Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend dem Gesetzgebungsweg, wie ihn Art. '76 des Grundgesetzes vorsieht, leitet die Bundesregierung dem Bundesrat heute Gesetzentwürfe über eine Steuerreform zu. Sie wird dem Bundesrat außerdem bis zum 18. März auch die Gesetzentwürfe über eine Finanzreform zuleiten, die sich auf die Ermächtigung des Art. 107 des Grundgesetzes stützt. Die letztgenannten Gesetzentwürfe sind im Kabinett bereits grundsätzlich genehmigt; sie sollen aber noch in ihrer Wortfassung einer letzten Überprüfung in den allernächsten Tagen unterzogen werden. Sobald sämtliche Gesetzentwürfe samt ihren Begründungen im Druck vorliegen, werden sie informativ auch den Mitgliedern dieses Hauses zugeleitet.
Die Bundesregierung benützt diese Gelegenheit, dem Deutschen Bundestag durch mich den wesentlichen Inhalt dieser Gesetzentwürfe, ihre Beweggründe und Ziele darzulegen. Es ist das erste Mal, daß die Bundesregierung die Form einer Regierungserklärung wählt, um den Deutschen Bundestag über den Inhalt von Gesetzentwürfen zu verständigen, noch bevor sie im Weg der ordentlichen Gesetzgebung dem Deutschen Bundestag zugehen.
Es handelt sich um Gesetzentwürfe von außergewöhnlicher Bedeutung nicht nur in yolks- und finanzwirtschaftlicher Hinsicht, sondern wohl auch für die Verfassungsentwicklung der deutschen Bundesrepublik. Gesetzentwürfe von solch außergewöhnlicher Bedeutung können in den vorbereitenden Verhandlungen nicht auf dem öffentlichen Markt besprochen werden. Sie sind nur verständlich, wenn man das ganze Werk, das Ineinandergreifen aller Teile kennt und jeden Teil nach seinem Zusammenhang mit dem Grundgedanken des ganzen Gesetzgebungswerkes verstehen kann. Es würde störend wirken, wenn Stück für Stück in der öffentlichen Erörterung ohne diese Kenntnis zerpflückt würde, insbesondere wenn in dem Zeitraum der Vorbereitung und Überlegung einzelne Gedanken, die vielleicht noch gar keine feste und endgültige Form gefunden haben, aus dem Zusammenhang gerissen, erörtert und nur vom Standpunkt des unmittelbar Beteiligten aus beurteilt würden. Eine Erörterung in der Öffentlichkeit läßt sich aber von dem Tag an nicht mehr vermeiden, wo entsprechend unserem in Art. 76 des Grundgesetzes vorgesehenen Gesetzgebungsweg Gesetzesvorschläge dem Bundesrat und damit einem breiten Kreis innerhalb des ganzen Bundesgebietes zugehen.
Der Bundesregierung sind früher schon Klagen aus den Reihen des Bundestags vorgetragen worden, die Abgeordneten würden über den Inhalt wichtigster Gesetzentwürfe durch die Presse und Interessentenverbände verständigt, bevor dem Bundestag selber das ganze Gesetzgebungswerk zur Kenntnis gebracht sei und er die Möglichkeit habe, vom Gesichtspunkt des Ganzen aus zu den Fragen Stellung zu nehmen, die an ihn von Beteiligten Stück für Stück herangetragen werden. Die Achtung vor dem Bundestag als gesetzgebender Körper-
schaft hat deshalb die Bundesregierung veranlaßt, die Stunde, in der diese neuen großen Gesetzeswerke der Öffentlichkeit doch bekanntwerden, zu benützen, um dem Bundestag die Grundgedanken, Beweggründe und Ziele dieses Gesetzgebungswerkes unmittelbar und nicht auf dem Wege über die Presse mitzuteilen.
Selbstverständlich kann es in diesem Fall nicht die Aufgabe sein, auf die Einzelheiten der Gesetzesvorschläge einzugehen. Das muß der Stunde vorbehalten bleiben, in der die Gesetzesvorlagen entsprechend Art. 76 des Grundgesetzes samt der Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag durch die Bundesregierung mit einer eigenen Stellungnahme zu den Anregungen des Bundesrates vorgelegt werden. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß sie damit einen ersten Versuch unternimmt, der vielleicht, wenn er sich als fruchtbar erweist, bei kommenden Gesetzgebungsarbeiten von außergewöhnlicher Bedeutung ebenfalls eingehalten werden kann.
