Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wirtschaftspolitische Lage des deutschen Obst- und Gemüsebaues erfordert es, daß man eine Regelung des Absatzes findet. Schon im letzten Bundestag hat deshalb die Bundesregierung vor nahezu zwei Jahren ein Gesetz zur Regelung des Absatzes von Obst und Gemüse eingebracht. Dieses Gesetz wurde zwar im 1. Bundestag beraten, konnte aber leider nicht mehr verabschiedet werden.
Diesen Gesetzentwurf, der von einem Unterausschuß des Ernährungsausschusses beraten worden ist, hat nun die SPD, die leider ihre Vorlage noch nicht begründen konnte, zur Grundlage ihres erneuten Antrags gemacht. Ebenso hat eine Reihe von Abgeordneten der Regierungsparteien diesen Gesetzentwurf wieder zur Grundlage einer neuen Vorlage gemacht; allerdings wurden in einigen Punkten noch Ergänzungen vorgenommen.
Um Ihnen die Notwendigkeit einer solchen Regelung darzulegen, möchte ich ganz kurz auf die derzeitige wirtschaftspolitische Lage des deutschen Obst- und Gemüsebaues eingehen. Wir haben vor dem Kriege im Durchschnitt der Jahre im Reichsgebiet eine Gemüse-Anbaufläche von rund 150 000 ha gehabt, bei einem Bevölkerungsstand von rund 65 Millionen Menschen. Diese Anbaufläche war auch während des Krieges, wie Sie wissen, notwendig. Sie ist noch vergrößert worden, weil gerade der Gemüsebau eine ganz wichtige Ernährungslücke schließen mußte. Man war damals sehr dankbar, daß die Gemüseanbauer die größten Anstrengungen machten, um diese Lücke, durch den Mehranbau von Gemüse zu schließen. Auch nach dem Kriege hatten wir noch eine große Anbaufläche nötig. Sie erreichte im Bundesgebiet annähernd dieselbe Hektarzahl wie vor dem Kriege für das ganze Reichsgebiet. Sie betrug auch noch im Jahre 1948 - um Ihnen einen Vergleich zu geben — 128 000 ha.
Dann kam die Währungsreform. Über die Grenzen war bis dahin fast kein Gemüse hereingekommen. Nun kamen aber die Importe, die vorher fast vollständig abgeschnitten waren, so stark, daß der Gemüsebau fast völlig zerschlagen worden ist. Als Beispiel führe ich die Tatsache an, daß innerhalb von drei Jahren die Anbaufläche von 128 000 ha auf etwa 56 000 ha im Jahre 1951 zurückgegangen ist. Der Anbau von Gemüse war in Deutschland einfach unrentabel geworden. Daraus ist dieser kolossale Anbaurückgang zu erklären. Man glaubte nun, den Bedarf der deutschen Bevölkerung mit Importen decken zu können, und nahm an, daß sich im freien Spiel der Kräfte die Sache von selbst regeln werde. Es hat sich aber gezeigt, daß das Gemüse infolge des Anbaurückganges in Deutschland nun trotz der hohen, ja überhöhten Importe nicht billiger geworden ist. Wie ich im Vorjahr anläßlich der Begründung einer Großen Anfrage in diesem Hohen Hause ausführte, hat infolge dieser falschen Einfuhrpolitik letzten Endes die Hausfrau, der Verbraucher die Zeche zahlen müssen. Das Gemüse ist nämlich, wie festgestellt werden muß, auf dem Markt nur noch dann preiswert zu bekommen, wenn die deutsche Ernte auf dem Markt ist, d. h. nur in den Wochen und Monaten, in denen wir deutsches Gemüse anzubieten haben. In der übrigen Zeit zahlt letzten Endes der Verbraucher die überhöhten Preise, die uns dann eben vom Ausland mehr oder weniger diktiert werden.
Ich möchte nur noch ganz kurz darauf hinweisen, daß wir dann zwei Jahre hatten, während deren die Marktverhältnisse für den deutschen Erzeuger infolge des starken Anbaurückgangs in Deutschland wieder etwas besser waren. Dazu hatten wir in verschiedenen Teilen des Bundesgebiets zwei Trockenjahre, nämlich 1951 und 1952, wo die Hektarerträge unter dem Durchschnitt lagen. Die Preise haben sich wieder etwas gebessert. Das brachte eine leichte Anbauerhöhung im Jahre 1953. In diesem Jahre war dazu noch günstigeres Wetter; wir haben wieder höhere Hektarerträge bekommen. Und schon war wieder ein Marktzusam-
menbruch! Für den Anbau ist das einfach unerträglich. Ein großer Teil der Erzeugnisse mußte untergepflügt, ein anderer, großer Teil konnte nur zu Preisen abgesetzt werden, die nicht entfernt die Gestehungskosten deckten.
