Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich haben gern zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung keine Pläne verfolgt, die ihrer Meinung nach geeignet sind, die Freiheit und die Unabhängigkeit der Presse zu beeinträchtigen. Nun könnte man vielleicht fragen, ob es dann so sei, daß manche von uns in diesem Hause auf der einen Seite und auf der andern Seite und manche in der Mitte Gespenster sähen. Ja, vielleicht ist es wirklich so. Vielleicht meint der eine und der andere von uns, daß aus der deutschen Wirklichkeit des Jahres 1954 manche Gespenster verscheucht werden müßten. Im übrigen ist sich, wie auch aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Prinz zu Löwenstein zu erkennen war, ja wohl nicht die ganze
Regierung darin einig — so habe ich es verstanden —, daß im Zusammenhang mit der Pressefreiheit kein akutes Problem vorliege.
In einem Bulletin der Freien Demokratischen Partei, Bundesgeschäftsstelle Bonn, vom 31. März dieses Jahres war — ich zitiere — zu lesen:
Der Generalangriff auf die Freiheit der Meinung hat überall dort begonnen, wo diese über ihre entscheidenden Bastionen verfügt: in der Presse, dem Film und am Ende dem Rundfunk. Der Bestand der Meinungsfreiheit
— so hieß es an jener Stelle weiter —
ist in seinem Kern bedroht. Es ist höchste Zeit, sich zur Wehr zu setzen.
Vielleicht sind solche Worte nicht immer so ernst gemeint, wie sie geschrieben werden. Wir haben heute bemerkenswerte Worte in der Aussprache gehört, so auch das Wort von der Opposition in der Koalition. Aber es kam in dieser Debatte unabhängig von den Parteigrenzen doch wohl auch eine Sorge zum Ausdruck, die beträchtliche und, wie ich meine, nicht die schlechtesten Kreise unserer Bevölkerung erfaßt hat. Wir sollten darüber in aller Ruhe miteinander reden, zumal es um Dinge geht, die bei weitem nicht immer nur mit dem guten oder bösen Willen der Beteiligten, sondern auch und vielfach primär mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun haben, die nicht ganz leicht zu meistern sind und dennoch gemeistert werden müssen.
Worauf ist denn die berechtigte Sorge zurückzuführen, von der ich gesprochen habe? Darauf, daß sich in unserer Gesellschaft die Tendenz zu bürokratischer Bevormundung verstärkt hat, daß die Neigung zur Unduldsamkeit zunimmt, daß obrigkeitsstaatlich vorgedacht wird, wo zu staatsbürgerlichem Nachdenken angeregt werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf eine Entschließung lenken, die die dritte Generalversammlung des Internationalen Presseinstituts in Wien vor etwa einer Woche angenommen hat und in der es heißt:
Die Generalversammlung stellt mit ernster Sorge fest, daß auch in Ländern, die sich zur Demokratie bekennen und deren Regierungen den Gedanken, diktatorische Gewalt anzuwenden, weit von sich weisen würden, Tendenzen bestehen, die Freiheit der Presse durch neue oder durch die Auslegung bestehender Gesetze einzuschränken.
Es geht hier gar nicht allein um eine Auseinandersetzung mit der Regierung. Es geht um bedenkliche Tendenzen in unserem gesamten öffentlichen Leben. Es geht nicht zuletzt auch um das vielfach anmaßende und wenig geistvolle Verhalten derer, die Schlüsselpositionen in den Zusammenballungen wirtschaftlicher und politischer Macht ausüben und die nicht immer besonders- geneigt sind, sich einer öffentlichen oder gar demokratischen Kontrolle zu unterwerfen.
Manche Einzelvorgänge in unserem Land sollten uns zu denken geben und sollten von uns in ihrer weitreichenden grundsätzlichen Bedeutung richtig gewertet werden. Ich denke dabei wie mein Herr Vorredner an die Beschlagnahme von Zeitungen und Zeitschriften auf Grund reichlich rasch erwirkter einstweiliger Verfügungen.
Ich denke an Fälle, in denen sich Amtsrichter ziemlich forsch zur Ausübung einer Zensur berufen fühlten.
