Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich zunächst auch meinerseits dem Herrn Berichterstatter herzlich danken für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, die wir in diesen Monaten bei der Herstellung des Haushaltsplans gehabt haben, und für den wirklich vorzüglichen Bericht, den er schriftlich niedergelegt hat und den ich dem Studium des Hohen Hauses sehr empfehlen möchte. Es ist eine ganz ausgezeichnete Arbeit.
Der Verkehrsausschuß hat am 9. März zur Frage der Wiederaufbaudarlehen an die Seeschiffahrt einen Antrag angenommen, der folgendermaßen lautet:
Der Ausschuß für Verkehrswesen erwartet, daß gelegentlich der abschließenden Beratung des Haushalts im Plenum von der Bundesregierung konkrete Angaben über das künftige Schiffbauprogramm gemacht werden.
Ich möchte, bevor in die Debatte über den Haushalt eingetreten wird, diesem Wunsche des Verkehrsausschusses nachkommen.
Die gesamte seegehende deutsche Handelsflotte umfaßt zur Zeit rund 2,250 Millionen BRT. Zieht man davon den nicht Handelszwecken dienenden Schiffsraum — Fischereifahrzeuge, Schlepper, Leichter, Hebefahrzeuge und die übrige Nebentonnage — ab, so verbleiben rund 2,050 Millionen BRT. Mit den noch in Bau befindlichen Schiffen, die teils im Rahmen von Schiffbauprogrammen mit Bundesmitteln gefördert, teils mit 7 d-Geldern oder anderweitig finanziert werden, wird sich ein Bestand von rund 2,5 Millionen BRT ergeben. Der Zuwachs wird zum großen Teil noch im Laufe dieses Jahres, spätestens im Jahre 1955 in Fahrt kommen. Der Finanzierung dieser zum Teil noch in
Bau befindlichen Schiffe dienen die 70 Millionen DM, die in dem Ihnen. vorliegenden Haushalt, zusätzlich zu den in den voraufgegangenen vier Jahren bewilligten 340 Millionen DM, vorgesehen sind. Die Beschränkung auf 70 Millionen DM war durch die Leistungsfähigkeit des Haushalts bedingt. Wie der Herr Berichterstatter schon gesagt hat, wird ein Rest — er beträgt 31 Millionen DM — auf das nächste Jahr vorgetragen.
Die beteiligten Stellen sind sich darüber klar, daß die 2 1/2 Millionen BRT noch nicht ausreichen, um die Bedürfnisse der deutschen Volkswirtschaft an seegängigem Schiffsraum zu befriedigen. Zu diesem Ergebnis kommt man, gleichgültig, ob man von der Bevölkerung der Bundesrepublik ausgeht, ob man ihr gesamtes Außenhandelsvolumen zugrunde legt oder ob man die im Auslandsgüterverkehr über See zu befördernde Gütermenge als Maßstab wählt. Berücksichtigt man ferner, daß rund 700 000 BRT des gegenwärtigen Schiffsbestandes älter als 20 Jahre sind und daß ihr Ersatz im Laufe kurzer Zeit, wenn nicht schon aus technischen, so doch aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, so kann man für die nächsten Jahre von einem Baubedarf ausgehen, der über einer Million BRT liegen wird.
