Rede:
ID0202303600

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2023

  • date_rangeDatum: 7. April 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. April 1954 793 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. April 1954. Geschäftliche Mitteilungen 794 A, 842 C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Schäfer und Dr. Glasmeyer . . . . 794 B Mitteilung über Verteilung des Amtlichen Handbuches des 2. Deutschen Bundestags . . 794 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 38 betr. Zonenrandgebiet (Drucksachen 332, 423) 794 C Vorlage des Entwurfs einer Verordnung M Nr 1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse 794 C Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Spaltung Deutschlands und kommunistisches Regime in der sowjetisch besetzten Zone) (Entschließung Umdruck 452) 794 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 794 C Dr. Menzel (SPD) 795 D, 796 A Präsident D. Dr. Ehlers '795 D Einstimmige Annahme der Entschließung Umdruck 452 796 Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) (Drucksache 200); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 350), dazu Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (Drucksachen 351 bis 379); Einzelplan 01 — Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes (Drucksache 351) 796 B Frau Rösch (CDU/CSU), Berichterstatterin 796 B Beschlußfassung 796 D Einzelplan 03 — Haushalt des Bundesrates (Drucksache 353) 796 D Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Berichterstatter 796 D Beschlußfassung 797 A Einzelplan 24 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 366) . . . .. . . . . . . 797 A Frau Lockmann (SPD), Berichterstatterin 797 A Schoettle (SPD) 797 D Dr. Bergmeyer (CDU/CSU) 798 A Kalbitzer (SPD) '798 A Blücher, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit . . 798 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 799 D Abstimmungen 800 A Einzelplan 04 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 354; Umdruck 28, 32) 800 B, 843 A, B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 800 B Mellies (SPD) 801 C Dr. Adenauer (CDU/CSU): als Bundeskanzler 803 D, 811 A als Abgeordneter 804 C Dr. Deist (SPD) . . . . 805 C Ritzel (SPD) 808 A Dr. von Brentano (CDU/CSU) 811 A Dr. Höck (CDU/CSU) 811 C Müller-Hermann (CDU/CSU) 812 A Dr. Gülich (SPD) 814 B Metzger (SPD) 814 C Krammig (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 815 B Abstimmungen 815 C Einzelplan 05 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache 355; Umdrucke 24, 25) 815 D, 844 A, B Dr. Vogel (CDU/CSU): als Berichterstatter 815 D als Abgeordneter 834 A Dr. Pfleiderer (FDP) 818 A Dr. Lütkens (SPD) 823 B, 831 B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 828 B Dr. Gille (GB/ BHE) 831 B Dr. Leverkuehn (CDU/CSU) 832 B Abstimmungen 834 D Einzelplan 12 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksache 362; Umdruck 50) 835 A, 845 Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . . 835 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 837 D Gengler (CDU/CSU) 839 B Weiterberatung vertagt 842 A Nächste Sitzung 842 C Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 04 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Umdruck 28) . . 843 4 Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 04 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Umdruck 32) . . 843 B Anlage 3: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 05 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 24) 844 A Anlage 4: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 05 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 25) 844 B Anlage 5: Änderungsantrag der Abg. Frau Strobel, Bauer (Würzburg), Op den Orth u. Gen. zum Einzelplan 12 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Umdruck 50) 845 Die Sitzung wird um 10 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck 28) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) Einzelplan 04 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 200, 350, 354) Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 0403 Tit. 300 „Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens" erhält der Zweckbestimmungsvermerk folgende Fassung: „Die Mittel sind übertragbar. Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Betrages unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 6. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck 32) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) Einzelplan 04 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 200, 350, 354) Der Bundestag wolle beschließen, in Kap. 0403 den Tit. 300 um 4 000 000 DM zu kürzen auf 6 000 000 DM. Bonn, den 7. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Entschließungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck 24) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) Einzelplan 05 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 200, 350, 355) Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundeskanzler wird ersucht, in Ausführung des Bundestagsbeschlusses vom 31. März 1950 — Drucksache 813 Nr. 2 der 1. Wahlperiode —„Der Bundeskanzler wird ersucht, alsbald einen Staatssekretär für das Auswärtige Amt zu ernennen." dafür zu sorgen, daß der für das Auswärtige Amt bestellte Staatssekretär sich denjenigen Aufgaben widmet, die einem Staatssekretär als dem in erster Linie für den Verwaltungsapparat eines Ministeriums verantwortlichen Beamten obliegen. Bonn, den 6. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Entschließungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck 25) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) Einzelplan 05 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 200, 350, 355) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die schon bisher im Haushaltsplan vorgesehene B 7 a Stelle eines Inspekteurs der Auslandsvertretungen (Gesandter zu besonderer Verwendung) nunmehr durch einen mit den Verwaltungsfragen des auswärtigen Dienstes vertrauten Beamten zu besetzen, ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben zwei in derselben Weise erfahrene Beamte zuzuteilen und beschleunigt eine Überprüfung der Auslandsbehörden unter den Gesichtspunkten der verwaltungsmäßigen Zweckmäßigkeit und der mit der sachgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben zu vereinbarenden möglichsten Sparsamkeit vorzunehmen. Bonn, den 6. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Strobel, Bauer (Würzburg), Op den Orth und Genossen (Umdruck 50) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) Einzelplan 12 — Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 200, 350, 362) Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. A 1203 Tit. 760 (Beteiligung an dem Bauvorhaben der Rhein-Main-Donau A. G.) ist statt „9 000 000 DM" zu setzen „10 000 000 DM". Bonn, den 7. April 1954 Frau Strobel Frau Albrecht Bals Baur (Augsburg) Behrisch Dewald Frenzel Hauffe Bauer (Würzburg) Herold Höhne Hörauf Kahn-Ackermann Dr. Kreyssig Kurlbaum Marx Op den Orth Müller (Erbendorf) Reitzner Sassnick Seidel (Fürth) Seuffert Thieme Wagner (Deggenau) Zühlke
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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat auf Umdruck 32 den Antrag gestellt, beim Presse- und Informationsfonds des Herrn Bundeskanzlers eine Kürzung um 4 Millionen DM vorzunehmen. Dieser Antrag steht in engem Zusammenhang mit unserem Antrag auf Umdruck 30, in dem wir zum Etat des Herrn Bundeswirtschaftsministers die Einstellung eines Betrags von 4 Millionen DM für Belegschaftsmitglieder des Eisenerzbergbaus, die von Stillegung betroffen sind, beantragen. Umdruck 32 ist daher gewissermaßen die Deckungsvorlage für den Antrag Umdruck 30, und Umdruck 30 selbst ist die Begründung für den Antrag auf Umdruck 32. Unter diesen Umständen bitte ich den Herrn Präsidenten, die Begründung beider Anträge zusammenfassen zu dürfen; sie gehören sachlich zusammen.
    In den letzten Wochen und Monaten bekommen wir aus allen Teilen Deutschlands, in denen Eisenerzbergbau getrieben wird, alarmierende Nachrichten darüber, daß zahllose Entlassungen vorgenommen werden, daß Stillegungen von ganzen Zechen erfolgen müssen und daß Feierschichten in einem Ausmaß verfahren werden, das kaum noch tragbar erscheint.

