Rede von
Dr.
Gerd
Bucerius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere außerordentlich, daß mit einer, wie ich annehme, unbedachten und vom Urheber sicherlich schon bedauerten Äußerung eine gewisse Schärfe in diese für uns alle so nützliche Unterhaltung gekommen ist.
Ich habe mir aus diesem Anlaß die Akten des Berlin-Ausschusses zum Dritten Überleitungsgesetz vorgenommen. Darin finde ich einen Brief, den ein Berliner am 31. Oktober 1951 an den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer geschrieben hat. Er lautet:
Ich habe Ihr Schreiben vom 26. Oktober erhalten und es den Mitgliedern des Senats, dem Herrn Präsidenten des Abgeordnetenhauses und den Vorsitzenden der Fraktionen zugänglich gemacht. Ich freue mich feststellen zu können, daß wir in den für die Gesundung Berlins wichtigen, grundsätzlichen Fragen nun nach langem beiderseitigem Bemühen, wie ich aus Ihrem Schreiben entnehmen kann, zu einer vollen Übereinstimmung gekommen sind, und ich hoffe, daß diese Übereinstimmung, für deren Zustandekommen ich Ihnen persönlich aufrichtig dankbar bin, sich bewähren wird und Ihnen und uns die Arbeit in der Zukunft erleichtern wird.
— Meine Damen und Herren, der Absender dieses Schreibens ist der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Reuter.
— Meine Damen und Herren, die Übereinstimmung, die seinerzeit erzielt worden ist, hat genau den Inhalt, den der Herr Bundesfinanzminister heute über die Bedeutung und Zweckbestimmung des Notopfers Berlin bekanntgegeben hat.
Sie weicht, Herr Neumann — das müssen wir, die wir die Entwicklungsgeschichte dieses Gesetzes kennen, objektiv feststellen —, von dem ab, was Sie hier vorgetragen haben.
Dadurch, daß es glücklicherweise möglich wurde, Berlin praktisch zum zwölften Land der Bundesrepublik zu machen, erwuchsen dem Bund eine Reihe zusätzlicher Ausgaben, weil bei einer Reihe bisher landeseigener Institutionen in Berlin erhebliche Defizite entstanden, die der Bund übernehmen mußte. Zur Deckung aller dieser Ausgaben, insbesondere der Defizite der landeseigenen und in Zukunft bundeseigenen Institutionen der Stadt Berlin u n d des Defizits des Landeshaushalts, sollte das Notopfer Berlin dienen. Es ist nicht richtig, zu sagen, das Notopfer Berlin habe die Zweckbestimmung, ausschließlich zur Deckung des Berliner
Landeshaushalts zu dienen. Eine solche Zweckbestimmung ist mit Recht im Gesetz nicht enthalten.
§ 16 des Dritten Überleitungsgesetzes bestimmt, daß der Überschuß über den zur Deckung des Landeshaushalts erforderlichen Betrag der Bundeskasse zufließt. Wir haben diese Bestimmung ja nicht willkürlich geschaffen. Wir haben ja nicht vorgehabt, mit Hilfe des Notopfers zugunsten des Bundes ein Geschäft zu machen. Wir wußten, als wir diese Bestimmung aufnahmen, daß der Betrag des Notopfers insgesamt niemals ausreichen werde, um das Defizit des Landeshaushalts und die große Zahl der anderen Ausgaben aus dem Notopfer zu bestreiten, so daß unter allen Umständen der Bundeshaushalt noch weitere Leistungen werde erbringen müssen.
Das muß an dieser Stelle einmal mit Deutlichkeit und Nachdruck gesagt werden.
Nachdem dem Haushaltsausschuß dieses Hauses vorgetragen worden war, daß zwischen den Vertretern des Landes Berlin und dem Herrn Bundesfinanzminister ein Einverständnis über die Feststellung des Defizits des Berliner Landeshaushalts erzielt worden sei, und die Höhe und Art des vom Bundeshaushalt zu gewährenden Zuschusses feststand, hat der Haushaltsausschuß erklärt, daß mit dieser Einigung die Sache für ihn erledigt sei. Herr Abgeordneter Neumann hat von dieser Stelle aus dem Berliner Senat Vorwürfe darüber gemacht, daß er sich voreilig und ohne zwingenden Grund zu Konzessionen an den Herrn Bundesfinanzminister bereitgefunden habe. Meine Damen und Herren, ich finde, es ist nicht die Aufgabe dieses Hauses, diesen Streit auszutragen. Der mag in Berlin ausgetragen werden.
