Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht leicht, nach einer so hervorragenden Rede, die gleichzeitig einer der brillantesten Leitartikel gewesen ist, die ich je vortragen gehört habe, zu diesem Thema zu sprechen. Ich darf vielleicht damit beginnen, daß meine politischen Freunde der Meinung sind, daß wir uns füglich nicht Freie Demokraten nennen dürften, wenn wir nicht stets für eine wirklich freie Presse eintreten und rechtzeitig alles abwehren wollten, das diese Freiheit in irgendeiner Weise bedrohen könnte. Nun ist es freilich so: würde die Frage gestellt werden, wer etwa für die Unfreiheit der Presse ist, dann würde dies ein jeder mit Empörung von sich weisen. Darüber besteht ja volle Einmütigkeit. So sind wir wenigstens in diesem einen Punkte alle — ich sage:
alle, die ganze Regierungsbank eingeschlossen, wenn sie besetzt wäre — „Freie Demokraten". Ein solches Bekenntnis wird allerdings nicht genügen. Es erinnert zu sehr an die bekannte Geschichte vom Präsidenten Calvin Coolidge und der Sünde. Sie kennen die Geschichte wohl. Als er berichten sollte, was ein bekannter Geistlicher gepredigt hatte, sagte er: „Über die Sünde." — „Was hat er nun gesagt?" —„Er war dagegen." Das ist trefflich zusammengefaßt. Welcher ehrenwerte Mann wäre nicht gegen die Sünde, wäre nicht gegen die Unfreiheit? Die Frage ist nur, wo der Pfad der Tugend verlassen wird und wo die Freiheit endet.
Bekanntlich haben selbst die totalitären Staaten, gleich welcher Richtung, immer von einer freien Presse gesprochen, von einer Presse nämlich, die von allen schädlichen Einflüssen — schädlich für das entsprechende Regime — befreit worden sei. Man muß also schon etwas genauer definieren, sonst erhält das Wort „ehrenwerter Mann" jene ominöse Bedeutung, die es in der Shakespeareschen Rede des Marcus Antonius besitzt.
Man kann es ganz schlicht und einfach ausdrücken: die Presse ist dann wirklich frei, wenn sie wahrheitsgemäß berichten kann und wenn Journalisten und Redakteure nur ihrem Gewissen verantwortlich sind, nicht aber der Lenkung durch politische oder materielle Einflüsse unterliegen. Eine solche Presse und n u r eine solche ist ein integraler Bestandteil des demokratischen Verfassungslebens.
In diesem Sinne hat ein kluger Mann, der ehemalige italienische Ministerpräsident Alcide de Gasperi, von den zwei Säulen der parlamentarischen Demokratie gesprochen. Die eine dieser Säulen, meinte er, sei das Parlament mit seinen Abgeordneten, die andere Säule die Presse, getragen von freien Journalisten. Ich möchte diesen Gedanken ergänzen. Zum Schutz des Verfassungslebens gibt es zwei Kontrollen. Die eine dieser Kontrollen ist die Opposition, die andere die öffentliche Meinung. Beide gehören zusammen. Die öffentliche Meinung ist von zusätzlicher Bedeutung, wenn eine Partei die absolute Mehrheit besitzt und damit die parlamentarische Opposition eingeschränkt ist. Dabei handelt es sich sowohl um die Opposition im eigentlichen Sinne wie auch um das, was ich die Opposition innerhalb der Koalition nennen möchte, die für eine lebendige Demokratie ebenfalls wesentlich ist. Selbst bei allem guten Willen, den wir voraussetzen wollen, ergeben sich aus unserer heutigen Lage daher ernsthafte Gefahren. Sie liegen in der menschlichen Natur, in der Dehnbarkeit des Freiheitsbegriffes. Wenn eine Partei die absolute Mehrheit besitzt — und diese Partei besteht wie alle Parteien aus Menschen —, wie leicht kann da der Gedanke aufkommen, ein altes Sprichwort ein wenig zu variieren: „Und die Presse absolut, wenn sie unsern Willen tut."
