Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir, die Freie Demokratische Partei, haben schon in den vergangenen vier Jahren niemals ein Hehl daraus gemacht, daß wir die grundsätzliche Wirtschaftspolitik von Herrn Professor Erhard voll und ganz unterstützen. In seiner grundsätzlichen Haltung sind keine Änderungen eingetreten. Sie brauchten nicht einzutreten, weil er durch die Tatsachen eine so große Masse von bisherigen Zweiflern hat überzeugen können. Dieser Druck hat sich in stärkerem Maße auch auf Ihre Partei, Herr Kollege Kurlbaum, ausgewirkt. Sie retardieren diesen Druck noch, aber Sie werden ihm doch mehr oder weniger folgen müssen. Wir haben zwar Einwendungen gegen die Politik unseres Herrn Ministers in technischer Hinsicht und wünschten, daß er die Arbeiten, die notwendigerweise zu verrichten sind, in seinem Ministerium mit etwas geringerem Aufwand durchführen könnte. Aber das berührt nicht die grundsätzliche Frage.
Ich möchte noch einmal unterstreichen, was der Herr Staatssekretär ausgeführt hat. Der Vorwurf, den Herr Kurlbaum hier vorgetragen hat, daß der Verbraucher durch die Politik des Bundeswirtschaftsministers nicht genügend Schutz erhalten habe, ist unberechtigt. Gerade die letzten Jahre haben das gezeigt. Man braucht nicht auf die Zahlen zurückzukommen, die der Herr Staatssekretär eben angeführt hat. Jeder von uns sieht das im täglichen Leben, und die Erfolge zeigen sich unbestreitbar bei der großen Masse unseres Volkes. Das Wahlergebnis ist nicht zum kleinsten, sondern meiner Ansicht nach zum größten Teil auf diese Tatsache zurückzuführen. Dabei haben wir als Partei, die die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers stark unterstützt hat, die Erfolge nicht in demselben Maße einheimsen können wie die Partei, deren Namen er trägt.
Wir sind auch bereit, weitere Maßnahmen zur Unterstützung des Verbrauchers zu ergreifen. Herr Kurlbaum, Sie wissen ganz genau, daß ich die Bestrebungen im Zusammenhang mit dem Kartellgesetz in starkem Maße unterstütze. Ich muß Ihnen etwas widersprechen, wenn Sie sagen, auch Sie hätten mitgearbeitet. Ich habe bisher nicht das Gefühl gehabt, daß Sie mitgearbeitet haben, sondern ich habe bisher nur das Gefühl, daß Sie beobachtet, daß Sie sich sehr vorsichtig einer entscheidenden Äußerung in dieser Debatte enthalten und daß Sie auf einen Zwiespalt innerhalb der Koalition gehofft haben. Das ist manchmal recht deutlich zum Ausdruck gekommen.
— Jawohl, aber als Mitarbeit kann ich das nicht bezeichnen, Herr Schoettle, höchstens als eine passive Mitarbeit.
— Ich kenne genau die Äußerungen, die Herr Kollege Schöne dort in recht spöttischer Weise vorgebracht hat, die man aber doch nicht als eine eigene Stellungnahme bezeichnen konnte.
Wir sind weiter der Ansicht, daß nur der Wettbewerb, der Einsatz der Initiative des einzelnen die höchsten Leistungen vollbringen kann. Allerdings glauben wir mit Ihnen, Herr Kurlbaum, daß man dieses Prinzip nicht einfach überall mit Gewalt durchsetzen kann. Der beste Beweis für die gewisse Zurückhaltung, die dabei beobachtet wird, ist doch unser Wohnungsbauminister Preusker, der in der Frage der Mieten aus grundsätzlichen Erwägungen schon längst hätte handeln müssen und der nur den richtigen Zeitpunkt abwartet, zu dem diese Maßnahme nun wirklich zum Zuge kommen kann. Bei einer anderen Gelegenheit haben wir den richtigen Zeitpunkt vielleicht sogar versäumt.
— Ja, da sind wir anderer Meinung, Herr Kurlbaum. — Ich denke nur an das unglückliche Investitionshilfegesetz. Hier hätten wir durch Einsatz des Wettbewerbs zu einer Zeit, als es noch keine Montan-Union gab, vielleicht zu besseren Ergebnissen kommen können, dann hätten wir heute nicht die Schwierigkeiten, deren Überwindung uns jetzt so schwer wird.
Auch zur Verkehrskrise bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Kurlbaum. Hier ist in ziemlich weitem Umfang ein Wettbewerb notwendig. Man kann nicht sagen: Das ganze Verkehrsgewerbe muß aus der freien Unternehmerwirtschaft, aus dem Wettbewerb, herausgenommen werden.