Um Gesetzgebungswerke von wahrhaft großer, j a vielleicht geschichtlicher Bedeutung handelt es sich hier. Wir haben zwei Gesetzgebungswerke, davon eines über eine Finanzreform in der Bundesrepublik. Es setzt sich zusammen aus je einem Gesetz über die Finanzverfassung, über die Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung und über den inneren Finanzausgleich unter den Ländern. Es gibt außerdem die Ermächtigung zum Erlaß eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Letztere ist das Bindeglied zum zweiten der beiden Gesetzgebungswerke, nämlich demjenigen über die Steuerreform. Das Gesetzgebungswerk über die Steuerreform enthält einen Gesetzentwurf zur Neuordnung von Steuern — das sind Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Wohnungsbauprämiengesetz, Gewerbesteuer und Erbschaftsteuer —, ferner ein Gesetz zur weiteren Erhebung der Abgabe Notopfer Berlin, ein Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und endlich das Gesetz über die erwähnte neue Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer auf Grund der Ermächtigung, die in dem Gesetz über die Finanzverfassung hierzu enthalten ist.
Ich beginne mit dem Gesetzgebungswerk über die Finanzreform. Ziel der beiden Gesetzgebungswerke ist erstens, das Verantwortungsbewußtsein in Bund und Ländern für die Verwendung der aufgebrachten Steuermittel möglichst zu steigern. Es soll dem Bund wie den Ländern eine hinreichend dauerhafte Grundlage für die Erfüllung ihrer Aufgaben geboten werden. Bund und Länder sollen zur eigenen verantwortlichen Wahrnehmung der ihnen verfassungsmäßig zukommenden Aufgaben befähigt und verpflichtet werden. Es soll damit das Verantwortungsbewußtsein für eine zweckmäßige und sparsame Finanzgebarung in Bund und Ländern gestärkt werden. Es soll der Wille geweckt werden, den Wirkungsgrad der Verwaltungsleistungen zu steigern und damit zur Senkung des Steuerbedarfs der öffentlichen Gesamtverwaltung beizutragen. Zweitens ist es das Ziel, die nach den Zeitverhältnissen mögliche Stetigkeit auf finanziellem Gebiet für die Bundesrepublik zu erreichen. Drittens: Soll aber eine finanzielle Stetigkeit erreicht werden, so muß dies verbunden werden mit einer Überprüfung unserer gesamten Steuergesetzgebung. Es soll für eine menschlich voraussehbare Zeit eine steuerliche Stetigkeit gewonnen werden, ohne diese Stetigkeit zu einem Hindernis und einer Fessel des wirklichen Lebens werden zu lassen. Das Leben entwickelt sich ja ständig weiter. Es ist die Aufgabe jeder Verfassungsgesetzgebung, das Leben nicht zu drosseln, damit das Leben nicht die Verfassung sprengt, sondern die Gesetze so beweglich zu gestalten, daß die Anpassung an das Leben im Rahmen und in Beachtung der Verfassung wirklich möglich ist.
Diese Leitgedanken der Reform sind in der Begründung der Gesetzgebungswerke ausführlich dargelegt. Ich bitte, sich durch den Umfang dieser Begründung nicht davor abschrecken zu lassen, sie wirklich zu studieren.
Sie ist, insbesondere die Begründung zu den Gesetzen der Finanzreform, eine eingehende Arbeit über die Entwicklung des Finanzwesens in Deutschland seit dem Jahre 1871 geworden. Sie schildert das Verhältnis zwischen Reich und Bund einerseits, den Staaten und Ländern andererseits seit 1871. Sie gibt dem Leser einen Überblick über die Schwierigkeiten und die für das ganze Leben der Nation entscheidende Bedeutung der Regelung dieses Finanzwesens in unserem Vaterland, das zur kaiserlichen Zeit und in der Weimarer Republik und in den Tagen der Bundesrepublik ein föderativer Staat, in den unglückseligen Tagen Hitlers ein zentralistisch gelenkter Staat gewesen ist.
Ich darf mich kurz auf eine zum Verständnis notwendige grundsätzliche Bemerkung zur Entwicklung des Finanzwesens seit Errichtung der Bundesrepublik beschränken.
