Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Probleme des Erzbergbaus hier schon eine sehr große Rolle gespielt l haben, erscheint es meiner Fraktion notwendig, auch auf das Krisenproblem im Steinkohlenbergbau hinzuweisen und einige Fragen an das Bundeswirtschaftsministerium zu richten. Vorweg aber darf ich vielleicht noch auf einiges von dem zurückkommen, was der Kollege Dr. Höck gestern auf die Ausführungen meines Kollegen Dr. Deist zum Erzbergbauproblem erwidert hat. Ich glaube, das, was Kollege Deist hier erklärt hat, war so sachlich gehalten,
daß man darauf nicht in der Form eingehen durfte,
wie es Herr Kollege Dr. Höck getan hat. Wir sollten uns doch bemühen — das ist ja wohl unser aller
Anliegen —, wenn es sich um die Sorgen von Tausenden von Menschen handelt, sachlich zu untersuchen, wie ein Krisenproblem gelöst werden kann.
Ich glaube, Ausführungen, die darauf hinausgehen,
daß man von Almosen und von Agitationsanträgen
anläßlich bevorstehender Wahlen spricht, sind weiß
Gott nicht geeignet, hier gemeinsam nach Wegen zu
suchen, wie diese Probleme gelöst werden können.
Noch ein anderes ist zu sagen. Ich glaube, wenn der Herr Kollege Dr. Höck seine gestrigen Ausführungen vor den Erzbergarbeitern machen würde, könnte er sein blaues Wunder erleben.
Ich bin ja nur ganz einfacher Bergarbeiter, und er ist Akademiker, aber ich möchte ihm einmal vorschlagen, in einer gemeinsamen Versammlung vor den Erzbergarbeitern im Revier Watenstedt-Salzgitter über dieses Problem zu sprechen.
Ich glaube, die Antwort, die ihm dort zuteil werden würde, müßte er sich noch schwer vor Augen
führen. Sie haben gestern unseren Antrag abgelehnt; das ist Ihr gutes Recht, aber wir glauben doch, daß die 4 Millionen DM, die dem Fonds des Bundeskanzlers zugeführt worden sind, besser zur Unterstützung der entlassenen Erzbergarbeiter hätten verwendet werden können. Nun bitte, das ist unsere Auffassung, und ich glaube, man sollte da doch nicht von Agitationsanträgen und von Demagogie sprechen.
Ich möchte hier ein anderes Krisenproblem ansprechen, das uns mit besonderer Sorge erfüllt: das Absatzkrisenproblem im Steinkohlenbergbau. I'm Bulletin der Bundesregierung vom 6. April ist auf einen „beachtenswerten Kommentar" hingewiesen worden, der im Schnelldienst des Deutschen Industrieinstituts veröffentlicht worden ist und sich mit dem Absatzproblem und dem Feierschichtenproblem im Ruhrbergbau beschäftigt. Ich glaube, es ist notwendig, auch einmal an das Bundeswirtschaftsministerium die Frage zu stellen, ob sich das Wirtschaftsministerium mit dem Inhalt dieses Kommentars des Industrieinstituts identifiziert; denn es ist doch eigentlich etwas leichtfertig gehandelt, wenn man nun das Feierschichtenproblem im Steinkohlenbergbau zu bagatellisieren versucht, indem man davon spricht, daß bei den 300 verfahrenen Arbeitsschichten im Jahr je Bergarbeiter nur ein Lohnausfall von rund 0,33 Prozent zu verzeichnen ist. Wenn man weiter davon spricht, daß im Jahresdurchschnitt 1952 rund 15,73 entgangene Schichten aus persönlichen Gründen entstanden sind, dann, glaube ich, ist das auch etwas allzu leicht gesehen. Man muß doch beachten, daß ein großer Teil dieser aus persönlichen Gründen gefeierten Schichten nun einmal auf Tarifurlaub und Krankfeierzeiten zurückzuführen ist, die aus der Gefährlichkeit des Bergbaus resultieren, und daß nur ein ganz kleiner Teil wirklich als sogenannte „Bummelschichten" angesprochen werden kann, die wir auch nicht gutheißen. Sowohl von den Gewerkschaften als auch seitens der Betriebsräte ist, glaube ich, alles getan worden, um das Feierschichtenunwesen, wenn man einmal davon sprechen darf, zu unterbinden.