    (Zuruf von der Mitte: Na, na!)

    Im Salzgitter-Gebiet sind von einer Belegschaft von etwa 5000 Mann insgesamt 500 entlassen worden. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres werden ständig etwa vier Feierschichten verfahren. Das hat dazu geführt, daß insgesamt etwa 500 gerade der jüngsten und kräftigsten Bergleute, die für die Zukunftsentwicklung dieses Gebietes kaum entbehrt werden können, freiwillig abgekehrt sind.
    Im Siegerland haben bei einer Belegschaft von insgesamt 5000 Mann bisher 1000 Mann die Kündigung erhalten. Das sind 20 % der Belegschaft, die ihre Arbeit und ihr Brot verlieren.
    Wir müssen uns darüber klar sein, daß der Eisenerzbergbau in Gebieten betrieben wird, in denen das sonstige gewerbliche und industrielle Leben in der Regel schwach entwickelt ist, und daß daher von den Folgen solcher Maßnahmen nicht nur die Belegschaftsmitglieder, sondern die ganze Umgebung betroffen wird. Schließlich sollten wir angesichts derartiger Entlassungen im Salzgitter-Gebiet nicht vergessen, daß dies ein Gebiet an der Zonengrenze ist, dem politisch eine außerordentliche Bedeutung zukommt, und daß die dort getroffenen Maßnahmen geradezu politisches Sprengpulver sind.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Man kann diese Vorgänge im deutschen Eisenerzbergbau nicht behandeln, ohne die Zusammenhänge mit der Eisen- und Stahlindustrie zu sehen. Denn diese krisenhaften Erscheinungen innerhalb des Eisenerzbergbaus sind darauf zurückzuführen, daß die Anforderungen der Eisen- und Stahlindustrie an den Erzbergbau in einem Ausmaß zurückgegangen sind, angesichts dessen wirtschaftlicher Bergbau einfach nicht mehr zu führen ist. Der Versand an Eisenerz aus dem Salzgitter-Gebiet an die Ruhr — auf Ruhrerz bezogen — ist z. B. um 45 % und der Versand aus dem Siegerland um etwa 33 1/3 % zurückgegangen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bedeutet Veränderungen in der Beschäftigung im Eisenerzbergbau, die untragbar sind.
    Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle etwa die gesamte Eisen- und Stahlpolitik Deutschlands


    (Dr. Deist)

    und ihr Verhältnis zur Politik der Montan-Union zur Debatte zu stellen. Meine Fraktion wird durch eine Große Anfrage Gelegenheit geben, in Kürze dieses ganze Problem ausführlich zu diskutieren. Es scheint mir aber doch wichtig zu sein, einen kleinen Rückblick darauf zu werfen, in welchem Umfang diese Maßnahmen im Eisenerzbergbau mit der Entwicklung in der deutschen Eisen- und Stahlindustrie in Verbindung stehen. Ich freue mich, daß ich über diese Zusammenhänge, über die es an der Ruhr nur eine Meinung gibt, einige Ausführungen machen kann.
    Ein Teil der Einschränkungen, die im Eisenerzbergbau notwendig geworden sind, ist auf die Rückentwicklung und die Stagnation in der Eisen-und Stahlindustrie zurückzuführen. Wenn wir die Gründe für diese Stagnation untersuchen, dann finden wir, daß sie zumindest zum Teil auf folgende Ursachen zurückzuführen ist. Im August des Jahres 1952 hat der Herr Bundeswirtschaftsminister einen Versuch unternommen, die Eisen- und Stahlpreise auf ein niedrigeres Niveau zu senken. Man wird dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zugeben müssen, daß dieser Versuch in jener Zeit sicherlich eine gewisse Berechtigung hatte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat aber ein völlig untaugliches Mittel zu einer solchen Senkung der Preise angewandt, indem er im August 1952 vorzeitig die gesamten Eisen- und Stahlzölle gesenkt und damit eine Überschwemmung des deutschen Eisenmarktes mit 1 bis 1,5 Millionen t herbeigeführt hat, die nicht unwesentlich zu einer Verschärfung der Situation in der Eisen- und Stahlindustrie beigetragen haben. Über diesen Tatbestand gibt es unter den sachverständigen Kreisen an der Ruhr, gleich ob sie auf der Unternehmer- oder der Arbeitnehmerseite sitzen, keine verschiedene Auffassungen.

