Meine Damen und Herren! Die heutige Diskussion hätte sehr explosiv sein können. Man mußte es sogar vermuten, denn sie beschäftigt sich mit einem Gegenstand, der vielleicht der explosivste ist, den es überhaupt auf der Erde gibt, nämlich mit der Freiheit, mit der Geistesfreiheit und mit der Pressefreiheit, die mit ihr eng verbunden ist. Der Kollege Dresbach hat es verstanden, die Spannung, die hier herrschte, durch rechtzeitig eingeführten Humor zu mildern. Leider hat er die Atmosphäre so weit entspannt, daß das Haus sich nun im Laufe der Debatte wieder ziemlich entleert hat, vielleicht weil das eigentliche, was gesagt werden mußte, sehr schnell und so treffend gesagt wurde, daß den nachfolgenden Rednern in gewisser Weise die Lust vergangen ist, dazu noch allzuviel auszuführen. Aber gerade der Ausführungen des Kollegen Dresbach wegen ist es, glaube ich, notwendig, daß wir von der Deutschen Partei noch ein Wort dazu sagen. Es war ja sehr interessant, welche Begriffe Herr Dresbach in die Debatte einführte. Er bezog sich z. B. auf Äußerungen, die mein Kollege Dr. Schild vor einiger Zeit einmal über die Zeitspanne von 1918 bis 1933 gemacht hat, von der er sagte, daß sie zur Nivellierung geführt hätte. Wenn wir das heutige Verhältnis von Regierung zur Presse beobachten und beurteilen wollen, ist es bestimmt notwendig, die damalige Zeit, die sogenannte Weimarer Zeit, zum Vergleich heranzuziehen. Man muß auch folgendes feststellen: Ein anderer Redner, ich glaube, es war der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein, führte die großen meistens liberalen Blätter der
damaligen Zeit an und schilderte die Vielfältigkeit, die geistige Regsamkeit und das lebendige Bild des Pressewesens dieser Epoche.
Interessant ist nun folgendes. Auch in den Jahren 1931/32 hatten diese großen sogenannten liberalen Zeitungen, „Berliner Tageblatt", „Frankfurter Zeitung" usw., nach wie vor ihren großen Leserkreis und ihre ganz anständigen Auflagen. Auch die Generalanzeiger-Presse hatte ja nach wie vor ihre Millionenauflage im gesamten Deutschland. Obwohl also die Pressefreiheit bis in das Jahr 1932 hinein gewahrt geblieben war, mußte man doch feststellen, daß dennoch die Parteien, die ein totalitäres Staatsbild haben, die Kommunistische Partei und die Nationalsozialistische Partei, das Ohr und die Herzen der Bevölkerung gewannen. Ich erwähne das hier absichtlich, weil ich darauf hindeuten will, daß die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Schild bei anderer Gelegenheit zutreffen, nämlich daß eine zügellose Freiheit zu einem Kampf aller gegen alle und zur Nivellierung wirtschaftlicher und geistiger Art führt, wenn gleichzeitig keine Ordnungsprinzipien sichtbar und fühlbar sind, und daß dann die gewahrte Pressefreiheit gar nichts nützt, weil trotz Riesenauflage die Bevölkerung, die Glieder unseres Volkes, von anderen Wertvorstellungen geleitet werden, als es in dieser freiheitlich gestalteten Presse zum Ausdruck kommt.
