ausdruck findet, und nicht alle Einzelheiten sind immer dazu angetan, bis in die letzten Quellen namhaft gemacht zu werden. Denn Sie werden verstehen, gerade die Dinge, die hier als Beeinflussungsmethoden der Presse angesprochen worden sind, haben oft zur Folge, daß man Roß und Reiter Ihnen hier gewissermaßen auf den Tisch legen kann. Aber ich glaube, Sie haben eine muntere Reiterei, die Sie sich mit Roß und Reiter aus dem Stenogramm des heutigen Tages herauslesen können.
Sie haben vieles verschwiegen, Herr Minister. Ich glaube, Sie haben nicht bloß verschwiegen, was Sie nicht wissen, sondern, einem Worte Börnes zufolge, auch das, was Sie wissen. Viel deutlicher in bezug auf das, was man in gewissen Milieus der Regierung beabsichtigt, ist der Kollege Becker von der rechtsflügeligen Regierungspartei dieses Hauses geworden in seinem Plädoyer für Materndienst und Regierungsautorität. Ich hoffe nur, daß der Herr Kollege Becker das größere Maß an Regierungsautorität, das er der Regierung auf dem Informationswege anempfohlen hat, nicht aus jenem Geiste heraus exerziert wissen möchte, der ihn nach Mitteilungen, die ich von meinen Hamburger Freunden bekommen habe, dazu veranlaßt hat, in Hamburg von der Bundesfahne als schwarz-rotgelber Fahne zu reden.
Worum es geht in der Auseinandersetzung, das sind
doch die zensurlüsternen Tendenzen unserer Zeit,
die sich in die große Macht der meinungsbildenden Mittel hineindrängen wollen. Das geschieht sehr viel mehr auf dem Wege über sehr subtile Methoden als auf dem Wege über unmittelbare Zensurmethoden.
Es war der Herr Bundestagspräsident und es war — wenn ich mich der Pressenotiz recht entsinne — auch der Herr Bundeskanzler, die der Presse ein größeres Maß an Zurückhaltung empfohlen haben. Herr Kollege Becker ging sogar so weit, es als ein Übergebühr an Langmut zu empfinden, daß die Regierung hier nicht häufiger dagegen einschreitet, daß sie es hinnimmt, daß Leitartikel der Presse von einem derartigen Geist der Kritik getragen sind.
Nun ist von der Regierung und von dem Herrn Bundesinnenminister hier selbst gesagt worden, daß diese Regierung am 6. September eine große Mehrheit bekommen hat. Ich glaube, wer rückwärtsschauend den Wahlkampf betrachtet, wird j eden-falls nicht den Eindruck gewinnen, daß die große Masse der Presse dieser Regierung unfreundlich gegenübergestanden hat.
Wenn sich mittlerweile in der Haltung dieser Presse etwas geändert haben sollte, dann dürfte das vielleicht nicht zuletzt daran liegen, daß sich das öffentliche Urteil über den Charakter und die Chancen dieser Politik geändert hat.
Nun hat der Herr Innenminister gesagt — und das war, glaube ich, ein etwas falscher Zungenschlag; ich will hoffen, daß er es auch nicht so gemeint hat, wie er es gesagt hat —, die Regierung vertrete eine große Wählerschaft. Herr Minister, das ist nicht richtig. Die Regierung vertritt das Volk.
Ihre Koalitionsparteien vertreten eine vorläufig noch — jedenfalls nach den bisher meßbaren Ergebnissen — größere Wählerschaft.
— Meine Herren, gerade von Ihren Kreisen ist immer so großer Wert darauf gelegt worden, zu sagen, die Regierung ist ein von den Koalitionsparteien insoweit unabhängiges Institut, als sie das ganze Volk vertritt.