    (Abg. Dr. Vogel: Wollen wir das nicht beim Bundeswirtschaftsministerium behandeln?)

    — Ich hatte gerade gebeten, da dieser Antrag die
    Begründung für den Streichungsantrag ist, hier zugleich diese Begründung, die selbstverständlich
    wirtschaftspolitischer Art ist, bringen zu dürfen.
    Ein zweites, was diese Stagnation in der Eisen- und Stahlindustrie und damit die Rückwirkung auf den Eisenerzbergbau verursacht hat, ist das völlige Versagen der öffentlichen Auftragspolitik, insbesondere der Auftragspolitik der Bundesbahn. Dieser große Auftraggeber hätte, wenn frühzeitig für eine Gesunderhaltung der Bundesbahn gesorgt worden wäre, durchaus die Möglichkeit gehabt, die partiellen Stagnationserscheinungen der Eisen-und Stahlindustrie durch eine gesteigerte Auftragserteilung wesentlich zu lindern.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich darf hier schließlich eine dritte Bemerkung einschalten. Wenn wir in der Eisen- und Stahlindustrie und im Eisenerzbergbau im Gegensatz zu dem Entwicklungstrend der gesamten deutschen Wirtschaft, die durchaus aufsteigende Tendenzen zeigt, einen Rückgang zu verzeichnen haben, so ist das zweifellos ein gewolltes und logisches Ergebnis des Zusammenwirkens der Eisen-und Stahlindustrie innerhalb der Montan-Union. Es scheint mir doch wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, daß diese Entwicklung gerade auf dem Gebiete des Eisenerzbergbaus zur Zeit des Inkrafttretens des Montan-Union-Plans bereits zu übersehen war. Es war der Abgeordnete Dr. Henle, der diese Zusammenhänge in diesem Hause besonders deutlich gemacht hat. Es wäre sicher richtig gewesen, wenn man in jener Zeit dafür gesorgt hätte, bezüglich des Eisenerzbergbaus entsprechende Vorbehalte zu machen, wie sie andere Länder für schwache Wirtschaftsbereiche durchgesetzt haben.
    Ich habe diese Tatsachen kurz dargelegt, um zu zeigen, welche besondere Verantwortung die Bundesregierung für die Entwicklung in den Eisenerzbergbaugebieten hat.
    Ich darf einen zweiten Tatbestand erwähnen, der nicht ohne Bedeutung für die zur Zeit im Eisenerzbergbau gegebene Entwicklung ist. Dieser Tatbestand ist die Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie in der Form, wie sie durchgeführt worden ist. Ich bedaure, auf diese kurze Darlegung nicht verzichten zu können, weil sie entscheidende Bedeutung für die augenblickliche Situation im Eisenerzbergbau hat. Der deutsche Eisenerzbergbau ist eine der Rohstoffgrundlagen der deutschen Eisen- und Stahlindustrie. Wir wissen, daß es sich dabei um nicht sehr hochwertige Erze, die jedoch mit hohen Gewinnungskosten belastet sind, handelt. Wir wissen aber ebenso gut, daß die deutsche Wirtschaftspolitik ständig Wert darauf gelegt hat, diese Grundlage der deutschen Eisen- und Stahlindustrie in gewissem, volkswirtschaftlich zu rechtfertigendem Umfange aufrechtzuerhalten. Es wäre daher die Aufgabe gewesen, dafür Sorge zu tragen, daß der Eisenerzbergbau im Rahmen der Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie und des Eisenerzbergbaus eine volkswirtschaftlich gesunde und vernünftige Organisation erhält. Diese Forderung wurde nicht erfüllt. Ich möchte gerade in Zusammenhang mit den Problemen, die uns im Augenblick berühren, betonen, daß nach unserer Auffassung ein wesentlicher Teil der Verantwortung für die unglückliche Gestaltung, für die weitgehende Zersplitterung des Eisenerzbergbaus die Bundesregierung im Hinblick auf ihre Verhandlungen bei der Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie trifft.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Jedenfalls haben diese Tatsachen zu dem Ergebnis geführt, daß heute alle organisatorischen Voraussetzungen für eine zweckmäßige und planmäßige Führung der Eisenerzwirtschaft fehlen. Sonst wäre es nicht möglich, daß z. B. im Jahre 1952 die Eisen-und Stahlindustrie an den deutschen Eisenerzbergbau Anforderungen gestellt hat, die von ihm einfach nicht mehr erfüllt werden konnten. In jenen Tagen wurden Pläne erörtert, den Eisenerzbergbau auszudehnen und neue Investitionen zur Ausdehnung der Fördermöglichkeiten vorzunehmen. Heute aber wird an den Eisenerzbergbau die Forderung gestellt, seine Förderung um 35 bis 40 % zu senken.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Unter solchen Umständen ist eine vernünftige Bergwirtschaft ebenso wie im Kohlenbergbau auch in der Eisenerzwirtschaft einfach nicht mehr möglich.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Ursachen dafür sind verschiedener Art. Mir scheint es aber doch der Betonung wert zu sein, daß hier eine Aufgabe der deutschen Wirtschaftspolitik liegt. Denn es ist nicht so, daß etwa die Werke der Eisen- und Stahlindustrie sich den Zwangsläufigkeiten, denen sie im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung unterworfen sind, einfach entziehen könnten. Ebenso kann man den Werken