Im Zusammenhang damit möchte ich etwas zu den sogenannten berufsständischen Gesetzen und gerade auch zu dem Journalistengesetz sagen, das heute von den Journalisten selbst angestrebt wird. Nicht etwa in erster Linie die Bundesregierung oder dieses Hohe Haus will ja jetzt noch unbedingt ein Pressegesetz, sondern die Journalisten selbst wünschen ein berufsständisches Gesetz, ein Berufsordnungsgesetz, und das aus gutem Grund. Die anderen Berufe heutzutage, die Handwerker, stehen hier als gutes Beispiel an der Spitze, fordern von sich aus auch solche berufsordnenden Gesetze. Wenn Sie an den Konsumenten denken, z. B. gerade auf dem Gebiet des Handwerks, so muß man doch sagen: Seit dem Bestehen der Handwerksordnung — sie besteht nur kurz — ist der Konsument gut bedient und hat auch alle Aussicht, in der Zukunft gut bedient zu werden, und dem freien, großen Berufsstand des Handwerks selbst ist auch gedient. Das gilt auch auf dem Gebiet des Journalismus, sowohl für den Journalisten wie für seinen Kunden, nämlich den Leser. Die Zeitung hat doch ein Interesse daran, daß der Beruf des Journalisten gewissen Ordnungsprinzipien unterworfen wird, Prinzipien, die diese Journalisten selbst fordern. Der Gesetzgeber, also wir, sollten diesem Wunsch, der da vom Berufsstand geäußert wird, entsprechen. Der Staat hat insofern Hilfestellung zu leisten und gesetzlich in allgemein verbindlicher und gültiger Form festzulegen, was diese Berufsstände selbst wünschen.
Meine Damen und Herren, ich will damit nur folgendes bekräftigen. Nicht alles, was unter der Flagge der Geistesfreiheit segelt, ist Geistesfreiheit, es ist auch oft eine Freiheit des Ungeistes. Mit dem Begriff der liberalen Freiheit, den der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein geprägt hat, kann ich da nichts mehr anfangen. Liberale Freiheit heißt ja freie Freiheit. Das erinnert mich sehr an den Begriff der Volksdemokratie. Eine doppelte Bejahung bedeutet da eine Verneinung.
Gerade wenn wir die Presse- und Geistesfreiheit in Deutschland haben und behalten wollen, müssen
wir bestimmte Berufsgesetze haben, auch auf dem Gebiete des Journalismus. Ich glaube, daß wir noch im Laufe der Legislaturperiode dazu kommen werden. Man sollte nicht so einfach über ,die Wünsche der einzelnen Berufsstände hinweggehen und sagen: Namens des Liberalismus wünschen wir keine Berufsordnungsgesetze. Mit Zünftlertum und ähnlichen Begriffen, die verwandt wurden, hat das nichts zu tun, sondern damit, daß die Freiheit, die wir alle zu erhalten wünschen, wirklich nur dann gedeihen kann, wenn von allen Seiten bestimmte Ordnungsprinzipien anerkannt werden.
Der eigentliche Anlaß der heutigen Debatte war die Große Anfrage der SPD, der dann ein Antrag der SPD nachgereicht wurde. Als wir vor einigen Wochen über die Filmpolitik der Bundesregierung debattierten, war, wie man sagen muß, wirklich ein ernster Grund zu der damaligen Anfrage der SPD gegeben, namentlich wegen der bekannten Äußerung, über die wir seinerzeit ausgiebig diskutiert haben. Diesmal kommt es mir allerdings so vor, als wenn von der SPD mit etwas schweren Geschützen geschossen würde. Man kann es auch anders ausdrücken. Diesen anderen Ausdruck werde ich vielleicht nachher noch bringen.
Der Abgeordnete Kalbitzer hat vom „schleichenden Gift", vom „Reptilienfonds" und von der drohenden „Gleichschaltung" gesprochen. Wie ist denn die Lage wirklich? Die Bundesregierung hat bei der Bevölkerung eine sehr gute Autorität, möchte ich sagen, eine Autorität, die nicht durch geheimnisvolle Maßnahmen der Pressebeeinflussung und dergleichen, sondern einfach darin begründet ist, daß die Leistungen der vorigen und der jetzigen Bundesregierung gut gewesen sind. Wenn Sie aber die Presse lesen — ich meine hier in erster Linie die Tageszeitungen —, so können Sie doch feststellen, daß in den politischen Aufsätzen die kritischen Äußerungen der Leitartikler weitaus häufiger sind als die anerkennenden Worte. Man kann also doch im großen und ganzen nicht behaupten, daß in der Bundesrepublik eine sehr große Gefahr der Eindämmung der Pressefreiheit vorhanden sei. Ganz im Gegenteil! Ich wundere mich, muß ich sagen, häufig über die Langmut, mit der die immer wiederkehrende Kritik in so vielen an sich gut geleiteten Zeitungen von der Bundesregierung hingenommen wird und wie wenig an wirklich durchschlagender Dokumentation von der Bundesregierung geschieht. Ich möchte daher der Bundesregierung eigentlich den gegenteiligen Vorwurf machen, daß sie nicht deutlich und klar genug ihre Absichten und ihren Willen der Bevölkerung zu vermitteln versteht.
