Meine Herren und Damen! Ich bitte zunächst um Entschuldigung für die durch meine Schuld vorhin eingetretene Verzögerung. Es war mir nicht bekannt, daß Punkt 3 der Tagesordnung abgesetzt ist.
Herr Kollege Mauk hat bereits die wirtschaftspolitische Situation des deutschen Obst- und Gemüsebaus, die weitgehend die Veranlassung für die Einbringung des Gesetzentwurfs seiner Parteifreunde war, dargelegt. Wir stellen uns seit Jahren sehr ernsthaft die Frage: Ist im Obst- und Gemüsebau eine Marktordnung notwendig? Da wir diese Frage mit Ja beantworten, müssen wir dafür auch die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Der 1. Bundestag ist einer diesbezüglichen Entscheidung leider ausgewichen. Das trifft nicht etwa den ganzen Bundestag. Vielmehr war in einem Unterausschuß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ein Entwurf ausgearbeitet worden, der die Zustimmung der beteiligten Abgeordneten aller Fraktionen gefunden hatte. Dieser Entwurf war aber dort gerade verabschiedet worden, als bereits der Wahlkampf zum 2. Deutschen Bundestag seine Schatten vorauswarf, und ist leider in dieser Mühle zerrieben worden. Es fand sich weder im Ernährungsausschuß noch im Plenum eine Mehrheit für den Entwurf.
Die sozialdemokratische Fraktion hatte damals bereits den Beschluß gefaßt, diesem Entwurf zuzustimmen. Die Folge davon, daß dieser Entwurf nicht verabschiedet wurde, ist, daß nun alle Jahre wieder — leider nicht so schön wie das Christkind, sondern im Gegenteil — sehr, sehr unangenehme Auswüchse auf dem Obst- und Gemüsemarkt eintreten. Es gibt Preiszusammenbrüche, die sich leider nicht bis zum Verbraucher in Gestalt von niedrigen Preisen durchsetzen; es gibt auf der
anderen Seite hin und wieder sehr phantastische Preiserhöhungen, die sich ebenso leider nicht bis zum Erzeuger durchsetzen, so daß gerade diese beteiligten Gruppen weder von den zu niedrigen noch von den zu hohen Preisen irgend etwas haben.
Wir wissen, daß man gerade auf dem Obst- und Gemüsesektor saisonale Schwankungen nicht beseitigen kann. Wir wissen auch, daß man die Schwierigkeiten, die es auf diesem Gebiet gibt, nicht etwa durch leere Versprechungen — etwa, die Einfuhr von heute auf morgen zu beschränken — aus der Welt schaffen kann. Wir sind aber der Auffasung, daß ordnende Maßnahmen möglich sind. Diese müssen so sein, daß die Erzeuger zu ihrem Recht kommen, daß ihre Produktion einen Sinn hat, daß durch gute Qualitätsware zu einem angemessenen Preise aber auch der Verbraucher und der Handel einen Vorteil haben. Man kann nicht nur eine Marktordnung auf dem Obst- und Gemüsesektor machen, ich bin der Meinung, man m u ß es geradezu, wenn man verantwortungsbewußt handeln will.
Nun darf ich einige wenige Bemerkungen zu unserem Gesetzentwurf machen, schon deswegen,
eine - allerdings beschränkte — Öffentlichkeit nicht sehr zustimmend darauf reagiert hat. Erreicht soll werden, was in § 1 unseres Gesetzentwurfs zum Ausdruck kommt: ein lebensfähiger deutscher Anbau und eine ausgeglichene Marktversorgung. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür finden Sie in dem sozialdemokratischen Entwurf. Ich möchte aber betonen, was mein Kollege Mauk bereits angedeutet hat: es handelt sich hier um eine Gemeinschaftsarbeit von Abgeordneten aus allen Fraktionen. Wir haben aus diesem Grunde Wert darauf gelegt, den Entwurf unverändert einzubringen, nicht etwa, weil er nun ganz besonders sozialdemokratischen Vorstellungen entspräche, sondern weil wir der Auffassung sind, so geht es. Wir sind sehr dankbar, wenn es Kollegen gibt, die uns bei der Behandlung dieses Entwurfs im Ausschuß sagen können, wie es noch besser gemacht werden könnte.
Dieser Entwurf ist aufgebaut auf der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung der Erzeuger. Die Marktordnung kann auch nur funktionieren, wenn die Erzeuger das wollen und wenn die Erzeuger einsehen, daß Rechte auch Pflichten bedeuten. Der Entwurf enthält ein Mindestmaß an bürokratischem Apparat.
