Rede:
ID0202619500

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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 29. April 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1954 1043 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. April 1954. Geschäftliche Mitteilung en . . . . 1046 A, 1092 C, 1101 D, 1141 A Gedenkworte des Präsidenten für die Todesopfer des Bergunglücks der Heilbronner Schüler und Lehrer und für ihre Hinterbliebenen und Dank für die an dem Rettungswerk Beteiligten 1046 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Schuler, Höcker, Horn, Ladebeck, Gerns, Ritzel, Dr. Bartram, Cillien, Arnholz . . 1046 D Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1046 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 15, 39, 42, 43, 47, 50, 52, 54 (Drucksachen 144, 460; 342, 485; 383, 463; 384, 461; 408, 471; 426, 491; 438, 479; 457, 490) 1046 D Vorlage des Berichts des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über Maßnahmen betr. Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges (Drucksache 465) 1047 B Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und der Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1952/1953 (Drucksache 464) 1047 B Mitteilung über Vereinbarung im Ältestenrat betr. Behandlung von Fragen der Fragestunde, die wegen Abwesenheit des zuständigen Bundesministers oder seines Vertreters in der Fragestunde unerledigt bleiben 1047 C Fragestunde (Drucksache 477): 1. betr. Material zur Bewertung der Rede des Herrn Chruschtschew und zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in der Sowjetunion: Dr. Lütkens (SPD) . . . 1047 C, D, 1048 A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1047 D, 1048 A 2. betr. Artikel in der Zeitschrift „Außenpolitik" und Vermeidung der Benennung Frankreichs als Partner des Potsdamer Abkommens sowie Auslegung des Begriffs „Vereinbarungen von 1945" in der amtlichen Begründung zum Bonner Vertrag vom 26. Mai 1952: Dr. Lütkens (SPD) 1048 B, C, D Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1048 B, D 3. betr. Unterbindung des Schlachtens von Hunden und Katzen zum Zwecke des Verzehrs: Dr. Leiske (CDU/CSU) 1049 A, C, D, 1050 A Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 1049 B, D Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1050 A 4. betr. Vorschriften zum Schutz der Volksgesundheit im Bereich der Milchwirtschaft: Frau Nadig (SPD) 1050 A, C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 1050 A, C 5. betr. Fischereischutzboote für die Fanggebiete der deutschen Hochseefischerei: Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1050 C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . . 1050 D 6. betr. Steuererleichterung für den Schaustellerstand: Ruhnke (SPD) 1051 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1051 A 7. betr. Bereitstellung von Mitteln für den Ausbau des Albaufstiegs auf der Autobahnstrecke von Aichelberg bis Hohenstadt (Kreis Göppingen): Finckh (CDU/CSU) 1051 B, C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1051 B, D 8. betr. Vorlage des Entwurfs eines neuen Bundesbesoldungsgesetzes: Jahn (Frankfurt) (SPD) 1051 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1051 D 9. betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzgerichtsbarkeit: Dr. Bucher (FDP) 1052 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1052 A 10. betr. Öffnung einer für das Auswärtige Amt bestimmten Kuriersendung durch eine Zoilkontrollstelle: Dr. Lütkens (SPD) 1052 B 11. betr. Teilnahme des Kulturattachés der Deutschen Botschaft in Paris von Tiechowitz an der Französisch-Deutschen Pädagogentagung Pfingsten 1953 in Paris: Dr. Lütkens (SPD) . . . 1052 C, D, 1053 A Dr. Hallstein , Staatssekretär des Auswärtigen Amts . . . . 1052 C, D, 1053 A 12. betr. Anwendung der Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen zur Neuregelung von Nutzungsentschädigungen für von der Besatzungsmacht beschlagnahmte landwirtschaftliche Nutzflächen: Kahn-Ackermann (SPD) . . 1053 B, C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1053 B, C, D 13. betr. Verwendung und Aufbewahrung des Forschungsguts des früheren Reichsinstituts für Inner-Asien-Forschung in München: Miller (CDU/CSU) 1053 D Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1054 A 14. betr. Fährverbindung Cuxhaven-Brunsbüttelkoog (Fährschiff „Niedersachsen") : Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . . 1054 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1054 B 15. betr. Nichtberücksichtigung eines der vom Bayerischen Verkehrsbeamtenverein in München vorgeschlagenen Vertreters für den Postverwaltungsrat: Kramel (CDU/CSU) . . . . 1054 D, 1055 C Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . 1055 A, C 16. betr. Maßnahmen zum Schutze der in den ostfriesischen Inselbädern ortsansässigen Einzelhandelsbetriebe gegen Beeinträchtigungen durch Filialbetriebe von Großunternehmungen des Festlandes während der Saison: Kortmann (CDU/CSU) 1055 B, C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1055 C, D 17. betr. Zustände an den Postämtern Reinheim und Reichelsheim im Odenwald: Banse (SPD) 1055 D Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . 1055 D 18. betr. Unterlassung einer Erhöhung der Beförderungsgebühren für Päckchen in die sowjetisch besetzte Zone: Becker (Hamburg) (DP) 1056 C Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . . 1056 D 19. betr. Maßnahmen zur Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in den deutsch-schweizerischen Grenzkraftwerken des Oberrheins: Faller (SPD) 1057 A Storch, Bundesminister für Arbeit 1057 A 20. betr. Ablauf der Konzession der Privatbahn Hetzbach-Beerfelden (Odenwald) und weitere Sicherung der Personen- und Güterbeförderung auf dieser Strecke: Banse (SPD) 1057 C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1057 C 21. betr. Ausbau der Elb-Fährverbindung Glückstadt—Wischhafen: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 1054 C, D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1054 C, D 22. betr. Maßnahmen zur Förderung des Wiederaufbaus von Räumungsgrundstücken: Dr. Hesberg (CDU/CSU) 1057 B Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 1057 B 23. bis 41.: Wegen Zeitablaufs der Fragestunde schriftliche Beantwortung vorgesehen 1057 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Saarfrage (Drucksache 340; Entschließungsantrag Drucksache 493) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. Entwicklung der außenpolitischen Lage (Drucksache 488) 1057 D Dr. Mommer (SPD), Anfragender 1058 A, 1070 D, 1071 A Dr. Kopf (CDU/CSU), Anfragender 1060 C Zur Geschäftsordnung, — Frage der Verbindung der Beratung der Punkte 2 und 3 der Tagesordnung: Dr. von Brentano (CDU/CSU) 1061 B, 1062 A Dr. Menzel (SPD) 1061 B Präsident D. Dr. Ehlers 1062 B Verbindung beschlossen 1062 C Fortsetzung der Beratung der Großen Anfragen 340 und 488 in weiterer Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Auswirkungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf die Wirtschaft der Bundesrepublik (Drucksache 455) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Ausschusses zur Beratung von Vorschlägen gemäß Art. 96 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 459) 1061 B, 1062 C Dr. Deist (SPD), Anfragender . . . . 1062 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1067 B, 1070 D, 1071 A, B Dr. Mommer (SPD) 1070 D, 1071 A, 1124 D Ollenhauer (SPD) 1076 D Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 1085 D Dr. Pfleiderer (FDP) . . . . 1092 C, 1095 D Dr. Lütkens (SPD) 1095 C, 1120 C Seiboth (GB/BHE) 1098 D Dr. von Merkatz (DP) 1101 D Freiherr Riederer von Paar (CDU/CSU) 1107 D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 1110 A Walz (CDU/CSU) 1114 C Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 1115 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 1117 D, 1120 C, 1126 B Trittelvitz (SPD) 1126 C Dr. Pohle (Düsseldorf) (CDU/CSU) 1127 D Dr. Kreyssig (SPD) 1130 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1136 C Scheel (FDP) 1139 B Abstimmung vertagt 1140 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 1. Juli 1953 über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung (Drucksache 394) 1140 A Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 1140 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 14. Dezember 1953 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden (Drucksache 397) . . . 1140 A Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953 (Drucksache 469) . . 1140 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollabkommen vom 30. Dezember 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen (Drucksache 470) 1140 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache 156); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 337) 1140 B Dr.-Ing. E. h. Schuberth (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 1142 Beschlußfassung 1141 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Abg. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) u. Gen. betr. Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) 1141 C Walz (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 1144 Beschlußfassung 1141 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr Betriebskostenpauschale für freie Berufe (Drucksache 418) 1141 D Beschlußfassung 1141 D Nächste Sitzung 1141 A, D Anlage 1: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksachen 156, 337) 1142 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Abg. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) u. Gen. betr. Reiseverkehr milt dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) 1144 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 1 Seite 1142. **) Siehe Anlage 2 Seite 1144. Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 26. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) zum Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksachen 337, 156) Berichterstatter: Dr.-Ing. E. h. Schuberth Die Bundestagsdrucksache 156 enthält den Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. 11. 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen. Neben diesem Entwurf liegt eine Begründung dazu und weiter der von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 21. 11. 