Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat eine Anekdote von dem alten Juden erzählt, der seine Hundert-Louisdor-Bitte an den lieben Gott richtet. Dieser Brief geht dem Baron Rothschild zu. Baron Rothschild schickt ihm 50 Louisdor, und die Reaktion des anderen ist, daß er dem lieben Gott sagt: Rothschild hat mir 50 Louisdor unterschlagen. Warum eigentlich der Herr Vorredner diese Anekdote bei der Besprechung des Verhältnisses Bonn-Berlin erzählt hat, ist mir offen gestanden nicht ganz verständlich.
Ich nehme doch an, er will nicht etwa damit sagen, daß die große Hilfe, die die deutsche Bevölkerung aus deutscher Überzeugung für eine in der Not befindliche deutsche Stadt leistet, etwa von dem Empfänger so verkleinert wird, wie der gute Wille, den ein Baron Rothschild als Mensch dem notleidenden Mitmenschen bewiesen hat, in dieser Anekdote verkleinert worden ist. Ich weiß also nicht recht, was eigentlich der Sinn und Zusammenhang dieser Anekdote mit dieser deutschen Frage gewesen ist.
Meine Damen und Herren, ich habe schon in manchen Fällen, auch mit dem Herrn Kollegen Neumann, in früheren Jahren über die Hilfsbereitschaft des deutschen Volkes gegenüber der Stadt Berlin gesprochen, und ich glaube, wir sind uns einig gewesen. Ich meine, mich aber auch erinnern zu können, daß ich damals auch davon gesprochen habe, daß diese Hilfsbereitschaft aus einem gemeinsamen deutschen Denken erfolgen muß und daß diese Hilfsbereitschaft gesteigert wird, wenn man sieht, daß auch der Empfänger seinen Teil dazu beiträgt, um die Hilfsbereitschaft des andern durch Anerkennung und stillen Dank und Pflichterfüllung weiter zu steigern.
Ich möchte infolgedessen jetzt nur auf Tatsachen eingehen. Was ich über Berlin denke, habe ich früher gesagt, und ich bleibe bei jedem Wort, das ich gesagt habe. Ich möchte aber eines feststellen: über die neue Fassung, über die Zweckbestimmung des Berliner Notopfergesetzes bräuchten wir uns nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Ich habe ja bereits bekanntgegeben, daß diese neue Fassung des § 1 des neuen Berliner Notopfergesetzes vor kurzem im Finanzausschuß des Bundesrates einstimmig — einschließlich Berlins, einschließlich des Bundesfinanzministeriums — festgelegt worden ist. Es heißt jetzt dort, daß dieses Berliner Notopfer eine Abgabe ist, die dem Bund zufließt, um die Bundesleistungen schlechthin an die Stadt Berlin geben zu können.
Ich will in diesem Sinne einmal sagen, welche Leistungen denn die Bevölkerung des Bundesgebiets für Berlin in den letzten Jahren vollbracht hat und welche Leistungen sie im kommenden Jahr vollbringen will. Im Jahre 1953 hat sie Ausgaben des Bundes für Berlin in Höhe von 1676 Millionen DM geleistet.
Der Bund erhält an Bundessteuern in Berlin 548 Millionen DM. Der Überschuß der Ausgaben betrug also im Jahre 1953 1127 Millionen DM. Im Jahre 1954 sind die Leistungen des Bundes in Berlin mit 1830 Millionen angesetzt, wenn ich den Bundeszuschuß von 710 Millionen anrechne, aber die 75 Millionen, für die der Bund Bürgschaft gibt, und die 15 Millionen, für die er auf Kosten des Bundeshaushalts Bauten in Berlin vornimmt, also diese zusammen 90 Millionen überhaupt nicht in Rechnung stelle. Dem würden die Bundessteuern in Berlin und der Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 647 Millionen gegenüberstehen. Es bleibt also ein Überschuß der Ausgaben von 1182 Millionen. Das Berliner Notopfer — ich muß den Anteil, der in Berlin eingeht, ausscheiden, da dieser Anteil sofort wieder an die Stadt Berlin zurücküberwiesen wird, also nicht in der Bun-
deskasse bleibt — hat in diesem Rechnungsjahr in den ersten elf Monaten genau 837 Millionen betragen. Die Märzzahl ist mir noch nicht bekannt. Man wird sie mit ungefähr 50 Millionen, vielleicht 60 Millionen ansetzen können. Die Zahl wird damit ungefähr an 900 Millionen herangehen. Wenn wir hiervon ausgehen, so ergibt sich, daß letzten Endes die deutsche Bevölkerung im Bundesgebiet in den Jahren 1953 bis 1954 nicht nur den gesamten Betrag des Berliner Notopfers für Bundesleistungen an Berlin aufbringt, sondern darüber hinaus noch einige hundert Millionen mehr.
Ich möchte das feststellen, damit nicht etwa der Berliner Bevölkerung gesagt wird, der Bund habe — wie der Baron Rothschild — die Hälfte von dem Berliner Notopfer unterschlagen und nur die andere Hälfte nach Berlin gegeben.
— Wir wollen über den Geschmack der Weißwürste
nicht streiten, aber über die Geschmacklosigkeit im
politischen Disput brauche ich auch nichts zu sagen.
Fahren wir also fort! Ich möchte nur betonen: Das, worauf es mir ankommt, ist, daß die Wahrheit
und die sachliche Richtigkeit über die Leistungen der Bevölkerung des Bundesgebiets
für die Einwohner der Stadt Berlin auch bekannt wird. Die gesamten Bundesleistungen betragen mehr als das Aufkommen des Berliner Notopfers. Das ist eine Tatsache,
und ich sage es deshalb, weil ich Berlin liebe. Ich sage es deswegen, weil ich will, daß Berlin das Gefühl hat, daß die deutsche Bevölkerung für diese Stadt alles tut, was sie tun kann.
Ich bin der Meinung, daß wir mit den Hilfen, die die Bevölkerung Berlin gibt, dem Zusammenhalt zwischen Berlin und dem deutschen Bunde und dem deutschen Volke dienen. Ich möchte in dem Zusammenhang sagen: Das deutsche Volk kümmert sich darum, was wirklich nach Berlin fließt. Ob das in Form des Bundeszuschusses oder in Form von anderen Leistungen fließt, ob das speziell soziale Hilfe heißt oder für die Postbeamten oder was sonst geschieht, ist gleichgültig. Was die Bevölkerung will, ist, daß Berlin eine materielle Hilfe bekommt. Das andere mag Sache der Bürokratie und des Rechenstifts sein. Das Herz will, daß eine materielle Hilfe gegeben wird.
Schließlich darf ich doch auch darauf verweisen, daß die Jahre, seit denen diese Berlin-Hilfe besteht, nicht ungenutzt für Berlin gelassen worden sind. Wir haben in Berlin eine Steigerung des Bruttosozialprodukts im Jahre 1951 gegenüber 1950 um 18 %, im Jahre 1952 gegenüber 1951 um weitere 8 %, im Jahre 1953 gegenüber 1952 um 10 %.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns, feststellen zu können, daß es durch den Gemeinschaftsgeist des deutschen Volkes gelungen ist, die Lage Berlins zu bessern und den großen Abstand in der Lebenshaltung, der im Jahre 1950 zwischen Berlin und dem Bund bestanden hat, zu verringern. In Frieden und in freundschaftlicher Zusammenarbeit, in Hilfsbereitschaft und im Dank für eine Hilfsbereitschaft wollen wir das, was begonnen ist, zu einem guten Ende führen.