Ich denke an den Fall eines Oberstadtdirektors, der die Journalisten aufforderte, sich bei der Berichterstattung über bestimmte Sitzungen nur auf die Mitteilungen der Stadtverwaltung zu beschränken. Ich denke an andere Fälle, in denen Journalisten von städtischen Informationsmöglichkeiten ausgeschlossen worden sind, weil ihre Berichterstattung den Stadtgewaltigen nicht behagte. Ich denke an den sogenannten Maulkorb-Erlaß des Innen- und Sozialministers von Rheinland-Pfalz, der seinen Beamten die Auskunftserteilung an die Presse untersagte. Ich lasse den etwaigen Einwand nicht gelten, daß diese Dinge hier nicht hergehörten. Hier gehört alles her, was die Grundlagen und die Grundfragen der Demokratie betrifft!
Es geht darum, meine Damen und Herren, ob der Bund ein gutes oder ein schlechtes Beispiel gibt, ob in Bonn gute oder schlechte Normen gesetzt werden. Es war, wenn ich das sagen darf, gewiß kein gutes Vorbild, als draußen der Eindruck entstehen konnte, als wollte sich ein ohne jeden Zweifel überaus wohlmeinender, aber in dieser Sache doch wohl übereifriger Kollege zum Zensor über die von uns zu erwerbende Literatur aufschwingen.
Es war keine gute Sache, als der Innenminister der vorigen Bundesregierung den Versuch unternahm, einen der bekannteren Rundfunkkommentatoren abzuservieren. Und man muß, ohne die Reden des Herrn Familienministers wichtiger zu nehmen, als die Auslassungen irgendeines Mitgliedes der Bundesregierung zu nehmen sind, sagen: es war gewissermaßen doch ein Schlag unter den Gürtel — ich muß hier in der Sache meinem Vorredner beipflichten —, als Herr W u e r m e l i n g seine sicherlich nicht immer sehr rücksichtsvollen Kritiker mit dem Kennwort „die ganze liberale Meute" abstempeln wollte, die angeblich ihren ,,Monopolanspruch auf Beherrschung der öffentlichen Meinung" bedroht fühle.
Der Herr Bundeskanzler hat sich vor wenigen Wochen auf der Jahreshauptversammlung des Deutschen Journalistenverbandes zum Recht der Presse auf Kritik bekannt. Ich folge dabei einem Bericht im Mitteilungsblatt der im DGB zusammengeschlossenen Journalisten. Der Bundeskanzler erklärte, Kritik sei absolut notwendig, und er bat um gegenseitiges Vertrauen. Das sind Worte, die nicht stark genug unterstrichen werden können. Aber ich frage mich: berichtet denn niemand dem Herrn Bundeskanzler über Vorgänge, die das von ihm proklamierte und im Grundgesetz verbriefte Recht auf Kritik, auf freie Meinungsäußerung in Frage stellen? Weiß der Herr Bundeskanzler denn nicht und weiß der Herr Bundesminister des Innern nicht, daß sich hier in Bonn Vertreter der Presse in einer Mehrzahl von Fällen einem peinlichen und, wie ich sage, unstatthaften Druck ausgesetzt gefühlt haben? Ist es nicht so, daß sich untadelige Journalisten auf peinliche Weise überwacht, beschattet gefühlt haben und fühlen? Ist es nicht so, daß manche dieser Vertreter der Presse in Bonn eigenartigen Einflüssen ausgesetzt sein müssen, wenn von ihrer
ursprünglich geäußerten Kritik in den unter ihrem Namen veröffentlichten Berichten so gut wie nichts mehr zu spüren ist? Ist es nicht so, daß Journalisten mit Drohungen bedacht werden, wenn sie schreiben oder zu schreiben beabsichtigten, was dieser oder jener Stelle der Bundesregierung nicht behagt?
