Meine Damen und Herren! Ich möchte als Vertreter des Bundeswirtschaftsministers nur das Wort zu den ernsten Befürchtungen nehmen, die hier hinsichtlich einer eventuell im Kohlenbergbau drohenden Arbeitslosigkeit, hinsichtlich einer kritischen Entwicklung, die von dort her — anknüpfend an die augenblickliche Situation der Feierschichten im Ruhrbergbau — ihren Ausgang nehmen könnte, ausgesprochen worden sind. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung nimmt diese Erscheinungen im Ruhrbergbau außerordentlich ernst. Sie schenkt ihnen volle Beachtung und hat seit langem überlegt, wie der Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt, der so lange bei Kohle, Eisen und Stahl angestrebt worden ist und der nun im Augenblick gewisse Anpassungsschwierigkeiten ausgelöst hat, wieder im ganzen in die positiv aufwärts gerichtete Entwicklung eingefügt werden kann.
Die Bundesregierung möchte ausdrücklich betonen, daß in der allgemeinen Situation erfreulicherweise nicht die geringsten Anzeichen für eine kritische Entwicklung unserer Wirtschaft zu erkennen sind. Im Gegenteil, es hat sich erwiesen, daß sich mit dem im Interesse der Verbraucher systematisch mit der Sozialen Marktwirtschaft angestrebten Übergang zum Käufermarkt das Tempo des wirtschaftlichen Aufschwungs im Laufe des letzten Jahres wieder ständig vergrößert hat. Wir hatten beispielsweise im Jahre 1952 nur mehr eine Steigerung unserer industriellen Produktion von 7 % gegenüber 1951 zu verzeichnen. Wir haben aber im Jahre 1953 diese Steigerung schon wieder auf 8,6 % erhöhen und beschleunigen können. Die ersten Monate dieses Jahres beweisen, daß dieser Prozeß sich im ganzen sogar noch weiter beschleunigt hat.
Diese Entwicklung hat ihren Niederschlag deutlich genug auch in der Zahl der Beschäftigten gefunden. Während 1952 die Zahl der Beschäftigten um 432 000 zunahm, hat sie 1953 schon um mehr als 622 000 zugenommen und damit erstmals einen Stand von 16 Millionen überschreiten können. Wie stark jetzt in diesem Frühjahr, nach Beendigung der winterlichen abnormen Kälte, die ja auch ihren Einfluß auf die Entwicklung des Kohlenbergbaues ausgeübt hat, die Zahl der Beschäftigten gestiegen ist, ist schon gerade von meinem Vorredner unterstrichen worden. Wir haben eine in den vorhergehenden Jahren nicht gekannte plötzliche Verringerung der Arbeitslosenzahlen des Winters um über 600 000 Menschen auf 1,4 Millionen erlebt. Eine solche starke Steigerung der Beschäftigung gibt es nur in einer Volkswirtschaft, die im ganzen erfreulicherweise in der Expansion, in der Ausweitung geblieben ist und ihre Kraft auf diesem Gebiet unter Beweis stellt.
Verschiedentlich ist an der Abwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers — sicher ist es von Herrn Kurlbaum nicht so gemeint gewesen — Kritik geübt worden, oder es sind Worte gefallen, die seine Abwesenheit heute bedauern. Auch ich bedauere es, daß er nicht in der Lage ist, selbst zu Ihren Bemerkungen Stellung zu nehmen, daß auf verschiedenen Gebieten, wie Sie zum Schluß sagten, eine Aktivität und Förderung der positiven Entwicklung vermißt wird. Aber, Herr Kurlbaum, gerade diese Reise nach Südamerika dient ja der Ausweitung der deutschen Außenhandelsmöglichkeiten. Auch Sie haben vorhin betont, daß die deutsche Volkswirtschaft gar nicht ohne die Förderung und Pflege dieser Außenhandelswirtschaft auskommt. Wir sind uns alle darüber klar, daß heute Millionen von Arbeitsplätzen unmittelbar und mittelbar durch die deutsche Ausfuhr, die auf der anderen Seite die Einfuhr ermöglicht, gesichert werden. Wir sind uns weiter auch darüber klar, daß Deutschland trotz seiner außergewöhnlichen Erfolge auf dem Gebiet des Außenhandels noch immer nicht seinen früheren Anteil an den Weltmärkten wieder zurückerlangen konnte. Aber immerhin ist doch eines bemerkenswert: daß in den ersten beiden Monaten des Jahres 1954, für die die Zahlen bereits vorliegen, die deutsche Ausfuhr noch einmal um 21 % gegenüber dem sehr hohen Ergebnis des Vorjahres hat zunehmen können. Sie hat in diesen beiden Monaten schon wieder 3 Milliarden DM betragen gegenüber einer Einfuhr von 21/2 Milliarden DM. In den beiden ersten Monaten ist also mit 500 Millionen DM ein Ausfuhrüberschuß erzielt worden, der fast so hoch liegt wie der des ganzen Jahres 1952. Nehmen Sie weiter hinzu, daß diese Zahl von 3 Milliarden DM Ausfuhr für zwei Monate auch fast so hoch ist wie die gesamte Ausfuhr des Jahres 1949. Hierin zeigt sich eine ungewöhnlich erfreuliche Entwicklung, die allerdings der weiteren Förderung bedarf.
