Rede von
Hellmut
Kalbitzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in den vorigen Jahren mit dem Etat des Herrn Bundesministers Blücher für das damalige Marshallplan-Ministerium wiederholt auseinandergesetzt. Die Tragik liegt vielleicht für Herrn Minister Blücher darin, daß er bei der Konstituierung der ersten Bundesregierung 1949 keine echte ministerielle Aufgabe erhalten hat. Der damals so begrüßenswerte Marshallplan bedurfte — das ist sachlich unbestreitbar — zwar der größten politischen und wirtschaftlichen Aufmerksamkeit, aber er bedurfte keines eigenen Ministeriums. Insofern war nach unserer Meinung schon damals keine Berechtigung hierfür gegeben. Die Aufgabe des Marshallplanministeriums ist mit Auslaufen der Marshallplanhilfen laufend weiter gesunken, bis es im Jahre 1953 dazu kam, daß sich die Aufgabe dieses Ministeriums, die eine wirtschaftliche sein sollte, geradezu in ihr Gegenteil verkehrt hat. Ich meine: mit dem Beschluß des 1. Bundestages im vorigen Jahre, 250 Millionen DM aus dem Sondervermögen des Marshallplans nicht, wie es der Sinn dieses Vermögens war, zum Aufbau der Wirtschaft, für Investitionen usw. zu verwenden, sondern zur Abdeckung des Haushalts. Dabei ist die Paradoxie festzustellen, daß im vorigen Haushaltsjahr niemals eine solche Kassenklemme eingetreten ist, daß dieser Kredit tatsächlich je in Anspruch genommen werden mußte. Mit anderen Worten, durch diese Manipulation hat man der Wirtschaft langfristige Kredite in Höhe von 250 Millionen DM vorenthalten.
Ich meine, damit war das Urteil über die Politik dieses Ministeriums endgültig gesprochen.
Nun haben wir in der zweiten Bundesregierung dasselbe Ministerium unter einer anderen Bezeichnung, nämlich als Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wiedergefunden. Niemand in diesem Hause, am allerwenigsten ich, wird für
Deutschland die Notwendigkeit bestreiten, alle Anstrengungen für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zu machen. Aber diese notwendigen Aufgaben ressortieren bereits in zwei großen Ministerien, erstens im Auswärtigen Amt und zweitens im Bundeswirtschaftsministerium. Es ist nicht bekanntgeworden, daß die zweite Bundesregierung etwa den Versuch gemacht hat, aus den genannten großen Ministerien besondere Aufgaben herauszulösen und sie dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu übertragen. Ich sehe also nicht, welche reelle Aufgabe dieses Ministerium in irgendeiner Form heute noch hat. Wenn schon die Minister ohne Geschäftsbereich, auf die noch zu sprechen zu kommen sein wird, in der Öffentlichkeit leicht hohnisch gelegentlich als „Fraktionssekretäre mit Ministerrang" bezeichnet werden, so haben sie doch gegenüber diesem Ministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit wenigstens den Vorteil, daß sie, da sie kleiner sind, billiger sind. Das damalige ERP-Ministerium war eine Koalitionsverlegenheit. Es wäre in der zweiten Bundesregierung die Möglichkeit gewesen, aus dieser Verlegenheit herauszukommen und dem Herrn Minister Blücher eine echte ministerielle Aufgabe zuzuweisen. Das ist nicht geschehen. Wir können den taktischen Erwägungen der zweiten Kabinettsbildung nicht zustimmen. Wir müssen das hier deshalb ausdrücklich feststellen, weil die CDU in den bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen offenbar die Propagandathese aufstellen will, man wolle auf Landesebene die Ministerien vermindern und so die Verwaltung und die Regierung verbilligen. Hier, wo eine echte Möglichkeit dazu vorhanden wäre, wird es nicht getan, sondern die CDU setzt sich hier im Gegenteil für ein absolut unnötiges Ministerium ein. Das stellt klar, daß es sich bei der Behauptung, im Lande Nordrhein-Westfalen die Regierungsstellen vermindern zu wollen, um Propaganda, um nichts als leere Propaganda handelt.
Da es sich also nicht um echte Aufgaben handelt, die dem Herrn Minister Blücher zugeteilt worden sind, und dieses Ministerium sich mithin nicht in echte Aufgaben einfügen läßt, ist für uns kein Grund vorhanden, diesem Ministerium im Etat unsere Zustimmung zu geben, und wir lehnen es deshalb ab.