    (Dr. Deist)

    des Eisenerzbergbaus in ihrer augenblicklichen Situation die Verantwortung für diese Entscheidungen, die wirtschaftspolitischer Art sind, nicht zulasten. Denn auf diese zersplitterten Unternehmungen des Eisenerzbergbaus, die in ihrer rechtlichen Konstruktion überhaupt noch nicht eindeutig feststehen, rollt das Verhängnis zu, ohne daß sie sich dagegen wehren können; sie müssen zwangsläufig zu Stillegungen und Entlassungen kommen.
    Ich frage Sie, meine Damen und Herren: wie soll der Arbeiter im Eisenerzbergbau diese Entwicklung verstehen? Wie soll er es in Übereinstimmung bringen, daß ihm gesagt wird, der Eisenerzbergbau müsse seine Erzeugung um 35 bis 40% senken, während auf der anderen Seite innerhalb der Montan-Union Pläne im Gange sind, die Erzeugung der Eisen- und Stahlindustrie auf 40 bis 50 Millionen t auszudehnen, die Kokserzeugung um 15 Millionen t und die Erzerzeugung um 16 bis 17 Millionen t auszudehnen? — Meine Damen und Herren, da stimmt etwas nicht! Man kann nicht auf der einen Seite planen, die Stahlerzeugung in ganz Europa großzügig auszudehnen, und auf der anderen Seite dem Erzbergbau Einschränkungen zumuten, unter denen er einfach nicht existieren kann.
    Hier wäre es richtig gewesen, rechtzeitig mit konstruktiven wirtschaftspolitischen Maßnahmen einzugreifen, um diese unglücklichen Folgen vom Eisenerzbergbau fernzuhalten. Ich stelle mit Genugtuung fest, daß der Kollege Dr. Höck eine Kleine Anfrage mit ähnlichen Konsequenzen hier im Hause gestellt hat. Wenn es aber nicht möglich ist, mit konstruktiven wirtschaftspolitischen Maßnahmen eine derartige Entwicklung zu verhindern, dann ist es eine Aufgabe der verantwortlichen politischen Stellen, dafür zu sorgen, daß die Lasten einer solchen Entwicklung nicht gerade von denen getragen werden, die sich am wenigsten dagegen wehren können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Damit komme ich zu dem speziellen Inhalt des Antrags. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß wir dem Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl mit erheblichen und entscheidenden Vorbehalten gegenüberstehen. In diesem Vertrag findet sich aber ein außerordentlich gesunder, fortschrittlicher Grundsatz europäischer Wirtschaftspolitik, der folgendes besagt: Wenn es in irgendeinem Wirtschaftszweig zu Entwicklungen kommt, die untragbare Härten für die Belegschaftsmitglieder dieses Zweiges mit sich bringen, dann ist es die Pflicht der öffentlichen Hand, die Anpassung an diese Verhältnisse zu erleichtern.
    Ich bin der Auffassung, daß dieser Grundsatz nicht nur als eine reine Deklamation im Montanunion-Vertrag zu. werten ist, sondern daß man ihn in der politischen Praxis auch wirklich anwenden sollte. § 23 der Übergangsbestimmungen zum Montanunion-Vertrag sieht ausdrücklich vor: Wenn im Rahmen der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes Unternehmungen oder Teile von Unternehmungen gezwungen sind, ihre Betriebe stillzulegen oder einzuschränken, dann sind die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Belegschaft dieser Betriebe vor den Lasten der Anpassung zu schützen und ihnen eine produktive Beschäftigung zu sichern. Der Montanunion-Vertrag sieht darüber hinaus vor, daß für diesen Zweck Beihilfen gegeben werden, zu denen das beteiligte Land entsprechende Beiträge zu zahlen hat.
    Meine Damen und Herren, diesem Zweck dient der Antrag, den wir gestellt haben.
    Die sozialdemokratischen Mitglieder der Montanunion haben bereits im Januar dieses Jahres in einer Sitzung des Investitionsausschusses auf dieses schwerwiegende Problem hingewiesen, und wir haben zu unserer Genugtuung feststellen können, daß in einem Bericht der Hohen Behörde vom 20. März diese schwierige Lage des deutschen Eisenerzbergbaues ausdrücklich anerkannt worden ist. Wir haben auf der anderen Seite mit Überraschung feststellen müssen, daß der letzte Satz des betreffenden Passus lapidar lautet: Der Hohen Behörde liegt bis jetzt noch kein Antrag auf Eingreifen vor.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir haben daraufhin die Hohe Behörde gefragt, ob sie mit einem solchen Antrage rechne oder auf ihn warte. Darauf ist uns aus Kreisen der Hohen Behörde erklärt worden, eine entsprechende Anforderung an die deutsche Bundesregierung sei ergangen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich darf auf ein weiteres hinweisen. Die Industriegewerkschaften Metall und Bergbau sind bereits vor längerer Zeit an den Herrn Bundeswirtschaftsminister mit dem Antrag herangetreten, in diesem Sinne Anträge an die Hohe Behörde zu stellen. Die Industriegewerkschaft Bergbau hat am 18. März 1954 einen entsprechenden Antrag gestellt. Am 23. März 1954 kam eine völlig hinhaltende Antwort, daß die vielseitige Problematik der Anpassungsbeihilfen zunächst einmal geprüft werden müßte, daß an die Beteiligten konkrete Fragen gestellt worden seien, und daß man sich, wenn dieses Material vorliege, erneut über das Problem unterhalten müsse.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In der Zwischenzeit gehen die Stillegungen und Entlassungen im Eisenerzbergbau vor sich.
    Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob es für die Bundeswirtschaftspolitik nicht doch beschämend ist, daß heute eine Delegation der Industriegewerkschaft Bergbau unmittelbar bei der Hohen Behörde vorstellig werden muß, weil nicht erwartet wird, daß die deutsche Bundesregierung die entsprechenden Schritte einleitet.