— Dann habe ich Sie falsch verstanden, dann freue ich mich, daß wir uns auch in diesem Punkt einig werden, wie wir überhaupt in der letzten Zeit auf dem wirtschaftlichen Gebiet zu einer immer größeren Einigung kommen.
Sie haben die Zonenrandgebiete erwähnt und finden auch darin unsere volle Unterstützung. Sie ersehen dies aus den Anträgen, die beim Einzelplan 60 behandelt werden. Wir müssen aber auch dieses Gebiet mit Vorsicht behandeln, damit die Wirkung von Maßnahmen, die einfach durch Einschießen von Geld in diese Gebiete getroffen werden, nicht sofort wieder verpufft.
Dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, der seine Ideen sicher sehr selbstbewußt vertritt, wünschte ich ein etwas stärkeres Rückgrat gegenüber den Bestrebungen, die aus der Regierung selber gegen ihn kommen. Das beste Beispiel war der lange Widerstand, der dem Bundestagsbeschluß entgegengesetzt worden ist, als es sich darum handelte, die Abteilung Geld und Kredit in sein Ministerium zu bekommen.
Ich bedaure außerordentlich — wie auch der Herr Berichterstatter es getan hat —, daß ein ganz großer Teil der echten Wirtschaftspolitik plötzlich in das Auswärtige Amt hinübergewechselt ist. Ich halte das für absolut unnötig und bin der Meinung, daß diese Abteilung im Auswärtigen Amt auf ein Drittel verkleinert werden könnte.
Ein Weiteres. Das wirtschaftliche Bundesvermögen gehörte meiner Ansicht nach auch in das Arbeitsgebiet des Wirtschaftsministeriums. Es ist doch eigentlich grotesk: ein kleines, ganz unrentables Unternehmen hat man dem Bundeswirtschaftsminister in seinen Etat hineingebracht; aber alle anderen, von denen wir bei richtiger Wirtschaftsführung auch Erträge herausziehen könnten, verweigert man dem Bundeswirtschaftsministerium; die werden weiter im Bundesfinanzministerium verwaltet. Wir werden beim Einzelplan 60 noch eingehend darauf zu sprechen kommen.
Ich möchte zum Schluß auf einen Antrag der SPD eingehen — und das ist ein typisches Beispiel für unsere Stellungnahme zu den Grundsätzen des Wirtschaftsministeriums —, der sich mit dem Siegerländer Eisenerzbergbau bzw. mit dem Eisenerzbergbau überhaupt beschäftigt. Auch wir haben Sorge um die Menschen, die eventuell durch irgendwelche Maßnahmen außer Arbeit kommen werden. Wir machen uns sehr ernste Sorgen um diesen Kreis von Menschen. Ich bin wiederholt in den letzten Tagen im Siegerland gewesen. Aber so einfach, wie Sie das hier machen, geht es nun doch nicht. An und für sich gehörte ein solcher Antrag zum Haushalt des Arbeitsministeriums, denn er betrifft eine rein soziale Maßnahme, wenn er fordert, daß 4 Millionen als Entschädigung verteilt werden sollen. Wir müssen uns schon an Ort und Stelle darum bemühen, zu etwas konkreteren und besseren Maßnahmen zu kommen. Es war gerade mein Kollege Scheel, der im Landtag von Nordrhein-Westfalen den Antrag gestellt hat, alle Par-
teien möchten sich zu einer Besichtigung in das Siegerland begeben, um an Ort und Stelle einmal Maßnahmen zu überlegen, mit denen man vielleicht besser helfen könnte. Dabei könnte man sich, glaube ich, zum Teil auch an Kreise wenden, denen Kollege Dr. Deist nicht allzu fern steht und die dabei Hilfe bringen können.
Soviel ich bisher schon habe übersehen können, sind an manchen Stellen die Schwierigkeiten überhaupt erst durch die Maßnahmen der Entflechtung aufgetreten. Ein großer Teil der Gruben könnte, wenn es bei der alten Zusammengehörigkeit geblieben wäre, heute ohne jede Hilfe weiterbestehen. Bei den allerschlechtesten natürlich kommt es wieder auf das Problem hinaus, das wir kürzlich bei der Debatte über ein anderes Bergwerk im Wirtschaftspolitischen Ausschuß behandelt haben, nämlich auf die Frage, ob ein rettungslos und für alle Zeit unrentables Unternehmen mit Zuschüssen erhalten werden soll oder ob man nicht vielmehr andere Wege finden muß, um den Interessen der beteiligten Arbeitskräfte gerecht zu werden. Das berührt die grundsätzliche Seite der Wirtschaftspolitik von Professor Erhard, der wir auch in dieser Hinsicht zustimmen.
Zum Schluß darf ich nochmals wiederholen, daß wir uns nach wie vor für die Initiative und die möglichst uneingeschränkte, freie Unternehmertätigkeit voll einsetzen.