- Ich habe erwartet, daß Sie zu dieser Bemerkung lachen werden. Aber ich meine, Sie sollten über dieses Gesetz nicht nur die Bemerkungen in der ..Frankfurter Allgemeinen" lesen, sondern sich die Mühe machen, das Gesetz nun wirklich von vorn bis hinten durchzustudieren. Dann werden Sie nämlich feststellen, daß es in erster Linie ein Selbstverwaltungsgesetz ist und der bürokratische Apparat dabei sowenig wie möglich in Erscheinung tritt. Einige Dinge mußten gesagt werden, weil unser Grundgesetz dafür eben solche Voraussetzungen gibt.
Wir haben es uns bei der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs nicht leicht gemacht. Wir wissen, daß man sich dabei auch eine gewisse Beschränkung auferlegen muß . So ist der Entwurf auf Hauptanbaugebiete beschränkt und schließt die Streugebiete aus. Er hat den Sinn, ein zusammengefaßtes Angebot zu erreichen und — darauf möchte ich besonders hinweisen — in diesen Hauptanbaugebieten mehrere Absatzeinrichtungen zu schaffen, die dann miteinander in Wettbewerb treten können. Es gibt keinen Zwang für einen Erzeuger, sich nur einer Absatzeinrichtung anzuschließen, sondern er hat die Wahl. Der Handel kann bei allen Absatzeinrichtungen kaufen, findet überall einen zusammengefaßten Markt, hat die Möglichkeit des Vergleichs, so daß also dem Leistungswettbewerb keinerlei Schranken gesetzt sind. Der Verbraucher hat nach wie vor die Möglichkeit, vom Erzeuger direkt zu kaufen, weil das durch das Gesetz nicht ausgeschlossen wird.
Wesentliche Beanstandung hat in der Presse die Tatsache gefunden, daß beide Gesetzentwürfe die Möglichkeit vorsehen, einen Mindestpreis für bestimmte Waren zu vereinbaren und dafür einen Stützungsfonds zu schaffen. Für den Stützungsfonds werden vom Erzeuger Beiträge erhoben. Es ist notwendig, darauf aufmerksam zu machen. Das ist das Regulativ dafür, daß die Verbraucher nicht durch zu hohe Mindestpreise belastet werden. Die Erzeuger müssen ja, wenn sie zu hohe Mindestpreise festsetzen und die Ware zu diesen Preisen nicht absetzen können, die Differenz selber bezahlen, weil sie, und nur sie allein Abgaben in den Stützungsfonds zu zahlen haben.
In dem Gesetz ist keine Beteiligung des Staates aus Steuermitteln an diesem Stützungsfonds vorgesehen. Das hat zur Folge, daß weder die Verbraucher noch der Handel bei der Verwendung dieses Fonds mitsprechen können. Das scheint uns notwendig, weil die Erzeuger für den Fonds Beiträge zahlen.
Wir haben in diesem Entwurf bewußt nicht vorgeschrieben, was mit der Ware geschehen soll, die auf dem Wege über den Stützungsfonds aus dem Markt genommen wird. Ich glaube, man kann dem Erzeuger nicht zumuten, daß er Ware, die er mit viel Mühe erzeugt hat, vernichtet, sondern man muß es ihm selbst bzw. seiner Absatzeinrichtung überlassen, was damit geschieht. Ich bin überzeugt, daß man einen Weg finden wird, diese Ware dann auch noch zu verwerten.
Das Gesetz enthält weiterhin Vorschriften, die es ermöglichen — und auch das scheint mir besonders notwendig zu sein —, den Erzeugern im gesamten Bundesgebiet einen Überblick über die gemeinsamen Anbauabsichten und auf Grund dieses Überblicks dem einzelnen Erzeuger Anbauempfehlungen zu geben. Alles das zusammen aber ist nicht etwa eine Zwangsvorschrift, sondern ausschließlich eine Angelegenheit der gegenseitigen Unterrichtung und Empfehlung. Der Gesetzentwurf sieht bewußt von einer starren Kontingentierung ab und nimmt dem Erzeuger das Risiko nicht ab.
Daß die Kosten in diesem Gesetzentwurf auf ein Mindestmaß beschränkt worden sind, ist selbstverständlich.