Da gab es einen Berichterstatter, der etwas über die geplante und gestern hier erörterte Steuerreform erfahren hatte und sein Wissen zu einer Meldung verarbeitet hatte, wie es seiner journalistischen Aufgabe entsprach. Durch einen zunächst freundlichen Anruf, wenn ich recht informiert bin, nicht aus dem Finanzministerium, wurde ihm nahegelegt, sich diesem Thema zunächst nicht mehr zu nähern. Der Berichterstatter erfuhr jedoch mehr und er schrieb mehr, und was er schrieb, war nicht falsch. Daraufhin ein neuer Anruf: man wolle ihn darauf aufmerksam machen, daß er sich in bedenkliche Nähe gewisser Paragraphen des Strafgesetzbuchs begebe.
Sollte man nicht sehr, sehr vorsichtig sein mit der schwerwiegenden Beschuldigung des Geheimnisverrats? Und steht der Bürokratie überhaupt das Recht einer solchen Drohung zu?
Ich will gern anerkennen, daß die Antwort, die der Herr Bundesminister des Innern heute früh hier erteilt hat, einige Zweifelsfragen geklärt hat. Wir haben zur Kenntnis genommen — schon durch die Erklärungen, die vor dieser Debatte abgegeben worden sind, und wir haben es heute bestätigt gehört —, daß gegenwärtig keine regierungsoffizielle Bundeskorrespondenz geplant ist und daß der sogenannten Bundeskorrespondenz, die als privates Unternehmen besteht, keine finanziellen Mittel des Bundespresse- und -informationsamts mehr zufließen sollen. Ich darf unterstellen — auch wenn sich der Herr Bundesminister des Innern dazu heute morgen nicht ausdrücklich geäußert hat —, daß eine regierungsamtliche Auslese von Journalisten für bestimmte Nachrichtenquellen nicht beabsichtigt ist.
Vielleicht überprüft man aber doch einmal, Herr Bundesminister, die angebliche Bevorzugung, von der in Journalistenkreisen die Rede gewesen ist, von Journalisten, die keine bestimmte Zeitung vertreten, gegenüber anderen, die für große Blätter tätig sind. Vielleicht prüft man auch, ob die Bevorzugung dieser und die Hintansetzung jener ausländischen Korrespondenten den Erfordernissen der deutschen Politik und der deutschen Außenpolitik entspricht.
Wir haben gehört, daß es nicht geplant sei, die Presse künftig über sämtliche Angelegenheiten der Bundesregierung und ihrer Ministerien nur noch durch das Presse- und Informationsamt zu unterrichten. Der Herr Bundesminister des Innern hat auf die Vorbereitungen hingewiesen, die zur Ausarbeitung einer neuen Geschäftsordnung des Kabinetts eingeleitet worden sind. Er hat sich auch auf die Grundsätze der Geschäftsordnung der Reichsregierung aus dem Jahre 1926 berufen und hat auf die gegenwärtige Geschäftsordnung verwiesen, die in diesem Punkt nicht verändert werden sollte und in der es sinngemäß heißt, daß alle Veröffentlichungen und alle Mitteilungen, die über fachliche Mitteilungen aus dem besonderen Arbeitsgebiet eines Ministeriums hinausgehen, namentlich solche, die politischen Charakter haben oder politische Wirkungen auslösen können, über das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zu leiten sind. -
Nun ist kaum etwas dagegen einzuwenden, daß das Presse- und Informationsamt als ein Sammelpunkt für Mitteilungen der Bundesregierung dient. Ich habe aber sehr schwere Bedenken gegen die noch immer bestehende Tendenz, das Presse- und Informationsamt zu einer Nachrichtenschleuse zu machen, von einer Nachrichtenbörse ganz zu schweigen; denn das, was auf dem Gebiet der Nachrichtenbörse bei der Boulettenbar des Presse-und Informationsamtes während der Berliner Konferenz herausgekommen ist, das sollte doch wohl trotz des erheblichen materiellen Aufwandes nicht all zu hoch eingeschätzt werden können.
Bin ich ganz auf dem Holzweg, wenn ich die Frage aufwerfe, ob es wahr ist, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, und ich füge hinzu: der pressefreundliche Herr Bundeswirtschaftsminister — Ehre, wem Ehre gebührt —, durch den Herrn Bundesminister des Innern korrigiert wurde, als er, der Bundesminister für Wirtschaft, kürzlich seinen Beamten die Anweisung gegeben hatte oder geben wollte, auf vernünftige Fragen vernünftig zu antworten?