Wenn ich Ihnen hier einmal Indexzahlen des Gemüses und die anderer landwirtschaftlicher Produkte nenne und sie dann den Preisen von Industrieerzeugnissen gegenüberstelle, werden Sie erkennen, daß die Gemüseerzeuger in den letzten Jahren im Durchschnitt nicht viel mehr bekommen haben als in den Jahren vor dem Kriege, während sich in der Zwischenzeit die Produktionskosten nahezu verdoppelt, teilweise sogar mehr als verdoppelt haben.
Beim Obst liegt der Fall ähnlich. Im früheren Reichsgebiet hatten wir hier in Westdeutschland die Hauptanbaufläche von Obst. Ohne daß die Fläche ausgedehnt worden ist, sind die Ernten infolge besserer Kulturmaßnahmen, besserer Schädlingsbekämpfung, besserer Düngung usw., in den letzten drei Jahren im Bundesgebiet durchschnittlich größer gewesen als die Ernten im früheren Reichsgebiet. Man müßte deshalb annehmen können, daß die Obsternten des Bundesgebietes den Bedarf einigermaßen decken. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Wenn wir die Importe in Vergleich ziehen, können wir feststellen, daß wir im Durchschnitt von zwölf Jahren, und zwar der Jahre 1927 bis 1938, 760 000 t Obst und Südfrüchte in das Reichsgebiet importiert haben. Die Menge von 760 000 t wurde bereits im Jahre 1950 wieder annähernd erreicht, 1951 überschritten, 1952 wiederum überschritten, und zwar stieg nun der Import schon auf 850 000 t. Für das Jahr 1953 sind die Zahlen noch nicht ganz genau bekannt. Wir haben sie bis November und eine geschätzte Zahl für den Monat Dezember. Nach diesen neuesten Erhebungen werden wir 1953 voraussichtlich auf 1,2 Millionen t kommen gegenüber 588 000 t im Jahre 1950. Das ist also eine Steigerung um rund das Doppelte innerhalb von knapp vier Jahren. Wenn wir diesen Zahlen die eigenen Erntemengen gegenüberstellen, so haben wir vielleicht eine Erklärung dafür, daß der Obstbau heute derjenige Zweig unserer gesamten Wirtschaft ist, der in bezug auf die Indexpreise am niedrigsten liegt. Wir haben in den letzten zwei Jahren nur wenige Obstsorten gehabt, die den Indexpreis von 1938 erreicht haben. Im Jahre 1952 war es nur eine einzige Obstart, die diesen Indexpreis überschritten hat, und zwar die Erdbeere; alle anderen Beerenobstsorten sowie Kernobst und Steinobst lagen weit darunter, teilweise bis zu 46 Punkten unter dem Indexpreis von 1938. Dieser Wirtschaftszweig ist ja nicht ganz unbedeutend. Es gibt im deutschen Bundesgebiet 125 Millionen Obstbäume, allerdings einschließlich derjenigen, die im eigenen Hausgarten, im Selbstversorgerobstbau stehen. Angesichts dieser Zahlen können Sie sich, glaube ich, einen Begriff machen, wie dieser Wirtschaftszweig Not leidet.
Ich möchte dann noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Wir haben im Bundesgebiet rund 2 050 000 landwirtschaftliche Betriebe, davon 1,1 Millionen, also etwa 55 %, unter 5 ha Betriebsfläche. Wenn man die gesamte Betriebsfläche durch die Zahl der Betriebe dividiert, kommen im Durchschnitt genau 2 ha heraus. Das bedeutet, daß es sich im großen Durchschnitt, bei mehr als der Hälfte der deutschen Landwirtschaft, um Klein- und Kleinstbetriebe handelt und daß diese Klein-,
Kleinst- und Mittelbetriebe, um ihre Existenz zu erhalten, in erster Linie auf die Einnahmen aus Sonderkulturen, von denen der Obst- und Gemüsebau eine der wichtigsten ist, angewiesen sind. Fallen die Einnahmen aus diesen Sonderkulturen weg oder werden sie zu niedrig, so sind alle diese Betriebe mehr oder weniger bedroht. Man spricht in der letzten Zeit so viel von notwendigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Man spricht von Exportkartellen, von Krisenkartellen und anderen notwendigen Zusammenschlüssen. Wir haben uns dieser Tage darüber unterhalten, daß der Zusammenschluß der Mühlen erforderlich ist, um sie wieder existenzfähig zu machen. Sobald aber wir von der Landwirtschaft, insbesondere wenn es um die kleinen Obst- und Gemüsebaubetriebe geht, irgendeinen Schutz vom Staat verlangen, heißt es: Das ist in unserem Staate, im Wettbewerb der freien Wirtschaft einfach nicht möglich; das verstößt gegen das Grundgesetz. So hat man alle möglichen Ausreden, die man ja schon wiederholt gehört hat.
Ich stelle deshalb den Antrag, den Entwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich weiß, auch einige meiner Parteifreunde haben Bedenken gegen den Wortlaut dieses Gesetzentwurfs. Der Entwurf ist aber von allen beteiligten Wirtschaftskreisen und insbesondere von den Experten des Obst- und Gemüsebaus sehr sorgfältig ausgearbeitet worden.