Dem Gesetzgeber des Grundgesetzes war auch die Aufgabe gestellt, das Finanzwesen der Bundesrepublik zu regeln. Er hat dies in Abschnitt X des Grundgesetzes getan, insbesondere hat er in Art. 106 des Grundgesetzes die Verteilung des Aufkommens an allen Steuern vorgenommen. Er teilt in Art. 106 des Grundgesetzes die Zölle, den Ertrag der Finanzmonopole, die Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die Vermögensabgaben, die einmaligen Zwecken dienen, dem Bund zu; die Biersteuer, die Verkehrsteuern — mit Ausnahme der Beförderungsteuer und der Umsatzsteuer —, die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer, die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis teilt er den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu. Der Verfassunggeber des Jahres 1949 mußte dabei nicht nur von den Grundsätzen ausgehen, die er für den föderativen Aufbau der Bundesrepublik in den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes festgelegt hatte, nämlich von der verfassungsrechtlich gesicherten Eigenstaatlichkeit der Länder — Art. 20 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes —, von dem Grundsatz der gemeindlichen Selbstverwaltung — Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes —; er mußte nicht nur bedenken, daß erst durch eine entsprechende Finanzordnung diese Grundsätze klar umrissen ins Leben treten können, sondern er mußte insbesondere auch überlegen, ob die Verteilung der Steuerquellen dem Bund und seinen Ländern die Erfüllung der Aufgaben ermöglicht, die ihnen das Grundgesetz zuweist.
In Art. 120 des Grundgesetzes hat der Gesetzgeber dem Bund die Aufwendungen für Besatzungskosten, die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten und die Zuschüsse zu den Lasten aus der Sozialversicherung neben den dem Bund natürlich zustehenden Aufgabengebieten besonders zugewiesen.
In Art. 30 des Grundgesetzes hat der Gesetzgeber die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben als Sache der Länder erklärt.
Der Grundgesetzgeber des Jahres 1949 konnte einen ausreichenden Überblick über die Entwicklung der kommenden Jahre, über die Größenordnung für die einzelnen Aufgaben nicht haben. Er hat deshalb in Art. 106 Abs. 3 zunächst festgesetzt, daß der Bund durch Bundesgesetz einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner Ausgaben in Anspruch nehmen kann, soweit diese Ausgaben nicht durch andere Einkünfte des Bundes gedeckt werden können. Er hat diese Ermächtigung aber gekettet an die Zustimmung des Bundesrates. Der Bund benötigt also zur Anwendung dieser Ermächtigung die Zustimmung derer, die auf ihre Einkünfte aus Einkommen- und Körperschaftsteuer zu seinen Gunsten teilweise zu verzichten haben.
Das Grundgesetz hat außerdem den Grundsatz ausgesprochen — Art. 106 Abs. 2 und 3 —, daß der Bund die Leistungsfähigkeit auch der schwächeren Länder zu sichern und eine unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen hat. Es hat in diesen Bestimmungen vorgesehen, daß der Bund Zuschüsse gewähren kann und daß durch Bundesgesetz bestimmt wird, welche Steuern der
Länder hierbei herangezogen werden und mit welchen Beträgen und nach welchen Schlüsseln die Zuschüsse an die empfangsberechtigten Länder verteilt werden.
Der Grundgesetzgeber war sich aber gleichzeitig bewußt, daß er eine Sicherheit nicht geben kann, daß dieses von ihm geschaffene System sich auch für die Dauer bewähren würde. Er hat deshalb hier die Bestimmungen des Grundgesetzes nicht mit endgültiger Verfassungskraft versehen, sondern hat im Art. 107 des Grundgesetzes ausdrücklich bestimmt, daß die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder durch einfaches Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, später erfolgen könne. Später, das hieß zunächst bis zum 31. Dezember 1952. Dieser Termin ist inzwischen bis zum 31. Dezember 1954 verlängert worden.