Die Kritik an der Presse ist ja ziemlich weit verbreitet. Kollege Dr. Dresbach sprach darüber. Er erwähnte jene Empfindsamkeit, die man heute beobachten kann. Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Empfindsamkeit, und je höher das Amt, desto höher manchmal auch diese Empfindsamkeit.
Es wird nun darauf ankommen, auch innerhalb der Journalistenkreise — ich selber bin Journalist — das Bewußtsein zu verstärken, daß der Journalismus verantwortlich handeln muß, wenn er selber
die Gefahren abwehren will, die seinem Berufsstande drohen. Aber eines muß gleich hinzugefügt werden. Die deutsche Presse hat aus dem Nichts aufgebaut, nachdem durch die nazistische Diktatur die große Tradition, von der auch Kollege Dresbach gesprochen hat, zerschlagen worden war. Heute genießen doch deutsche Blätter wieder Achtung in der ganzen Welt, und ein verantwortungsbewußter Stand von Verlegern, Redakteuren und Journalisten ist neu entstanden. Der Takt verbietet uns, die Lebenden zu nennen unter den großen Journalisten, die wir auch heute wieder haben, die sich vielleicht schon wieder würdig an die Seite eines Theodor Wolff und der anderen stellen können, die wir, die Älteren, noch gekannt haben. Aber wenn die Lebenden nicht genannt werden sollen, gebietet es die Pflicht, heute an dieser Stelle und in diesem Rahmen eines Verstorbenen zu gedenken, nämlich Erik Regers , der so unendlich viel für den Aufbau der deutschen Presse und für eine wahrhafte Freiheit des Geistes in Berlin und in ganz Deutschland getan hat.
Meine Damen und Herren, auf die Gefahren, die in der heutigen Lage begründet sind, wurde neulich schon anläßlich der Filmdebatte hingewiesen. Unser Freund und Kollege Dr. Erich Mende hat diese Gefahren sehr prägnant herausgestellt. Das starke Echo, das er in der Öffentlichkeit gefunden hat, hat bewiesen, daß das Richtige getroffen wurde. Denn wo setzt die Unfreiheit denn ein? Wie ist die Freiheit zu definieren? Kollege Dresbach ermutigt mich, einen Pleonasmus zu verwenden. Die Freiheit, meine Damen und Herren — pleonastisch ausgedrückt—, muß eine liberale Freiheit sein.
Dabei möchte ich insbesondere den Herrn Bundesfamilienminister um Vergebung bitten, nicht so sehr wegen des unschönen Pleonasmus als vielmehr wegen des Wortes „liberal".
Unfreiheit setzt nicht erst bei physischem Zwang ein. Er steht selten am Anfang. Auch die Bücherverbrennungen im „Dritten Reich", die Gleichschaltung der Presse, die Austreibung aller freiheitlichen Journalisten waren nicht der Anfang, sondern es ging allen diesen Maßnahmen eine jahrzehntelange Hetze gegen den angeblich „volks- und sittenverderbenden Liberalismus" voraus.
Unfrei sind Verleger und Journalisten nicht erst dann, wenn unmittelbare Gewalt sie zum Werkzeug der herrschenden politischen Richtung macht; unfrei sind sie nicht erst dann, wenn, wie ein bitterer Scherz im „Dritten Reich" lautete, das Propagandaministerium für die offenherzigste und wahrheitsgemäßeste Berichterstattung drei Preise aussetzt, nämlich zwei, fünf und zehn Jahre Konzentrationslager.
Von entscheidender Bedeutung für die Freiheit der Presse ist der freie Strom der Nachrichten. Wir haben mit Befriedigung gehört, daß kein Überministerium geplant sei. Wir wollen hoffen, daß dies als absolut betrachtet werden kann und daß es sich nicht bloß um eine Verzögerung handelt, wie eben in diesem Jahr überall der Lenz mit Verspätung, aber dann doch ins Land kommt. Geplant war es ja doch wohl; dieser Planung nach sollten alle Nachrichten über das Bundespresse- und Informationsamt geschleust werden. Das würde übrigens dem Art. 65 des Grundgesetzes nicht entsprechen. Wenn auch der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, leitet doch jeder Minister sein Ressort selbständig und unter eigener Verantwortung. Wir geben zu, daß es sich hier um ein schwieriges Problem handelt. Denn andererseits hat es auch bedauerliche Fehlleitungen von Informationen gegeben, etwa in der Dienststelle Blank, wobei ich z. B. an die Schocktherapie der Fragebogen denke. Ein wenig mehr public relations wäre angebrachter als dieser neuentstandene Stab von Presseabwehrbeamten in den Ministerien.
