Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Ritzel hat vorhin ins richtige Licht gerückt, was der Herr Bundeskanzler in einer Rede in Freiburg in bezug auf die Personalpolitik in Hessen gesagt hat. Ich bedauere, daß Herr Kollege von Brentano, der es besser wissen müßte, Behauptungen dieser Art wiederholt hat.
Der Herr Bundeskanzler hat damals in Freiburg behauptet, daß in Hessen CDU-Leute von der sozialdemokratischen Regierung entfernt worden seien. Ich rechne es mir zur großen Ehre an, daß ich bis vor kurzem dieser sozialdemokratischen Regierung angehört habe.
Ich glaube also, daß ich in dem Hause derjenige
bin, der am besten über diese Dinge urteilen kann.
— Und objektiv! Jawohl, meine Damen und Herren, ich traue mir das zu!
Als der Herr Bundeskanzler wegen seiner Äußerung in Freiburg angegangen wurde, hat er sich insbesondere auf das Kultusministerium, dem ich damals vorgestanden habe, bezogen und hat seine Behauptung wiederholt, daß CDU-Leute um ihrer Parteizugehörigkeit willen aus diesem Ministerium entfernt worden seien. Weil Herr Kollege von Brentano jetzt erneut Behauptungen in dieser Richtung aufgestellt hat, halte ich es für notwendig, das richtigzustellen, damit nicht von neuem Propagandawellen hinausgehen.
Was das Kultusministerium anlangt, kann ich Ihnen im Gegensatz zu dem, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, verbindlich erklären, daß nicht ein einziger CDU-Mann um seiner Parteizugehörigkeit willen aus dem Ministerium entfernt worden ist.
Im Gegenteil! Der Leiter der Schulabteilung z. B. — gewiß ein wichtiger Mann und ein Mann, der auf all das, was in Hessen von der CDU so außerordentlich bemängelt wird, Einfluß hat — ist nach wie vor bis auf den heutigen Tag ein katholischer CDU-Mann.
Ich wollte, wir könnten vom Bund etwas Ähnliches sagen.
Das Bedauerlichste an der ganzen Angelegenheit ist aber folgendes. Herr Ministerpräsident Zinn hat, wie schon gesagt wurde, dem Herrn Bundeskanzler geschrieben und ihm den wahren Sachverhalt dargelegt; aber der Herr Bundeskanzler hat es nicht einmal für nötig gehalten, überhaupt eine Antwort zu geben.
Meine Damen und Herren! Ich bin einer von den Menschen, die gewillt sind, dem andern immer den guten Willen zuzubilligen, bis der Beweis des Gegenteils erbracht ist. Ich bin auch bereit, dem Herrn Bundeskanzler alles nur mögliche Wohlwollen entgegenzubringen. Aber wenn man derartige Dinge erlebt, dann wird das Vertrauen erschüttert.
Und das ist nicht der einzige Fall; wir haben sehr viele Fälle.
Wenn der Herr Bundeskanzler meint, er könne Bundeskanzler und Vorsitzender der CDU so fein säuberlich trennen, so will ich ihm die Frage stellen, warum er es sich dann in Camberg hat gefallen lassen, daß er in aller Öffentlichkeit als Bundeskanzler begrüßt worden ist. Warum tritt er auf der einen Seite öffentlich als Bundeskanzler auf, zieht sich dann hinter ein paar Wände zurück und ist nun auf einmal nicht mehr der Herr Bundeskanzler? Ist dem Herrn Bundeskanzler nicht klar, daß er überall da, wo er redet, mit der Autorität ) des Bundeskanzlers redet
und daß er deshalb seine Worte um so mehr wägen muß?
Auch in Camberg hat er das leider wieder unterlassen. Er hat gesagt: „Es ist uns erzählt worden" — etwas, was er längst hätte prüfen können —,
und dann hat er große staatsmännische Äußerungen von sich gegeben und hat eine Regierung, die das Beste getan hat, in einer Weise beschimpft, wie das für einen Bundeskanzler ungewöhnlich ist.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie es uns nicht übel, daß wir diesem Bundeskanzler gegenüber mißtrauisch sind, und wundern Sie sich nicht darüber, wenn auch im Volke dieses Mißtrauen steigt, auch wenn der 6. September gewesen ist!