Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion beabsichtigt nicht, im Rahmen der Beratung des Haushalts des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts eine große politische Aussprache durchzuführen. Wir werden aber genau wie bei einer Reihe von Einzelplänen einige Fragen anzuschneiden haben, die unseres Erachtens bei der Beratung des Haushaltsplanes unbedingt besprochen werden müssen.
Vor etwa drei Jahren wurde der Herr Bundeskanzler im Haushaltsausschuß dieses Hauses einmal gefragt, ob mit der baldigen Ernennung eines Außenministers zu rechnen sei. Der Bundeskanzler hat damals sinngemäß darauf geantwortet, daß er es in Anbetracht der damaligen Situation für zweckmäßig halte, wenn das Amt des Bundeskanzlers und das Amt des Außenministers noch für eine gewisse Zeit in einer Hand vereinigt blieben. Sobald es die politische Situation gestatte, werde er aber einen Außenminister ernennen, zumal niemand etwas über seine Kraft hinaus leisten könne. Unter den Abgeordneten ist damals gleich die Preisfrage gestellt worden, ob wohl der 1. Bundestag noch die Ernennung eines Außenministers erleben werde. Kaum jemand hat damals gewagt, diese Frage mit Ja zu beantworten,
und diejenigen, die die Frage von vornherein mit einem klaren Nein beantworteten, haben recht behalten.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß diese Frage bei der Regierungsbildung nach der Neuwahl des Bundestages wieder diskutiert wurde. Man war doch wohl auch in den Reihen der Regierungsparteien der Auffassung, daß es an der Zeit
sei, einen Außenminister zu berufen. Ein verehrter Kollege dieses Hauses hatte ja schon gegenüber der Presse angedeutet, daß sein Name im Zusammenhang mit der Ernennung eines Außenministers genannt worden sei.
Aber er mußte sich wenige Stunden später auf dem sicher sehr ungewöhnlichen Weg über das Bundespresseamt sagen lassen, daß auch der zukünftige Außenminister Adenauer heißen werde.
Die Mängel, die sich aus der Vereinigung der beiden Ämter ergeben, sind in den letzten Jahren wiederholt in Erscheinung getreten. Der Herr Bundeskanzler hat ja nicht nur diese beiden Aufgaben übernommen; er hat ja, wie wir es soeben in der Berichterstattung gehört haben, in seinem Haushalt immer noch die Dienststelle Blank und erledigt sozusagen auch noch die Aufgaben der Wehrpolitik. Aber wir glauben, daß in einer solch schwierigen politischen Situation, wie sie auf allen Gebieten für die Bundesrepublik gegeben ist, der Bundeskanzler mit der ihm nach dem Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe sicher genügend zu tun hätte. Nach dem Grundgesetz bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik, und wir glauben, daß diese Aufgabe in der gegenwärtigen Zeit eine volle Kraft in Anspruch nimmt.
Durch die jetzt bestehende Personalunion müssen letzten Endes alle Aufgaben leiden, die zu erfüllen sind.
Sie wissen ja alle, wenn der Bundeskanzler abwesend war — vor allen Dingen aber während der
Wochen, in denen er vor kurzem in Griechenland und in der Türkei war —, zeigten sich eine große Führungslosigkeit und ein großes Durcheinander hier in Bonn.
Vielleicht, Herr Bundeskanzler, haben Sie es als einen gewissen persönlichen Triumph genossen, daß sich während Ihrer Abwesenheit sofort eine starke Desorganisation und Entschlußlosigkeit in der Regierung bemerkbar machten,
aber für das Parlament und für das Volk ist doch entscheidend, daß die Sache dann erheblichen Schaden nimmt.
Sie wissen besser, als ich es weiß, welche protokollarischen Schwierigkeiten aus der Tatsache entstanden sind, daß der Regierungschef gleichzeitig das Amt des Außenministers übernommen hat. Herr Bundeskanzler, Sie mögen das vielleicht nicht sehr hoch veranschlagen, aber Sie werden nicht abstreiten können, daß die Vorgänge bei der Tagung des Ministerrats in Brüssel und auch kürzlich bei der Zwischenlandung in Paris während Ihrer letzten Reise nicht gerade geeignet waren, dem Ansehen des Chefs der Regierung der Bundesrepublik und damit auch dem Ansehen des deutschen Volkes zu dienen.