Eine etwaige Neuverteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder, so wie sie Art. 107 des Grundgesetzes vorsieht, sollte dabei jedem Teil einen gesonderten Anspruch auf bestimmte Steuern oder Steueranteile entsprechend seinen Aufgaben einräumen. Das Grundgesetz ging also davon aus, daß die Aufgabenverteilung und damit der Finanzbedarf der einzelnen Teile auch die Grundlage für die endgültige Verteilung dieser Steuern sein soll. Für die Bundesregierung ergab sich die Frage, ob sie von der Bestimmung des Art. 107 des Grundgesetzes Gebrauch machen soll. Die Bundesregierung bejaht diese Frage, und zwar aus folgenden Gründen:
Die Aufgaben, die dem Bund durch die Verfassung zugewiesen sind, insbesondere die im Art. 120 des Grundgesetzes bezeichneten Aufgaben der Aufwendungen für Besatzungskosten und sonstige innere und äußere Kriegsfolgelasten, wozu auch Verteidigungsbeitrag, Verzinsung und Tilgung der Auslandsschulden gehören, und die Aufwendungen für die sozialen Lasten, die sich aus dem Zusammenbruch des Jahres 1945 ergeben, haben ein ungeahntes Ausmaß erreicht. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß der Bundeshaushalt insgesamt im Jahre 1950 einen Umfang von 16,2 Milliarden DM gehabt und im Jahre 1954 einen Umfang von 27,1 Milliarden DM erreicht hat. Hand in Hand damit mußte das Steueraufkommen gehen, wenn der Schutz der Währung und die finanzielle Ordnung aufrechterhalten werden sollten. Die Steuerbelastung hat damit ein Ausmaß erreicht, das uns zwingt, nicht nur von jeder weiteren Erhöhung der Steuern abzusehen, sondern diese Steuern möglichst zu senken.
Nachdem der Bund ganz überwiegend auf die Einkünfte aus indirekten Steuern angewiesen ist und die indirekten Steuern nicht ein Maß erreichen dürfen, das die Belastung des Verbrauchers als ungerecht erscheinen läßt, ist dem Bund bei den ihm eigenen Steuereinkünften eine volkswirtschaftliche und soziale Grenze gezogen. Er war daher bisher schon darauf angewiesen, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, die Art. 106 Abs. 3 gibt, d. h. für seine nicht gedeckten Ausgaben einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die den Ländern zufließt, für sich in Anspruch nehmen. Es ist menschlich an sich schon verständlich, daß die Zustimmung von den im Bundesrat vertretenen Ländern, die j a damit auf eigene Einnahmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verzichten müssen, nicht leicht gegeben wird. Es wird dies aber noch dadurch erschwert, daß die Finanzstärke sich unter den deutschen Ländern ungleich verteilt und daß die Steuerkraft der einzelnen Länder stark schwankt. Nach einer Vorausschau für das Jahr 1955 würden die Steuereinnahmen für Staat und Gemeinden in den einzelnen Ländern schwanken zwischen 137,7 % und 53,9 %des Bundesdurchschnitts, und wenn die Stadtstaaten Hamburg und Bremen außer Betracht bleiben, zwischen 113,7 % und 53,9 % des Bundesdurchschnitts.
Die natürlichen Schwierigkeiten, die sich immer dann ergeben, wenn die Zustimmung der Länder dazu erholt werden soll, daß der Bund seine nicht gedeckten Ausgaben durch Inanspruchnahme eines Teils des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer deckt, steigern sich infolgedessen dadurch, daß einzelne Länder, nämlich die finanzschwachen, tatsächlich nur schwer in der Lage sind, auf diese Einnahmen und Einkünfte zu verzichten. Die bisherigen Versuche, im Wege eines inneren — horizontalen — Ausgleichs unter den Ländern eine Annäherung der Steuerkraft der Länder zu erreichen, sind steigend Schwierigkeiten begegnet und haben bis heute zu einem genügenden Ausgleich nicht geführt. Es ist wohl ein Verdienst der vergangenen Jahre, daß bisher offene Konflikte auf diesem Gebiet vermieden wurden und wenigstens dei notwendigste Ausgleich geschaffen werden konnte Der Bundesanteil, der anfänglich 27 % des Aufkommens an der Einkommen- und Körperschaftsteuei betragen hat, ist im Vorjahr auf 38 % festgesetzt worden, aber nach hartem Ringen und mit einem für den Bund ungenügenden Ergebnis. Wenn da: Haushaltsjahr 1953 für den Bund mit einem Fehlbetrag abschließen wird, so liegt das mit daran, daß
der Weg des Art. 106 Abs. 3 nicht den Erfolg gehabt hat, daß der Bund die Zustimmung des Bundesrats zu einer Inanspruchnahme an Einkommen- und Körperschaftsteuer hätte erreichen können, wie sie notwendig gewesen wäre, um einen Ausgleich des Bundeshaushalts herbeizuführen.