Im übrigen kommt es vom Standpunkt der Presse und vom Standpunkt der durch die Presse vertretenen und zu unterrichtenden Öffentlichkeit — ich beziehe mich noch einmal auf die Geschäftsordnung — natürlich mehr auf wichtige als auf unwichtige Angelegenheiten an, und das sind meist solche, die politischen Charakter haben und politische Wirkungen auslösen können.
Hierbei ergibt sich nun die Frage: Wer entscheidet, was wichtig und was politisch ist, und was geschieht, wenn die Ministerialbeamten über Art, Inhalt und Umfang dieser oder jener Information wesentlich anders denken als diejenigen, die die Öffentlichkeit zu unterrichten haben? Wir können doch nicht einfach vom Anspruch der Ministerialbeamten oder auch der Herren Minister auf eine in jedem Fall bessere Einsicht ausgehen. Wir müssen doch wohl vom gesunden Wechselspiel der politischen und geistigen Kräfte ausgehen. Dieses Wechselspiel ist unmöglich ohne das Recht der Presse auf Auskunft, jenes Recht, dem auf der anderen Seite die Pflicht der Presse zur Information entspricht; und ich wünschte, daß sich auch die ganze deutsche Presse dieser Pflicht zur Information bewußt wäre.
Meine politischen Freunde und ich teilen nicht die Meinung, daß es Sache des Bundeskanzleramtes oder irgendeiner anderen Bundesbehörde sei, darüber zu befinden, was der Bundesbürger wissen, was die Öffentlichkeit erfahren darf. Falls darüber einseitig auf der Behördenebene entschieden würde, dann wollte man sicherlich auch bald die andere Seite regeln, nämlich bestimmen, was den Bundesbürger sozusagen positiv zu interessieren hat. Gewiß, es gibt vertrauliche Dinge — Herr Kollege Dresbach hat schon darauf verwiesen —, über die man vertraulich informieren kann und vertraulich informieren sollte, und ich glaube, die
Damen und Herren der Presse werden selber diejenigen aus ihren Reihen auszuschalten wissen, die sich an eine solche Vertraulichkeit nicht halten würden. Aber wir billigen nicht und können nicht billigen die Neigung zu übertriebener Geheimhaltung. Zu übertriebener Geheimhaltung! Durch die Geheimniskrämerei erschwert man geradezu die vertrauliche Behandlung solcher Dinge, die zu Recht mit einem entsprechenden Stempel versehen sind.
Und, Herr Bundesminister des Innern, wir haben auch kein Verständnis für Dementis, die keine sind. Im Ton der Empörung ist kürzlich dementiert worden, daß ein uns allen bekannter Universitätslehrer aus seiner Position im Auswärtigen Amt ausscheiden werde und daß der Chef der Organisationsabteilung in der Dienststelle Blank abgelöst werden solle. Und dann kam es genau so, wie berichtet worden war, und man lachte über die unbeholfenen amtlichen Zwischenmeldungen, und man lachte zu Recht, Herr Bundesminister.
Im übrigen: für die Propagierung parteipolitischer Ziele und gruppenmäßiger Interessen sind nicht die Organe des Staates da, die Partei mag noch so groß, die Gruppe mag noch so mächtig sein. Für diese durchaus legitimen Aufgaben sind auch nicht die Gelder der Steuerzahler da.
In anderen demokratischen Ländern sind Gelder des Steuerzahlers auch nicht dazu da — ich muß den Punkt noch etwas verdeutlichen, den mein Freund Kalbitzer in seiner Begründung heute morgen schon angeschnitten hat —, daß Journalisten den Regierungschef auf seinen Reisen begleiten. Die Träger der Presse sollten selbst darauf achten, daß sie nicht Mißdeutungen ausgesetzt werden.
Die Unabhängigkeit der Presse beginnt bei der Haltung und der Würde der Presse selbst.