1947 gebilligte Text des Abkommens vor. Es handelt sich dabei um folgendes. I. Die Bundesrepublik ist bekanntlich Mitglied einiger der sogenannten Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, z. B. der Internationalen Arbeitsorganisation, der UNESCO, der Weltgesundheitsorganisation, des Internationalen Fernmeldevereins. In anderen Sonderorganisationen arbeitet die Bundesrepublik mit, ohne formell Mitglied zu sein, so z. B. in der Organisation für internationale zivile Luftfahrt, im Weltpostverein. Bis jetzt fehlt es an einer Rechtsgrundlage, die den Organisationen, in denen die Bundesrepublik Mitglied ist oder an deren Arbeiten sie teilnimmt, diejenigen Vorrechte und Befreiungen zukommen läßt, welche nach internationaler Übung den Organisationen und ihrem Mitarbeiterstab in anderen Staaten gewährt werden. Die Bundesregierung mußte schon bisher einigen Sonderorganisationen ohne die besagte Rechtsgrundlage Vorrechte und Befreiungen in beschränktem Rahmen einräumen, so z. B. der OEEC, der CARE-Organisation, der Liga der Rotkreuzgesellschaften, der Schweizer Europahilfe. Die Zugeständnisse waren dann notwendig, wenn eine Sonderorganisation im Gebiet der Bundesrepublik etwa eine Zweigstelle errichtete, so z. B. die Zweigstelle der Internationalen Arbeitsorganisation in Bad Godesberg, oder wenn eine Organisation in Deutschland Grundbesitz erwarb oder Bankkonten eröffnete oder schließlich, wenn eine Organisation im Gebiet der Bundesrepublik eine Tagung abhielt. Der Beitritt der Bundesrepublik zu dem Abkommen soll jetzt für solche Maßnahmen die Rechtsgrundlage schaffen und auch die Möglichkeit geben, über die schon bisher eingeräumten Befreiungen und Vorrechte hinaus die Beziehungen der Bundesrepublik zu anderen Sonderorganisationen auf eine einwandfreie Grundlage zu stellen. Zur Zeit wird verhandelt über Verträge mit der Arbeitsgemeinschaft der Skandinavischen Wohlfahrtsverbände, dem Weltkirchenrat, dem Lutherischen Weltbund, der World's Young Men's Christian Association und der National Catholic Welfare Conference. Zu dem Inhalt des Abkommens sei zunächst bemerkt, daß es weitgehend dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats ähnelt. Im Gegensatz dazu ist das Abkommen für die Sonderorganisationen ein Rahmenabkommen. Es wird für die einzelnen Organisationen je nach der Interessenlage durch Anhänge ergänzt. Die Rechtsstellung, die der einzelnen Sonderorganisation zukommt, ergibt sich also aus dem Abkommen und dem Anhang. Die wesentlichsten Bestimmungen des Abkommens sind in den Artikeln II, III, V und VI enthalten. Die Artikel II und III befassen sich mit der Rechtsstellung, die der Organisation als solcher gewährt wird. Danach erhält die Sonderorganisation die Qualifikation einer Rechtspersönlichkeit. Sie kann also Verträge abschließen, Vermögen erwerben und darüber verfügen. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden (Art. II § 3). Die völkerrechtliche Stellung der Organisation behandelt Art. III. Die hier zusammengefaßten Vorschriften geben den Sonderorganisationen die Freiheit, ihren Aufgaben in voller Unabhängigkeit von einzelnen Mitgliedern gerecht zu werden. Das heißt: die Sonderorganisationen sind für ihr Vermögen von der Gerichtsbarkeit befreit. Ihre Räumlichkeiten und Archive sind unverletzlich. Ihre Guthaben, ihre Einkünfte unterliegen nicht den direkten Steuern, und schließlich sind sie auch bezüglich der zum Amtsgebrauch bestimmten Gegenstände von allen Zöllen, Ein- und Ausfuhrverboten freigestellt. Art. III § 7 sieht auch eine Befreiung von devisenrechtlichen Beschränkungen vor. Das kann aber in vollem Umfange für die Bundesrepublik nicht gelten. Deshalb macht Art. 1 des Beitrittsgesetzes einen Vorbehalt zu § 7 b. Dies bedeutet aber nicht, daß die Sonderorganisationen ihre in der Bundesrepublik befindlichen Guthaben und Devisen usw. (Dr.-Ing. E. H. Schuberth) nicht transferieren dürfen. Der Transfer bedarf nur der nach deutschem Recht erforderlichen Genehmigung. Die persönlichen Vorrechte und Befreiungen sind Gegenstand der Vorschriften in Art. V und Art. VI. Art. V behandelt die Vorrechte und Befreiungen für die Vertreter der Mitgliedstaaten, die an Tagungen der Sonderorganisationen teilnehmen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten sollen sich in voller Freiheit zum Tagungsort begeben, vom Tagungsort zurückkehren und auf der Tagung ihres Amts walten können. Art. V sieht deshalb die Befreiung von Verhaftung und Festnahme auf der Reise nach und vom Tagungsort, die Unverletzlichkeit aller Papiere und Schriftstücke, die Befreiung von fremdenpolizeilichen Vorschriften sowie eine Immunität für alle Äußerungen bei der Ausübung des Amts vor. Die Freiheiten, welche in dieser Weise den Vertretern der Mitgliedstaaten eingeräumt werden, gelten nicht im Verhältnis zu demjenigen Staat, dem der Vertreter angehört oder den er bei der Sonderorganisation zu vertreten hat (§ 17). Die Vorrechte und Befreiungen, die die Beamten der Sonderorganisationen erhalten haben, sind nach der Funktion, die der einzelne Beamte ausübt, abgestuft. Die Leiter der Sonderorganisationen genießen volle diplomatische Immunitäten für sich und ihre Familienangehörigen (§ 21). Die übrigen Beamten sind von der Gerichtsbarkeit befreit in bezug auf amtliche Äußerungen und Handlungen. Sie sind befreit von der Einkommensteuer, von fremdenpolizeilichen Vorschriften und vom Zoll für die erstmalige Überführung ihres Hausrats. Außerdem genießen sie eine bevorzugte Behandlung bei der Devisenbewirtschaftung. Welchen Beamten diese Befreiungen zustehen sollen, bestimmt jede Organisation für sich. Der Generalsekretär der Sonderorganisation hat die Namen der Beamten, die solche Befreiungen erhalten sollen, den Mitgliedsregierungen mitzuteilen (§ 18). Art. VII §§ 24 und 25 schafft Vorkehrungen, die es erlauben, einem Mißbrauch der Vorrechte zu begegnen. Von Interesse ist schließlich Art. IX, der ein Verfahren vorsieht, nach dem Streitigkeiten auf dem Gebiet des Vertragsrechts geschlichtet werden oder auch Streitigkeiten, an denen ein mit Immunitäten begabter Beamter beteiligt ist. Der Beitritt der Bundesrepublik wird dadurch wirksam, daß die Beitrittserklärung bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen oder dem Leiter der betreffenden Sonderorganisation hinterlegt wird. Das Abkommen wird jeweils im Verhältnis zwischen dem Staat und der in Frage stehenden Sonderorganisation wirksam. II. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt nicht nur den Beitritt der Bundesrepublik zu dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, sondern macht es im Art. III der Bundesregierung möglich, durch Rechtsverordnung Vorrechte und Befreiungen auch anderen zwischenstaatlichen Sonderorganisationen sowie ausländischen Wohlfahrtsorganisationen und ihren ausländischen Vertretern im Bundesgebiet zu gewähren. Solche amtlichen zwischenstaatlichen Organisationen sind z. B. internationale Schiedsgerichte, die mit dem Sitz in der Bundesrepublik errichtet werden, so der Schiedsgerichtshof des Londoner Schuldenabkommens. Ausländischen Wohlfahrtsorganisationen hat die Bundesregierung schon in der Vergangenheit auf Grund besonderer Abmachungen Steuer- und Zollvergünstigungen einräumen müssen (z. B. CARE, CRALOG, LICROS usw.); siehe Begründung des Gesetzentwurfs auf Seite 4. III. Aus allgemein politischen, aus rechtlichen, aber auch vielleicht aus moralischen Gründen sollte die Bundesrepublik dem Abkommen beitreten. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zugestimmt, daß in Art. III Satz 3 die Worte eingefügt werden sollen: „mit Zustimmung des Bundesrats". Dieses Verlangen des Bundesrats scheint berechtigt; die Bundesregierung hat hiergegen auch nichts einzuwenden gehabt. Die Berlin-Klausel in Art. IV sollte die jetzt übliche Fassung erhalten, nämlich: Dieses Gesetz gilt auch im Lande Berlin, wenn das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes feststellt. Bonn, den 29. April 1954 Dr.-Ing. E. h. Schuberth Berichterstatter Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 26. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) Berichterstatter: Abgeordneter Walz Der Bundestag hat mit Beschluß vom 12. Juli 1950 die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Aufhebung des Paß- und Visumzwangs im Reiseverkehr mit dem Saargebiet einzusetzen. Die daraufhin eingeleiteten Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission führten mit Wirkung vom 1. Januar 1951 zur Aufhebung des Visumzwangs. Der Paßzwang blieb bestehen. Das neue Bundesgesetz über das Paßwesen vom 4. März 1952 schreibt einen Paßzwang nur für Deutsche vor, die das Bundesgebiet über eine Auslandsgrenze verlassen oder betreten. Nach deutschem Recht besteht daher für die Ausreise von deutschen Staatsangehörigen aus dem deutschen Bundesgebiet in das Saargebiet oder für die Einreise von Saarbewohnern deutscher Staatsangehörigkeit aus dem Saar- in das Bundesgebiet kein Paßzwang. Bei der damaligen Beratung des neuen Paßgesetzes im Ausschuß des Bundestages für Angelegenheiten der inneren Verwaltung bestand daher Übereinstimmung darüber, daß rechtlich gegenüber dem Saargebiet ebensowenig ein Paßzwang für Deutsche in Frage kommt wie beim Übertritt über die Sowjetzonengrenze. Der Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet vom 8. Januar 1954 ist nach einem Beschluß des Bundestages dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen federführend unter Mitbeteiligung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überwiesen worden. In einer Sitzung vom 9. Februar 1954 beschloß der mitbeteiligte Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung daraufhin, dem federführenden Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen folgende Formulierung zu empfehlen: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, den Reiseverkehr zwischen dem Saargebiet, den unter vorläufiger Auftragsverwaltung stehenden Westgebieten und dem Bundesgebiet nach den Gepflogenheiten des innerdeutschen Reiseverkehrs zu regeln. Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen hat in seiner Sitzung vom 16. März 1954 diese Formulierung gutgeheißen und beschlossen, sie als Antrag dem Bundestag vorzulegen. Als Berichterstatter empfehle ich Ihnen, in diesem Sinne zu beschließen. Bonn, den 29. April 1954 Walz Berichterstatter
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    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, ich habe wohl den einen Vorschlag gehört; aber es schien mir doch nicht sehr konkret zu sein, von einem Sicherheitssystem im Rahmen der UNO zu sprechen, in das Deutschland eingebettet werden solle, ein Sicherheitssystem, das dann allen Beteiligten — auch Rußland und den Weststaaten — die Sicherheit geben sollte, nach der sie verlangen. Das ist doch ein wenig ein Wunschtraum, und ich meine, wir sollten doch auch die Vereinten Nationen heute nicht mehr bemühen, als notwendig ist. So wichtig die Vereinten Nationen sind und so sehr ich hoffe, daß sie fortbestehen werden, — wenn ich glaubte, unsere einzige Sicherheit durch einen Beitritt zu den Vereinten Nationen finden zu
    müssen, dann würde ich an der deutschen Zukunft verzweifeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Bärsch: Wer hat das behauptet?!)