Noch ein paar Worte zum Einfluß der Einfuhr. Es ist meiner Ansicht nach zu billig, einfach zu sagen, unter der Einfuhr leide in besonderem Maße der deutsche Obst- und Gemüsebau, weil ihretwegen seine Ware nicht abgesetzt werden könne. Ich bin zunächst einmal der Auffassung, daß die Kaufkraft des deutschen Verbrauchers auch auf dem Obst- und Gemüsemarkt noch wesentlich gesteigert werden kann und daß mit dieser Kaufkraftsteigerung manches Absatzproblem leicht zu lösen ist. Trotzdem haben wir in diesem Gesetz-
entwurf den § 15 stehenlassen, der eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellt. Ich meine aber, daß über die Art und Weise, wie die Handelspolitik den deutschen volkswirtschaftlichen Interessen im Rahmen der internationalen Verpflichtungen Rechnung trägt, nichts in diesem Gesetz stehen kann. Das ist eine Angelegenheit vielfältiger Vereinbarungen, zu denen Zölle usw. gehören. Im Zusammenhang mit den Einfuhren und mit der einmal auf uns zukommenden europäischen Agrar-Union ist es vor allen Dingen notwendig, den deutschen Obst- und Gartenbau konkurrenzfähig zu machen und eine gesetzliche Grundlage für eine wirksame Selbsthilfe zu geben. Das will dieses Gesetz in erster Linie.
Im Gartenbau wie auch in der gesamten Landwirtschaft ist eine kurzfristige Umstellung auf eine andere Produktion absolut nicht möglich.
Das hängt in erster Linie damit zusammen, daß vor allen Dingen der Obsthau auf Jahre im voraus planen bzw. seine Produktion einstellen muß.
Durch dieses Gesetz wird es möglich sein, der Hausfrau die Entscheidung für einheimisches Obst und Gemüse leichter zu machen, weil es gleichschön, Bleichgut und gleichpreiswert ist. Das ist aber nur möglich — und ich bitte das bei der Kritik des Gesetzes doch einmal genau nachzulesen —, wenn gleichzeitig mit der Verabschiedung dieses Gesetzes die Handelsklassen für Obst und Gemüse nach dem Handelsklassengesetz obligatorisch werden und wenn dieses Gesetz überhaupt nur für Handelsklassenwaren zuständig ist. Das steht auch in unserem Entwurf.
Es wäre sicher gut, wenn die Absatzeinrichtungen, die ja auf Grund verschiedener Erzeugungskosten, verschiedener Qualitäten und verschiedener Kaufkraft untereinander konkurrieren, die Preise, die sich bei diesen Einrichtungen bilden, und die Mindestpreise publizierten. Denn dadurch hätte der Verbraucher die Möglichkeit, sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen und festzustellen, was der Handel auf dem Markt für die Ware bezahlt, so daß Situationen, wie sie durch den bekannten Kohlkopf hervorgerufen worden sind, nicht mehr möglich wären. Da der Handel bei allen Absatzeinrichtungen einkaufen kann, dort ein übersichtliches Angebot, direkte Vergleichsmöglichkeiten und zuverlässige Qualitäten findet, wird es auch wieder möglich sein, dem deutschen Obst- und Gartenbau Eingang in den Export zu verschaffen.
Wir sind der Auffassung, daß man nicht länger damit warten kann, dieses Gesetz zu beraten, sondern daß es eilt, weil es ja eine gewisse Anlauffrist braucht, um dann durchgeführt zu werden. In diesem Zusammenhang ist vielleicht eine kleine Berichtigung anzubringen. In beiden Gesetzentwürfen steht: „ab 1. März 1954". Das muß wohl „ab 1. März 1955" heißen, weil der Erzeuger ja vor Beginn des Wirtschaftsjahres wissen muß, mit welchen gesetzlichen Vorschriften er zu rechnen hat.
Zusammengefaßt möchte ich sagen: Man kann der Bundesregierung nicht die Verantwortung für die Handelspolitik abnehmen. Deshalb haben wir in unserem Entwurf auf Bestimmungen verzichtet, die einschneidende Maßnahmen in der Handelspolitik bedeuten würden und uns nicht durchführbar erscheinen. Man kann dem Erzeuger auch keine Preis- und Abnahmegarantie für unbegrenzte Mengen und für mindere Qualitäten geben. Man kann dem Verbraucher nicht bessere und preiswertere Auslandsware zwangsweise vorenthalten, und man kann den Export nicht dadurch behindern, daß man die Einfuhren unnötigerweise beschränkt. Man muß aber den Erzeuger — auch den Erzeuger von Obst und Gartenbauerzeugnissen! — in die Lage versetzen, daß er durch eigene Anstrengungen den Markt gewinnen kann. Dafür muß man ihm die gesetzlichen Voraussetzungen geben. Etwas anderes will unser Gesetzentwurf nicht, und er erscheint uns geeignet, das zu erreichen.
