Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Behandlung des Mats des Bundeswirtschaftsministeriums reizt natürlich dazu, einmal grundsatzlich und auch aus der Erinnerung und. Beobachtung zu der allgemeinen Wirtschaftspolitik Stellung zu nehmen. Ich glaube aber, der Verlauf der Diskussion zeigt schon, daß man in eine etwas ruhigere Atmosphare als in früheren Jahren gekommen ist. Ich bin der Überzeugung, daß damit auch so etwas die Anerkennung der Opposition fur das zum Ausdruck kommt, was die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik bisher geleistet hat. Wir sollten daran denken, daß nicht Einzelheiten losgelost aus der Gesamtheit das Bild bestimmen. Man muß vielmehr immer die Verzahnung, die Korrelation und das Gesamtbild betrachten, wenn man ehrlich und objektiv Kritik üben und Stellung nehmen will. Ich bin der gleichen Meinung wie viele meiner Vorredner, dais wir auf diesem oder jenem Spezialgebiet sorgen haben. Ich bin auch der Überzeugung, daß niemand mehr als der Bundeswirtschaftsminister sich ernsthaft darum bemuht, diese sorgen einer Lösung zuzuführen, die im Interesse der Gesamtheit des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft, sowohl der Unternehmer als auch der Arbeitnehmer, und nicht zuletzt im Interesse der Verbraucher liegt.
Lassen Sie mich aber ganz kurz noch einmal daran erinnern, daß wir uns hier nicht a priori in einer Diskussion über Wirtschaftspolitik befinden, sondern in einer Diskussion über den Etat. Dazu darf ich auf Grund der Beratungen, die wir in den Fachausschüssen gehabt haben, grundsatzlich sagen: es ist dringend notwendig, daß wir bei der kunftigen Etatsaufstellung und Etatsberatung auch die Fachausschüsse entsprechend beteiligen, damit in diesen Fragen nicht durch den sicher sehr wohlmeinenden und sehr gut arbeitenden Ausschuß fur Haushaltsfragen allein entschieden wird. Wir begrüßen es auch vom Ausschuß für Wirtschaftspolitik hier in aller Offenheit und in aller Öffentlichkeit, daß der Herr Vorsitzende des Haushaftsausschusses, Herr Abgeordneter Schoettle, den Versuch gemacht hat, die Fachausschüsse bei der Beratung heranzuziehen. Leider ist von anderer Seite dem nicht immer Rechnung getragen worden. Ich würde also bitten, daß wir den Grundsatz hier heute einmal klar aussprechen und auch für die Zukunft beachten, daß bei allen Etatberatungen, sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Abschlußberatung, die Fachausschüsse entsprechend beteiligt werden.
In diesem Zusammenhang scheint mir ein weiteteres Problem darin zu liegen, wie diese Beratungen in Zukunft durchgeführt werden sollen. Auch darüber müssen wir uns einmal unterhalten. Wir haben schon angemeldet, daß wir bei der Aufstellung des Etats für das nächste Jahr - die Beratungen werden höchstwahrscheinlich im Sommer dieses Jahres durchgeführt — rechtzeitig unsere
Überlegungen zu den Vorschlägen vorbringen werden. Dabei könnte dann schon sehr vieles applaniert werden, was bei den späteren Beratungen wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen würde.
Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft unter der Führung einer Wirtschaftspolitik, die unter der Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft" steht, ist so eklatant und so offensichtlich, daß man sich eigentlich wundern muts, daß es immer noch Menschen gibt, die von vermeintlichen Katastrophen sprechen, die sich auf dem wirtschaftlichen Gebiet entwickeln sollen. Wir wissen, daß es eine besondere Aufgabe darstellt, eine Wirtschaftspolitik aus der Mangellage heraus überzuleiten in eine Wirtschaftspolitik der Überflußlage bzw. der Vollausnutzung der vorhandenen Kapazitäten. Das erfordert selbstverständlich ernsthafte Überlegungen, vor allem auch daruber, ob man die neben der Wirtschaftsordnung zur Verfügung stehenden Mittel der Wirtschaftstechnik in jedem Augenblick richtig anwenden kann. Dabei kommen leicht Erinnerungen an vergangene Zeiten der konjunkturzyklischen Entwicklung auf. Wir verfügen heute bestimmt über Erkenntnisse und Mittel, die uns in den zwanziger Jahren nicht zur Verfügung gestanden haben, so daß man also ernsthaft sagen darf: Heute etwa andeutungsweise sich zeigende Schwierigkeiten auf dem einen oder anderen Gebiet in konjunktureller Hinsicht werden mit den heutigen Mitteln. der Technik, auch der Verwaltungstechnik, schnellstens aufgefangen werden können.