    (Lebhaftes Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man wird nicht sagen können, daß solche Schritte aussichtslos seien. Ich darf darauf hinweisen, daß in dem Bericht der Hohen Behörde dargelegt wird: Für Italien wird im Augenblick die Möglichkeit von Anpassungsbeihilfen an Belegschaftsmitglieder der Eisen- und Stahlindustrie erörtert, die als Ergebnis einer bereits im Jahre 1948 eingeleiteten Rationalisierung zur Entlassung kommen. Der Bericht besagt weiter, daß die Begründung für Anpassungsbeihilfen in solchen Fällen darin bestehen könne, daß der Montanunion-Vertrag den beteiligten Ländern die Möglichkeit nehme, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die sie früher hätten ergreifen können, und daß infolgedessen neue Wettbewerbsbedingungen geschaffen sind, die unter Umständen eine Anpassung erschweren.
    Wir haben weiterhin von der Hohen Behörde die Zusage erhalten, daß entsprechende Anträge der deutschen Bundesregierung wohlwollend behandelt werden. Denn ganz zweifellos ist der Hohen Behörde bewußt, welche politische Bedeu-


    (Dr. Deist)

    tung insbesondere im Zonenrandgebiet in Salzgitter derartige Entlassungsmaßnahmen haben, wie sie im Augenblick vor sich gehen.
    Meine Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion soll eine Mahnung sein, sich der großen nicht nur wirtschaftspolitischen, sondern im Osten der Bundesrepublik auch politischen Bedeutung dieses Problems bewußt zu werden. Ich darf Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen. Ich möchte meinen, daß diese 4 Millionen DM für die Bergarbeiter des Erzbergbaus jedenfalls sinnvoller und zweckmäßiger verwendet werden können als für eine Erhöhung des Presse- und Informationsfonds des Bundeskanzleramts.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich einigen Teilen des hier zur Behandlung stehenden Einzelplanes des Bundeskanzleramtes zuwende, möchte ich einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers machen. Der Herr Bundeskanzler hat in einer neckisch gemeinten Weise den amtierenden Herrn Präsidenten gefragt, ob er sich noch einmal zum Wort melden müsse, nachdem er vorher als Bundeskanzler gesprochen habe, wenn er jetzt als Abgeordneter sprechen möchte. Für uns, für die Sozialdemokratische Partei, wäre die Antwort noch leichter, als sie nach der Geschäftsordnung ohnedies ist. Wir können fast ausnahmslos den Herrn Bundeskanzler von dem Vorsitzenden der CDU nicht unterscheiden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sehr viele Äußerungen — auch heutige Äußerungen, auch heute zitierte Äußerungen —, die der Herr Bundeskanzler getan hat, bringen ihn in verdächtige Nähe mit der Funktion des Parteipräsidenten dann, wenn er für sich in Anspruch nimmt, als Kanzler zu sprechen. Es ist für den Betrachter, der weiß, daß zwei Seelen in der Brust des Herrn Bundeskanzlers leben und nicht miteinander kämpfen, sehr schwer, den Bundeskanzler von dem Vorsitzenden der CDU zu trennen.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben in bezug auf Ihre Camberger Rede und in bezug auf die Reden, die Sie vor der Bundestagswahl gehalten haben, das Verlangen nach Wahrheit aufgestellt und im gleichen Zusammenhang sich gerühmt, daß durch die rednerischen Methoden einige Millionen Stimmen — Gott sei Dank, wie Sie etwa sagten — für die von Ihnen vertretene Richtung gewonnen worden seien. Herr Bundeskanzler, diese Millionen Stimmen sind ohne Zweifel in einem nicht feststellbaren, aber sehr erheblichen Ausmaß gewonnen worden durch eine Politik, durch eine rednerische Politik, die sich in der schlimmsten Weise bei der Zurücknahme schwerster politischer Verleumdungen und Beleidigungen gezeigt hat.

    (Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte bezweifeln, ob man sagen darf, daß man über ein solches Ergebnis sehr froh sein könne.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Sie haben, Herr Bundeskanzler, meinem Kollegen Herrn Mellies attestiert, daß er sachlich sein könne, wenn er wolle. Herr Bundeskanzler, ich gebe es zurück. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, daß auch Sie in Auseinandersetzungen mit der Opposition sachlich sein können, wenn Sie wollen; nur vermissen wir diesen Willen bei Ihnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich dann auf Grund der Äußerungen meines Kollegen Mellies mit seiner Camberger Rede befaßt. Es war für mich als hessischen Abgeordneten besonders interessant, zu hören, was der Herr Bundeskanzler dazu zu sagen vermochte. Er sagte — ich habe es mitstenographiert —, auf dem Parteitag der hessischen CDU in Camberg sei man über die SPD in Hessen entrüstet gewesen. Herr Bundeskanzler, Sie haben hinzugefügt: wenn das wahr ist, was man Ihnen gesagt hat. Aber seit wann zieht man denn sofort seine Schlüsse in der scharfen und für einen Bundeskanzler mindestens sehr ungewöhnlichen Form, wie der Herr Vorsitzende der CDU diese Schlüsse in Camberg gegenüber der Sozialdemokratischen Partei in Hessen und ihrer Regierung gezogen hat, wenn man noch im Zweifel ist, ob das wahr ist, was man gesagt bekommen hat?