Nun bitte ich den Herrn Präsidenten, mir zu erlauben, gleich noch einige wenige Ausführungen zu dem Gesetzentwurf meiner Kollegen aus den Koalitionsparteien zu machen, soweit er sich von unserem unterscheidet. Ich bedaure eigentlich, in der Situation zu sein, meine Kollegen kritisieren zu müssen, weil ich der Meinung bin, daß sich gerade dieses Gebiet nicht zu parteipolitischen Auseinandersetzungen eignet. Aber es ist doch erstaunlich, daß uns ausgerechnet aus den Kreisen der Regierungsparteien so bald nach dem Parteitag der FDP, auf dem der Liberalismus ganz groß geschrieben worden ist, ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der meiner Meinung nach doch einige recht zwangswirtschaftliche Bestimmungen enthält.
Das ist die eine Seite des Entwurfs, die mir nicht gefällt, weil ich der Meinung bin, daß jeder Berufszweig, auch der Obst- und Gartenbau, sich weitgehend selber helfen soll und man ihm das Risiko nicht restlos abnehmen kann.
Darüber hinaus bin ich erstaunt, daß in einem solchen Entwurf Bestimmungen bezüglich der Handelspolitik stehen, von denen eigentlich jeder wissen müßte, daß sie einfach nicht durchführbar sind. Das ist das Gefährliche an diesem Entwurf, daß man wieder einmal bei den Erzeugern Hoffnungen erweckt, die nicht erfüllt werden können.
Gestern ist hier von einem Kollegen freundlicherweise gesagt worden, ich hätte mein Herz für die Landwirtschaft erst bei der gestrigen Debatte entdeckt. Nun, wenn ich mir diesen Gesetzentwurf anschaue, dann bin ich der Auffassung, daß das Herz dieser Kollegen für den deutschen Obst- und Gartenbau ganz besonders laut schlägt. Das Herz ist in der Politik nicht der schlechteste Berater. Aber wenn es so laut schlägt, daß man Unmögliches verspricht, dann scheint mir dabei die Vernunft ein klein wenig zu kurz gekommen zu sein.
Unser Gesetzentwurf hat sich weise beschränkt. Er ist von der Vernunft diktiert, und die Vernunft muß bereit sein, die Grenzen des Möglichen aufzuzeigen, auch wenn das nicht gerade populär ist.
Das gilt vor allen Dingen bezüglich der Vorschriften über die Aussetzung der Einfuhr in dem Augenblick, in dem die Preise unter den Grundpreis gesunken sind. Ich bin gespannt, wie uns unsere Kollegen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklären wollen, wie sich das in der Praxis durchführen lassen soll; denn die Preise bewegen sich ja auf verschiedenen Absatzeinrichtungen im ganzen Bundesgebiet auf verschiedener Basis. So leicht scheint mir das nicht zu sein. Außerdem widerspricht es meiner Meinung nach auch dem GATT.
In dem Entwurf sind ferner Bestimmungen enthalten, die nicht nur dem Bundesminister,
sondern auch den sogenannten Gebietsstellen geradezu eine Ermächtigung geben, in den Fällen, in denen dieses Gesetz keine Regelung vorsieht, einfach auf andere Weise ähnliche Bestimmungen zu schaffen, wie sie in dem Gesetz stehen. Das scheint mir gesetzlich nicht möglich zu sein.
Eine andere Bestimmung sieht vor, den Anbau von Obst und Gartenbauerzeugnissen in Betrieben mit mehr als vier Hektar Land von einer Genehmigung abhängig zu machen. Jeder, der unser Grundgesetz einigermaßen kennt, weiß, daß man niemandem im Bundesgebiet verbieten kann, Obst oder Gemüse anzubauen, wenn er das will. Man kann ihm dann natürlich auch nicht helfen, wenn er die Konsequenzen daraus ziehen soll.
Das sind in erster Linie die Dinge — ich möchte mich auf einige wenige beschränken —, die uns bei diesem Gesetzentwurf falsch und undurchführbar erscheinen. Dazu gehören vor allem die Forderungen, auch den Handel zu den Abgaben heranzuziehen und dem Erzeuger eine Absatzeinrichtung zuzuweisen, bei der - und nur bei der — er abliefern muß. Das alles sind Zwangsvorschriften, die den Wettbewerb behindern würden. Daß das in dem Gesetz steht, bedaure ich deswegen, weil ich eigentlich der Meinung bin: wenn man beweisen will, daß eine Ordnung auf dem Sektor Obst- und Gartenbau nicht möglich ist, dann muß man genau die Vorschriften in ein Gesetz hineinschreiben, die in diesem Entwurf stehen.