Die Bundesregierung weiß, daß über diese Ausweitung des Außenhandels, über die Schaffung der wettbewerbsmäßigen Voraussetzungen und gleichzeitig über die Fortführung der Ausweitung im Innern die sicherste Garantie dafür gegeben wird, daß .nicht nur die augenblickliche Anpassungsstockung im Kohlenbergbau überwunden wird, sondern daß sich die Beschäftigung, die Produktion und das reale Einkommen unseres Volkes im ganzen weiter steigern.
Bedenken Sie einmal die Entwicklung bei Eisen und Stahl, an der weitgehend die Kohle- oder vielmehr Koksabsatzgestaltung hängt. In den ersten
drei Monaten dieses Jahres sind an Rohstahl produziert worden 3,87 Millionen t, während in den letzten drei Monaten des Jahres 1953 nur 3,73 Millionen t produziert werden konnten. Wir haben also auch hier bereits wieder eine deutliche Aufwärtsentwicklung, eine Steigerung um 135 000 t. Wir sind überzeugt, daß sich diese Entwicklung in den kommenden Monaten auch von der Inlandseite her verstärkt fortsetzen wird, weil die Entwicklung des Käufermarktes ebenso wie die Notwendigkeit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im Export die gesamte gewerbliche Wirtschaft dazu zwingen wird, ihre Rationalisierung fortzuführen und dafür wieder in stärkerem Umfange Investitionen vorzunehmen.
Man kann nun die Fähigkeit einer Volkswirtschaft zur Ausweitung grundsätzlich nach zwei Richtungen verstärken. Man kann einmal über eine ausschließlich oder überwiegend von den Regierungen über die Haushalte gesteuerte Entwicklung Mittel in die Wirtschaft hineinstecken. Man kann mit dieser Politik der Kreditschöpfung, des deficit spending, sicher auch eine Ausweitung von Beschäftigung und Produktion erreichen, aber doch nur um den Preis einer laufenden Verschlechterung der Währung, letztlich um den Preis einer schleichenden inflationistischen Entwicklung, die gerade in Deutschland nach zwei Inflationen unter allen Umständen vermieden werden muß. Das wäre ein Weg, der für uns ausscheiden muß und überhaupt nie in Frage kommen kann.
— Nein, habe ich auch nicht behauptet. Ich möchte nur demgegenüber klar sagen: die Bundesregierung hat sich deshalb dafür entschieden, die Entlastung der Wirtschaft und der Einkommenbezieher durch steuerliche Maßnahmen vorzunehmen und auf diese Weise es sowohl der Wirtschaft selbst zu ermöglichen, Investitionen durchzuführen, als auch die einzelnen Einkommensbezieher zu einem erhöhten Verbrauch oder, was genau so wesentlich ist, zu einer erhöhten Spartätigkeit anzuregen. Daß schon die bisherige Spartätigkeit das Vertrauen in die deutsche wirtschaftliche Entwicklung in einem außergewöhnlichen Maße unterstrichen hat, wissen wir alle, wenn wir sehen, daß im Jahre 1953 die Einzahlungsüberschüsse bei den Sparkassen allein um 4,2 Milliarden DM gestiegen sind gegenüber erst 2,7 Milliarden im Jahre 1952, daß allein bei den Bausparkassen Einzahlungsüberschüsse von über 700 Millionen DM entstanden sind, daß über anderthalb Milliarden an Pfandbriefen und Kommunalobligationen und weitere anderthalb Milliarden an sonstigen Wertpapieren in diesem einen Jahr untergebracht werden konnten und daß in den ersten 21/2 Monaten 1954, wie aus dem neuesten Bericht der Bank deutscher Länder zu entnehmen ist, die Spartätigkeit sich im Schnitt nochmals um fast 50 % über die Anfangsmonate des vergangenen Jahres hinaus entwickelt hat.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Ihnen damit im ganzen dargetan zu haben, daß es sich hier nicht etwa um einen Zweckoptimismus, sondern um die nüchterne Auswertung der gegebenen Tatsachen handelt, daß die deutsche Wirtschaft sich im ganzen nicht in einer gefährlichen krisenhaften Zuspitzung, sondern im Gegenteil in einer verstärkten Entwicklung zugunsten einer endgültigen Festigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen befindet und daß mit dem Mittel der steuerlichen Entlastung und dem Anreiz für Investitionen und Verbrauch in diesem Jahr, mit den weiteren Fortschritten auf dem Gebiet des Abbaus der Devisenzwangswirtschaft und der Handelsschranken, mit der weiteren Fortführung der Begünstigung der Spartätigkeit und des Kapitalmarktes die Wege deutlich gewesen sind, mit denen eine mengenkonjunkturelle Ausweitung gesichert fortgeführt werden kann und mit denen auch, in relativ kurzer Zeit, wie wir glauben, das Problem der augenblicklichen Feierschichten an der Ruhr, das wir sehr ernst nehmen, wieder überwunden sein wird.