Ich will das an einem Beispiel erläutern, das nicht direkt etwas mit der Presse zu tun hat, aber parallel dazu liegt, nämlich an dem Beispiel des Rundfunks. Im Rundfunk haben alle nennenswerten, größeren Gruppen der Bevölkerung die Möglichkeit, in den Sendeprogrammen zu Wort zu kommen, z. B. die Kirchen mit ihren Gottesdiensten und weit darüber hinaus mit verschiedenen Beiträgen, womit ihnen die Gelegenheit gegeben ist, regelmäßig zu den Mitgliedern ihrer Gemeinschaften zu sprechen und sich über einschlägige Fragen zu unterhalten. Auch den Gewerkschaften ist es vorbehalten, innerhalb des Sendeprogramms in einem bestimmten Rahmen zu Worte zu kommen. Selbst Minderheiten wie das Judentum haben diese Möglichkeit. Ich erinnere daran, daß wir im NWDR regelmäßig die Stunde des Judentums haben.
Auch die Landwirte haben ihre bestimmte Stunde. Es betrifft also alle Berufsgruppen und alle weltanschaulichen Gruppen. Die politischen Parteien haben innerhalb der einzelnen Sendeprogramme ebenfalls ein, wenn auch häufig sehr enges Feld und können darin mit ihren Meinungen zu Worte kommen.
Die Bundesregierung selbst hat bei diesen Rundfunkprogrammen bisher nicht die Möglichkeit, etwa jede Woche einmal eine Stunde der Regierung zu senden. Also ich will damit zeigen: es gibt die Einrichtung des Rundfunks und die oberste Instanz unseres Staates. Die oberste Spitze unseres Staates, vom Bundespräsidenten abgesehen, der ja nur das Repräsentative unseres Staates bedeutet, der oberste Willensträger, möchte ich. fast sagen, oder Beauftragte des Willensträgers des Parlaments, die Regierung, hat nicht die Möglichkeit, im Rundfunk eine halbe Stunde oder eine Stunde in der Woche einmal ihre Meinung und ihre Absichten zum Ausdruck zu bringen. Sie hat diese Möglichkeit im großen und ganzen in der Presse ja auch nicht, es sei denn in den direkt herausgegebenen Organen wie dem „Bulletin" und dem „Bundesanzeiger", der ja an sich die Gesetze nur im Wortlaut bringt, oder dergleichen. Sie ist also, wenn sie klar und deutlich zur Bevölkerung sprechen will, als Regierung darauf angewiesen, Informationen zu erteilen, also den indirekten Weg zu gehen.
