Rede von
Georg
Kurlbaum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
— ein halbes Jahr darauf, daß dieses Gesetz endlich einmal wieder eingebracht wird. Wir warten deshalb so sehr darauf, weil der Herr Bundeswirtschaftsminister es sozusagen als
den unumgänglich notwendigen Schlußstein für das Gebäude der sogenannten sozialen Marktwirtschaft erklärt hat. Zu Anfang des Jahres glaubten wir, daß diese Sache endlich entscheidungsreif geworden sei. Da haben wir plötzlich gehört, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister zusammen mit den Verbänden zu der Erkenntnis gekommen sei, daß ein solches Gesetz und ein freier Wettbewerb der Wirtschaft nicht zugemutet werden könnten, wenn man ihr nicht weitere, sehr erhebliche Steuererleichterungen gäbe. Uns hat das sehr gewundert; denn wir sind der Ansicht, daß schon die sogenannte kleine Steuerreform im Sommer 1953 erhebliche Erleichterungen gebracht hat. Uns hat das auch deshalb besonders gewundert, weil der Herr Bundeswirtschaftsminister noch am 23. Dezember unter seinen sonstigen vielen Äußerungen zu diesem Thema einen Aufsatz im „Handelsblatt" veröffentlicht hat, aus dem ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal einige Sätze vorlesen möchte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister sagt dort:
Ich spreche als deutscher Wirtschaftsminister für 50 Millionen Verbraucher und habe das Wohl von 50 Millionen Menschen im Auge, wenn ich diese Politik mit Härte und Zähigkeit auch im Jahre 1954 weiterverfolge. Soll diese gelingen, dann darf der Wettbewerb keine Abschwächung erfahren.
Zum Schluß sagt er:
Das Jahr 1954 wird, wenn es ein glückliches sein soll, neben den aufgezeichneten Zielen der Wirtschaftspolitik die endgültige Sicherung des Wettbewerbs bringen müssen.
Ich habe ernstliche Befürchtungen für den Herrn Bundeswirtschaftsminister, daß er am Ende dieses Jahres wird feststellen müssen, daß das Jahr 1954 in seinem Sinne kein glückliches gewesen ist, wenn die Dinge sich so weiterentwickeln.
Wir fragen also — ich glaube, mit Recht — die Bundesregierung: Wie lange soll nun noch über dieses Gesetz hinter verschlossenen Türen mit den Wirtschaftsverbänden verhandelt werden, nachdem das schon jahrelang geschehen ist, und wann wird man endlich das Parlament als die Instanz, die in erster Linie zuständig ist, eine Entscheidung über dieses Gesetz zu fällen, zum Zuge kommen lassen?
Zum zweiten möchte ich mich gern einmal auch mit einem allgemeinen wirtschaftspolitischen Problem unserer Bundesrepublik beschäftigen. Dies ist das Problem unserer Zonenrandgebiete, das Problem des ständig zunehmenden Ost-West-Gefälles in unserer Wirtschaft, das Problem sozusagen des Soges nach dem Westen, mit dem wir uns immer wieder beschäftigen müssen. Es ist in starkem Maße auch ein außenpolitisches Problem. Ich brauche die Tatsache der ständigen Benachteiligungen der Gebiete im Osten unseres Wirtschaftsgebietes statistisch nicht mehr zu belegen. Darüber gibt es eine ganze Reihe von Daten, die genügend bekannt sind. Sie beziehen sich auf den besonders hohen Anteil der Arbeitslosen in diesen Gebieten, sie beziehen sich auf die außerordentlich großen Unterschiede in dem Zuwachs der Beschäftigten in diesen Gebieten seit der Währungsreform gegenüber dem Zuwachs in den westlichen Gebieten der Bundesrepublik. Teilweise haben die Zahlen der Beschäftigten in diesen Gebieten seit der Währungsreform abgenommen und nicht wie in den Gebieten längs des Rheines zugenommen. Diese Daten beziehen sich
auf Vergleiche der Entwicklung des Sozialprodukts vor dem Kriege und nach dem Kriege. Ich glaube, diese Zahlen sind zur Genüge bekannt, so daß über sie gar nicht gestritten werden kann.
Ich möchte in dem Zusammenhang nur eine Tatsache erwähnen, die vielleicht ein Schlaglicht auf diese ganzen Verhältnisse wirft und die mich als Abgeordneten aus Bayern besonders interessiert. In Bayern war jetzt noch — jedenfalls war das im Frühjahr 1953 der Fall — die Zahl der Arbeitslosen größer als in dem kritischen Jahr 1932, das wir wegen seiner Schicksalhaftigkeit doch in sehr böser Erinnerung haben. Es handelt sich hierbei um ein sehr wichtiges Problem, dem man sich gar nicht genügend widmen kann. Es hängt auch mit dem großen Problem der Kriegsfolgelasten zusammen, die im Laufe der Debatte noch eine erhebliche Rolle spielen werden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Bereinigung der Kriegsfolgen und der Kriegsfolgelasten nicht allein den Ländern aufgebürdet werden kann, sondern daß sie, auch in wirtschaftspolitischer und finanzpolitischer Beziehung, in erster Linie Sache des Bundes ist. Wir werden noch beim Einzelplan 60 Gelegenheit haben, hierüber zu sprechen.