Es besteht durchaus keine Veranlassung und es liegt auch kein Grund vor, anzunehmen, wir befänden uns irgendwie in der Entwicklung zu einer Krise hin. Wie wäre es sonst denkbar, daß auch hier das Hohe. Haus sich sowohl bei den Beratungen des Finanzausschusses als auch bei den Vorschlägen des Finanzministers immer wieder davon hat überzeugen lassen, daß man mit einem aufwärtsgehenden Trend rechnen muß, und daß auch der Herr Finanzminister, der nach unser aller Auffassung doch wohl kritisch genug ist, mit einer Zuwachsrate von mindestens 5 % rechnet! Anders wäre doch eigentlich alles das nicht zu verstehen, was bisher hier als die Grundlage der Berechnungen für den Etat und die Besteuerung sowie für die oft genannte Steuerreform diskutiert worden ist.
Neben der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftstechnik gehört natürlich auch die echte Wirtschaftsgesinnung zu der Lebendigmachung und Aktivierung einer Wirtschaft in einem solchen Gebiet wie dem unsrigen. Da mangelt es allerdings manchmal, und wir finden in der Praxis draußen immer wieder, daß den von der Bundesregierung und vor allen Dingen von dem Bundeswirtschaftsminister und seinem Ministerium veranlaßten Maßnahmen nicht das notwendige Verständnis entgegengebracht wird.
Hier, meine Damen und Herren, finde ich einen guten Ansatzpunkt für das, was Herr Kurlbaum sagte hinsichtlich der Stellung des Verbrauchers in der heutigen Wirtschaftspolitik und hinsichtlich der Aufgaben der Interessentenverbände, der Wirtschaftsverbände und anderer Gruppen, die nun einmal nach seiner Auffassung einen zu starken Einfluß auf die Gestaltung der Wirtschaftspolitik haben. Ich nehme an, er hat dabei natürlich die Gewerkschaften eingeschlossen und nicht nur die Wirtschaftsverbände auf der anderen Seite gemeint. Ich meine, gerade hier liegt eine echte Auf-
gabe dieser Organisationen vor, eine Korrelation herzustellen zwischen dem, was die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung beabsichtigt und will, und dem, was seitens der verschiedenen Gruppen innerhalb der Wirtschaft für notwendig gehalten wird. Wenn hier auf der einen Seite das Verständnis geweckt wird und auf der anderen Seite die entsprechenden Forderungen, Wünsche und sonstigen Argumente zur weiteren Gestaltung der Wirtschaftspolitik übermittelt werden, dann, glaube ich, ist hier eine echte Aufgabe zu sehen, die, soweit ich es überblicken kann, auch in der Vergangenheit schon weitgehend gefördert worden ist. Es wäre aber sicher gut, man würde sich auf beiden Seiten, sowohl auf Seiten der Regierung als auch auf Seiten der Organisationen, einmal überlegen, ob man nicht zu einer neuen Regelung der Ordnung des Zusammenspiels der Kräfte und des Zusammenwirkens im Interesse der Gestaltung der Wirtschaftspolitik gelangen könnte.
Wir lehnen jeden Syndikalismus ab. Wir sind nicht der Meinung, daß man hier nun plötzlich über das parlamentarisch-demokratische System mit irgendwelchen syndikalistischen Mitteln hinweggehen könnte.
Aber gerade deshalb sind wir der Meinung, daß eine bessere Zusammenarbeit von beiden Seiten sicherlich auch dazu beitragen könnte, die Stellung des Verbrauchers innerhalb der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung noch einmal zu festigen und zu untermauern.
Gestatten Sie mir nur eine einzige Frage: Wo stände wohl der Verbraucher heute in Deutschland, wenn wir nicht eine Marktwirtschaft mit den entsprechenden Wettbewerbsmitteln hätten?