    (Lebhafter Beifall und Zurufe bei der SPD.)

    Ihren Appell, Herr Bundeskanzler, an diejenigen, die wissen, was es bedeutet, Ehre im Leib zu haben, unterstützen wir von der Sozialdemokratischen Partei in jeder Hinsicht. Aber man muß dabei nicht nur an die eigene Ehre denken, sondern auch an die Ehre der anderen!

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie haben mit Recht hervorgehoben, Herr Bundeskanzler, daß Sie die Behauptungen, die Ihnen unterbreitet und von Ihnen als bare Münze genommen worden sind und die schließlich zu einstweiligen Verfügungen usw. geführt haben, zurückgenommen haben, und Sie haben gewünscht, daß das von allen so gehandhabt werden möchte. Ich wüßte Ihnen — ich will es hier nicht öffentlich sagen — eine ausgezeichnete Möglichkeit, Herr Bundeskanzler, mit diesem Verlangen, daß alle so vorgehen möchten, einmal in Ihrer eigenen Bundestagsfraktion zu beginnen.
    Herr Kollege Mellies hat darauf hingewiesen, daß Herrn Bundeskanzler Adenauer alle Hilfsmittel zur Verfügung gestanden haben, um die Wahrheit zu erforschen. Herr Bundeskanzler, es ist unbestreitbar — und Sie selbst werden es nicht bestreiten —, daß diese Möglichkeiten bestanden haben. Aber es ist eigentlich doch etwas peinlich, feststellen zu müssen, daß Ihre eigenen Dienststellen vier Monate gebraucht haben, bis sie die Wahrheit feststellen konnten, die Sie dazu veranlaßte, die unwahren Behauptungen zurückzunehmen. Ich weiß nicht: ist das nun die Untauglichkeit der Ämter oder die Böswilligkeit Ihrer Mannen, die Ihnen sachlich zur Verfügung stehen sollten?

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Ministerpräsident Zinn wird ohne Zweifel — er hat es schon einmal getan— Veranlassung nehmen, zu den heutigen Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers in bezug auf seine Rede, die hier ohne Angabe des Inhalts zitiert wurde, zurückzukommen. Ich darf aber die Gelegenheit benutzen, den Herrn Bundeskanzler gerade im Hinblick auf sein Zitat, daß die Ehre zu achten sei, an eine


    (Ritzel)

    andere kleine Sache zu erinnern. Herr Bundeskanzler, Sie haben sich vor geraumer Zeit auch einmal mit der Politik der hessischen Staatsregierung befaßt und damals erklärt, die hessische Staatsregierung entferne systematisch alle Anhänger der CDU aus ihren Ämtern. Sie haben diese Beschuldigungen ganz deutlich hervorgehoben in bezug auf die angebliche Entfernung von CDU-Angehörigen aus dem Bereich des hessischen Kultusministeriums. Sie haben kurz darauf, Herr Bundeskanzler, ein Schreiben des Herrn hessischen Ministerpräsidenten Zinn erhalten, in dem diese Mitteilungen, die Sie der Öffentlichkeit auch in einer Rede unterbreitet hatten, richtiggestellt und ihre Inhaltlosigkeit nachgewiesen worden sind. Leider glaube ich sagen zu müssen, daß von Ihrer Seite her, Herr Bundeskanzler, bis zu dieser Stunde eine Berichtigung Ihrer damals ausgesprochenen Behauptung, auf die die öffentliche Meinung, das hessische Volk, die hessische Staatsregierung und der hessische Landtag ein Anrecht gehabt hätten, nicht erfolgt ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu dem hier vorliegenden Haushaltsplan. In dem Haushaltsplan — darauf ist bereits kurz von dem Herrn Berichterstatter hingewiesen worden — ist wiederum ein Betrag für den Neubau des Dienstgebäudes des Bundeskanzleramts enthalten. Sie finden diesen Ansatz auf der letzten Seite der vor Ihnen liegenden Drucksache 354. Es handelt sich um 1 485 000 DM. Wir Sozialdemokraten haben uns gegen diese Bewilligung ausgesprochen, und zwar aus wohlerwogenen Gründen. Ich will nicht im Detail darauf eingehen, auf die Raumfrage des Bundeskanzleramts und dergleichen mehr, sondern ich möchte nur daran erinnern, daß diese fortgesetzte Neubautätigkeit in Bonn ein Teilstück der Entwicklung ist, über die wir uns im 1. Deutschen Bundestag am 30. September 1949 unterhalten haben. Der damalige Bundestagsabgeordnete Zinn hat in dieser Sitzung vom 30. September 1949 glossiert, daß nach den Berichten der Kommission des Parlamentarischen Rats die Kosten für die Unterbringung der Bundesorgane in Bonn 3 795 000 DM betragen sollten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich habe im Haushaltsausschuß wiederholt die Frage gestellt, was nun Bonn eigentlich wirklich kostet. Ich war zu dieser Frage insbesondere auch um deswillen veranlaßt, weil in der Presse Zahlen genannt wurden. Ich nenne Ihnen eine Zahl aus einer Wirtschaftszeitung; dort wurde die Summe von 500 Millionen DM Bonner Kosten genannt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das Bundesfinanzministerium hat auf einen Beschluß des Haushaltsausschusses hin seine Bereitwilligkeit erklärt, dem Haushaltsausschuß die wirklichen Kosten von Bonn zu nennen. Leider hat das Bundesfinanzministerium, obwohl diese Anfrage Monate zurückliegt und obgleich wiederholt moniert wurde, bis zu dieser Stunde die Kosten noch nicht zusammenstellen können. Ich hoffe nicht, daß die Rechenmaschinen des Bundesfinanzministeriums für die Bewältigung der sich hier offenbarenden Größenordnung etwa nicht ausreichen.