Nun besteht natürlich die Gefahr, daß bei der indirekten Meinungsäußerung ein falscher Weg eingeschlagen wird. Ich sehe die Gefahr darin — und da stimme ich mit der vorgebrachten Kritik vollkommen überein --, daß etwa bestimmte Zeitungen oder sonstige Korrespondenzunternehmungen durch direkte finanzielle Unterstützung dem Wunsche der Regierung hörig oder willfährig gemacht werden. Der Weg ist ganz bestimmt falsch. Aber es sollte doch ein Weg gefunden werden, der es der Bundesregierung erlaubt, z. B. den großen Tageszeitungen gegenüber in aller Offenheit in festen Vereinbarungen, in festen Blocks — bei kleinen Zeitungen kann man das meinetwegen z. B. im Materndienst machen — oder wie auch immer ihren Willen kundzutun. Das ist ein viel besserer und wirksamerer Weg als dieser indirekte Weg über die indirekte Abhängigmachung von irgendwelchen Verlagen oder Korrespondenzen. Das gebe ich offen zu. Im großen und ganzen, glaube ich, kann man aber feststellen — ich habe vorhin darauf hingedeutet —, daß dieser schlechte Weg doch nur in Einzelfällen und in geringfügigem Maße gegangen worden ist. Ich habe so den Eindruck, die SPD steht an der Klagemauer und erhebt hier Klagen, und der eigentliche Grund der Klagen ist im großen und ganzen nicht gegeben.
Etwas anderes ist das, was der Kollege Brandt vorhin ausgeführt hat, indem er sagte, die Bundesregierung wird ja darum hier angeführt, weil sie als gutes Beispiel vorangehen soll und man sich da, wo die Bürokratie oder andere Stellen Fehler machen, auf die Bundesregierung als leuchtendes Vorbild berufen können soll. Dem stimme ich zu. Aber meiner Ansicht nach hätte der Kollege Brandt von der SPD die langen Ausführungen, die er hier gemacht hat, viel besser an gewisse sozialdemokratisch geführte Landesregierungen richten sollen. Denn, meine Damen und Herren, wir wollen uns doch alle nicht weißer machen, als wir sind. Die Bundesregierung wird hier in dem Antrag
der SPD als schwarzer Knabe hingestellt, und es wird gesagt: Die Bundesregierung wird ersucht, zu erklären, daß sie von allen Plänen Abstand nimmt, die geeignet sind, die Unabhängigkeit und die Freiheit der Presse zu beeinträchtigen. Meine Damen und Herren, wir alle gehören einer politischen Partei an, und wir haben in der Nachkriegszeit mit den verschiedenen Länderregierungen unsere Erfahrungen gemacht. Wir haben Länderregierungen gehabt, die sich nach meinem Dafürhalten weitaus weniger fair und objektiv verhalten haben, als es die Bundesregierung bisher in dieser Frage getan hat.
Darum wäre meiner Ansicht nach dieser Antrag der SPD nur dann richtig, wenn er etwa hieße: Der Bundestag erklärt, daß er von sich aus in jeder Situation die Geistes- und Pressefreiheit schützen und bewahren will, und ist der Überzeugung, daß die Bundesregierung das gleiche auch tun wird, oder ähnlich. So, da es nur einseitig auf die Bundesregierung abgeladen wird, scheint mir der Antrag irgendwie falsch zu sein. Vielleicht sehe ich die Dinge nicht richtig; aber meiner Ansicht nach ist das so.
— Ja, Herr Kalbitzer, zu Ihnen wollte ich sowieso noch ein persönliches Wort sagen. Ich bin, wo ich Sie hier wieder in Bonn treffe, einigermaßen darüber erfreut, daß Sie anscheinend hier so den Kriminalisten des Bundestages machen, den Detektiv, denn immer enthüllen Sie hier so irgendwelche dunklen Affären, die irgendwie halb stimmen.
Ich glaube aber, daß diese etwas negative Tätigkeit wertloser ist, als wenn Sie einmal in offener Art und Weise darlegen würden, wie es nun wirklich gemacht werden sollte. Denn diese halben Enthüllungen, ich weiß nicht, kommen mir immer so vor, als wenn aus Entgleisungen, die überall vorkommen, eine große Verdächtigung aufgebaut werden soll, der eigentlich der Hintergrund fehlt.
Ich möchte zum Schluß kommen und nur noch folgendes sagen. Man braucht ja nicht immer neue Worte zu wählen. Für uns, für die Deutsche Partei, gilt es als eigene Haltung, und es gilt auch als Bitte an die Bundesregierung das einfache Wort: „Gazetten sollen nicht genieret werden!"