Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich mit dem Herrn Kollegen Horlacher nicht über Heiligkeit oder Scheinheiligkeit streiten. Das mag durchaus mehr in sein Ressort gehören und seiner Beurteilung besser zugänglich sein als meiner. Ich bin auch gar nicht böse darüber, daß er versprochen hat, sich bei der Etatberatung nicht als agrarpolitischer Wildschütz aufzuführen. Allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es Sinn der Etatberatung ist, zur Sache zu reden. Wir können den Etat nicht einfach als etwas hinnehmen, was nun, ich weiß nicht woher, gekommen ist, mit dem wir uns abzufinden hätten. Wir können die Auffassung nicht hinnehmen, daß wir über die Sache selbst erst bei anderer Gelegenheit zu reden hätten.
Wenn ich mich recht erinnere, so habe ich, als wir im 2. Deutschen Bundestag die traditionsgemäß stattfindende Milchdebatte mit den üblichen Demonstrationsreden gehabt haben, wie z. B. „Trinkt mehr Milch, und ihr bleibt gesund" usw., gesagt, es werde demnächst eine Gelegenheit kommen, etwas sehr Wirkungsvolles zu tun, nämlich dann, wenn hier die Etatsmittel bewilligt werden, die nun einmal auch in der Landwirtschaft notwendig sind, wenn irgendwelche Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Auch die Landwirtschaft kann nicht von Versprechungen, guten Ratschlägen und Erziehung und was weiß ich leben. Auch dort kosten die Dinge Geld. Wenn es sich hier um ein Problem handelt, bei dem den unmittelbar Beteiligten, nämlich den Kuhhaltern, die finanzielle Bewältigung nicht allein zugemutet werden kann — und der Herr Kollege Dr. Schmidt hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß das auch in keinem andern Lande geschehen ist —, dann müssen wir uns darüber beim Etat unterhalten; denn nur hier hat die Sache Sinn und nicht, wenn wir erst vier Wochen später darauf zurückkommen und sagen,
*) Siehe Anlage 15 Seite 940.
daß wir etwas tun sollten oder müßten; dann ist das genau so unverbindlich und reine Augenwischerei, wie wenn wir jetzt hinterher Entschließungen in dem Sinne annehmen: Wir erwarten von uns selber aber für das nächste Jahr mehr Mut vor dem Finanzminister oder vor anderen Instanzen.
Es gibt mehrere Arten, Agrarpolitik zu betreiben. Man kann z. B. auf die Dörfer in die Versammlungen ziehen und dort furchtbare Reden halten, sich da als ganz besonders tüchtig und tapfer hervortun und dann hier später erklären, warum das alles nicht geht. Das braucht einen nicht einmal daran zu hindern, dann draußen die alten Reden fortzusetzen.
Man kann aber Agrarpolitik auch so betreiben, daß man sagt: Hier ist nun einmal die Hürde des Haushaltes, über die wir nicht wegkommen. Und deshalb müssen wir mit dem einverstanden sein, was da drinsteht. Sie wissen doch, wie es angefangen hat. Alles das, was heute. als Förderungsmittel zur Verfügung steht, hat ja im Haushalt, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat, so eine ganz besondere Bemerkung mit sich herumgeschleppt. Es hat ausdrücklich dringestanden, daß die Mittel für das, was hier jetzt wortreich gepriesen wird: Flurbereinigung, Zinsverbilligung, Wasserwirtschaft usw. — überhaupt nur dann zur Verfügung stehen werden, wenn aus einer ganz bestimmten, einer sehr peinlichen, sehr schmerzlichen Einnahme, nämlich aus der Abschöpfung, der Verteuerung der eingeführten Lebensmittel mehr als 120 Millionen DM zusammenkämen. Dabei weiß man doch ganz genau, daß das, was für die Landwirtschaft aufgewendet werden muß, unbedingt verfügbar sein muß, wenn sie konkurrenzfähig bleiben soll. Wenn man Außenpolitik mit dem Ziel betreibt, Europa zu integrieren, muß man schon ein bißchen darauf achten, daß dabei die Landwirtschaft noch am Leben bleibt; dann hat man also ganz bestimmte Verpflichtungen. Diese ganzen Mittel sollen also erst aufgewendet werden, wenn den Verbrauchern vorher eine ganz bestimmte Menge Geldes abgenommen worden ist, und zwar wenn zunächst der Finanzminister für die Erfüllung allgemeiner Aufgaben befriedigt worden ist und hinterher noch etwas übrigbleibt. Wir sind den Damen und Herren von der Mehrheit außerordentlich dankbar, daß sie im Haushaltsausschuß unserem Antrag zugestimmt haben, diese fürchterliche Bestimmung zu streichen, und daß die für die Landwirtschaft erforderlichen Mittel ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Vorbelastung genau so eingestellt werden wie die Förderungsmittel für andere Wirtschaftszweige und für andere Aufgaben. Hätten wir uns schon damit abgefunden, Herr Horlacher, dann hätten wir nicht einmal diese Sicherheit gehabt. Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird: Wir haben es ja schon schwer genug gehabt, die 10 Millionen hereinzubekommen; mehr können wir nicht. Es ist vor allen Dingen nicht richtig, wenn Sie sagen: Mehr darf außerdem gar nicht getan werden, denn sonst kann man diese Aufgaben nicht richtig erfüllen.
Was heißt nun auf einmal wieder: Die Landwirtschaft ist keine schematische und keine mechanische Angelegenheit, da geht alles ganz anders? In einem Fall geht es nicht anders: sie muß Mittel zur Verfügung haben. Daß es sich hier um eine vordringliche Aufgabe handelt, kann doch gar nicht bestritten werden.
Es steht auch fest, daß der Antrag, wie er hier gestellt ist, nicht irgendwie aus — wie Sie sich ausgedrückt haben — Scheinheiligkeit gestellt ist. Sie fügten hinzu, wir seien die feinen Leute, wir beantragten 40 Millionen. Das können Sie ja nachrechnen. Das ist Ihnen eben vorgerechnet worden. Das ist genau der Betrag, der — und zwar viele Jahre hintereinander — eingesetzt werden muß, wenn wir mit dieser fürchterlichen Geschichte so fertig werden wollen, wie wir es in den vergangenen Jahren nicht einmal angestrebt, sondern versäumt haben. Wir haben vieles nachzuholen und haben keine Zeit zu vertrödeln. Es stimmt nicht, wenn gesagt wird, man könne so viele Tiere nicht einstellen; es stimmt auch nicht, wenn Sie sagen, daß das einen Druck auf die Preise bewirken würde. Das läßt sich alles machen, das wissen Sie selber. Der Betrag ist eher nicht groß genug. Es gibt auch keine von irgendwoher gesetzte Grenze für die Leistungen an die Landwirtschaft. Es gibt vielleicht Grenzen für die Versprechungen,
aber keine Grenzen für das, was nun einmal als notwendig getan werden muß. Die Tbc-Bekämpfung ist in diesem Haushalt die Aufgabe Nummer 1 für die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe — das sind gerade die kleinen und kleinsten —, die im wesentlichen von der Milch abhängen. Die sind es auch leider wieder, die allein schon gar nicht in der Lage sind, das durchzusetzen. Daß der Antrag, der für diese Aufgabe im Rahmen des Haushalts 40 Millionen DM fordert, nicht irgendein Antrag ist, den man als Demagogie oder ich weiß nicht was diffamieren kann, wird auch Ihnen bei ruhiger Überlegung, Herr Horlacher, ganz klarwerden. Wir haben hier eine Aufgabe vor uns, und wir unterscheiden uns im Augenblick nur hinsichtlich der Courage, mit der wir uns zu der Aufgabe bekennen und mit der wir die Mittel fordern, die zur Erfüllung dieser Aufgabe notwendig sind.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ruhig sagen: es sind auch in diesem Haushalt noch Reserven. Erstens möchte ich in gar keiner Weise gelten lassen, daß der Betrag für landwirtschaftliche Aufgaben, zusammengefaßt im Haushalt des Einzelplans 10, nun einmal irgendwie eine feste Größe ist, in die alles das hineingedrückt werden muß, was für die Landwirtschaft notwendig erscheint. Ich könnte mir einen größeren Etat vorstellen, und diejenigen, die draußen die Propagandareden mit anhören müssen, werden auch ausnahmslos alle einen größeren Etat erwarten. Aber wenn abgesehen davon in diesem Etat darauf geachtet würde, z. B. bei den Einfuhr- und Vorratsstellen, daß wirklich nur das geschieht, was notwendig ist, und daß keinerlei Manipulationen aus irgendwelchen Interessentenwinkeln heraus betrieben werden, die Geld kosten, wenn man darauf verzichtete, Auslandsgetreide frachtfrei im Lande herumzufahren und ähnliche Dinge zu tun, die viel eher warten können als die Bekämpfung der Tbc, dann hätten wir auch hier noch Mittel dazu.
Ich glaube, wir sind es besonders in dieser Frage
der praktischen Landwirtschaft schuldig, alles zu
tun, was getan werden kann. Und was getan wer-
den kann, hängt von nichts anderem als von der Courage ab, die dieses Haus hat.