Die Frage, ob der Wiederaufbau und die Verjüngung der Handelsflotte fortgeführt werden sollen, muß also von unserem Standpunkt aus bejaht werden. Die Initiative dazu muß jedoch bei unseren Reedern liegen. Von ihren Verbänden und aus Pressemeldungen wissen die Reeder, daß sie Anträge auf Finanzierung von Neubauten vorlegen können. Die darin vorgetragenen Bauabsichten werden dann, genau wie auch früher, daraufhin geprüft werden müssen, ob sie einem volkswirtschaftlichen und schiffahrtspolitischen Bedürfnis in solchem Maße entsprechen, daß eine Kredithilfe gerechtfertigt ist. Dieser schiffahrtspolitische Gesichtspunkt muß für den Bundesminister für Verkehr im Vordergrund stehen. Dabei wird von uns natürlich die Bedeutung der Aufträge für die Werftbeschäftigung keinesfalls verkannt. Weiter wird dem Umstand Rechnung zu tragen sein, daß die Lage der Reedereien sich inzwischen schon recht unterschiedlich entwickelt hat. Es wird deshalb nicht schematisch vorgegangen werden können, sondern im Einzelfall geprüft werden müssen, ob und in welchem Umfang für einen förderungswürdigen Neubau Kredithilfen erforderlich sind. Dabei darf ich nochmals ausdrücklich betonen, daß wir für den Wiederaufbau unserer Handelsflotte keine Subventionen gegeben haben, sondern nur Finanzierungshilfen, d. h. also Kredite, die wieder eingefahren und zurückgezahlt werden müssen.
Der Zwang zu sparsamer und wirtschaftlicher Verwendung von Bundesmitteln darf und wird nicht dazu führen, daß ein Reeder den Vorzug hat, nur weil er sich mit der geringsten Bundeshilfe begnügen könnte. In erster Linie muß das Bauvorhaben gefördert werden, das den höchsten volkswirtschaftlichen Nutzen verspricht. Denn darüber kann kein Zweifel bestehen: Ohne eine Kredithilfe des Bundes sind die deutschen Reeder immer noch nicht in der Lage, ihre Flotte weiter auszubauen und zu erneuern. Ich muß immer wieder daran erinnern, daß die Schiffahrt stärker als fast jeder andere Zweig der deutschen Wirtschaft demontiert und auch erst sehr viel später wieder zum Aufbau zugelassen worden ist. Der so oft genannte Korea-Boom hat nur einem kleinen Teil von Reedern durch hohe Frachtraten Vorteile bringen können, nämlich denen, die schon 1951 Schiffe zur Verfügung hatten. Im übrigen hat er lediglich zu einer Erhöhung der Betriebskosten und auch zu einer Erhöhung der Baukosten geführt.
Damit komme ich zu einem Punkt, der mir für die Entwicklung der Werftlage in der nächsten Zeit entscheidend zu sein scheint. Obwohl die Reeder wissen, daß wir ihnen für ein Gespräch über weitere Neubauten zur Verfügung stehen, gehen die Anträge bisher nur spärlich ein. Das hat zweifellos konjunkturelle Gründe; denn das Niveau des Weltfrachtenmarktes ist so abgesunken, daß es schwer ist, die fixen Kosten einzufahren. Um so wichtiger ist unter diesen Umständen die Höhe der Werftpreise für Neubauten. Aus Äußerungen ergibt sich, daß die Werftpreise vielfach mit Recht als zu hoch angesehen werden. Das liegt vor allem an den hohen Materialpreisen, insbesondere für Eisen. Die gleichen Gründe dürften übrigens auch das Ausbleiben von Auslandsaufträgen erklären.
Was nun die Frage der weiteren Finanzierung der Neubauten anbetrifft, so darf ich darauf hinweisen, daß zur Zeit, nämlich bis Ende dieses Jahres, die Schiffahrt noch über die Möglichkeiten des § 7 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes verfügt. Ich hoffe, daß es den Reedern gelingen wird, auch in diesem Jahre wieder zinslose Darlehen und verlorene Zuschüsse aus dieser Quelle auf sich zu ziehen. Ende vorigen Jahres haben wir noch im wesentlichen mit Hilfe dieser Bestimmung die Voraussetzungen für den Bau von weiteren rund 145 000 BRT schaffen können. Diese Übergangslösung. und eine ähnliche, im Ausmaß geringere Aktion der letzten Zeit für weitere 20 000 BRT haben die Reeder in die Lage versetzt, weitere Aufträge bis zu etwa 165 000 BRT verteilen zu können. Damit wird sich die Lage wenigstens bei einigen Werften entspannen. Soweit Reeder, die an der Übergangslösung beteiligt sind, Aufträge noch nicht erteilt haben sollten, wird ihre Zurückhaltung auch hier mit der Höhe der Baukosten zu erklären sein. Schiffsbauprogramme sind stets nichts anderes als die Zusammenstellung und Dringlichkeitsordnung der von den Reedern gestellten Anträge. Ohne diese Anträge lassen sich natürlich auch keine Programme aufstellen.