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber es war so ein Kulissengespräch, daß die
    Kosten von Bonn, soweit Bundesbauten in Betracht
    kommen, den Betrag von zirka 200 Millionen DM erreicht bzw. überschritten haben. Wir haben uns auch im Blick auf diese Tatsachen nicht dazu entschließen können, der neuen Bewilligung von 1 485 000 DM für den Neubau eines Dienstgebäudes des Bundeskanzleramtes zuzustimmen.
    Einige Bemerkungen zum Personaletat des Presse- und Informationsamtes. Wir beobachten hier gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von
    3 209 000 auf 3 560 000 DM bei den persönlichen Kosten. Wir haben im Haushaltsausschuß verschiedene Anträge gestellt, so auf Streichung von zwei übertariflich bezahlten Angestellten und drei weiteren Stellen der Vergütungsgruppe II. Leider sind die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt worden. Wir haben ernste Bedenken gegen die Fortsetzung einer Personalpolitik, die allein in diesem Jahre eine Steigerung der Zahl der Angestellten von 305 auf 313 Funktionäre aufweist.
    Aber noch größer sind unsere Bedenken — und darauf hat Herr Kollege Mellies bereits hingewiesen — gegen die Zumutung, ohne parlamentarische Kontrolle den Ansatz „Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens" von 5,5 Millionen auf 10 Millionen DM zu erhöhen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dieser Betrag war im Rechnungsjahr 1953, das vor
    wenigen Tagen abgelaufen ist, im Etat mit 4,5 Millionen DM beziffert. Das Istergebnis 1952 beträgt
    4 480 000 DM.
    Neben der Höhe der Summe, der plötzlich auf
    Wunsch der Regierung beantragten Erhöhung von
    5,5 auf 10 Millionen DM, stößt uns besonders die
    Tatsache, daß im Dispositiv des Etats erwähnt ist: Die Jahresrechnung über die Ausgabe dieses Titels unterliegt nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Seine Erklärung bildet die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
    Unser Verlangen, dem vorhin Herr Kollege Mellies schon Ausdruck gegeben hat, geht auf Mitwirkung des Parlaments bei der Kontrolle der Ausgaben. Wir wollen in Würdigung der Tatsache, um die es sich handelt, wahrhaftig nicht etwa den ganzen Haushaltsausschuß, wir wollen nicht einmal den ganzen Rechnungsprüfungsausschuß zur Bewältigung dieser Funktion eingesetzt wissen. Aber eine Kommission des Parlaments, ein ganz kleiner Ausschuß, der in der Lage ist, eine wirkliche Kontrolle auszuüben, das scheint doch eine absolute Notwendigkeit zu sein. Denn neben dem Haushaltsrecht, das wir heute üben, gehört schließlich das Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechnung der Bundesregierung mit zu den vornehmsten Aufgaben eines Parlaments.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Bundesregierung stützt sich bei ihrem Verlangen auf die sogenannte Reichshaushaltsordnung, die heute auch für den Bund noch gilt. Diese Reichshaushaltsordnung enthält einen § 89, der da lautet:
    Von der Prüfung ausgenommene
    Haushaltsbewilligungen
    Soweit Haushaltsmittel mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck der Prüfung durch den Rechnungshof nicht unterliegen sollen, muß dies im Haushaltsplane besonders angeordnet werden. Die Prüfung kann durch den Haushaltsplan auch einer anderen Stelle übertragen werden.


    (Ritzel)