Es hat doch zweifellos den Versuch gegeben, eine Monopolstellung zu schaffen. Ich freue mich wiederum, daß Kollege Dresbach auf diese andere heikle Frage einging, die ich auch stellen wollte: ob es stimmt, daß man durch Druck auf die Geldgeber und Verleger versuchen wollte, oder immer noch versucht, unliebsame Korrespondenten und Redakteure loszuwerden.
Selbstverständlich ist es das gute Recht jeder Regierung, ihren Standpunkt klarzumachen. Aber bedenklich wird das, wenn hier eine allzu bewußte und einseitige Lenkung einsetzt. Siehe all das, was wir während der Filmdebatte gehört haben! Es ist zwar legitim, daß eine Regierung ihr eigenes Nachrichtenorgan hat. Doch wenn ich so an manche Äußerungen des Moniteur bzw. des Bulletins — wie der deutsche Name dieses Blattes heißt — denke, dann werde ich doch ein wenig mit Sorgen erfüllt. Etwa bei der Art der Berichterstattung nach der Debatte vom 29. April und was die Auslegung betrifft, die dem Art. 24 des Grundgesetzes im „Bulletin" gegeben wurde! Wir wollen nicht hoffen, daß es zu den pressepolitischen Plänen der Bundesregierung gehört, aus dem „Bulletin" ein weiteres, im Grundgesetz nicht vorgesehenes Organ der authentischen Interpretation dieses Grundgesetzes zu machen.
Pressefreiheit ist Teil der allgemeinen Meinungsfreiheit. Sie kann nur gedeihen in einer Atmosphäre innerer, lebendiger Freiheit, in einer Atmosphäre, wo es keinen, vielleicht gar noch geschürten Haß zwischen den Konfessionen gibt, in einer Atmosphäre, wo nicht der eine oder der andere Volksteil diskriminiert wird. Meine politischen Freunde hätten sicherlich ein weit größeres Vertrauen in die Auskünfte über die pressepolitischen Pläne der Bundesregierung, wenn sie immer sicher sein könnten, daß in dieser Pressepolitik stets die richtigen, die freiheitlichen Kräfte zum Tragen kommen.
Da hat es aber nun schon mancherlei Verwirrung gegeben. Es gibt eben mancherlei Redner. Die Beeinflussung der Öffentlichkeit in einem ganz bestimmten, nicht unbedingt als freiheitlich zu bezeichnenden Sinn ist dann trotz aller Dementis eben doch sehr stark. Ich will gar nicht noch einmal auf die Angelegenheit mit der „liberalen Meute" eingehen. Offen gesagt, ich habe diese Sache nie allzu ernst genommen. Ich habe vielmehr angenommen, daß so, wie neulich „Don Carlos" zitiert wurde, jetzt vielleicht Wilhelm Busch zitiert werden sollte, obwohl es besser gewesen wäre, wenn man die Anführungszeichen deutlicher gesetzt hätte. Vielleicht dachte der Herr Bundesfamilienminister an jene Einleitungsverse zur „Frommen Helene" von Wilhelm Busch, die ich etwa so paraphrasieren möchte:
Schweigen will ich von Lokalen,
Wo der Böse nächtlich praßt,
— das ist dann wahrscheinlich der Presseklub in der Koblenzer Straße beim wöchentlichen Bierabend der FDP —
Wo im Kreis der Liberalen
Man die Volkszensura haßt.
Im Ausland freilich hat das keinen sehr günstigen Eindruck hervorgerufen; denn das Wort „liberal" ist dort ein Ehrentitel, den auch jeder Konservative mit Stolz trägt. Aber lassen wir das!