Niemand erwartet, daß eine Regierung ihr Licht unter den Scheffel stellt. Niemand wird es verübeln, wenn die Regierung von ihrem Tun und ihren Plänen durch das rednerische und womöglich schriftstellerische Talent ihrer Minister Zeugnis ablegt. Eins sollte die Regierung dabei nicht vergessen. Das Urteil über ihr Tun ist von den Bürgern unseres Staates zu fällen, und es sollte wahrlich unser gemeinsames Bestreben sein, daß eine immer größere Zahl unserer Mitbürger zur gestaltenden Mitwirkung am öffentlichen Leben ermuntert und auch wirklich befähigt wird, und zur Befähigung gehört die ausreichende Unterrichtung. Dazu bedarf es einer deutlichen Trennung notwendiger Information von einseitiger Propaganda. Dazu bedarf es eines unverrückbar positiven Verhältnisses zur Meinungs- und Pressefreiheit, die wir unter so schmerzvollen Umständen wiedererlangt haben.
Der Kollege Dresbach hat hier zu Beginn der Debatte einige vorzügliche Worte über das Verhältnis zwischen Presse und Parlament, zwischen Presse und Politikern gesagt. Mir kam dieser Tage ein englisches Buch „Regierung im Kräftefeld der Gesellschaft" in die Hände. Darin ist von der gewaltigen Wandlung die Rede, die sich seit den Tagen der klassenbestimmten Oligarchien vollzogen hat. Damals hatten es die Regierungen im allgemeinen nicht nötig, der Aufnahme ihrer Politik beim Volk den Weg zu bereiten. Heute haben die Regierungen zum Unterrichten und zum Beeinflussen der öffentlichen Meinung mächtige Mittel zur Hand. Der Verfasser des von mir erwähnten Buches, R. M. McIver, sagt, solange die Regierungen nicht versuchten, andere Propagandastellen gleichzuschalten, könne sich hinsichtlich dieser Funktion, von der ich eben sprach, keine Frage erheben. Er verweist darauf, daß zahlreiche Organisationen im modernen Staat damit beschäftigt sind, die neuen Techniken der Nachrichtenübermittlung und die neue Kunst der Meinungsforschung auszuüben, und er schreibt weiter — und dem könnten wir doch hoffentlich auch alle zustimmen — folgendes. Ich zitiere:
Die Regierungen müssen sich der gleichen Kunst bedienen; ob zum Guten oder zum Schlechten, hängt von ihrer Art ab. Soweit sie sich ihrer bedienen, um das Volk zu einem besseren Verständnis der Fragen, mit denen sie sich befassen, zu bringen und ein Gefühl der gemeinsamen Einheit über die Gruppenverschiedenheiten hinaus zu schaffen, dürfen wir es wagen, diese Aktivität der Liste der kulturellen Aufgaben beizufügen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen schon durch diesen Hinweis: ich bin kein Gegner amtlicher Pressestellen. Solche Stellen können nützliche Aufgaben erfüllen. Aber man fragt sich gelegentlich, ob nicht hier und da des Guten zuviel geschieht, ob nicht manche Überschneidungen vermieden werden können und ob nicht der Berufsstand der Zeitungsausschneider über Gebühr anwächst. Man verwechsle übrigens bitte nicht das Anliegen der Presse mit dem Interesse staatlicher Pressepolitik. Um in diesem Zusammenhang ein Wort Kurt Schumachers zu zitieren: Ein Kater, der einen Kanarienvogel verspeist hat, kann darum noch lange nicht schön singen. Ich glaube, das gilt auch für manche staatliche Pressestellen.
Aus Pressestellen dürfen keine Abwehrorgane, keine Büros zur Verhinderung der Information werden.