Weiterhin werden in Kürze vier Verordnungen ergehen, die Schiffspfandbrief- und Schiffbauanleihen in Höhe von insgesamt 61 Millionen DM in den Genuß der Steuervorteile des Kapitalmarktförderungsgesetzes bringen. Dieser Erfolg ist um so mehr zu begrüßen, als die Schiffahrt bisher von dem Kapitalmarktförderungsgesetz noch nicht den erwarteten Nutzen gehabt hat und als auch die 61 Millionen DM im wesentlichen zur Konsolidierung bisher gegebener Kredite dienen, die revolvierend Gelder freimachen, die dann zur Finanzierung neuer Bauvorhaben verwandt werden sollen.
Der Wegfall des § 7 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes durch das Gesetz über die Kleine Steuerreform von 1953 wird uns ohne Zweifel vor neue Aufgaben stellen. Es ist bereits mehrfach dargestellt worden, welch großen Beitrag diese Finanzierungsquelle für den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte geleistet hat. Ersatz hierfür wird der Kapitalmarkt den Reedern vorerst im erforderlichen Umfang nicht bieten können; denn es wird sicherlich geraume Zeit vergehen, bis er so gefestigt ist, daß er auch der Schiffahrt zur Verfügung steht. Im übrigen spielt neben der Leistungsfähigkeit des
Kapitalmarkts auch die Zinsfrage eine entscheidende Rolle. Die jetzt üblichen hohen Zinsen können die deutschen Reeder keinesfalls tragen, wenn sie gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben sollen, die zum größten Teil über hohe Eigenmittel verfügt und Fremdgelder sehr viel zinsgünstiger zu erhalten vermag. Wir erörtern deshalb schon jetzt das Problem eines Zinsausgleichs, insbesondere für die Spitzenfinanzierung. Zweifellos wird sich das Ergebnis der Beratungen über diese Frage im kommenden Haushaltsplan niederschlagen.
Mit den beteiligten Stellen besteht Einvernehmen darüber, daß der Schiffahrt auch weiterhin Darlehen aus dem ERP-Sondervermögen zugeführt werden müssen. Über die Höhe finden zur Zeit Besprechungen statt, die einen günstigen Verlauf nehmen. Sie wissen, daß wir in diesem Jahr 50 Millionen DM dafür erhalten.
Schließlich bleiben als Grundlage, auf die wir keinesfalls verzichten können, die Wiederaufbaudarlehen. Das Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen von 1950 gilt unverändert fort. Die Bedarfsanmeldung für das Rechnungsjahr 1955 wird zur Zeit vorbereitet. Es wird Sache des Hohen Hauses sein, sich bei den Beratungen über die Haushalte der nächsten Jahre schlüssig zu werden, welche Beträge zur Durchführung dieses Gesetzes bereitgestellt werden sollen und können. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß an einen Abbau dieser Mittel, die in den außerordentlichen Haushaltsplänen der kommenden Jahre erscheinen werden, schwerlich gedacht werden kann, falls wir an den dargelegten Zielen des Wiederaufbaus unserer Handelsflotte festhalten wollen. Die Wiederaufbaudarlehen, mit denen bei Altreedern 40 % der Neubaukosten eines Schiffes finanziert werden, stellen nach wie vor den Grundstock der Schiffsbaufinanzierung dar, auf den wir nicht verzichten können.