Ich meine also, daß man das Absatzproblem im Steinkohlenbergbau eigentlich etwas ernsthafter betrachten muß. Eine Verharmlosung wäre das Allerschlechteste, was man tun könnte. Es geht ja nicht nur um die Tatsache, daß eine Feierschicht zu einem Lohnausfall von nur 0,33 vom Hundert führt, sondern die psychologische Seite steht heute sehr stark im Vordergrund. Die Bergleute, die doch schon in den zwanziger Jahren gezwungen waren, pro Monat drei, vier und noch mehr Feierschichten zu verfahren, betrachten nämlich aus der Sorge, daß sich das jetzt wiederholt, das Problem mit großem Ernst.
Ich glaube, wir sind dem Bergmann auch noch etwas anderes schuldig. Als wir in den vergangenen Jahren eine akute Kohlenmangellage hatten, erklärten sich die Bergleute bereit, Überschichten und Sonderschichten zu verfahren, um die Hausbrandversorgung zu verbessern. Dabei wurden Freizeit und Gesundheit geopfert. Dank und Anerkennung wurden den Bergleuten auch von dieser Stelle aus sowohl von den Sprechern der einzelnen Parteien als auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister ausgesprochen. Daneben wurden Wirtschaftsprogramme für den Steinkohlenbergbau aufgestellt, um eine Kohlenförderung von mindestens 450 000 Tagestonnen zu erreichen. Heute haben wir keinen Kohlenmangel, sondern einen
Absatzmangel. Nach Feststellungen, die Ende März getroffen worden sind, liegen schon rund 4,5 Millionen Tonnen Kohle und Koks auf Halden. Es erscheint berechtigt, an das Bundeswirtschaftsministerium die Frage zu stellen, wie es dieser Krisenentwicklung im Steinkohlenbergbau entgegentreten will, diesem Absatzmangel im Bergbau, der nun doch schon seit Monaten besteht. Böse Zungen behaupten sogar, daß seitens des Ruhrbergbaus die Absicht bestanden habe, schon im September des vergangenen Jahres Feierschichten einzulegen, und daß die Gesellschaften nur aus politischen Gesichtspunkten aufgefordert worden seien, die Feierschichten hinauszuschieben.
— Bitte, ich habe gesagt: Böse Zungen behaupten es.
— Es wäre einiges darüber zu sagen, was sich in dieser Frage bei den verschiedenen Gesellschaften abgespielt hat.
— Bitte, wenn es gewünscht wird, kann man dafür auch die notwendigen Beweise bringen. Ich meine aber, meine Damen und Herren, daß, nachdem das Problem seit Monaten akut ist, ihm jetzt eigentlich die notwendige Beachtung geschenkt und nach Mitteln und Wegen gesucht werden muß, mit denen man diesen Absatzmangel beseitigen kann, um unter die Bergarbeiter im Ruhrgebiet wieder eine gewisse Ruhe zu bringen.
Die Hoffnungen, die man an eine neue Preisregulierung bei der Kohle geknüpft hat, sind auch nicht in Erfüllung gegangen. Nach den Mitteilungen, die mir zur Verfügung stehen, sind bis zum 1. April dieses Jahres im Ruhrgebiet auf 38 Schachtanlagen Feierschichten eingelegt worden, von denen rund 110 250 Bergarbeiter betroffen worden sind. Nach dem 1. April sind dort wiederum auf verschiedenen Schachtanlagen Feierschichten, ja sogar schon als zweite Feierschicht eingelegt worden, die 30 000 Bergleute betroffen haben. Gestern sind im Raum Essen auf weiteren vier Schachtanlagen Feierschichten verfahren worden. Die Hoffnung, nach der neuen Kohlenpreisfestsetzung werde sich die Absatzlage verbessern, ist also auch nicht in Erfüllung gegangen. Deshalb um so mehr unsere Sorge und unsere Frage, wie man dieses Problem zu lösen gedenkt.
Durch die bisher verfahrenen Feierschichten haben die davon betroffenen Bergleute einen Einkommensverlust von rund 4 Millionen DM zu verzeichnen. Die Auswirkungen dieses Kaufkraftverlustes der Bergarbeiter machen sich schon jetzt beim Einzelhandel sehr stark bemerkbar. Sie werden ebenfalls durch vermindertes Beitragsaufkommen in der Knappschaftsversicherung ungünstig in Erscheinung treten. Wir sollten also auch diese Entwicklung mit der notwendigen Beachtung verfolgen.