In der Debatte über die Regierungserklarung ist von allen Seiten zum Ausdruck gebracht worden — und ich glaube, wir haben heute morgen gesehen, daß diese Annahme stimmt —, daß der 2. Deutsche Bundestag in außenpolitischen Fragen wahrscheinlich vor noch größeren und schwierigeren Entscheidungen stehen wird, als das beim 1. Bundestag der Fall gewesen ist. Es scheint uns unerträglich, daß in einer solchen Zeit ein Außenminister nicht mit seiner vollen Arbeitskraft für die Außenpolitik zur Verfügung steht.
Nun zu einem zweiten Kapitel. Während des Wahlkampfes hat der Herr Bundeskanzler in der Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie gezeigt, daß er offenbar nicht das Maß kennt, das überhaupt solchen Auseinandersetzungen gesetzt ist, das vor allen Dingen aber für den Chef der Regierung besteht.
Niemand wird dem Bundeskanzler oder den Bundesministern das Recht der sachlichen und auch harten Auseinandersetzung während des Wahlkampfes bestreiten. Aber es dürfte doch wohl zum erstenmal in der Geschichte vorgekommen sein, daß dem Regierungschef durch ein Gericht verboten werden mußte, Behauptungen zu wiederholen und weiter zu verbreiten.
Es dürfte auch wohl das erste Mal sein, daß ein Regierungschef nach dem Wahlkampf gezwungen war, diese Behauptungen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen.
Meine Damen und Herren, der Fall liegt nicht nur deshalb schwer, weil er den Chef der Regierung betraf, die Angriffe des Bundeskanzlers sind auch deshalb besonders hart zu be- und verurteilen, weil ihm wie keinem anderen Politiker in der Bundesrepublik die Möglichkeit gegeben war, die Echtheit der ihm zugetragenen Nachrichten zu überprüfen.
Ihm standen neben dem Verfassungsschutzamt und dem Bundeskriminalamt sicher auch die entsprechenden Einrichtungen der Länder zur Verfügung, und er hätte innerhalb weniger Stunden feststellen können, ob die ihm gemachten Mitteilungen auch der Wahrheit entsprachen.
Er hat das nicht getan und hat damit der Demokratie und dem deutschen Volke einen schlechten Dienst erwiesen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrem Eid hier vor dem Hause gelobt, daß Sie Gerechtigkeit gegen jedermann üben werden. Ich glaube nicht, daß die Angriffe gegen die Sozialdemokratie während des Wahlkampfes mit dieser Pflicht des Bundeskanzlers zu vereinbaren sind.
Meine Damen und Herren, wir hätten wahrscheinlich diese Dinge heute nicht mehr zur Erörterung gebracht, wenn der Bundeskanzler nicht nach der Wahl durch seine Rede in Camberg in Hessen gezeigt hätte, daß er anscheinend gewillt ist, in der von ihm während des Wahlkampfes geübten Praxis fortzufahren. Selbst wenn hier im Parlament und auch draußen in der politischen
Öffentlichkeit scharfe und harte Auseinandersetzungen über die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Politik stattfinden, darf doch der Kanzler nie vergessen, daß er als Regierungschef Verpflichtungen gegenüber dem gesamten Volke, also auch gegenüber der Opposition und den Länderregierungen, hat.
Wir hoffen, daß wir solche unangenehme Dinge in diesem Hause nicht noch einmal zur Erörterung stellen müssen. Würde es der Fall sein, dann würde sich leider zeigen, daß für den Regierungschef parteipolitische Erwägungen vor den Notwendigkeiten des Staates und vor der Notwendigkeit, eine wirklich gesunde Demokratie aufzubauen, stehen.
