Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache hat eigentlich gezeigt, daß keine der hier im Hause vertretenen Parteien gegen den Grundgedanken einer Kinderbeihilfe etwas einzuwenden hat.
Mein Ministerium und der letzte Bundestag haben sich bereits mit diesen Fragen beschäftigt. Dabei gibt es doch gewisse Grundfragen, die man einmal ernstlich betrachten sollte.
Zuerst stellt sich die Frage: Wie hoch soll denn nun eigentlich der Lohn eines Arbeitnehmers in unserer Volkswirtschaft sein? Ich persönlich bin der Meinung, wir müssen bei dem Leistungslohn in einer Volkswirtschaft so weit kommen, daß davon eine Normalfamilie existieren kann. Wenn man diesen Grundsatz anerkennt und die Normalfamilie mit Mann und Frau und zwei Kindern berechnet, sollte man die besonderen Maßnahmen auf die kinderreichen Familien beschränken und sollte in der Volkswirtschaft immer wieder dahin streben, zu diesem gerechten und ausreichenden Lohn zu kommen. Soeben ist gesagt worden, daß die kinderarmen Familien und die Ledigen zur Aufbringung der Mittel herangezogen werden sollten. Ich bin ganz anderer Meinung.
Der Mensch muß meines Erachtens, auch wenn er unselbständig tätig ist, in seiner Jugend auf Grund seiner Leistung für die Volkswirtschaft so entlohnt werden, daß er die Jahre vor seiner Verheiratung dazu ausnutzen kann, die nötigen Rücklagen zu machen, um eben eine Familie gründen zu können.
Wenn man die Dinge einmal von dieser Seite her betrachtet, bekommen diese Fragen ein ganz anderes Gesicht.
Dazu kommt etwas anderes. Was ist denn das Kind von heute in der kommenden Zeit? Es ist im wesentlichen der Träger unserer Volkswirtschaft, und unserer Volkswirtschaft werden letzten Endes auch die Mittel für die Staatsaufgaben entnommen. Wenn man in der Vergangenheit im Arbeitgeberlager und in Teilen der gewerkschaftlichen Vertretung der Arbeitnehmer zu Regelungen gekommen ist, die neben den Tarifverträgen standen, in denen sich die betreffenden Wirtschaftsgruppen verpflichteten, im Rahmen eines Ausgleichs in dem betreffenden Beruf innerhalb der Wirtschaft selbst Mittel hierfür aufzubringen, dann war das ganz bestimmt eine vorbildliche Tat der Beteiligten. Ich habe aber den Arbeitgebern und auch Freunden in der Gewerschaftsbewegung gesagt: Sind denn die Kinder, die heute beispielsweise in den Bergarbeiterfamilien großgezogen werden, nicht die Arbeitnehmer des Bergbaus von morgen? Aus den Bergarbeiterfamilien werden heute nur 20 °/o der neuen Bergarbeiter gestellt, während 80 °/o mehr oder weniger aus den kinderreichen Familien der anderen Schichten unseres Volkes kommen. Ich habe die Leute gefragt: Haben Sie denn Ihre soziale Verpflichtung erfüllt, wenn Sie nur den zur Zeit im Bergbau Beschäftigten, wenn sie kinderreich sind, eine wirtschaftliche Hilfe geben, oder sollten Sie nicht so großzügig denken können, daß Sie Ihren zukünftigen Arbeitnehmern, also den Kindern kinderreicher Familien Hilfe 'aus dem Wirtschaftsvolumen Ihres Erwerbszweiges gewähren?
Diese Dinge sind ja weit mehr anerkannt, als man im allgemeinen annimmt. In der ganzen Wirtschaft weiß man sehr wohl — und wenn ich von der Wirtschaft rede, meine ich nicht nur -die Unternehmer, sondern zur Wirtschaft gehören ebenso gut die Arbeitnehmer —, daß es Verpflichtungen auch für den Nachwuchs gibt.
Dann wurde hier gesagt, an dem Vorschlag, der von der CDU eingebracht worden ist,
habe unser Ministerium wesentlich mitgearbeitet.
Ich habe gar keine Veranlassung, Herr Kollege Richter, davon abzurücken.
Ich sage Ihnen hier in aller Offenheit: in diesem Vorschlag meiner Parteifreunde gibt es Dinge, die ich nicht hundertprozentig unterschreibe, und darüber werden auch wir vom Ministerium uns bei den Verhandlungen im Ausschuß noch auszusprechen haben. Aber ich meine, wenn in diesem Hause über das Grundsätzliche eine einheitliche Auffassung besteht, sollte man sich in der ersten Lesung nicht allzusehr ereifern und sollte die Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Ausschuß schaffen.
Nun die Zahl der erfaßten Leute! Warum ist man auf den Gedanken gekommen, die Berufsgenossenschaften, also die Träger der Unfallversicherung, als Träger der neuen Einrichtung vorzusehen? In der Unfallversicherung sind nicht nur die Arbeitnehmer in unserer Wirtschaft versichert, sondern alle mitarbeitenden Arbeitgeber ebenfalls. Weil das nicht nur in der industriellen Wirtschaft, sondern auch in der Landwirtschaft so ist, erfassen wir einen Menschenkreis, der meines Erachtens 75 bis 80 % unseres ganzen Volkes darstellt. Wenn man über diesen Rahmen hinausgehen will, muß man natürlich Zusätzliches schaffen.
Hinsichtlich der Frage, was mit den Arbeitslosen und den Kranken geschehen soll, bin ich mir völlig klar darüber, daß die endgültige gesetzliche Gestaltung eine Auszahlung der Mittel auch an diesen Personenkreis vorsehen muß,
und zwar einfach deshalb, weil es sich hier um etwas handelt, was wir aus der Lohnsphäre herausnehmen wollen. Wenn ich es für den arbeitenden Menschen herausnehme, muß ich es selbstverständlich auch für den Unterstützungsempfänger herausnehmen. Das ist mein persönliche An-
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seht; über diese Dinge werden wir uns noch zu unterhalten haben.
Weiter ist vorhin gesagt worden, es sei nicht richtig, wenn ein gewisser Teil dessen, was in die landwirtschaftliche s Bevölkerung hineingegeben werde, von der Wirtschaft aufgebracht werden solle; hier trete eine Verlagerung ein, so daß z. B. ein kleiner Handwerksmeister eventuell verpflichtet sei, zum Teil die Mittel für den landwirtschaftlichen Sektor aufzubringen, obwohl es ihm wirtschaftlich gar nicht besser gehe als dem Mann auf dem Lande. -Wer die industrielle Unfallversicherung kennt, weiß, daß man die kleinen Handwerksbetriebe, sofern ihre Jahreslohnsumme unter einer gewissen Grenze liegt, überhaupt nicht in die Umlage einbezieht. Sie sind also an und für sich beitragsfrei versichert. Das trifft nicht nur für den Handwerksgesellen in diesem kleinen Betriebe zu, sondern auch für den allein arbeitenden Handwerksmeister.
Ich habe Ihnen diese Gedanken kurz vorgetragen in der Erwägung, daß man sich mit der Grundstruktur des Gesetzentwurfs sehr ausführlich im Ausschuß beschäftigen sollte. Ich gebe Ihnen das Versprechen, daß unser Ministerium Ihnen bei dieser Arbeit größtmögliche Hilfestellung leisten wird.