Wir glauben im übrigen, daß diese Politik der Ausweitung auch die sicherste Garantie dafür gibt, daß sich das Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung in den Randgebieten und dem Zentrum an der Ruhr oder in Baden-Württemberg — ein zweites von Herrn Kurlbaum mit Recht so stark herausgestelltes Problem — weiter sichtbar angleichen und anpassen wird. Die Bundesregierung hat hier einmal mit den inzwischen sich dem Abschluß nähernden Maßnahmen der Umsiedlung versucht, ein natürlicheres und besseres Gefälle zu schaffen. Sie hat sich zum zweiten von vornherein darüber keine Illusionen gemacht, daß man nur mit Notstandsmaßnahmen keine dauerhafte Gesundung der Randgebiete erreichen kann, sondern sie hat ihre Maßnahmen immer bewußt darauf ausgerichtet, daß sie zur Schaffung von dauerhaften gewerblichen Ansiedlungen, gesunden Dauerarbeitsplätzen und Unternehmen führen können. Diese Entwicklung soll in verstärktem Maße mit den in dem Ergänzungshaushalt stehenden Mitteln in diesem Jahr weiter gefördert werden. Dazu soll auch die verstärkte Spartätigkeit und die Möglichkeit des Ausgleichs auf dem Gebiet des Kapitalmarktes herangezogen werden. Gleichzeitig soll noch — wenn Sie einmal auf mein Gebiet zurückgreifen wollen — die notwendige Siedlungs- und Bautätigkeit hinzukommen.
Wenn Sie sich einmal den Zustand unserer Randgebiete, wie er noch vor zwei Jahren war, vor Augen führen und jetzt sehen, wie auch dort bereits die ersten Zeichen einer fruchtbaren Belebung erkennbar sind, so glauben wir doch sagen zu können, daß das Jahr 1954 mit seiner allgemeinen Verstärkung der wirtschaftlichen Impulse auch gerade für diese Gebiete in besonderem Maße eine Belebung bringen wird. Allerdings gehört dazu eine eingehende und sehr wohl abgestimmte Verzahnung mit allen verkehrspolitischen Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse dieser Randgebiete besonders Rücksicht nehmen müssen.
Ich glaube, daß damit die wichtigsten Fragen aus der Diskussion, die noch offengeblieben sind, ihre Beantwortung gefunden haben. Zum Schluß darf ich wohl noch einmal folgendes unterstreichen. Die ganze Politik der sozialen Marktwirtschaft, wie sie die Bundesregierung bewußt betrieben hat, ist doch von Anbeginn an nur eine Politik zugunsten der Verbraucher, zugunsten der breiten Schichten gewesen, und zwar von dem Augenblick an, in dem man sie mit dem Übergang zur Marktwirtschaft aus der Zwangssituation der Kartenwirtschaft und Normal verbraucherrationierungen befreit hat, bis zu der Zeit, in der sich der Übergang von den Mangelerscheinungen der Verkäufermärkte bei Kohle und Stahl zum Käufermarkt durchgesetzt hat, und dem jetzigen Augenblick, in dem als Ergebnis der bisherigen außerordentlichen Leistungen nicht nur die starke Steigerung der Wochenarbeitslöhne bei stabilen Preisen möglich gewesen ist, sondern darüber hinaus — zum zweiten Male innerhalb eines Jahres — steuerliche Entlastungen in erheblich
fühlbarem Ausmaß durchgeführt werden können.
Und das obwohl sich unser Volk durch eine ungeheure Not einzelner Gebiete und einzelner Bevölkerungsgruppen nach wie vor hindurchzuarbeiten
hat, denen aus dem, was in unserem Volk mehr
erarbeitet worden ist, gleichzeitig und immer wieder zusätzliche Milliardenbeträge zur Überwindung dieser besonderen Notlage zugeführt werden
mußten und auch für die Zukunft gewährt werden
müssen, damit überall ein solides, festes und echtes
Gesamtbild einer sozialen Marktwirtschaft entsteht.