Einige Bemerkungen zur Dienststelle Blank. Sie ist durch den Fall Heinz in den letzten Wochen stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, als das gut und zweckmäßig ist. Unseres Erachtens hat es hier von vornherein an einer klaren Stellungnahme der Dienststelle gefehlt. Gewiß wird mir jetzt entgegengehalten, daß man einer Verdunkelungsgefahr nicht Vorschub leisten dürfe und in ein schwebendes Verfahren nicht eingreifen könne. Aber, meine Damen und Herren, man soll die vorhandenen Tatsachen der Offentlichkeit in einem solchen Falle möglichst rasch unterbreiten. Im Sicherheitsausschuß des Bundestages hat die Dienststelle Blank j a eine Darstellung des Falles gegeben. Wir wünschten nur, auch andere Ministerien wären so schnell bereit, über unangenehme Vorkommnisse den Ausschüssen des Bundestages zu berichten.
Aber die gegenwärtige Entwicklung zeigt doch wohl, daß man entweder in der Dienststelle Blank selbst damals bei der Berichterstattung den ganzen Zusammenhang noch nicht gekannt hat oder den Ausschuß nicht in der notwendigen Ausführlichkeit unterrichtet hat.
In den letzten Tagen ist in der Öffentlichkeit erörtert worden, politische Drahtzieher wollten den Fall Heinz wahrscheinlich benutzen, um eine ihnen notwendig erscheinende personelle Änderung in der Spitze der Dienststelle zu erreichen. Sollte das der Fall sein, meine Damen und Herren, so würde dies wohl zu einem nicht sehr angenehmen politischen Skandal führen.
Nun noch eine Bemerkung zu den Nachrichtendiensten im allgemeinen. Sie sind stets ein schwieriges und heikles Kapitel; das wissen wir alle, und darüber brauche ich nicht viel Worte zu machen. Ebenso wissen wir, daß sie im Interesse des Volkes und des Staates bei der Unvollkommenheit der menschlichen Einrichtungen und der menschlichen Ordnung nicht entbehrt werden können. Aber bei den schwierigen Aufgaben und bei den Gefahren, die damit verbunden sind, kommt es darauf an, daß eine sorgfältige Auswahl der Persönlichkeiten erfolgt und eine fortgesetzte Beobachtung dieser Tätigkeit nicht vernachlässigt wird. Weiter muß unseres Erachtens unbedingt darauf gehalten werden — ich möchte das mit einigem Nachdruck aussprechen —, daß die innenpolitischen Dienste nicht mit den militärischen Nachrichtendiensten verquickt werden oder daß die beiden Aufgaben gar durch eine Hand wahrgenommen werden.
Eine saubere und scharfe Trennung ist hier aus staatspolitischen Erwägungen ein dringendes Gebot. Und noch einer anderen Gefahr muß gerade bei der gegenwärtigen deutschen Situation auf alle Fälle vorgebeugt werden: zu politischen Abenteurern oder zu Gruppen, die Terror- oder Sabotageakte organisieren wollen, darf von den Nachrichtendiensten keinerlei Verbindung bestehen oder aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, in den Haushaltsplänen stehen eine Anzahl Fonds, für die erhebliche Millionenbeträge ausgeworfen sind. Die Rechnungslegung würde nach den Erläuterungen im Haushaltsplan nur von dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes überprüft werden. Diese Fonds sind — das möchte ich ganz offen sagen — eine ebenso unangenehme Notwendigkeit wie die Nachrichtendienste. Die Rechnungslegung kann nicht in derselben Weise erfolgen wie generell beim Haushaltsplan. Wir glauben aber, daß im Interesse der parlamentarischen Kontrolle dringend geboten ist, einer eng begrenzten Zahl von Parlamentsmitgliedern Kenntnis von der Verwendung der Gelder zu geben.
Wir sind der Ansicht, daß jede Regierung im wohlverstandenen eigenen Interesse auf eine solche eng begrenzte Kontrolle Wert legen sollte.
Deshalb haben wir den Antrag Umdruck 28 eingebracht und bitten Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Zusammenfassend darf ich noch einmal sagen: Wir hoffen, daß in absehbarer Zeit durch die Ernennung eines Außenministers der Bundeskanzler entlastet wird, wie es im Interesse der Arbeit, im Interesse des deutschen Volkes und der deutschen Politik unbedingt erforderlich ist. Denn nur dann wird der Herr Bundeskanzler die Möglichkeit haben, sich voll und ganz der entscheidenden und wichtigen Aufgabe zu widmen, nämlich die Richtlinien der Politik zu bestimmen, und zwar nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch.