Rede von
Karl
Hübner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich darüber erstaunt, daß Herr Diekmann soeben beantragt hat, den Einzelplan für das Post- und Fernmeldewesen abzulehnen. Aus seinen Ausführungen ging eigentlich nicht hervor, daß er sehr viele Ansätze zur Kritik sah.
Ich hatte vielmehr den Eidruck, daß das, was er sagte, mehr ein Kommentar zu der effektiven Lage war, in der sich das Bundespostministerium und insbesondere der Herr Bundespostminister befinden. Ich möchte aber doch noch zu einigen seiner Ausführungen Stellung nehmen.
Herr Diekmann, Sie haben beanstandet, daß die Relation zwischen Fremd- und Eigenkapital zu sehr nach der Fremdkapitalseite neige. Ich habe schon im Ausschuß darauf hingewiesen, daß ich mich dieser Auffassung nicht anschließen kann. Die Relation war früher bereits eins zu eins. Dieses Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital besteht nach meiner Untersuchung jetzt noch. Aber mir ist wichtig zu wissen, ob Sie damit etwa für eine Investition auf dem Weg über die Preise, also in diesem Fall über die Gebühren, eintreten wollen. Wenn das der Fall ist, möchte ich Ihnen schon jetzt ankündigen, daß Sie damit unsere schärfste Gegnerschaft herauslocken würden.
Zu den Ausführungen über die Gebühren gestatte ich mir auch noch einige Anmerkungen zu machen. Ich schließe mich durchaus der Auffassung an, daß die Wirtschaft mit etlicher Besorgnis dieser geplanten Gebührenerhöhung entgegensieht. Das ist verständlich. Aber man sollte darüber nicht allzuviel sagen, bevor man nicht konkret weiß, welche Gebührenerhöhungen das Bundespostministerium vorhat. Wenn es stimmen sollte, daß einzelne Tarife um 100 % erhöht werden sollen, dann würden wir uns allerdings auch den großen Bedenken
anschließen, die Herr Kollege Diekmann zum Ausdruck gebracht hat.
Ich würde es für richtig halten, daß der Herr Bundespostminister bei der Erörterung einer Gebührenerhöhung gleichzeitig mit den Plänen über die Gebührenerhöhung eine Rationalisierung der Verwaltung bekanntgibt, und zwar eine spezifizierte Rationalisierung. Auf diesem Gebiet ist durchaus noch verschiedenes zu tun. Erlauben Sie mir deshalb, Herr Minister, daß ich noch einige Bemerkungen zu Einrichtungen mache, wo ich Verbesserungen durchaus noch für möglich halte. Ich weiß nicht, ob es heute noch erforderlich ist, beispielsweise die Instandsetzungswerkstätten für Kraftfahrzeuge in demselben Umfang wie bisher aufrechtzuerhalten. Diese Werkstätten sind vor einigen Jahrzehnten gegründet worden, als man in dem Gebiet unseres Landes noch nicht an jeder Ecke eine Kraftfahrzeugwerkstätte hatte. Heute hat sich die Situation völlig verändert. Es scheint mir doch etwas sonderbar, daß heute noch die Kraftfahrzeuge der Bundespost bei Reparaturen in die zentralen Werkstätten kommen müssen. Das bedeutet lange Zufahrtwege, so daß die Nebenkosten, die sich hierdurch ergeben, zu den tatsächlichen Kosten in gar keinem Verhältnis stehen. Ich weiß, daß Sie, Herr Minister, diese ungesunde Entwicklung erkannt und eine Verfügung erlassen haben, die sie zurückzudrehen sucht. Aber man scheint mir hier doch nicht weit genug gegangen zu sein. Ich könnte Ihnen mit einigen Beispielen aufwarten, sogar mit Zahlen; ich möchte darauf verzichten. Ein Beispiel nur! Mir ist bekanntgeworden, daß man an einem Dreitonner-Lastwagen ein Führerhaus hat herstellen lassen, einmal in einer Bezirkswerkstatt und ein anderes Mal — dasselbe Führerhaus — bei einer Privatfirma. Die Bezirkswerkstatt rechnete hierfür 1450 DM, die Privatfirma 1200 DM.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auch darauf lenken, daß die Besetzung der Stellen doch reichlich verschieden vorgenommen worden ist und vorgenommen wird. Es wäre nötig, auch hierbei rationelle Gesichtspunkte zum Zuge kommen zu lassen.
Noch etwas Grundsätzliches! Herr Minister, ich glaube, daß es an der Zeit ist, eine wirklich grundsätzliche Verwaltungsreform auf dem Gebiete des Postwesens ins Auge zu fassen. Denn die jetzige Gliederung, nach der die Postverwaltung arbeitet, besteht — in Preußen jedenfalls — nun etwa 100 Jahre. Sie ist seinerzeit von dem verdienstvollen Leiter der Preußischen Post, Schmückert, eingeführt worden und hat sich lange Zeit hindurch bewährt. Aber schon vor wenigen Jahrzehnten haben sich Anzeichen bemerkbar gemacht, daß diese Gliederung nicht mehr ganz den Zeiterfordernissen entspricht. Das ist verständlich, denn zur Zeit der Festlegung dieser Gliederung lebten wir in einer Zeit, die in keiner Weise verkehrsintensiv war, während wir doch heute in einer verkehrsintensiven Zeit leben, in der es nicht mehr nötig ist, derart viele Mittelbehörden zu unterhalten, wie jetzt bestehen.
Ich weise auch darauf hin, daß die Mittelbehörden, die Oberpostdirektionen, in ihrer Funktion zum Teil schon etwas durch die technischen Ämter ausgekreist worden sind, nämlich durch das Fernmeldetechnische Zentralamt und das Posttechnische Zentralamt. Beide Ämter sind aus dem gesunden Erfordernis unserer Epoche entstanden, die technische Entwicklung und Installation im Postwesen zentral und einheitlich durchzuführen. Es würde aber durchaus genügen, diese Funktion den Zentralämtern zu überlassen. Statt dessen laufen noch die Oberpostdirektionen als Mitlaufwerke bei zahlreichen Funktionen dieser beiden Ämter mit. Hier sollte man Abhilfe schaffen, zunächst in dem Sinne, daß man den beiden Ämtern gegenüber den Oberpostdirektionen eine andere Stellung gibt. Ich darf Sie bitten, sich ernstlich zu überlegen, ob nicht, nachdem diese Verwaltungsform sich hundert Jahre bewährt hat, eine grundsätzliche Reform jetzt an der Zeit ist.
Noch etwas anderes. In der Öffentlichkeit wird, ich glaube, von seiten Ihres Ministeriums, als Begründung für die Gebührenerhöhung unter anderem immer wieder herausgestellt, daß sich seit 1949 die Personalkosten um etwa 500 Millionen DM erhöht hätten. Ich bin nicht auf diesen Satz gekommen, aber er mag stimmen. Immerhin wird nicht gesagt — und das scheint mir nicht ganz unwesentlich zu sein —, daß sich in derselben Zeit der Verkehr, also die Leistung des einzelnen, ganz erheblich erhöht hat, zum Teil bis auf 294%. Die niedrigsten Sätzen liegen bei 129 %. Auch dies sollte einmal erwähnt werden.
In dem gleichen Zusammenhang wird auch immer wieder auf das Defizit der Post in Berlin hingewiesen. Gestatten Sie mir, daß ich als Berliner Abgeordneter hierzu einiges sage. Diese Angaben könnten in der Öffentlichkeit ein falches Bild hervorrufen. Das Defizit in Berlin entsteht nicht etwa durch eine mangelhafte Bewirtschaftung des Postwesens dort. Es handelt sich um nicht ganz 60 Millionen DM, es sind 57 oder 58 Millionen DM. In den Verlautbarungen hört man immer von 70 Millionen DM. Die Ziffer von 70 Millionen DM ist nicht mehr effektiv. Weiter ist nicht berücksichtigt worden — das ist sehr beachtlich —, daß Berlin die Sozialausgaben für die Postangehörigen außerordentlich gesenkt hat. Die Einsparung sozialer Beihilfen hat dazu geführt, daß in Berlin nur 50 °/o der Kopfsätze des Postpersonals im Bund in Anspruch genommen werden. Das hängt allerdings zum großen Teil damit zusammen, daß in Berlin noch die Krankenversicherungspflicht für die Beamten besteht, die damit bei eigenen Krankheitsfällen in voller Höhe selber durch ihre Beiträge aufkommen. Es muß aber auch berücksichtigt werden, daß Pensionslasten, und zwar zum größten Teil Pensionslasten für verdrängte Angehörige der Post, in Höhe von 47,5 Millionen DM vorhanden sind.
Noch ein weiterer Posten ist zu erwähnen, den man in Berlin einfach unverständlich findet, nämlich die Ablieferung.
— Ich komme gleich zum Ende. Es ist immerhin für uns Berliner schon wichtig. Entschuldigen Sie, Herr Dr. Vogel, Sie haben auch mehrfach in der Debatte gesprochen. Ich fasse mich kurz, ich bin gleich am Ende. — Diese Ablieferung von 10 Millionen DM an den Bund ist bei der Lage Berlins, meine ich, in keiner Weise zu begründen.
Um nun wirklich zum Schluß zu kommen, Herr Minister, noch einen Wunsch und eine Bitte.
Sie wollen natürlich Einsparungen vornehmen. Ich mache Ihnen hier im Zusammenhang mit Berlin einen konkreten Vorschlag. Das Fernmeldetechnische Zentralamt und das Posttechnische Zentralamt haben zur Zeit in Darmstadt ihr Domiziel in Mietunterkünften in Kasernen. In Berlin steht, vollkommen wiederhergestellt, das Gebäude des ehemaligen Reichspostzentralamtes zur Verfügung, das jederzeit bezogen werden könnte. Ich darf dabei erwähnen, daß dieses Gebäude mit technischen Anlagen von außerordentlichem Wert ausgerüstet ist, die zur Zeit so gut wie gar nicht ausgenutzt sind. Allein die Stromversorgungs- und Stromverteileranlage hat nach den Abschätzungen eines Angehörigen der Besatzungsmächte einen Gegenwartswert von rund 7 bis 8 Millionen DM. Ich möchte Sie dringend bitten, diesem Vorschlag näherzutreten und dafür zu sorgen, daß diese beiden Ämter bzw. eines dieser beiden Ämter dorthin zurückkehrt, wohin es von Natur aus gehört, nämlich nach Berlin.
Im übrigen gebe ich mich in der Frage der Beseitigung des Defizits der Hoffnung hin, daß sie nicht nur über die Inanspruchnahme der Wirtschaftskraft des Postbenutzers erfolgen wird, sondern daß sie auch mit dem Rotstift zuwege gebracht wird, der von einem zeitgerechten Denken geführt werden sollte.