Ich glaube, diese Frage brauche ich nur als rhetorische anzusehen. Ich brauche auch nicht auf die verschiedenen Entwicklungsphasen vor der Währungsreform, nach der Währungsreform, vor Korea, zur Zeit Koreas und nach Korea einzugehen. Die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze auf die Höhe von rund 35 Milliarden DM im letzten Jahre ist der Beweis dafür, daß bestimmt der Verbraucher in erster Linie der Nutznießer — und das mit Recht und mit Absicht — der bisherigen Wirtschaftspolitik gewesen ist; und wenn wir diese Wirtschaftspolitik fortsetzen, dann wird es auch in Zukunft so bleiben.
Dazu gehört natürlich auch das Problem des Wettbewerbs und einer Wettbewerbsordnung, vielleicht im Rahmen des Kartellgesetzes allein, vielleicht aber darüber hinaus auch noch mit anderen Möglichkeiten der Gestaltung einer ordentlichen Wettbewerbsentwicklung innerhalb der deutschen Wirtschaft. Ich glaube aber, die Kritik des Herrn Kurlbaum an der Haltung des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard in der Kartellfrage ist nun gerade an die falsche Adresse gegangen. Denn wenn einer sich darum bemüht hat, eine Kartellgesetzgebung auszuarbeiten und zu verteidigen — deshalb j a auch, wie schon gesagt wurde, die Zurückstellung der Behandlung dieses Gesetzes vor dem Bundesrat, bis er von seiner Auslandsreise zurückgekehrt ist —, dann war es doch wohl Professor Erhard, der den Mut hatte, einmal zu sagen: Wir wollen Kartelle verbieten, nicht, weil sie unbedingt dahin führen müssen, aber weil Gefahren darin liegen könnten, daß man einmal auf Kartellseite Maßnahmen trifft, die zum Nachteil des Verbrauchers sein können.
Sie wissen, wir haben über diese Dinge schon diskutiert. Wir werden weiter diskutieren. Ich bin der Meinung, daß wir uns bemühen müssen, hier eine Entgiftung der Atmosphäre in der von mir gekennzeichneten echten Wirtschaftsgesinnung durchzuführen, damit wir dann auch im Interesse der gesamten Wirtschaft und des gesamten deutschen Volkes zu einer gerechten Lösung kommen. Es gilt nicht allein, die Kaufkraft zu erhöhen, wenn nicht gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, eine Sicherung der Versorgung zu billigsten und, sagen wir, rationellsten Preisen durchzuführen. Eine einseitige Erhöhung der Kaufkraft nützt nichts, wenn wir nicht gleichzeitig auf der anderen Seite Produktivitätssteigerungen und die dazu notwendigen Rationalisierungen in der Praxis zum Niederschlag kommen lassen.
Zu den Notstandsgebieten. Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Vorredner entgangen ist, daß dafür immerhin 129 Millionen im Finanzgesetz vorgesehen sind, von denen, wenn ich richtig unterrichtet bin, allein 29,2 Millionen für Bayern vorgesehen sind. Bei der Gesamtnot in den Zonengrenzgebieten ist selbstverständlich damit nicht alles erledigt; aber ich bin doch der Meinung, daß man auch bei aller Kritik diese Zahlen zumindest einmal mit in die Berechnungen einführen sollte, wenn man daran geht, diese Kritik hier offen auszusprechen. Wir wissen, daß wir in den Zonengrenzgebieten ein besonders schwieriges Problem vor uns haben, das uns ja schon lange beschäftigt. Vergessen Sie nicht das Anorganische der Entwicklung dieser Gebiete! Die Zonengrenze, die Abtrennung der Absatz- und Zulieferungsgebiete, die Zusammenballung von Menschen, die dort nicht immer in der rechten Weise entsprechend ihren Fähigkeiten Arbeit und Brot finden können, all das sind Momente, die zusammentreffen. Ich erwähne hier die Versuche, neue Industrien anzusiedeln. Diese Aufgaben sind in den vergangenen Jahren durch das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet worden.
Ich höre gerade, daß gestern im Bundesanzeiger eine Verordnung über die Regelung des öffentlichen Auftragswesens mit besonderem Hinblick auf die Zonenrandgebiete veröffentlicht und dabei vor allen Dingen ein — ich sage: ein — besonderes Anliegen dieser Zonenrandgebiete dadurch befriedigt worden ist, maß man sie den übrigen Notstandsgebieten gleichgestellt hat. Wir glauben, daß gerade eine solche Anordnung, die auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium stammt, sehr dazu beitragen wird, Aufträge in besonderem Maße in die Zonenrandgebiete zu legen und so auch dort der wirtschaftlichen Not steuern zu helfen.
