Es wäre wirklich eine dankbare Aufgabe, eine Rede über die Notwendigkeit und den Wert der wissenschaftlichen Forschung oder über die Notwendigkeit und den Wert einer Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Emsland halten zu dürfen. Es wäre sehr dankbar, eine Rede über Remontagekredite und über den Wiederaufbau der seinerzeit demontierten Betriebe halten zu dürfen. Es wäre verlockend, über die Liebe zum Handel und zum Gaststättengewerbe zu sprechen,
und es wäre sehr verlockend, über die eisenschaffende Industrie und eisenschaffende Arbeit und über alles, was dazu gegeben werden soll, zu sprechen. Es würde mich fast verlocken, aber, meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir uns viel kürzer fassen könnten und den Finanzminister auch nicht zu Wiederholungen zwingen brauchten, wenn wir das angehört hätten, was vorher kurz, klar und nüchtern gesagt worden ist.
Die drei Anträge Umdruck 55, Umdruck 29 und Umdruck 54 betreffend Remontagekredite, Emsland und wissenschaftliche Forschung im Betrage von insgesamt 135 Millionen DM beziehen sich auf den außerordentlichen Haushalt und verlangen dessen Ausweitung. Meine Herren, Sie wissen ganz genau, daß -der außerordentliche Haushalt durch Anleihen gedeckt werden muß, und die Wirtschaftskreise — jetzt ein offenes Wort! —, die die Anträge auf Ausweitung des außerordentlichen Haushalts stellen, sind es, die in ihrer Presse den Kampf gegen den Bund führen, weil er Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufnimmt.
Meine Herren, so liegen die Dinge!
Seit Monaten und seit Jahren ist der Bundesfinanzminister Gegenstand von Angriffen, weil er an den Kapitalmarkt herangehen wolle, und dabei ist niemand in Deutschland so wenig an den Kapitalmarkt herangetreten wie der Bund. Der Bund hat eine Bundesanleihe im Betrage von 500 Millionen DM aufgenommen, von der 125 Millionen DM neues Geld gewesen sind, und landauf, landab Angriffe gegen die Bundesregierung — mit „öffentlicher Hand" ist ja immer die Bundesregierung gemeint —, sie schöpfe den Kapitalmarkt ab. Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister schöpft den Kapitalmarkt nicht zugunsten des Bundes ab; aber wenn er den außerordentlichen Haushalt befriedigen will, muß er — das ist Sinn des außerordentlichen Haushalts — an den Kapitalmarkt herantreten.
Ich glaube mich mit dem Wirtschaftsminister einig, der ja, wie heute erwähnt ist, die Zuständigkeit für Geld und Kredit hat, daß Geld und Kredit nicht nur die private, sondern auch die öffentliche Finanzwirtschaft umfassen und daß es infolgedessen eine Spaltung in der Behandlung des Geld- und Kapitalmarktes nicht geben darf, weil ja dieselbe Wirtschaft, die an den Staat herantritt, um über den außerordentlichen Haushalt Hilfe zu bekommen, ein Interesse daran haben müßte, daß der Kapitalmarkt auch für diese Anleihen der soviel angegriffenen „öffentlichen Hand" zur Verfügung steht.
Ich darf daran erinnern, daß wir heuer einen außerordentlichen Haushalt im Betrage von rund 1500 Millionen DM aufgestellt haben. Ich habe hier im Plenum und im Haushaltsausschuß warnend darauf hingewiesen, daß es kaum möglich sein wird, diesen Bedarf des außerordentlichen Haushalts am Kapitalmarkt zu befriedigen. Das Institut für Finanzen und Steuern, das ja den Kreisen der großen Wirtschaft nahesteht, hat in den letzten Tagen dieselbe Überzeugung ausgesprochen und betont, daß es wahrscheinlich nicht möglich sein wird, auch unter günstigen Verhältnissen diese 1500 Millionen DM aufzubringen, Diese 1500 Millionen DM des außerordentlichen Haushalts sind bestimmt für Zwecke, deren Vordringlichkeit niemand bestreiten kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte offen gestehen — hoffentlich schadet es den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht, wenn ich das sage —, daß der Haushaltsausschuß nach meiner Überzeugung eine vorbildliche Arbeit geleistet hat, nicht nur in bezug auf Fleiß, sondern, worauf ich Wert lege, mit dem Verständnis und mit der Gewissenhaftigkeit, mit der er angesichts der vorhandenen Mittel das Vordringliche von dem weniger Vordringlichen zu scheiden wußte und dem Vordringlichen die vorhandenen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Ich würde bitten, daß Sie bei Ihren Anträgen daran denken, daß hier schon Ihre eigenen Vertrauensleute das ganze Thema mit all den Fragen bereits geprüft haben und eine gewisse Rangfolge haben vornehmen können und mit mir der Überzeugung waren, daß der außerordentliche Haushalt über den Umfang, den er heute schon im Etat hat, nicht ausgedehnt werden kann, wenn wir nicht uns selbst, die Öffentlichkeit und die Kreise, für die die Anträge gestellt sind — verzeihen Sie das harte Wort —, anlügen wollen. Denn wir wissen doch, daß die Möglichkeit einer Überschreitung des außerordentlichen Haushalts nicht
besteht. Wenn wir trotzdem Anträge auf Überschreitung stellen, wissen wir genau, daß kein Bundesfinanzminister, gleichgültig wie er heiße, diese Anträge auch auszahlen kann. Da hilft keine Änderung der Reichshaushaltsordnung. Auch eine Änderung der Reichshaushaltsordnung kann keine Anleihen beschaffen. Wenn die Decke nicht reicht, dann muß zwischen Dringlichkeit und Vordringlichkeit unterschieden werden.
Deswegen bitte ich dringend, alle diese Anträge abzulehnen, weil sie der Wirklichkeit und der Pflicht zur Wahrhaftigkeit gegenüber der Öffentlichkeit nicht entsprechen.
Ich darf noch eine Bemerkung machen. Die Vorlage über die 200-Millionen-Bürgschaft des Bundes für die Remontagekredite ist im Bundesfinanzministerium im Entwurf längst ausgearbeitet worden und liegt zur Zeit im Bundeswirtschaftsministerium.
Nun ein Wort zum ordentlichen Haushalt. Ich darf mich hier genau so offen und klar mit Ihnen unterhalten. Erstens Umdruck 22. Ich kann es nicht als wirkliche Begründung anerkennen, wenn an den Steuerzahler — nicht der Finanzminister zahlt, die Steuerzahler zahlen — Forderungen zugunsten irgendeiner Gruppe mit der einzigen Begründung gestellt werden, daß eine andere Gruppe etwas erhalten habe.
Deswegen bin ich der Meinung, daß es keine Begründung des Antrags auf Umdruck 22 ist, darauf hinzuweisen, daß für das Handwerk schon ein ähnlicher Fonds zur Verfügung gestellt worden sei. Dabei bemerke ich, daß jeder, der die Dinge kennt, gegen diese Fondswirtschaft grundsätzliche Bedenken haben muß,
gerade in einer Zeit, in der wir den letzten Pfennig, den wir vom Steuerzahler erhalten, auch sparsam und zweckmäßig verwalten sollen. Alle diese Fonds bringen die Gefahr mit sich, daß Gelder nach Schema und nicht nach Zweckmäßigkeit vergeben werden.
— Meine Worte gelten jedem Unterzeichner, meine Worte gelten der Gesamtheit. Ich werde mich sowohl mit Regierungsparteien als auch mit der Opposition unterhalten müssen.