Nur auf eines sei noch hingewiesen, wie es unser Freund Mende neulich auch bei der Filmdebatte tat. Es ist etwas sehr Wichtiges. Eine solche Beeinflussung der Öffentlichkeit fügt auch dem Christentum Schaden zu, weil nämlich dieses, das doch Himmel und Erde und alle Menschenseelen um- faßt, damit zu einer Parteiangelegenheit herabgewürdigt wird. Es könnte dann so aussehen, als ob man die Grenzen des Christentums in Deutschland sozusagen an den Bankreihen dieses Hauses ablesen könnte.
Meine Damen und Herren, kehren wir zu den Nachrichten zurück. Viele, korrekte Nachrichten sollen ausgegeben werden. Staatliche Stellen sollen nicht die Kinderfrau spielen, die die Nachrichten an die Kleinen tropfenweise ausgibt, so à la Christian Morgenstern „ein halber Eßl- und ein Teel-" voll von Nachrichten. Das verärgert. Die Journalisten sind eben auch Menschen, und es gilt auch für sie das Wort Nietzsches: „Was du von einem Menschen denkst, das entzündest du in ihm"! Vertrauen und mehr Vertrauen und Nachrichten und mehr Nachrichten, und das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung wird ein ganz anderes werden! Die Presse muß ein Zwiegespräch sein, und wenn es der Regierung nicht gelingt, zu überzeugen, was sie versuchen soll, dann braucht ja nicht notwendigerweise immer die Presse daran schuld zu sein. Auch die oppositionelle Presse ist Sprachrohr des demokratischen Staates und notwendig für diesen, sonst erfährt das Volk vielleicht gar nicht, wie klug oder daß es überhaupt regiert wird.
Bevorzugungen wird es immer geben. Denn auch jede Regierung besteht aus Menschen, und das hat sie nun eben mit den Journalisten gemein. Aber die Unfreiheit beginnt, wenn objektive Maßstäbe ausgelassen werden, wenn dieses de Hondtsche System etwa bei Reisen und anderen Anlässen, bei Eskorten in den USA oder in der Türkei allzu strikt angewandt wird, wenn man aus den Journalisten sozusagen Hofrangklassen bildet
mit Zirkeln: die guten, die mittelguten und die bösen.
Da ich Alcide de Gasperi zitierte, darf ich vielleicht noch einmal auf das italienische Beispiel hinweisen. In Italien haben alle Journalisten ohne Unterschied der Partei von Staats wegen freie Büros, Telephone, Sekretärinnen und praktisch freie Fahrt. Sie werden praktisch behandelt wie die Abgeordneten. Natürlich, bei uns vollzieht sich der demokratische Ausgleich in anderer Weise, dadurch nämlich, daß auch die Abgeordneten streng genommen keine Büros haben.
Der Apparat zur Nachrichtenversorgung, der heute da ist, sollte ausreichen: das Bundespresse-und Informationsamt mit 31 Beamten, 313 Angestellten und 33 Arbeitern, dazu die Pressestellen der Ministerien plus Pressestellen, die uns der Föderalismus, der gesegnete und so teure, beschert hat. Bemerkenswert ist nur, daß gerade das Auswärtige Amt in seiner Pressestelle unterbesetzt ist, soviel ich weiß, mit einem einzigen Beamten. Im Ausland ist es ähnlich. Die Pressestellen der Botschaften und Gesandtschaften sind unterbesetzt; man kann sie gar nicht vergleichen mit den Pressestellen der Botschaften und Gesandtschaften der anderen Länder.
Es wird in der letzten Zeit viel von der Selbstkontrolle gesprochen. Es ist noch nicht ausgegoren, auch in Journalistenkreisen noch nicht. Ich darf vielleicht ein Wort der Warnung einfügen. Richard Tüngel hat wohl nicht mit Unrecht in der „Zeit" vom 8. April gesagt, daß hier ein Weg beschritten würde, der zu einer unzulässigen Einschränkung der verbrieften Grundrechte führen könnte und schließlich zu einer neu-Goebbelsschen Schriftstellerliste und zu einer ebensolchen Pressekammer. Ich würde also doch den Rat geben, daß dieser Punkt gerade in Kreisen der Journalisten und Kollegen noch sehr eingehend diskutiert wird, bevor man zu Endgültigem kommt.
Schwere Gefahren, meine Damen und Herren, auf die wir hinweisen müssen, liegen in der Beschlagnahme von Zeitschriften auf Grund des § 94 der Strafprozeßordnung" Ich denke hier an die Beschlagnahme der „Post" in Stuttgart im Falle Klett, an dessen Aufklärung doch wirklich ein öffentliches Interesse bestand,
an die Beschlagnahme der „Revue" in München und an die Beschlagnahmung des „Spiegel" unter Anwendung desselben Paragraphen, in dem es heißt:
Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder der Einziehung unterliegen, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.
„Einziehung" auf Grund der §§ 40 ff. des Strafgesetzbuchs erfolgt nur auf Grund eines rechtskräftigen Urteils. Hier scheint mir eine große Gefahr gegeben zu sein, nämlich daß wir in eine präventive Justiz hineingeraten, sozusagen in eine Schutzhaft für die Presse. Wenn man Presseerzeugnisse als Beweismittel beschlagnahmt, dann genügen ja — ich will ganz large sein —, 12 Stück, man braucht nicht 100 000 Exemplare zu beschlagnahmen. Wir können sehr gespannt sein, wie die Feststellungsklage in Karlsruhe ausgehen wird. Von diesem Urteil wird sehr viel abhängen. Die Pressefreiheit ist ja gegeben nicht nur, damit wir unsere Meinung äußern können, sondern damit sich die öffentliche Meinung bilden kann. Zum Schutze der Bildung dieser öffentlichen Meinung muß daher davor gewarnt werden, den § 94 in so extensiver Weise anzuwenden.
Wir haben mit Befriedigung davon gehört, daß das Verfassungsschutzamt nicht eingeschaltet ist. Meine Damen und Herren, wir haben einen Bundesstaat mit großen föderalen Rechten, und so haben wir auch viele, viele Verfassungsschutzämter in deutschen Landen, so viele, daß schon der Seufzer laut wurde: Wer schützt die Verfassung vor den Verfassungsschutzämtern? Da ist der Fall des Journalisten Heinrich David in Wiesbaden, auf den ich kurz hinweisen möchte, eines ausgezeichneten und verantwortungsbewußten, durch und durch demokratischen Journalisten, der, wie auch Ihnen allgemein bekannt sein dürfte, sehr unmittelbar unter
Druck gesetzt wurde, um von ihm Schriftstücke, die er durchaus legitim erhalten hatte, herauszubekommen, und der dann vom Innenministerium für die Wahlnacht, in der die Ergebnisse bekanntgemacht wurden, ein Hausverbot erhielt. Das sind Dinge, die zu denken geben. Oder ich nehme einen anderen Fall, der so am Rande auch hereingehört. Erst vor wenigen Tagen erfuhr ich, daß die Kriminalpolizei bei einem Stuttgarter Journalisten, einem absolut demokratisch gesinnten Mann, vorsprach, um auf Ersuchen der französischen Besatzungsmacht aus ihm herauszukriegen, woher er bestimmte Informationen über französisch-sowjetische Geheimbesprechungen bekommen habe.
Das sind wiederum Dinge, die nicht in das Jahr 1954 hineinpassen.
Meine Damen und Herren, ich habe bewußt das Materielle nicht in den Vordergrund gestellt, aber auch dazu ist noch einiges kurz zu sagen: Pressefonds — um keinen härteren Ausdruck zu gebrauchen — wird es immer geben. Aber wir können die Anfälligkeit der schwachen menschlichen Natur vielleicht ein wenig mindern, wenn wir diesen Stand besserstellen; denn kaum ein anderer Berufsstand ist in seiner Existenz so ungesichert wie der Journalistenstand, und zwar auf allen seinen Stufen. Da ist die Not der jungen Journalisten: Honorare! Sie müssen nehmen, was sie bekommen, und wann bekommen sie es denn?! Und da ist die Sorge bei den älteren Journalisten und Redakteuren. Es liegen nun ganz konkrete Vorschläge zur Altersversorgung vor, zur Gleichstellung des „Versorgungswerks der Presse" in Stuttgart mit der gesetzlichen Sozialversicherung und zur Umstellung der Versicherung bei der ehemaligen Versorgungsanstalt der deutschen Presse im Verhältnis eins zu eins.
Ich meine, der Deutsche Bundestag wird sich zur 'gegebenen Zeit damit befassen müssen. Ich darf vielleicht auf die Sozialenquete hinweisen, die die moralische Unterstützung des Herrn Bundespräsidenten gefunden hat. Im Augenblick wird eine Presseenquete zur Untersuchung der Gesamtlage durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß nach dem Beispiel der britischen Royal Commission von 1949 vorgeschlagen. Ich würde mir auch die Einsetzung eines parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Pressefonds vorzuschlagen erlauben.
Nun darf ich vielleicht trotz seiner Abwesenheit noch ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister richten. Ich tue das als ganz freier Demokrat, als Journalist sogar, also nahezu als vogelfreier Demokrat.
Das Wort betrifft die Umsatzsteuer, die unethisch
und unberechtigt ist; denn Geist ist keine Ware.
Hier liegt auch ein Denkfehler vor; denn Ware, wenn man überhaupt so sagen will, entsteht erst durch den Druck. Eine völlige Befreiung müßte angestrebt werden, und das gleiche müßte natürlich auch für die anderen freien Berufe gelten.
Ein zweites Anliegen an den Herrn Bundesfinanzminister — ich hoffe, er erfährt es durch die Presse — betrifft die Pauschalsätze für Werbungskosten der Journalisten, freie und fest angestellte. Ich darf dazu, nicht wörtlich, nur paraphrasierend, aus einem kleinen Werk zitieren, das vom Herrn
Bundesfinanzminister selbst im Stollfuß-Verlag in Bonn herausgegeben wurde. Es handelt sich um die Lohnsteuerrichtlinien 1954 über die Werbungskosten und Pauschalsätze verschiedener Berufsgruppen, die gegenüber den Journalisten höchst begünstigt erscheinen. 25 % ohne Höchstsatz genießen z. B. Bauchredner und Imitatoren,
ebenfalls 25 % Komiker, Humoristen und Ansager. Akrobaten, in Klammern steht „Parterre-Akrobaten", — das gilt also wohl nicht für politische Wahlredner, sondern nur für die Zuhörer —
genießen 30%, und. am schönsten finde ich das mit den „Zauberkünstlern in Solo"; sie haben 40% ohne Höchstsatz. Ich nehme an, daß die Hasen, die sie aus dem Hut herausziehen müssen, sehr teuer geworden sind. Ja, was ist denn da mit den „Enten" der Journalisten, die kosten doch auch einiges? Diese Journalisten haben nur 20 % als freie Journalisten mit 200 DM Höchstsatz und die fest angestellten 15, ebenfalls mit 200 DM. Man dürfte hier also doch zwischen den Zauberkünstlern in Solo, den Bauchrednern, Humoristen oder Akrobaten und den Redakteuren und Journalisten zu einem arithmetischen Mittel, zu einem wahrhaft demokratischen Ausgleich kommen.
Ich darf zusammenfassen. Der Aufbau unserer Presse nach 1945 ist ein Werk, auf das wir nicht minder stolz sein können als auf den Aufbau unserer Städte und unserer materiellen Existenz. Geschichtlich gesehen mag es sogar von noch größerer Bedeutung sein; denn die Flamme des Geistes, die hier neu entzündet wurde, kann durch keine äußerliche Gewalt mehr zerstört werden, wenn wir sie nicht selber preisgeben. Diese Gefahren abzuwehren, ist die vordringlichste Aufgabe, an der die Presse und die verfassungsmäßigen Organe der Bundesrepublik zusammen arbeiten müssen. Man darf wohl, und das erscheint mir von besonderer Bedeutung, folgendes sagen: Es handelt sich hier um ein gesamtdeutsches Anliegen. An der Freiheit unserer Presse wird man uns erkennen. Diese Freiheit wird für uns überall in der Welt Vertrauen werben, besonders dort, wo deutsche Menschen leben, die ihrer demokratischen Meinungs- und Gewissensfreiheit auch heute noch beraubt sind.