    Aber die Fragen stehen — und das ist auch hier schon aus verschiedenen Erklärungen sichtbar geworden — in einem unmittelbaren Zusammenhang auch mit der Anfrage der Sozialdemokratischen Partei zum Saarproblem, und dazu möchte ich einiges sagen. Ich habe mich am 28. Oktober vergangenen Jahres zu dieser Frage geäußert, als ich auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers antwortete, und ich halte die Feststellungen, die ich damals getroffen habe, unverändert aufrecht. Ich bin auch der Meinung, meine Damen und Herren, daß der Beschluß des Bundestags vom 3. Juli vorigen Jahres heute noch unverändert gilt, und ich weiß nicht, wer eigentlich die Zweifel ausgelöst hat, die unsere Opposition veranlassen, nun dasselbe noch einmal beschließen zu lassen. Wenn wir uns das angewöhnen, fürchte ich, werden wir demnächst auch die Gesetzesvorlagen wiederholt beschließen. Ich stelle für meine Freunde und mich fest: An diesem Entschluß vom 3. Juli, der hier im Bundestag einstimmig gefaßt worden ist, ändert sich nichts, ob wir ihn heute wiederholen oder bestätigen oder nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Menzel: Dann stimmen Sie zu! Das ist am einfachsten!)

    Ich habe damals schon gesagt und wiederhole es: Solange das Problem der Saar im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich nicht in irgendeiner befriedigenden Weise gelöst ist, wird die Spannung zwischen diesen beiden Ländern nicht beseitigt werden, und die Beseitigung dieser Spannung ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine aussichtsreiche Politik der freien Völker, zumindest in Europa, also nicht nur für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich. Diese Tatsache können wir nicht außer acht lassen oder leugnen, unabhängig davon, wie wir uns die von uns erstrebte Form der Zusammenarbeit vorstellen.
    Auch wer glaubt — und das möchte ich gerade auch der Opposition sagen —, daß man nicht auf dem Wege der Integration fortfahren, sondern die Zusammenarbeit durch multilaterale Verträge, durch völkerrechtliche Koalitionen oder durch militärische Allianzen verwirklichen sollte, auch der muß wissen, daß sich auch diese Vorstellungen nicht realisieren lassen, solange nicht Frankreich und Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen, daß solche Verträge überhaupt zustande kommen können.
    Noch ein Zweites. Die Verhältnisse im Saargebiet, die in den letzten neun Jahren entstanden sind und die wir beklagen und verurteilen, können nur befriedigend geändert werden, wenn Deutschland und Frankreich sich verständigen und wenn die Bevölkerung an der Saar eine solche Verständigung gutheißt. Deswegen dürfen wir meiner Meinung nach gar nicht darauf verzichten, eine Verständigung mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln herbeizuführen. Wer sich diesem Bemühen versagt, der hat — und das scheint mir logisch — doch nur die Wahl, den derzeitigen Zustand wenn auch unter Protest zu verewigen oder mit dem Gedanken einer gewaltsamen Lösung zu spielen, und ich glaube, daß es wirklich niemand gibt, der sich für eine dieser beiden, zum wenigsten für die letzte Alternative entscheiden würde.


    (Dr. von Brentano)

    Seitdem wir hier im Bundestag das letzte Mal über diese Frage diskutieren, wurden die deutschfranzösischen Gespräche wieder aufgenommen. Sie wurden auch durch die Beratungen gefördert, die im Politischen Ausschuß der Beratenden Versammlung des Europarats auf der Grundlage des Berichts des holländischen Abgeordneten Van der Goes van Naters geführt wurden. Meine Damen und Herren, Sie werden aus meinen Darlegungen ersehen, daß auch wir durchaus nicht die in dem Plan des Abgeordneten Van der Goes van Naters entwickelten Gedankengänge zu teilen vermögen und daß wir sehr starke und ernste Vorbehalte haben, Vorbehalte, die zum Teil ihre Erledigung gefunden haben durch die erfolgreiche Mitarbeit der deutschen Abgeordneten in der Kommission, zum Teil zum Ausdruck kamen in den Vorbehalten bei der Abstimmung. Aber ich halte es doch für richtig und für angemessen, auch hier den Ausdruck des persönlichen Dankes an meinen holländischen Freund Van der Goes van Naters auszusprechen für sein Bemühen um eine Lösung, für sein uneigennütziges Bemühen um die Lösung einer Spannung, die uns allen am Herzen liegt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte gar nicht in allen Punkten zu den Einzelheiten des Vorschlages Stellung nehmen. Aber ich möchte vorausschicken, daß ich — mit dem Herrn Bundeskanzler wohl — der Meinung bin, daß der Bericht in der nun vorliegenden Fassung vom 7. März geeignet ist, den französischdeutschen Besprechungen als Arbeitsgrundlage zu dienen und vielleicht auch später in einer Achtmächtekonferenz als Diskussionsgrundlage verwendet zu werden. Allerdings möchte ich, wenn ich das sage, keinen Zweifel daran lassen, daß man uns, wenn wir schon unsere Bedenken gegen den Plan äußern — und ich werde einige dieser Bedenken hier sehr konkret vortragen —, nicht unterstellen sollte — und daß die Zustimmung, diese Gedanken als Arbeitsgrundlage zu nehmen, nicht dahin mißdeutet werden sollte —, daß das nun ein deutscher Vorschlag sei, den man noch verschlechtern könne. Was der Van-der-Goes-van-Naters-Plan vorschlägt, würde an sich, selbst wenn es in einer noch verbesserten Form akzeptiert würde, von Deutschland Konzessionen verlangen, die für uns alle unendlich schwer zu tragen sein werden. Ich betone: selbst wenn noch wesentliche Verbesserungen hinzukommen, die ich hoffe und wünsche. Deswegen kann es nicht der Ausgangspunkt sein — das möchte ich klarstellen —, daß etwa nun dieser Plan im Gegensatz zu weitergehenden Wünschen unseres französischen Gesprächspartners gestellt wird, und zwar in der Hoffnung, sich dann auf einer mittleren Linie zu verständigen.
    Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die begonnenen Verhandlungen fortzuführen und zu gegebener Zeit das Ergebnis dieser Verhandlungen vor dem Bundestag darzulegen. Es wäre auch ungewöhnlich, wenn wir jetzt zu solchen laufenden politischen und diplomatischen Verhandlungen in Einzelfragen Stellung nehmen wollten. Es erscheint mir zweckmäßiger — und hier folge ich auch dem, was Herr Kollege Ollenhauer wie auch der Herr Bundeskanzler sagten —, grundsätzliche Erklärungen zu den Lösungsmöglichkeiten, wie sie sich heute abzeichnen, zu geben, also, wie es der Herr Bundeskanzler ausdrückte, die Lösungselemente einmal zu skizzieren und zu diskutieren.
    Zunächst eine Bemerkung: Es ist viel von dem Junktim gesprochen worden, das zwischen der Ratifizerung des EVG-Vertrags durch Frankreich und einer Lösung der Saarfrage bestehe. Ich vermag ein solches Junktim in keiner Weise anzuerkennen. Mag sein — wir wissen es ja —, daß die französische Regierung für ihre eigene Entscheidung und für die der französischen Kammer ein solches Junktim hergestellt hat. Das ist eine innerpolitische französische Entscheidung, von der wir Kenntnis nahmen, ohne daß uns daran eine Kritik zusteht. Aber im Verhältnis zu Deutschland als einem Vertragspartner der Verträge von Bonn und Paris kann ein solches Junktim nicht durch eine einseitige Erklärung eines Partners hergestellt werden.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : Sehr richtig!)