Ich wende mich noch einmal an den Herrn Bundesminister des Innern, der sich von vornherein freundlicherweise bereit erklärt hat, in diese Debatte einzusteigen. Herr Bundesminister, schauen Sie sich doch bitte einmal in Ihrem eigenen Hause um! Ein Pressemann, der sich an Ihre Pressestelle im Bundesministerium des Innern wendet, bekommt zur Antwort — woraus dieser Stelle natürlich kein Vorwurf zu machen ist; ich denke nicht daran, ihr einen Vorwurf zu machen —, daß man dort nichts wisse. Der zuständige Sachbearbeiter erklärt, er dürfe nichts sagen, sondern könne sich nur über die Pressestelle äußern. Dann bekommt schließlich der Pressemann über die Pressestelle, die zunächst nichts wußte, seine Antwort. Aber da er mit dem Sachbearbeiter nicht selbst sprechen konnte, kann er keine Zusatzfragen stellen, wie wir es hier in unseren Fragestunden nennen würden,
und er kann nicht so lebendig und genau berichten, wie er es vielleicht möchte und wie es ihm lieb sein müßte. Und was ergibt sich daraus, Herr Bundesminister? Dieser Journalist schnappt dann
diese oder jene Andeutung auf — in der Not frißt der Teufel Fliegen —, und schon sind wir unter Umständen bei einer falschen Meldung.
Vor allem aber sollte streng darauf geachtet werden, daß Organe staatlicher Informationspolitik für den Staat da sind, für alle seine Teile, für die Gesamtheit seiner Bürger,
das heißt, es gehört zu den Aufgaben solcher Organe, objektiv über beide Seiten zu berichten, wenn die Dinge im Staat unter den Trägern des Staates umstritten sind, und die Opposition ist einer der Träger, ja einer der Pfeiler eines demokratischen Staatswesens.
Gewiß, die Demokratie ist keine sehr bequeme Sache. Im Obrigkeitsstaat, in der Diktatur, ist es bequemer — für die oben. Aber zu deren Bequemlichkeit kommt dann neben vielem anderen, daß die Giftpflanzen der Gerüchte emporschießen über den Gräbern einer freien Presse.
Es ist heute bei weitem nicht alles erfreulich in unserer deutschen Presse. Es gibt Entartungserscheinungen, es gibt Gangstermethoden, von denen sich jeder verantwortungsbewußte Journalist abgrenzt. Bei einem Teil der Presse gibt es leider auch eine Reaktion auf Tendenzen unserer Zeit, eine Reaktion, die einer stillen Gleichschaltung recht nahekommt. Es ist keine erfreuliche Sache, wenn ein beträchtlicher Teil unserer Presse der Behandlung mancher lebenswichtiger Themen ausweicht, weil man gewissermaßen glaubt, spüren zu können, daß eine Erörterung dieser Fragen oben nicht erwünscht sei.
Aber es gibt auch einen echten Beitrag der Presse zum deutschen Aufbau und zur Sache der deutschen Demokratie. Die Presse hat wiederholt in den letzten Jahren und Monaten gegen Versuche und Versuchungen Front gemacht, aus denen eine Knebelung der freien Meinungsäußerung hätte erwachsen können. Auch der erste Entwurf des Bundespressegesetzes mußte nach leidenschaftlicher Kritik zurückgezogen werden, und wir sind sehr gespannt, Herr Bundesminister, ob der neue Entwurf, wenn er kommt, einen neuen Geist erkennen lassen wird. Diskussionen in den Organen und Organisationen der Presse, der Journalisten haben in der letzten Zeit gezeigt, daß es dort einen Willen gibt einerseits zur Unabhängigkeit und andererseits zur Abgrenzung von Mißständen. Dieser Wille ist da, ihn sollte die Bundesregierung respektieren, ihn fördern, denn es geht um einen der Grundwerte unserer staatlichen Ordnung.
Meine Damen und Herren, ich habe auf manch kritisches Wort nicht verzichten können. Aber ich hoffe, deutlich gemacht zu haben, daß es mir—wie den anderen Herren, die sich geäußert haben—um eine Sache geht, die uns alle aufhorchen lassen sollte, alle, die auf dem Boden der Demokratie stehen, mögen die Meinungsverschiedenheiten unter ihnen sonst noch so groß sein. Die ehrlich Besorgten im Volke aber sollen wissen, daß sie in diesem Hause auf Bundesgenossen und Fürsprecher rechnen können, wenn es gilt, bedrohlichen Entwicklungen zu begegnen und gefahrvollen Anfängen zu wehren.