    Diese andere Stelle wünschen wir in der Form eines kleinen Ausschusses dieses Parlaments.
    Wir befinden uns bei der Beurteilung dieser Situation in einer ganz guten Gesellschaft, nämlich in der Gesellschaft eines der ersten Berater des Herrn Bundesfinanzministers, des Herrn Ministerialrats Dr. Vialon, der einen Kommentar zum Haushaltsrecht geschrieben hat. Von diesem Kommentar ist schon voriges Jahr einmal die Rede gewesen. Damals war es Herr Kollege Bausch — den ich leider im Moment nicht im Saale sehe —, der eine Art von Blankowechsel ausgestellt hat: „Wir werden das schon machen; wenn nur mal die Länder vorangehen". Es ist ihm damals zugerufen worden: „Hannemann, geh du voran, du hast die größten Stiefel an!"
    Auf Seite 44 des Kommentars des Herrn Dr.
    Vialon heißt es — vielleicht kann das der Herr
    Bundesfinanzminister einmal nachlesen —: Regelmäßig begründet die Exekutive mit erhöhter Staatsraison die Fernhaltung des kritischen Prüfers von den oben genannten gefährlichen Fonds (Informationsfonds, Dispositionsfonds u. dgl.). Es stellt sich aber oft heraus, daß diese Tendenz nur den Versuch zur Aufrechterhaltung eines Mysteriums oder des Wunschs
    — und sicher hat der Herr Bundeskanzler in dem vorliegenden Fall der Verwendung von 10 Millionen ohne Kontrolle diesen Wunsch —
    nach ganz selbständiger Bewirtschaftung bedeutet.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aber mehr noch! Auf Seite 40/41 des gleichen Kommentars des Herrn Ministerialrats Dr. Vialon lesen Sie den schönen Satz:
    Das Wesen der Kontrolle, wie sie hier verstanden wird, besteht nicht in der Aufsicht des Schutzmanns, sondern mehr in der Rolle des verantwortungsvollen Mitarbeiters, . . .
    So und nicht anders möchten wir unsere Anregung
    aufgefaßt wissen!
    An anderer Stelle sagt Herr Dr. Vialon:
    Viel wichtiger ist die staatspolitische Kontrolle beim Zustandekommen und dem Vollzug des Bundeshaushalts unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit und der Klarkeit .. .
    Die Grundsätze der Etatwahrheit und der Etatklarheit gelten nicht nur für die Aufstellung und Verabschiedung des Haushalts, sondern sie gelten in erhöhtem Maße noch bei der Prüfung der Rechnung der Bundesregierung!

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es ist bereits einiges über das Instrument des Presse- und Informationsamts als Mittel der Beeinflussung im demokratischen Massenstaat gesagt worden. Der Herr Bundeskanzler trägt die parlamentarische Verantwortung im Rahmen des Grundgesetzes. Ich erlaube mir, dem Herrn Bundeskanzler eine Frage zu stellen. Ist das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ein vom Staat, also aus den Mitteln der Steuerzahler, bezahltes Propagandaorgan der Pax-Christi-Bewegung, Deutscher Zweig, Hauptarbeitsstelle Aachen? Die Begründung für diese Frage entnehme ich einem Zirkular mit folgendem Absender: „Pax-Christi-Bewegung in Aachen, 24. Februar 1954". Es heißt dort:
    An die Fakultäten der deutschen Hochschulen
    im deutschen Bundesgebiet. Betrifft Illustrierte Zeitung „Du in der Welt". — Wir gestatten uns, Ihnen a u f Wunsch des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in Bonn anbei 15 Exemplare der illustrierten Blätter „Du in der Welt" mit der Bitte zu übersenden, dieselben an die Studierenden in Ihrer Fakultät freundlichst verteilen zu wollen. Die Lieferung erfolgt kostenlos. Mit bestem Dank im voraus und freundlichen Pax-Christi-Grüßen
    Pax-Christi-Bewegung, Hauptarbeitsstelle,
    Heinrich Heinen.
    15 Anlagen
    Es handelt sich hier nicht so sehr um viel Geld,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Das meine ich auch! — Heiterkeit)

    sondern hier handelt es sich um den Einsatz einer aus Steuermitteln bezahlten Behörde zugunsten einer einseitig orientierten Organisation. Ich weiß nicht, wieviel Geld in ähnlicher Weise aus Mitteln des Presse- und Informationsamts für andere Zwecke zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausgegeben wurde, wieviel Geld ausgegeben wurde für die Beeinflussung der deutschen Wähler. Mich würde es sehr interessieren, eine schlüssige und zuverlässige Erklärung der Bundesregierung etwa dazu zu hören, ob die erheblichen Mittel für die netten Wählerbriefe des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundeswirtschaftsministers kurz vor der Wahl vom 6. September 1953 aus den Kassen der CDU — dann geht es uns nichts an — oder etwa aus dem Fonds — jenem „Reptilienfonds", um mit Bismarck zu sprechen — des Presse- und Informationsamts finanziert .worden sind.
    Meine Damen und Herren, ich habe im Haushaltsausschuß — und ich scheue mich nicht, das hier auszusprechen — in bezug auf die Verwendung der 4,5 Millionen DM des Jahres 1952 und der 5,5 Millionen DM für 1953, die jetzt angefordert werden, den anwesenden Vertreter der Bundesregierung um detaillierte Auskunft gebeten und ihn gefragt, für welche Zwecke diese Gelder verwendet worden sind. Wir haben eine, nun, ich möchte sagen, „südamerikanische" Auskunft erhalten, aber keine Antwort, die uns wirklich erlaubt, einen Schluß in bezug auf die Verwendung dieser Mittel zu ziehen. Um so eher sollte auch die Mehrheit dieses Hauses in der Lage sein, entsprechend dem Antrag, den mein Kollege Dr. Deist vorhin begründet hat, zur Milderung der Schäden, die der Montan-Union-Pakt gebracht hat, einen Betrag hier wegzulassen und dem Kapitel zuzufügen, in das er gehört, um dort bessere und nützlichere Verwendung zu finden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Vielleicht ist auch die Möglichkeit gegeben — auch das dürfte im Verlauf der Etatberatung noch laut werden —, dafür zu sorgen, daß beispielsweise aus Gründen der allseitigen Objektivität die Protokolle des Deutschen Bundestages den öffentlichen Büchereien in der Bundesrepublik kostenlos zu Lasten des Dispositionsfonds, von dem ich hier spreche, zur Verfügung gestellt werden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir sind in Würdigung aller Gesichtspunkte nicht in der Lage, dem Etat — Einzelplan 04 — unsere Zustimmung zu erteilen, und beantragen seine Ablehnung.

    (Beifall bei der SPD.)