Gestatten Sie noch ein Wort zum Schluß meiner Ausführungen, die durch meinen Kollegen Dr. Hellwig noch ergänzt werden, nämlich hinsichtlich der Abgrenzung gewisser Aufgaben und Aufgabenbereiche. Es ist schon davon gesprochen worden, daß die Handelsabteilung im Auswärtigen Amt, die sich ja praktisch aus dem Wirtschaftsministerium heraus entwickelt hat, die Gefahr mit sich bringt, daß die Geschlossenheit der Wirtschaftspolitik nicht mehr in allen Fällen so gegeben ist, wie wir es uns wünschen. Ich glaube wohl, mich zum Sprecher meiner Freunde von der Koalition
machen zu dürfen, wenn ich sage: wir wollen nicht einen Minister für gewerbliche Wirtschaft in Herrn Professor Erhard haben, sondern wir wollen einen echten Wirtschaftsminister haben.
Aber dann muß man ihm auch die Möglichkeit geben, das gesamte Gebiet der Wirtschaftspolitik in allen Phasen zu behandeln und ressortmäßig in seinem Hause zu bearbeiten.
Ich spreche nicht gegen die Handelsabteilung des Auswärtigen Amts als solche; ich spreche nur gegen das Prinzip, weil hier noch manche Unklarheiten in der Aufgabenverteilung vorhanden sind. Es gibt selbstverständlich auch an anderen Orten und mit anderen Häusern Überschneidungen, die wir ebenfalls einmal einer Kritik unterwerfen müssen, aber nicht einer böswilligen oder destruktiven, sondern einer konstruktiven Kritik. Dabei die Bitte an die Regierung, daß auch bei der künftigen Organisation auf diese Fragen Rücksicht genommen werden möge.
Zum Schluß noch eine Überlegung hinsichtlich einer Zwischeninstanz oder Mittelinstanz oder Bundesoberbehörde, die wir nötig haben und die bisher in der Form der Bundesstelle für den Warenverkehr oder auch in der Bundesoberbehörde für die Außenhandelsinformation in Köln noch nicht vollkommen genug verwirklicht worden ist. Wir haben uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß und darüber hinaus in weiten Kreisen derjenigen Freunde, die sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigen, schon seit langen Jahren ernsthaft über dieses Problem unterhalten. Wir kennen die historische Entwicklung, wir kennen die Aufgaben, die dieser Behörde seinerzeit gestellt waren. Wir wissen aber auch um die Entwicklung der Beschränkung der Aufgaben durch die Gestaltung der Liberalisierung und anderer Dinge auf dem Gebiet des Handels und des Außenhandels.
Alle diese Überlegungen führen uns immer wieder zu der Erkenntnis, daß hier eine Neuordnung Platz greifen muß. Wir haben deshalb den Wunsch, daß man sich auch in der Regierung klarwird. Die Weiterführung der Bundesstelle für den Warenverkehr in der jetzigen Form und auf der jetzigen Rechtsgrundlage scheint uns nicht opportun zu sein. Wir sind wohl der Meinung, daß man ernsthaft prüfen muß, wie weit aus der Vergangenheit noch Verwaltungsaufgaben auch im Bundeswirtschaftsministerium wahrgenommen werden, die dort nicht hingehören. Wir sollten endlich dazu kommen, eine klare Scheidung zwischen echten ministeriellen Aufgaben und Verwaltungsaufgaben zu treffen und dann entsprechend dieser Scheidung auch dafür zu sorgen, daß die Verwaltungsaufgaben aus dem eigentlichen Ministerium herausverlagert werden. Ich glaube, es würde sich bei einer ernsten Betrachtung dieser Frage, die ich im Augenblick nicht vertiefen möchte — ich melde das nur einmal an —, die Überzeugung durchsetzen„ daß wir eine echte Mittelinstanz auch auf dem Gebiet des Bundeswirtschaftsministeriums benötigen. Vielleicht läßt sich dann im Laufe der weiteren Beratung dieses Problems eine Lösung finden.
Ich möchte Sie bitten, unter Berücksichtigung dessen, was ich vorgetragen habe, eine objektive Kritik an dem zu üben, was das Bundeswirtschaftsministerium getan hat, aber den Etat anzunehmen.