Der Herr Abgeordnete Neumann hat gefordert
— und das ist nun in der Tat eine Sache, die uns angeht —, daß der Betrag, den Berlin bekommen soll und der nach der gemeinsamen Feststellung Berlins und des Herrn Bundesfinanzministers 800 Millionen DM beträgt, nicht in der Form gegeben wird, wie sie der Haushaltsausschuß festgesetzt hat, nämlich 710 Millionen DM in bar, 15 Millionen DM als Aufwand für bundeseigene Bauten und 75 Millionen DM in Form einer — das ist bisher nicht genügend deutlich erwähnt worden
— von dem Bundesfinanzminister zu garantierenden Anleihe.
Zunächst die Frage der bundeseigenen Bauten. Die Frage war naheliegend, was eigentlich die bundeseigenen Bauten in Berlin mit dem Berliner Landeshaushalt zu tun haben. Der Sachverhalt wird sehr schnell verständlich, wenn man hört, daß im Berliner Landeshaushalt ursprünglich ein Betrag von 15 Millionen DM für die Wiederherstellung von Bauten und die Errichtung von Wohnungen eingesetzt war. Dieser Betrag konnte gestrichen werden, nachdem der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, daß er für denselben Betrag in Berlin Wohnungen erstellen und an bundeseigenen Gebäuden Bauten vornehmen lassen werde, so daß diese Summe in vollem Umfang dem Berliner Arbeitsmarkt zugute kommt. Da diese Position des Landeshaushalts arbeitsmarkt- und wohnungspolitische Gründe hatte, konnte sie gestrichen werden.
Es bleibt die 75-Millionen-DM-Anleihe. Der Herr Bundesfinanzminister, dessen nicht immer sehr einfaches Dasein in diesem Hause von allen Seiten anerkannt worden ist, hat in den vergangenen Jahren bei der Ausbalancierung des Bundeshaushalts manches nicht unerhebliches Risiko in Kauf nehmen müssen. Die sogenannte Kleine Steuerreform war nur möglich, weil der Herr Bundesfinanzminister nicht weniger als 1 Milliarde Defizit in Gestalt möglicherweise aufzunehmender Anleihen in Aussicht nahm. Die bevorstehende größere Steuerreform ist ebenfalls nur möglich, wenn sich der Herr Bundesfinanzminister in einem noch größeren Umfang Anleihen auf dem Geldmarkt beschafft.
Meine Damen und Herren, es ist nach meiner festen Überzeugung unter diesen Umständen keine unbillige, sondern eine verständliche Zumutung, wenn der Herr Bundesfinanzminister auch dem Lande Berlin sagt, es müsse im Rahmen seiner bescheidenen Kräfte den Geldmarkt für die Dekkung seines Haushalts in Anspruch nehmen, so wie dies auch andere Länder der Bundesrepublik tun. Der Herr Kollege Neumann hat mit Recht gesagt, Berlin habe nach dem Dritten Überleitungsgesetz, dem Berlin-Gesetz, alle Vorteile, aber auch alle Lasten eines Landes. Ja, es gehört nun einmal zu den Aufgaben eines Landes, gewisse Teile seines Haushalts, nämlich alle Teile, die den außerordentlichen Haushalt angehen, über den Geldmarkt und durch Aufnahme von Anleihen zu decken. Wenn in diesem Falle der Herr Bundesfinanzminister ein übriges tut und seine Unterschrift für diese Anleihe zur Verfügung stellt, dann können wir, glaube ich, mit dieser Regelung sehr wohl zufrieden sein.
Ein klein wenig, meine Damen und Herren, müssen wir auch auf die psychologischen Beziehungen zwischen der Stadt Berlin und dem Bundesfinanzminister, der in diesem Fall den westdeutschen Steuerzahler vertritt, Rücksicht nehmen. Ich schäme mich gelegentlich ein ganz klein wenig, wenn das Konto unverhältnismäßig überzogen wird. Ich habe den Eindruck, daß dies manchmal aus diesem Anlaß der Fall ist.