    Die Verträge von Bonn und Paris wurden ohne den Vorbehalt eines solchen Junktims unterzeichnet und stehen auch ohne den Vorbehalt eines solchen Junktims nun zur Ratifizierung. Das schließt nicht aus, um auch das klarzustellen, daß wir von dieser innenpolitischen Verzahnung Kenntnis nehmen und daß wir unsere Bereitschaft erklären, an einer Lösung mitzuarbeiten, — das um so weniger, als wir ja selbst schon wiederholt erklärt haben, daß das Verhältnis zwischen dem deutschen Mutterland und dem Saargebiet wieder normalisiert werden müsse. Dieses Verlangen entspricht ebensosehr dem bereits geäußerten Wunsch, das französischdeutsche Verhältnis in einer guten und beständigen Weise neu und dauerhaft zu gestalten, wie auch dem nicht minder dringenden Wunsch, den deutschen Menschen an der Saar die gleichen politischen Daseinsbedingungen zu vermitteln, die sowohl in Frankreich wie in Deutschland selbstverständlich von jedem freien Bürger für sich gefordert und auch vom Staate gewährt werden,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daseinsbedingungen, wie sie auch in der Konvention für die Menschenrechte eindeutig fixiert worden sind. Diese Konvention hat die einmütige Billigung des Europarats gefunden.
    Erlauben Sie, daß ich auch in diesem Zusammenhang ein Zitat bringe, das meines Erachtens in einer
    sehr eindringlichen Weise die Situation zeigt, wie
    sie heute besteht. Im „Manchester Guardian" ist —
    ich glaube, es war in der Nummer vom 17. April —
    eine Betrachtung über die Saar erschienen. In dieser Betrachtung heißt es — mit Genehmigung des
    Herrn Präsidenten darf ich wörtlich zitieren —: Der zweite Aspekt der Saarfrage ist das Fehlen der politischen Freiheit. Das ist tatsächlich offen zugegeben von der Saarregierung, von Frankreich und von den anderen im Ausschuß des Europarats vertretenen Ländern, der im vergangenen Monat in London tagte. Der Ausschuß stellte eindeutig fest, daß die politischen Freiheiten erst 12 Monate vor der Volksabstimmung eingeführt werden sollten. Das scheint uns doch eine überraschende Haltung des westlichen Europas zu sein, wenn es gleichzeitig die Demokratie gegen die Diktatur verteidigt. Warum sind gewisse politische Parteien im Saargebiet verboten? Weil sie glauben, daß die Saar eines Tages zu Deutschland zurückkehren sollte. Aber die Kommunistische Partei ist, anders als die deutsch-freundlichen Gruppen, nicht verboten, obwohl es sich diese Partei doch nicht zum Ziel gesetzt hat, demokratische Gesetze und demokratische Praxis zu respektieren. Herr Hoffmann ist der Auffassung, daß


    (Dr. von Brentano)

    eine große Mehrheit im Saargebiet den Gedanken einer Europäisierung unterstützen würde, der übrigens nicht von der Bundesregierung bekämpft wurde. Das mag richtig sein. Um so mehr Grund besteht, die Anomalien abzuschaffen, die im Verbot politischer Parteien, in der Zensur der Post, in der Überwachung des Telefons und in dem Verbot von Zeitungen bestehen. Wenn das Saargebiet das erste europäische Territorium werden soll, dann sollte es doch wenigstens auch ein freies und demokratisches sein. Andernfalls würde die Entwicklung zur europäischen Einigung keinen Vorteil davon haben, wenn Saarbrücken seine Hauptstadt und sein geographisches Zentrum sein würde.
    Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat aus dem „Manchester Guardian", dem ich nichts hinzuzufügen habe und das ich gebracht habe, um noch einem Einwand zu begegnen, der uns schon entgegengehalten wurde, nämlich dem Einwand, wer uns legitimiere, für die Saar zu sprechen. Man hat manchmal sogar eine solche Intervention als Einmischung bezeichnet.
    Ich habe gesagt und wiederhole es, daß das Saargebiet unbestreitbar zum deutschen Gebiet in den Grenzen des Jahres 1937 gehörte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich habe damals auch gesagt und wiederhole, daß Frankreich wiederholt und nachdrücklich erklärt hat, daß es gar nicht daran denke — auch im Jahre 1945 nicht daran gedacht habe —, das Saargebiet zu annektieren. Die Menschen an der Saar sind also Deutsche; sie waren es und sind es geblieben.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Sie werden es bleiben!)

    Man wollte sie gar nicht zu Franzosen machen. Das ist die erklärte Politik Frankreichs, die ich nur aufnehme. Ein saarländischer Staat konnte gar nicht entstehen; er ist ja auch nicht entstanden. Staatscharakter ist diesem Gebiet nicht zuerkannt worden, das auch nur als assoziiertes Mitglied dem Europarat angehört.
    Wir sind auch — und da stehe ich auch in keinem Widerspruch zu meinen französischen Freunden — bei den Beratungen des europäischen Verfassungsentwurfs einmütig davon ausgegangen, als wir den Art. 101 formulierten, der leider dann in Straßburg nicht akzeptiert wurde, daß Bevölkerung und Saar integrierender Bestandteil der politischen Gemeinschaft sein sollten, wobei wir dem besonderen Status der Saar dadurch Rechnung getragen haben, daß wir weder seine Regierung noch sein Parlament in eine Parallele zu den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gestellt haben.
    Aber es ist ja wirklich nicht nur eine Rechtsfrage nach unserer Legitimation. Man sollte sie nicht so stellen, sondern man sollte doch zugeben und anerkennen, daß, wenn ein Deutscher von den 960 000 Menschen an der Saar spricht, er gar nicht nach der rechtlichen Grundlage dieses Anliegens fragt, sondern daß sein Herz mit ihm und für die anderen spricht.

    (Beifall bei den. Regierungsparteien.)