Man spricht heute davon, das alles bedeute keine akute Gefahr für den Ruhrbergbau. Aber es steht doch fest, daß diese ungünstige Entwicklung wiederum der schwächste Teil, nämlich die Arbeitnehmerschaft des Ruhrbergbaus, zu tragen hat. Bei den Bergarbeitern entsteht der Eindruck, daß in der Wirtschaftspolitik doch irgend etwas nicht stimmt. Wer glaubt denn, im Ruhrbergbau werde es verstanden, daß trotz der 4,5 Millionen t Kohlen und Koks auf Halden im vergangenen Jahr aus Ländern außerhalb der Montan-Union — ich beziehe mich dabei auf eine Mitteilung der Bergbauindustrie — 5 Millionen t Kohlen eingeführt worden sind? Es ist auch eine Aufgabe der Regierung, zu überprüfen, ob die Einfuhr in dieser Höhe notwendig ist oder ob nicht durch Suche nach Absatzmärkten auch im Inland versucht werden muß, diese Haldenbestände und damit die Feierschichten zu unterbinden.
Ich sagte vorhin schon, daß der Kohlenpreis eine bestimmte Rolle spielt. Wenn in den küstennahen Gebieten die Ruhrkohle bei einem Preis von 60 DM abgesetzt, dagegen die englische Kohle diesen Preis mit 53,50 DM unterbietet, dann ist das, glaube ich, auch eine Frage, die im Bundeswirtschaftsministerium einmal sehr ernsthaft untersucht werden muß.
Ferner muß, gerade angesichts der Absatzkrise im Bergbau, der Frage nähergetreten werden, wie die Bundesregierung zu der Gemeinschaftsorganisation „Ruhrkohle" steht, die doch nun nach den Wünschen der Hohen Behörde aufgelöst oder zerschlagen werden soll. Die Bergleute und auch meine Fraktion sehen dieser Entwicklung mit großer Besorgnis entgegen. Wir sind der Auffassung, daß die Frage des Kostenausgleichs, das Sorten- und Beschäftigungsproblem im Bergbau ohne diese Gemeinschaftsorganisation nicht gelöst werden können. Es wäre notwendig, auch einmal diese Frage hier beantwortet zu bekommen und die Einstellung des Bundeswirtschaftsministeriums zu erfahren, wobei der Zusammensetzung dieser Organisation noch eine besondere Bedeutung beizumessen ist.
Aber nicht nur das Feierschichtenproblem hat in Bergarbeiterkreisen zu einer Beunruhigung geführt; daneben steht das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Die Tatsache, daß aus dem Bergbau schon eine erhebliche Anzahl von Arbeitskräften, nicht nur invalide, sondern auch noch voll einsatzfähige Bergarbeiter, entlassen worden sind und noch entlassen werden, spielt bei der Beurteilung der Unruhe im Bergbau eine ebenso bedeutende Rolle. In den vergangenen Tagen ging durch die Presse die Meldung, daß 70 000 Ruhrbergarbeiter entlassen werden sollen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist; es ist in der Presse mitgeteilt worden.
— Es ist vor einigen Tagen in einer Dortmunder Zeitung mitgeteilt worden.
Ohne unken zu wollen, wenn Sie meinen, ich malte nur in schwarz, eines weiß ich: daß bei der Gesellschaft im Dortmunder Raum, bei der ich beschäftigt bin, aus einer Gruppe von 6000 Beschäftigten am 31. März dieses Jahres über 200 Bergarbeitern gekündigt worden ist. Das ist bei einer Gesellschaft der Fall; ähnliches vollzieht sich bei vielen anderen Gesellschaften. Auch dieses Problem spielt eine große Rolle und führt mit zu der Beunruhigung, die heute in Bergarbeiterkreisen zu verzeichnen ist. Wir alle haben das allergrößte Interesse daran, daß im Bergbau, in dem übervölkerten Ruhrgebiet wirtschaftliche Ruhe unter den Arbeitern herrscht und nicht Maßnahmen durchgeführt werden, die zu einer Radikalisierung führen. Aus dieser Sorge
glaubte meine Fraktion einige Fragen an das Bundeswirtschaftsministerium stellen zu sollen. Wir behalten uns vor, zu dem gesamten Krisenproblem in der allernächsten Zeit einige Anträge zu stellen.