Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Regierung der Sowjetunion hat am 25. März dieses Jahres erklärt, daß sie mit der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik die gleichen Beziehungen aufnehme wie mit anderen souveränen Staaten. Die DDR werde die Freiheit besitzen, nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten einschließlich der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden. Mit dieser Erklärung sucht die Sowjetregierung den Anschein zu erwecken, daß der von ihr besetzte Teil Deutschlands ein selbständiges, souveränen Staaten gleichgestelltes Staatswesen geworden sei. Die sowjetische Erklärung vermag jedoch nichts gegen die Tatsache, daß es nur ein en deutschen Staat gibt, gegeben hat und geben wird.
und daß es einzig und allein die Organe der Bundesrepublik Deutschland sind, die heute diesen niemals untergegangenen deutschen Staat vertreten.
Daran ändert auch die schmerzliche Wirklichkeit nichts, daß die deutsche Staatsgewalt heute nicht einheitlich in allen Teilen Deutschlands ausgeübt werden kann.
In jenen Teilen Deutschlands, in denen heute das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt, konnten die Organe des deutschen Staates nach 1945 auf rechtmäßigem Wege — d. h. durch freie Wahlen, die den unverfälschten Willen des deutschen Volkes zum Ausdruck brachten — wiedergeschaffen werden. In allen Ländern der heutigen Bundesrepublik haben nach 1945 freie Wahlen stattgefunden, aus denen Volksvertretungen und verfassungsmäßig geordnete, verantwortliche Regierungen hervorgegangen sind. Vertreter der frei gewählten Landtage haben sich zu einer verfassunggebenden Versammlung zusammengefunden und haben im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eine freiheitlich-demokratische Verfassung geschaffen, die von den Volksvertretungen der Länder geprüft und angenommen worden ist.
In den Bundestagswahlen von 1949 und 1953 hat sich das deutsche Volk unmittelbar zu dieser neuen verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands bekannt. Schon 1949, bei einer Wahlbeteiligung von 78,5 %, erhielten die Kommunisten nur 1,5 von 25 Millionen Stimmen, also 6 %; 1953 erhielten sie bei der sehr starken Wahlbeteiligung von 86,2 % nur noch etwas über 600 000 von 28 Millionen Stimmen, d. h. nur noch 2,2 %.
Diese Zahlen beweisen, wie das deutsche Volk über ein kommunistisches Regime denkt,
das nicht wagen kann, in der von ihm beherrschten Zone freie Wahlen abzuhalten,
das die Länder mit ihren Volksvertretungen unter
Bruch der eigenen Verfassung beseitigt hat und
dessen „Volkskammer" die willenlose Unterwürfigkeit des Hitlerschen Reichstages noch überbietet, —
ein Regime, dessen einzig entscheidende Partei eine verhaßte Minderheit bildet und das sich am 17. Juni 1953 nur mit brutaler Anwendung von Waffengewalt gegen die Empörung und Verzweiflung der gesamten Bevölkerung am Ruder halten konnte.
Die Bundesrepublik war und ist daher berechtigt, auch für jene 18 Millionen Deutschen zu handeln und zu sprechen, denen schon 1949 versagt war, bei der Schaffung des Grundgesetzes mitzuwirken, und die bis zum heutigen Tage nicht die Freiheit haben, ihren politischen Willen zum Ausdruck zu bringen. Die Bundesregierung fühlt sich deshalb nach wie vor verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Verbindung zu den Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone offenzuhalten. Sie wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die tragischen Folgen der Teilung Deutschlands zu überwinden.
Niemals werden wir anerkennen, daß die durch List, Betrug und Gewalt zur Herrschaft gelangten Machthaber der Sowjetzone befugt sind, deutsche Staatsgewalt auszuüben.
Wir würden uns selbst entehren und alle Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft beleidigen, wenn wir jene Machthaber als Partner beim Werke der Wiedervereinigung Deutschlands anerkennen würden. Ein freies Deutschland könnte aus der Zusammenarbeit mit ihnen nicht hervorgehen.
Niemals werden wir uns mit der Spaltung Deutschlands abfinden und die Existenz zweier deutscher Staaten hinnehmen.
Diese Spaltung, die das Ergebnis einer durch Jahre hindurch konsequent betriebenen Abschnürungspolitik der Sowjets ist, steht im Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts wie auch zu den vertraglichen Verpflichtungen, welche die vier Besatzungsmächte 1945 untereinander eingegangen sind. Eine Besatzungsmacht hat nicht das Recht, ihre Besatzungsgewalt zur politischen Zerreißung Deutschlands zu mißbrauchen.
Deutschland als Ganzes ist im Jahre 1945 der alliierten Besatzung unterstellt worden, und nur durch einen frei verhandelten Friedensvertrag der Besatzungsmächte mit Deutschland kann über seine Grenzen entschieden werden. Die sowjetische Erklärung vom 25. März vertieft nicht nur die schon bestehende Spaltung Deutschlands, sondern zielt und vorläufigen ern zielt offenkundig darauf ab, aus einem nur tatsächlichen
völkerrechtlich und politisch endgültigen Zustand zu machen.
Der trügerische Schein von Souveränität, den die sowjetische Erklärung vom 25. März diesem Regime verliehen hat, wird die Nationen der freien Welt nicht irreführen. Die westlichen Großmächte haben bereits anläßlich der New Yorker Konferenz vom 19. September 1950 und seither wiederholt erklärt, daß nur die Bundesregierung legitimiert ist, als einzige frei gewählte Regierung des deutschen Volkes für alle Deutschen zu sprechen. Sie haben damit zugleich zu erkennen gegeben, daß sie eine zweite deutsche Regierung, die sich nicht auf den frei zum Ausdruck gebrachten Willen des deutschen Volkes stützen kann, nicht anerkennen. Keine Nation, die die freie politische Selbstbestimmung jedes Volkes über seine Regierungsform achtet und die gewaltsame Gleichschaltung, Unterwerfung und Beherrschung politisch mündiger Völker und Volksteile ablehnt, wird dieses kommunistische Regime der deutschen Sowjetzone als Regierung eines souveränen Staates anerkennen können.
Die sogenannte Souveränität des Sowjetzonenregimes wird — dessen sind wir gewiß — ebenso vergehen wie die sowjetische Fremdherrschaft und der kommunistische Terror.
Bestehenbleiben wird die unzerstörbare Souveränität des freien deutschen Volkes.