    Es ist nun häufig in den vergangenen Monaten das Wort von der Europäisierung der Saar gebraucht worden. Wenn wir uns wirklich um eine echte Lösung bemühen — und ich bin bereit, ein solches Bemühen mit aller Leidenschaft zu unterstützen —, dann müssen wir auch die Formel ein wenig konkretisieren. In der Diskussion ist dieses Wort „Europäisierung" ein wenig schillernd geworden durch die Vielfalt seiner Ausdeutung. Ich möchte konkret sagen, was ich mir darunter vorstelle und was sich auch meine politischen Freunde darunter vorzustellen vermögen: daß wir uns um eine europäische Lösung bemühen sollten, die nur darin bestehen kann, dem Gebiete und dem Volk an der Saar den Status eines europäischen Territoriums zu geben im Rahmen einer europäischen politischen Gemeinschaft und unter der Autorität und der Kontrolle einer solchen Gemeinschaft. Eine solche konkrete Vorstellung dessen, was wir wollen und für möglich halten, schließt zwei Mißverständnisse aus: einmal das Mißverständnis — ja, man könnte sagen, die etwas bösartige Unterstellung —, als könnte die Europäisierung mit einer Anerkennung und Legalisierung der bestehenden Zustände gleichgesetzt werden, zum andern das Mißverständnis, als könnte die Lösung darin bestehen, aus dem Saargebiet einen neuen Staat oder auch nur ein staatsähnliches Gebilde zu schaffen. Das kann und darf nach unserer Absicht nicht geschehen; denn wir würden damit genau den Zielen entgegenhandeln, die wir uns gestellt haben, als wir uns zur europäischen Integration bekannt haben.
    Dieser konkreten Formulierung dessen, was ich für möglich halte, möchte ich einige Bemerkungen folgen lassen, wobei ich nicht einen starren Katalog von Bedingungen aufstellen möchte. Meine Damen und Herren, das stünde uns hier heute nicht zu und würde wohl auch wenig dazu beitragen, vertrauensvolle und aussichtsreiche Verhandlungen zu führen. Ich will auch nicht von Bedingungen sprechen, sondern wiederholt das Wort aufnehmen, das auch der Herr Bundeskanzler gebraucht hat, nämlich: die Elemente einer solchen Lösung diskutieren.
    Ich meine, daß ein europäisches Territorium nur entstehen kann, wenn die Europäische Gemeinschaft Wirklichkeit wird, wie es ja auch in Art. 1 des revidierten Entwurfs von Goes van Naters heißt, und es kann nur bestehen, solange die Gemeinschaft besteht. Die Lösungsmöglichkeit steht daher nach meiner Überzeugung gleichermaßen unter der aufschiebenden Bedingung, daß die politische Gemeinschaft entsteht, und unter der auflösenden, falls sie wegfallen sollte.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Hier scheint meiner Ansicht nach ein echtes Junktim zu bestehen, zu dem ich mich sehr nachdrücklich bekenne: das Junktim einer echten europäischen Saarlösung im Rahmen einer echten europäischen Gemeinschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und zweitens — auch hier stimme ich mit dem Herrn Bundeskanzler völlig überein —: die Lösung der Saarfrage kann schon mit Rücksicht auf die politische Lage Deutschlands, wie sie auch Herr Kollege Ollenhauer geschildert hat — wir beurteilen sie kaum verschieden —, nur einen vorläufigen Charakter tragen. Dieser besonderen Lage, in der sich Deutschland befindet, hat man ja auch schon in der Vergangenheit bereitwillig Rechnung getragen. Ich erinnere an den Briefwechsel zwischen dem französischen Außenminister Robert Schuman und dem Bundeskanzler Adenauer anläßlich der Unterzeichnung des Vertrages über die Montan-Union; ich erinnere auch an Art. 73 des Deutschland-Vertrags und nicht zuletzt an die geradezu


    (Dr. von Brentano)

    brillante Interpretation des Art. 73 durch den französischen Außenminister Bidault in Berlin.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Diese wirklich ausgezeichnete Interpretation, die ich mir voll und ganz zu eigen mache, wird auch unserm französischen Gesprächspartner das Verständnis dafür vermitteln, warum wir eine endgültige Lösung heute nicht zu diskutieren vermögen. Die endgültige Lösung muß in einem frei verhandelten Friedensvertrag zustande kommen. Dabei stimme ich, um den Zwischenruf aufzunehmen, den Sie, glaube ich, Herr Kollege Mommer, am Anfang in der Rede des Herrn Bundeskanzlers machten, mit Ihnen überein, daß die Formulierung des § 19 des Entwurfs, wie er uns heute vorliegt, nicht akzeptabel ist. Mein Freund Gerstenmaier hat ja auch in der Abstimmung in Paris seinen Vorbehalt gegen den Art. 19 gerichtet. Es würde meiner Überzeugung nach gegen die Voraussetzung verstoßen, von der ich sprach, wenn andere Mächte in einem solchen Vertrag eine Garantie dafür übernehmen würden, den vorläufigen Zustand in einen endgültigen überzuführen. Die Voraussetzung, auch diese Frage im Friedensvertrag frei zu verhandeln, wäre damit nicht mehr gegeben, und ich möchte deswegen an dem Vorbehalt meines Freundes Gerstenmaier mit großem Nachdruck festhalten.
    Das Verlangen nach Herstellung der demokratischen Freiheitsrechte an der Saar ist wirklich keine Forderung, die man etwa als den Ausdruck eines falschen deutschen Nationalismus abtun könnte. Ich habe schon den Artikel des Manchester Guardian zitiert, der ja wohl ein unverdächtiger Sprecher unseres Anliegens ist. Aber das Gebiet an der Saar kann und darf auch nicht auf Zeit als Exklave weiterbestehen, in der die demokratischen Grundrechte weniger Wert besitzen als jenseits ihres Einflußbereichs. Darum sollte man — da stimme ich auch mit dem Vorbehalt meines Freundes Gerstenmaier überein — die freiheitlichen Zustände auch nicht erst nach Ablauf einer Frist, also zu einem bestimmten Termin, herstellen. Fristen und Termine scheinen mir, wenn man über die Freiheit spricht, nicht angemessen zu sein.
    Meine Damen und Herren, wir bestreiten nicht, daß Frankreich wirtschaftliche Interessen im Saargebiet hat. Wir glauben mit diesem Anerkenntnis auch einen wesentlichen Beitrag zu einer französisch-deutschen Verständigung leisten zu können. Wir wollen diesen Interessen Rechnung tragen. Aber ich bin überzeugt, auch Frankreich wird einsehen und erkennen, daß eine echte europäische Lösung schlechthin nur denkbar ist, wenn die zweiseitigen französisch-saarländischen Vereinbarungen in angemessener Frist durch neue Verträge ersetzt werden, an denen Deutschland beteiligt sein wird; denn die wirtschaftlichen Interessen der Saar liegen auch in Deutschland. Man sollte weder die Saar im Verhältnis zur Bundesrepublik noch die Bundesrepublik im Verhältnis zur Saar diskriminieren. Ich spreche von einem Abbau in angemessener Frist. Ich glaube, daß das eine Selbstverständlichkeit ist: denn niemand wünscht, daß durch eine übereilte Änderung der Zustände etwa wirtschaftliche Krisen ausgelöst werden, wirtschaftliche Erschütterungen, die, gleichgültig, wo sie sich ereignen und wen sie treffen, von uns allen nicht gewünscht werden können.
    Frankreich selbst — das ist eine weitere Bemerkung zu einer Lösung — hat wiederholt ausgesprochen, daß die Bevölkerung des Saargebiets deutsch ist. Die Europäische Politische Gemeinschaft soll, wie es in Art. 1 des Entwurfs heißt, der in der Sonderversammlung einmütig angenommen wurde, auf dem Zusammenschluß der Völker und Staaten, der Achtung ihrer Eigenart und der Gleichheit der Rechte und Pflichten beruhen. Ich darf noch auf den Bericht meines italienischen Freundes Benvenuti verweisen, der zu Art. 1 des Entwurfs als Vorsitzender der entsprechenden Unterkommission in seinem Bericht ausgeführt hat:
    Wir alle sind mit der Tradition der Kultur, der
    eigenen Physiognomie unserer einzelnen Länder verbunden. Niemals darf die Gemeinschaft
    diese Werte beeinträchtigen, sie absorbieren
    oder miteinander vermengen und dadurch
    ihre Ursprünglichkeit zerstören.
    Meine Damen und Herren, wenn ich mich zu einer möglichen Lösung des Saarproblems im Rahmen der europäischen Gemeinschaft bekenne, dann möchte ich mich ausdrücklich auch auf diesen Art. 1 und auf die Interpretation beziehen und damit zum Ausdruck bringen: Wer die Saar entdeutschen wollte, würde gegen diesen ersten Grundsatz handeln. Die Zugehörigkeit der 960 000 Menschen an der Saar zum deutschen Kulturkreis muß anerkannt werden. Ich glaube, man tut gut daran, das in allem Ernst zu fordern und auch zu bestätigen. Auch ein Saargebiet, das als europäisches Territorium auf eine andere Ebene gehoben wird, soll damit nicht seine Heimat verlieren, sondern soll sie behalten und in den neuen Status mit übernehmen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Mit einer solchen Lösung, wie ich sie glaube anstreben zu sollen, wird auch die Grenzziehung nicht berührt, und von einer Ausgliederung des Saargebiets kann nicht gesprochen werden. Die Grenzziehung kann erst im Friedensvertrag erfolgen, wie ich es eingangs schon sagte. Allerdings möchte ich doch eine Bemerkung hinzufügen: Vielleicht sollten wir uns ein wenig von den Begriffsvorstellungen und der Ausdrucksweise lösen, die noch so mit unserem nationalstaatlichen Denken verbunden sind, und sollten nicht glauben, es sei ein Verrat am Volkstum, wenn Menschen Europäer werden. Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn wir so weiter dächten, würden wir eine Atmosphäre schaffen, in der eine echte europäische Gemeinsamkeit niemals entstehen könnte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir würden uns dann hinter unseren Grenzen festbeißen, und ein Überschreiten dieser Grenzen würde dann schon als Verrat nationaler Interessen betrachtet.
    Ich weiß, daß der eine oder andere, auch drüben, vielleicht in solchen Vorschlägen, wie ich sie mache, in solchen Vorbehalten, wie ich sie äußere, in solchen Einschränkungen, wie ich sie wünsche, einen Mangel an Verständigungsbereitschaft erblicken könnte. Aber ich möchte denen, die so denken und die uns sagen, daß die Lösung auch des Saarproblems ein Testfall auf die europäische Gesinnung auch der Deutschen darstelle, antworten: wir wollen, wenn wir zu einer Lösung in diesem Sinne beitragen, als gute Deutsche handeln und uns als überzeugte Europäer bewähren. Aber von unseren französischen Vertragspartnern und Gesprächspartnern dürfen wir doch wohl dieselbe Gesinnung erwarten:

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    daß auch sie das europäische Bewußtsein und die
    europäische Verpflichtung mit dem französischen


    (Dr. von Brentano)

    Denken zu vereinbaren vermögen. Wenn das nicht
    auf beiden Seiten gelingt, wird keine Lösung möglich sein, mit der man in Deutschland, mit der
    man in Frankreich und mit der man auch vor der
    Bevölkerung an der Saar wird bestehen können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Meine Bitte an die Bundesregierung ist es, bei den folgenden Verhandlungen diese Auffassung, die wir hier im Bundestag vortragen, zu berücksichtigen und diesen Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen, die, wie ich glaube, einer echten, guten und beständigen Lösung nicht im Wege stehen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte keine Prognosen über die Entwicklung anstellen, ich möchte zum wenigsten prognostizieren, was Deutschland nun aus der Genfer Konferenz zu erwarten hat. Ich möchte allerdings auch nicht, wie es mein verehrter Vorredner, Herr Kollege Ollenhauer, tat, Zensuren an auswärtige Staatsmänner erteilen. Ich glaube, das steht uns nicht zu.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Ich kann nur hoffen, daß die Deutschlandfrage, auch wenn sie nicht auf der Tagesordnung von Genf steht, doch auch dort nicht vergessen wird. Ich bin überzeugt, daß dem so ist. Denn aus der Tagesordnung, wie sie in Berlin aufgestellt und dann auf Genf übertragen wurde, ergibt sich ja der für uns vielleicht beklagenswerte, aber unleugbare enge Zusammenhang zwischen der weltpolitischen Spannung und unserem eigenen deutschen Anliegen. Aber ich bin mit der Bundesregierung und mit dem Herrn Bundeskanzler der Überzeugung, daß wir auch diese Frage, die uns alle so heiß beschäftigt und so tief bewegt, mit Aussicht auf Erfolg überhaupt nur lösen können, wenn wir ohne jede Abweichung an unserer politischen Linie festhalten, von der ich glaube, Herr Kollege Ollenhauer, daß wir uns über ihre letzte Auswirkung unterhalten sollten, wenn sie eingetreten ist.
    Ich weiß auch nicht, ob Sie mit der freudigen Genugtuung ganz recht haben, mit der Sie von dem möglichen Scheitern dieser Politik sprechen. Vergessen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß am Scheitern oder Zustandekommen solcher Lösungen auch Ihr Schicksal hängt

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und daß es Ihnen innenpolitisch nichts nützen wird, recht behalten zu haben, wenn andere einen Fehler machten! Ich bin der festen Überzeugung, daß diese Politik doch zum guten Ende führen wird, nicht weil ich meine, daß die Integration, wie ich sie mir vorstelle, nun zum Glaubensbekenntnis des Europäers erhoben werden sollte, wie Herr Kollege Ollenhauer es uns vorwarf — ach, meine Damen und Herren, wir sind gar nicht so vermessen, Glaubensbekenntnisse aufzustellen —, sondern weil ich meine, und heute noch mehr als gestern und vorgestern, daß die Entwicklung es uns ganz klar zeigt und beweist, daß der Weg, den wir gehen, zumindest im Augenblick der einzig mögliche und damit der einzig richtige ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    An einem solchen Weg festzuhalten, ist kein Ausdruck der Starrheit. Glauben Sie mir auch, Herr Kollege Ollenhauer, wir werden uns dadurch, daß wir an dieser Politik festhalten, nicht aus notwendigen internationalen Gesprächen freiwillig entfernen, wie Sie zu befürchten scheinen. Die Art der Entwicklung, wie sie auch der Herr Bundeskanzler geschildert hat, gibt mir mehr Garantie dafür, daß
    keine Lösungen irgendwelcher Art ohne uns besprochen werden, als die Isolierung, in die wir kämen, wenn wir Ihnen folgten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, mache ich bekannt: es ist interfraktionell beschlossen worden, daß die Sitzung nicht, wie im Ältestenrat vorgesehen, um 16 Uhr endet, sondern heute programmgemäß zu Ende geführt wird und daß demgemäß heute nachmittag keinerlei Ausschußsitzungen, ganz gleich, wie sie heißen mögen, mehr stattfinden sollen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Pfleiderer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Georg Pfleiderer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt in der Diplomatie eine Redensart, die heißt „Qui mange de la Sarre, en meurt" — Wer von der Saar ißt, stirbt daran.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: O Gott!)

    Dies gilt natürlich nicht nur für die gequälten Herren Beamten, die sich in der Saarfrage mühen, sondern es gilt ebenso für die Abgeordneten, die im Bundestag oder im Europarat mit dieser schwierigen Sache zu tun haben. Es gilt insbesondere auch für die Abgeordneten, die Pläne ausarbeiten und für Pläne verantwortlich sind, — denn Sie wissen ja: wer im öffentlichen Leben steht und auf sich hält, sollte heute einen Plan haben. Es gilt vielleicht auch für die Regierungen, die sich solche Pläne zunutze machen wollen. Die Saar ist im höchsten Maße gefährlich, und ich bin mir ihrer Gefahren bewußt. Ich möchte mich heute durchaus im Umkreis der Saar und ihrer Gefahren halten.
    Am vergangenen Montag wurde im Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten des Europarates in Paris über den sogenannten Naters-Plan zur Regelung der Saarfrage abgestimmt. Die Abstimmung fand, ebenso wie es bei den langwierigen Verhandlungen vorher der Fall gewesen war, unter dem Vorsitz des französischen Abgeordneten M. Guy Mollet statt. Ehe ich von irgend etwas anderem spreche, möchte ich hier hervorheben, daß M. Guy Mollet der gerechteste und umsichtigste Vorsitzende war, den man sich wünschen konnte,

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Bravo!)

    eine jener vorbildlichen, klar denkenden und uneigennützigen Persönlichkeiten, an denen sich die
    europäischen Hoffnungen aufrichten können, wenn
    sie aufs tiefste gesunken sind. Ich möchte nicht versäumen, die Dankbarkeit der deutschen Abgeordneten im Plenum des Bundestages aufs angelegentlichste und sehr bewegt zum Ausdruck zu bringen.

    (Beifall.)

    Die drei deutschen Abgeordneten haben in der Abstimmung den ganzen Reichtum des deutschen politischen Gemüts erstrahlen lassen. Ich verrate kein Geheimnis, sondern gebe nur wieder, was die Presse sagt, wenn ich mitteile, daß jeder von uns anders abgestimmt hatte als der andere.

    (Zuruf von der Mitte: Vorbildlich!)

    Herr Kollege Gerstenmaier sagte ja, Herr Kollege Mommer sagte nein, und ich enthielt mich der Stimme.

    (Heiterkeit.)

    Die Abstimmung war insofern europäisch, als wir
    nicht nach Delegationen, auch nicht nach Parteien
    abstimmten, sondern nach unseren eigenen Über-


    (Dr. Pfleiderer)

    zeugungen, freilich unter angemessener Berücksichtigung der Überzeugungen unserer politischen Freunde.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das ist eine diplomatische Methode!)

    Ich selber hatte keinen Ehrgeiz, den Rebellen zu spielen.
    Ich darf folgendes hervorheben: alle drei deutschen Abgeordneten im Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten kommen aus Württemberg,

    (Heiterkeit — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das hätte eigentlich schon zugereicht!)

    jeder grenzt mit seinem Wahlkreis an die Wahlkreise seiner beiden Kollegen, Waiblingen an Ludwigsburg und an Backnang und so reihum. Jeder von uns ist unmittelbar gewählt, und, obwohl die Menschen in allen drei Wahlkreisen ziemlich gleichartig sind, haben sie in jedem Wahlkreis den Abgeordneten einer anderen Partei gewählt. Herr Präsident, ich glaube, ich darf hier schon sagen, es gibt noch Charakterköpfe in Württemberg.

    (Heiterkeit.)

    Mein lieber Freund und Bundesbruder Reinhold Maier wird dies bestätigen, falls ihn der Herr Bundeskanzler als Zeugen hierzu hören wollte.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Die französische Regierung hat den Saarstreit oder, besser, die Saarfrage mit der EVG insofern verbunden, als sie die Verträge der Kammer erst vorlegen will, wenn eine für Frankreich befriedigende Grundsatzerklärung über die Saarfrage abgegeben ist. Umgekehrt ist in Art. 1 Abs. 1 des Naters-Plans die Saarfrage mit der Europäischen Politischen Gemeinschaft verbunden. Damit ist die Angelegenheit über sich selbst hinausgewachsen. Die Saarfrage bedingt die Verteidigungsgemeinschaft und den politischen Zusammenschluß des Erdteils. Sie berührt sich mit den Verhandlungen über Indochina und greift in das „do ut des" der ganzen Welt. Auf der anderen Seite wird die Saarfrage vergiftet, weil mancher, der die EVG zu Fall bringen möchte, die Saar zum Vorwand nimmt, um seine Gegnerschaft zur Geltung zu bringen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Gerade aus diesem Grunde muß, wer das Wort Saar hört, die echten von den falschen Tönen unterscheiden lernen. Ich selber möchte, obwohl ich sehr unmusikalisch bin, nur echte und keine falschen Töne anstimmen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das entscheidet der Hörer!)

    Die Abstimmung in Paris war deshalb so schwierig, weil in dem Naters-Plan positive und negative Elemente nebeneinanderstehen, die kaum auf einen Nenner zu bringen sind. Herr Kollege Gerstenmaier hat bei seinem Ja-Wort Vorbehalte angemeldet, die sich auf die Frage der Endgültigkeit nach Art. 19, auf die Frage der Vereinbarkeit mit den Art. 2 und 7 des Deutschlandvertrages und auf die Frage der Menschenrechte beziehen. Ich habe mir diese Vorbehalte zu eigen gemacht und glaube, auch Herr Kollege Mommer hat es getan. So sind die drei Deutschen in vielem doch einer Meinung gewesen; nur haben sie in der Abstimmung verschiedene Folgerungen daraus gezogen. Die Vorbehalte des Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier waren jedoch, ich möchte sagen, Mindestvorbehalte. Es gab darüber hinaus noch „Spitzen" individueller Natur.
    Ich möchte über die Frage der Menschenrechte hier nicht besonders sprechen; sie sind im Laufe der Debatte schon eingehend behandelt worden. Im übrigen haben Sie ja, Herr Kollege Gerstenmaier, in London darüber verhandelt und wären der Berufenste, darüber zu sprechen.
    Der Herr Bundeskanzler hat in seinen Ausführungen zur Saarfrage von der Notwendigkeit eines Kompromisses gesprochen, von der Notwendigkeit, sich auf einer mittleren Linie oder einer höheren europäischen Ebene zu treffen. Meine politischen Freunde haben oft mehr als ich selber die außenpolitische Linie des Herrn Bundeskanzlers bejaht und unterstützt und in den europäischen Fragen — ich darf nur an meinen Freund Herrn Dr. Becker erinnern — tatkräftig mitgearbeitet. Meine Freunde sind auch, und ich bin es erst recht, von Natur aus und von Partei wegen gutartig und freundlich und kompromißbereit.

    (Heiterkeit. — Na, Na-Rufe.)

    Die Fragen aber, um die es sich bei der Saar handelt, sind von so grundsätzlicher Bedeutung, daß sie Kompromissen schwer zugänglich sind und uns zwingen, unsere Ansichten, oder besser: die Lage Deutschlands so deutlich zu formulieren, daß es keine Mißverständnisse darüber geben kann.

    (Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Wenn der Herr Bundeskanzler gesagt hat, daß wir hier einseitige Rechtsänderungen hinnehmen müßten, so stimmen meine Freunde darin nicht zu. Auf dieser Grundlage kann man schwer zusammen kämpfen, wenn man sich mit anderen dazu zusammenschließen will.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Wirklichkeit der französischen Deutschlandpolitik ist von deutscher Seite schwer darzustellen. Es hat immer etwas Mißliches, sich zum Dolmetscher fremder Überlegungen und Absichten zu machen. Ich bin deshalb auch gern bereit, mich berichtigen zu lassen, und was ich vortrage, trage ich vor, ohne es gut oder böse, gerecht oder ungerecht zu heißen. Jeder Staat verfolgt die Politik, die ihm gutdünkt. Gerade wir Deutschen sollten endlich lernen, die Staaten so zu nehmen, wie sie sind, und sollten als die Besiegten zweier Weltkriege den Sieger nicht ändern und umerziehen wollen.
    Wir glauben nun, in der französischen Saarpolitik wirtschaftliche und politische Beweggründe zu sehen, Beweggründe, die verschieden stark sind und zuweilen auch wechseln. Zuerst war von den Kohlen die Rede, dann von den Devisen, dann von Reparationen oder gar von dem Konjunkturpuffer für Lothringen. Oft aber, und hierin scheint etwas Dauerndes zu liegen, ist von dem Wunsch die Rede, uns Deutsche als die als gefährlich empfundenen Nachbarn um Gebiet und Wirtschaftskraft der Saar zu schwächen. Das Gleichgewicht zwischen Bundesrepublik und Frankreich sei gestört, so heißt es, wenn die Saar bei Deutschland bleibe.
    Mit all dem habe ich mich im Augenblick nicht auseinanderzusetzen. Es würde nur die tausendjährige Reihe von Klage, Widerklage und Verteidigung auslösen. Wohl aber habe ich zu prüfen und haben wir alle zu prüfen, was der Verbund der Saarfrage mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bedeutet. Und nicht nur wir Deutschen haben das zu prüfen, sondern alle Staaten haben es zu prüfen, denen am Zustandekommen der gemeinsamen Verteidigung gelegen ist.


    (Dr. Pfleiderer)

    Die Bundesrepublik hat die Verteidigungsgemeinschaft unterschrieben und ratifiziert. Sie will sich auf militärischem Gebiet auf Gedeih und Verderb, auf Leben und Tod mit Frankreich verbinden, und das ist etwas ganz anderes als der Beitritt zum Internationalen Gesundheitsamt oder zur Internationalen Reblaus-Konvention.
    Nun, was bedeutet das Junktim von Saar und EVG?
    Die Notwendigkeit, Westeuropa zu einer Verteidigungsgemeinschaft zusammenzuschließen, wird damit begründet, daß Europa von Osten her bedroht sei. Diese Bedrohung ist, wenn man sie anerkennt — und die Bundesregierung und viele andere Regierungen erkennen sie an —, für Frankreich nicht geringer als für die Bundesrepublik; sie ist für uns nicht größer, als sie für Frankreich ist. Wenn nun aber der eine Teil seine Bereitwilligkeit zur gemeinsamen Verteidigung von der Lösung eines bestimmten, mit der Verteidigung an sich gar nicht zusammenhängenden Streitfalles abhängig macht, und zwar in dem Sinne abhängig macht, daß er gewillt ist, auf die gemeinsame Verteidigung zu verzichten, wenn der Streitfall nicht in seinem Sinne gelöst wird, dann wird die Auffassung, daß man bedroht sei und sich gemeinsam verteidigen müsse, unglaubwürdig,

    (Beifall bei der FDP — Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE)

    dann wird dem Gedanken der gemeinsamen Verteidigung der Boden entzogen, es wird seine Berechtigung zerstört. Wer die Lösung der Saarfrage zur Vorbedingung der westlichen Verteidigung erhebt, stellt innereuropäische Streitfragen über die gemeinsame Verteidigung und leugnet damit die Notwendigkeit dieser Verteidigung selbst.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Denn entweder ist man bedroht, oder man ist nicht bedroht; und wenn man bedroht ist, kann man nicht so tun, als wäre man es nicht.
    Dies ist ein sehr ernster Punkt; denn er stellt die Gemeinsamkeit in Frage. Wenn der eine unter allen Umständen will und der andere nur unter bestimmten Umständen will, dann ist der, der unter allen Umständen will, hoffnungslos im Nachteil.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Diese Lage müssen wir unter allen Umständen vermeiden, weil wir sonst von Vorleistung zu Vorleistung gezogen werden,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    ohne sicher zu sein, die Gegenleistung zu erhalten.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und dem GB/BHE.)