Zur Deckung ist vorgeschlagen worden, man möge den Zinsfonds von 50 Millionen auf 48,75 Millionen ermäßigen. Meine Damen und Herren, ich möchte betonen, ich halte es für nicht richtig und nicht verantwortlich, daß man mit gewissen Fonds jongliert und sagt: Da läßt sich immer noch streichen und noch etwas erreichen. Wir haben — ich muß sagen: mit den allerschwersten Bedenken — den Zinsfonds schon von 100 Millionen auf 50 Millionen gesenkt, weil sonst die Hilfe für Berlin, die Erhöhung des Bundeszuschusses für Berlin, nicht möglich gewesen wäre. Ich darf aber das Haus einmal auf etwas hinweisen. Es hat in der Öffentlichkeit auch zur Mode gehört, immer von den Kassenüberschüssen des Bundes zu reden, obwohl man genau gewußt hat, daß diese Kassenüberschüsse des Bundes bisher mit den rückständigen Besatzungskosten in gleicher Höhe oder nur einige Prozente darüber gelegen haben. Ich möchte vor der deutschen Öffentlichkeit feststellen: Das Bild hat sich gewandelt. Es ist so, daß die Kassenguthaben des Bundes heute um mehrere hundert Millionen unter den rückständigen Besatzungskosten liegen. Es ist also heute so, daß, wenn wir nicht diese rückständigen Besatzungskosten hätten, der Bund bereits einen offenen Kassenfehlbetrag aufweisen würde. Ich möchte das einmal feststellen; denn es ist bekannt, daß der Bund nicht in der Lage ist, über die rückständigen Besatzungskosten zu verfügen. Die rückständigen Besatzungskosten sind für ihn fremdes Geld. Wenn er das Geld zur Abdeckung dieser Verpflichtungen nicht zur Verfügung hat, besteht dieselbe Situation, wie wenn er seinen Kreditplafonds in der Höhe dieser Differenz in Anspruch genommen hätte. Bei dieser Lage muß damit gerechnet werden, daß der vorhandene Teil dieses Zinskontos von 50 Millionen DM verbraucht wird. Ich möchte davor warnen, darüber hinwegzugehen, und möchte Sie bitten — weil nach meiner Überzeugung kein Deckungsvorschlag gegeben ist —, den Antrag abzulehnen.
Nun komme ich zu einem Antrag, der an sich schon dadurch erledigt sein sollte, weil die Dekkungsgrundlage dieses Antrags bereits abgelehnt worden ist. Ich meine den Antrag auf Umdruck 30. Gestatten Sie mir aber auch dazu eine grundsätzliche Bemerkung. Was ich bisher gesagt habe, ging mahnend an die Regierungskoalitionsparteien. Was ich jetzt sage, geht ebenso mahnend an die Opposition. Meine Herren von der Opposition, vielleicht fasse ich die Aufgabe einer Oppostion falsch auf; aber ich bin der Meinung, die Oppositionsparteien müßten in der Zeit, wo sie Oppositonsparteien sind, das vertreten, was sie tun würden, wenn sie Regierungsparteien geworden wären. Sie müssen das, was sie heute vertreten, morgen als Regierungspartei tun können.
Jetzt eine Frage, meine Herren von der Opposition: Ich habe kurzerhand einmal die Anträge der SPD zu diesem Haushalt — der vorliegende Antrag ist der erste, dann kommt noch eine lange Reihe —, die von Ihnen gestellt werden, zusammengestellt und die Anforderungen zusammengerechnet. Die Ausgabenmehrung bei diesem Haushalt, die Sie heute beantragen, beträgt nach meiner Rechnung 2145 Millionen DM.
Meine Herren, glauben Sie, daß Sie, wenn Sie Regierungsverantwortung tragen würden und wenn Sie im Rahmen der Verfassung die Abgleichung des Haushalts durchführen müßten, wenn Sie vor dem deutschen Steuerzahler stünden und dem deutschen Steuerzahler eine Entlastung versprochen hätten, dann diese Anträge auf Mehrausgaben von 2145 Millionen DM stellen, vertreten und verantworten könnten?
Meine Herren, Sie haben einen einzigen Gegenvorschlag gemacht, nämlich den EVG-Beitrag um 1000 Millionen DM zu kürzen. Sie wissen genau, daß das ein Ding der Unmöglichkeit ist.
— Ja, es dreht sich um unsere Politik. Sie wissen
ganz genau, daß eine solche Aktion eine Bekun-
dung des deutschen Parlaments wäre, den Abschluß des EVG-Vertrags unmöglich zu machen. Und wenn Sie das als Gegenposten für die Ausgabe für die Luftschutzmaßnahmen einsetzen, — meine Herren, wenn der EVG-Beitrag nicht geleistet wird, wenn der EVG-Vertrag nicht zustande kommt, dann wird Deutschland das Schlachtfeld des nächsten Weltkriegs. Dann helfen uns keine Luftschutzmaßnahmen.
— Wir treiben die EVG-Politik um des Friedens willen. Das ist unsere Überzeugung.