Nach meiner Meinung handelt es sich hier nicht nur um eine finanzpolitische Angelegenheit, sondern sehr weitgehend um eine Sache der Wirtschaftspolitik, weil es ja auch eine Frage der Kredithilfe und damit ein Problem der Kreditlenkung ist, die wir immer als eine ganz besonders wichtige Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers betrachtet haben. Ich brauche hier nicht näher auf diese Fragen einzugehen, weil meine Fraktion in diesen Tagen hinsichtlich der Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete eine Große Anfrage eingereicht hat, substantiiert durch eine ganze Reihe weiterer konkreter Anträge, die, wie ich hoffe, nach Ostern hier behandelt werden.
Wir haben allerdings neulich im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gelegentlich der Beratung über die Kurhessische Kupferschieferbergbau GmbH. in Sontra eine kleine Kostprobe davon bekommen, wie auf diesem Gebiet gearbeitet wird. Auf Grund der allgemeinen Kritik, die von den Vertretern nahezu aller Fraktionen geübt wurde, würde ich doch dem Herrn Bundeswirtschaftsminister empfehlen, sich an Hand dieses zunächst nur kleinen Teilproblems einmal sehr eingehend des Gesamtproblems der Zonenrandgebiete und ihrer wirtschaftspolitischen Stützung anzunehmen. Ich glaube, daß das in der Vergangenheit leider bei weitem nicht genügend der Fall gewesen ist.
Zur Zeit beschäftigen sich wohl alle verantwortungsbewußten Wirtschaftspolitiker nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und der Welt mit der Frage der zukünftigen Konjunkturentwicklung. Ich möchte hier jeden Anschein vermeiden, als wenn unsere Fraktion und unsere Partei etwa dazu neigten, nun in Pessimismus zu machen. Das liegt uns vollkommen fern. Wir glauben, daß der ungestüme deutsche Wiederaufbauwille und auch der Drang nach einem höheren Lebensstandard die besten Garanten für die zukünftige positive wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sind. Trotzdem müssen wir uns stets dessen bewußt sein, daß die deutsche Wirtschaft in starkem Maße von den Weltmärkten und der Wirtschaft draußen in der Welt abhängig ist.
Angesichts dieser Lage müssen wir bezüglich der Wirtschaftspolitik eine Anzahl von Mindestfor-
derungen aufstellen. Ich habe vorhin von der Stellung des Verbrauchers in der Wirtschaft gesprochen. Ich erwähne hier nur am Rande, daß uns die sogenannte Steuer- und Finanzreform gerade vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus außerordentlich enttäuscht hat und daß wir bei der Beratung dieser Dinge auch den Einfluß des Bundeswirtschaftsministers im Kabinett vermißt haben.
— In der Richtung der stärkeren Förderung der Kaufkraft der Verbraucher und nicht nur der Förderung der Wirtschaftskraft der Unternehmerseite. Es ist doch eine allgemein anerkannte Tatsache, daß gerade die Konsumkraft und der Konsum eine der stärksten und zuverlässigsten Stützen einer Konjunktur stets auch in der Vergangenheit gewesen ist. Deshalb sollten wir diesem Problem in diesem Stadium der Wirtschaftsentwicklung ein ganz besonderes Augenmerk widmen und uns besonders auch für die Hebung des Massenkonsums interessieren.
Weiter glaube ich, daß wir gerade auch in diesem speziellen Zeitpunkt unserer wirtschaftlichen Entwicklung den Randgebieten eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Denn diese Randgebiete würden im Falle einer rückläufigen Entwicklung die ersten sein, die in Gefahr kämen, und sie würden, wenn ihre jetzige Krisenanfälligkeit bestehen bleibt, unter Umständen der Ausgangspunkt sehr unangenehmer Entwicklungen werden.
Schließlich sollte — gerade auch unter dem Gesichtspunkt der konjunkturellen Betrachtung — der Herr Bundeswirtschaftsminister sich doch einmal von seinem Standpunkt aus, vom Standpunkt der Wirtschaftspolitik, der Teilkrisen annehmen, von denen schon die Rede gewesen ist. Ich meine hier — das ist ja schon zur Genüge angesprochen worden — die Teilkrise, die von der Bundesbahnkrise auf die Zulieferanten ausgeht, unter denen sich — bitte denken Sie daran! — auch gerade die Eisen- und Stahlindustrie befindet. Bedenken Sie dabei auch die allgemeine sehr schwierige Lage, in der sich das ganze Gebiet Kohle, Eisen und Stahl befindet.
Es gibt also, glaube ich, gerade in diesem Augenblick eine ganze Reihe von Problemen, deren sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in viel stärkerem Maße annehmen müßte, als er es in der Vergangenheit getan hat. Wir vermissen auf diesen Gebieten, wie schon früher, seine Aktivität, seine Förderung der positiven Entwicklung. Weil wir diese Förderung in einem bedauerlichen Ausmaß vermissen müssen, sehen wir uns auch leider nicht in der Lage, seinem Etat zuzustimmen.