    Wir wissen, daß die Grundsatzerklärung über die Saarfrage die Voraussetzung dafür bildet, daß die EVG vor die französische Kammer kommt. Aber wir haben noch keine Sicherheit dafür, daß die EVG dann sicher ratifiziert wird. Wir befinden uns hier in einer höchst unbefriedigenden Lage, und weite Kreise des deutschen Volkes beginnen ja auch unruhig zu werden, weil wir mit den zentralen Fragen unserer Außenpolitik, mit den Fragen der Sicherheit und Verteidigung von völlig ungewissen Mehrheitsverhältnissen in einem fremden Parlament abhängig sind. Man mag wohl darüber nachdenken, was in Frankreich geschehen wäre, wenn wir schon vor anderthalb Jahren ratifiziert hätten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Heute jedenfalls ist die Lage die, daß zum zweiten Jahrestag der Unterzeichnung das Schicksal der EVG eher unsicherer ist als vor einem Jahr oder bei der Unterzeichnung selbst. Wir wissen, daß die grundsätzliche Lösung der Saarfrage eine Vorbedingung dafür bildet, daß die EVG in der Kammer behandelt wird. Aber sie ist nicht die einzige Vorbedingung. Da gibt es ja noch die militärischen Zusagen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens und die Frage der Zusatzprotokolle. Heute ist lange davon gesprochen worden, diese sei befriedigend geregelt, aber wir wissen, daß sich die französische Regierung und französische Kreise vorbehalten zu sagen, ob nun diese Zusagen wirklich auch genügten. Es gibt noch ganz andere und viel schwierigere Fragen, und wenn man sie nicht oder noch nicht öffentlich vorbringt, dann soll das nicht heißen, daß man sich ihrer in Frankreich nicht sehr bewußt wäre. Es handelt sich um die ganze Problematik der deutschen Ostgrenzen, mit der man sich in Frankreich durch die Verteidigungsgemeinschaft viel enger verbunden glaubt als ohne diese. Ich unterziehe mich der höchst undankbaren Aufgabe, diese Fragen hier vorzubringen, und zwar deshalb, weil wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß hinter dem Junktim von Saar und Europäischer Verteidigungsgemeinschaft nicht nur der begreifliche und lobenswerte Wunsch unserer französischen Freunde steht, vor Eingehen einer Partnerschaft so enger Art, wie es die Verteidigungsgemeinschaft wäre, alten Streit mit uns zu bereinigen und zu begraben, sondern vielleicht auch der Wunsch, die EVG selbst zu treffen und ganz andere Lösungen anzustreben als die, die wir unterzeichnet und zum Leitstern unserer Politik erhoben haben.
    Meine Damen und Herren, ich möchte es vermeiden, die heute schon wiederholt berührte heikle Frage der Alternative aufzuwerfen. Ich habe einmal Alternativen vorgeschlagen und bin dadurch fast berühmt geworden.

    (Heiterkeit. — Abg. Hilbert: Nur „fast"! — Erneute Heiterkeit.)

    Ich fand diesen Zustand aber höchst unbequem und möchte alles vermeiden, ihn erneut herbeizuführen. Wohl aber sei einmal rein dialektisch gesagt, daß, wenn sich eine Politik a nicht verwirklichen läßt, dann der Zustand non-a eintritt, ohne Rücksicht darauf, ob man ihn Alternative heißt oder nicht heißt. In Wirklichkeit trägt jede Politik durch die Möglichkeit ihres Scheiterns die Möglichkeit und Notwendigkeit ihrer Alternative in sich.

    (Sehr richtig! links und rechts.)

    Diese Tatsache sollte zumindest dazu zwingen, daß man sich ernstlich mit ihr befaßt. Wir leben, als käme es nie dazu, und darin sehe ich eine große Gefahr.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr gut! Sehr wahr!)

    Meine Freunde und ich finden das Junktim zwischen Saar und EVG über alle Maßen schädlich, schädlich für die Saarfrage, die dadurch überbewertet wird und ihre Größenverhältnisse verliert, und schädlich für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, die durch diese ihr völlig fremde Frage beschwert wird. Das Junktim ist erst nach der Unterzeichnung der Verträge aufgestellt worden. Es wäre besser gewesen, man hätte sich nie darauf eingelassen, und es wäre heute noch besser, sich von ihm zu lösen.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Haben wir ja auch nicht!)



    (Dr. Pfleiderer)

    — Ja, offenbar doch!

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Nein, wir haben's nicht!)

    — Warten Sie nur! — Man würde nach den Folgen, die sich daraus ergeben, zu einer klareren Erkenntnis der französischen Verteidigungspolitik kommen. Ich meine, auch ohne dieses Junktim fließt der Rhein, wo er fließt, und werden Kräfte auf Verständigung drängen, hüben und drüben, vielleicht weniger stürmisch und weniger vollkommen, aber auch mit weniger Konflikten und mit einem weit geringeren Verlust an kostbarer Zeit. Wir wollen nicht vergessen, in welchen Verhandlungen und in welchen Kämpfen Frankreich steht. Da sieht sich manches anders an als von unserem Standpunkt. Vielleicht kann man die französische EVG-Politik nicht verstehen, wenn man dies nicht berücksichtigt.
    Nach dem Naters-Plan soll das Saargebiet europäisches Gebiet werden, sobald eine europäische politische Gemeinschaft gegründet ist. Das Saargebiet soll dieser Gemeinschaft unterstellt werden, ohne eine eigene Staatlichkeit zu erlangen. Dies versteht man unter „Europäisierung" des Gebiets. Abgesehen nun von der Frage, welche Beschaffenheit das europäisierte Gebiet und die Gemeinschaft haben sollen und welche besonderen Erleichterungen der Vorgang der Europäisierung für das Saargebiet mit sich bringen soll, die Tatsache bleibt bestehen, daß wir es mit einer echten Loslösung aus dem deutschen Staatsverband zu tun haben,

    (Abg. Dr. Arndt: Hört! Hört!)

    mit einer echten Grenzfrage.
    Hier erhebt sich die weitere Frage, ob die Bundesrepublik überhaupt Rechtsgeschäfte vornehmen kann, die sich auf die Grenzen Deutschlands beziehen.

    (Zuruf von der SPD: Kann sie nach der Verfassung nicht!)

    Durch den Deutschland-Vertrag hat die Bundesrepublik, wie vorläufig sie auch als Staatswesen sein mag, volle Macht über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten erhalten. Darin ist an sich auch jede Abmachung über das Saargebiet eingeschlossen. Schranken sind der Bundesrepublik jedoch gezogen, wenn es sich um die Rechte handelt, die sich die drei westlichen Mächte in Art. 2 des Deutschlandvertrages im Hinblick auf die internationale Lage, d. h. vor allem im Hinblick auf die vierte Besatzungsmacht, auf die Sowjetunion, vorbehalten haben. Diese Rechte beziehen sich auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung und einer friedensvertraglichen Regelung.
    Diesen Rechten der Westalliierten gegenüber der Bundesrepublik entsprechen die Verpflichtungen der Westalliierten gegenüber der Sowjetunion. Es handelt sich hier um Tatbestände von höchster politischer Bedeutung, es handelt sich um die Klammer um Deutschland, um die letzten Bestimmungen, auf denen unsere Einheit beruht, aber auch um die letzte Grundlage, auf der wir die Besatzungsmächte für unsere Einheit verantwortlich halten können.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Von Bedeutung ist ferner der Art. 7 des Deutschlandvertrages, in dem es heißt:
    Die Bundesrepublik und die Drei Mächte sind darüber einig, daß ein wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland ist, welche die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden soll. Sie sind weiterhin darüber einig, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser Regelung aufgeschoben werden muß.
    Nach diesen Bestimmungen soll alles, was sich auf Grenzen bezieht, dem Friedensvertrag vorbehalten bleiben. Dieser Friedensvertrag, das haben wir heute schon gehört, soll zwischen Deutschland, d. h. Gesamtdeutschland, und seinen ehemaligen Gegnern, d. h. auch der Sowjetunion, geschlossen werden. Gelegentlich wird gesagt, daß an die Stelle eines Friedensvertrages auch ein anderer dementsprechender Vertrag treten könnte. Aber was für ein Vertrag müßte das denn sein, der an die Stelle eines solchen Friedensvertrags treten könnte? Ein Vertrag nur zwischen der Bundesrepublik und den drei westlichen Alliierten könnte es ja wohl nicht gut sein; denn er wäre seinem Wesen nach etwas anderes als ein Vertrag zwischen Gesamtdeutschland und den vier ehemaligen Gegnern. Und ein Vertrag, der nur Teilstücke behandelte und den politischen Zusammenhang, der zwischen allen Teilstücken besteht, auseinanderrisse, wäre gleichfalls etwas ganz anderes als ein Friedensvertrag, der die Fragen der deutschen Freiheit, Sicherheit und Einheit in einem löste. Ersatz wäre hier unvollkommener als sonst.

    (Abg. Dr. Lütkens: Darf ich eine Frage an den Herrn Redner stellen?)