Man muß sich darüber klar sein, daß eine beträchtliche weitere Steigerung des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer mit der verfassungsmäßig vorgesehenen Zustimmung des Bundesrats, wenn die jetzige Regelung des Finanzwesens zwischen Bund und Ländern bliebe, künftig immer mehr Schwierigkeiten begegnen wird. Schon für das nächste Jahr würde sich nach menschlicher Voraussicht bei den heutigen Verhältnissen ein notwendiger Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer errechnen, der die Zustimmung des Bundesrats voraussichtlich nicht finden würde und bei der Finanzschwäche einzelner Länder vielleicht gar nicht finden könnte. Es ist feste Überzeugung des Bundesfinanzministers, der ja die Pflicht der Vorausschau hat, daß wir mit der Anwendung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes — die Festsetzung des Bundesanteils — allmählich an der Grenze dessen angelangt sind, was politisch überhaupt erreichbar ist.
Es könnte aber nicht verantwortet werden, daß der Gesetzgeber über die Steuern des Bundes allein unter dem Gesichtspunkt, daß eine Erhöhung des Bundesanteils in ausreichendem Maße nicht mehr möglich wäre, dazu gezwungen würde, auf das Gebiet der indirekten Steuern, insbesondere durch Erhöhung der Umsatzsteuer und der Verbrauchsteuern, auszuweichen und damit den Verbraucher, d. h. die breiten Volksschichten, übermäßig zu belasten, während die Ungleichheit und Ungleichmäßigkeit in der Steuerkraft der einzelnen Länder dazu führt, daß gleichzeitig die einen zu wenig Einkünfte, andere Länder aber reichliche Einkünfte erzielen. Es ist nicht nur nach dem Geist und Wortlaut des Grundgesetzes, sondern auch gerade aus diesem Grunde Aufgabe des Bundes, einen Ausgleich zwischen steuerschwächeren und steuerstärkeren Ländern zu finden. Würde der Ausgleich nicht gefunden, so würden wir auch mehr und mehr auf einen Weg gedrängt, der jetzt schon unheilvoll begonnen hat, nämlich den Weg, Aufgaben, die volkswirtschaftlich notwendig sind, wie die Förderung unseres Wirtschaftslebens in den verschiedensten Zweigen, und die an sich nach dem Grundgesetz in den Aufgabenbereich der Länder gehören, nur deswegen für das ganze Bundesgebiet auf den Bund zu übernehmen, weil einzelne Länder vielleicht aus finanzieller Schwäche nicht in der Lage sind, auf diesen Gebieten das zu leisten, was um der allgemeinen deutschen Volkswirtschaft willen geleistet werden muß. Entweder führt dieser Weg dazu, daß der Grundsatz des Art. 30 des Grundgesetzes, wonach die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, auf dem Umweg über finanzpolitische und Haushaltsmaßnahmen immer mehr ausgehöhlt wird, oder dazu, daß immer mehr Bundesgelder ohne unmittelbare Einflußnahme des Bundes von anderen Stellen, Ländern und Gemeinden, verwaltet und bewirtschaftet werden und damit die Zweckmäßigkeit in der Verwendung dieser Gelder nicht mehr gesichert ist. Schon heute werden Milliarden Bundesgelder von Stellen verwaltet, auf die der Bund einen unmittelbaren Einfluß nicht ausüben kann. Sollten deshalb in der künftigen Entwicklung steigende Schwierigkeiten und sollte die Gefahr eines Verfassungskonfliktes vermieden werden, so mußte daran gegangen werden, von der Bestimmung des Art. 107 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen. Es ist eine sittliche Pflicht jeder Regierung, vorausschauend alles Mögliche zu tun, um staatspolitische Erschütterungen, Verfassungskonflikte zu vermeiden. Es ist auch die besondere Aufgabe der Finanzpolitik eines Staates, vorausschauend die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um unzweckmäßige und unnötige Belastungen des Steuerzahlers, insbesondere Belastungen der breiten Massen, zu vermeiden. Dieses Ziel strebt der Gesetzentwurf über die Finanzreform an.
Das Finanzverfassungsgesetz sieht dabei vor, daß die Bestimmung des Art. 106 des Grundgesetzes durch neue Bestimmungen ersetzt wird. Es geht zunächst davon aus, daß der Bund Ausgaben, die zur Ausübung der staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben erforderlich sind, soweit die Wahrnehmung dieser Aufgaben und Befugnisse Sache des Bundes ist, und die in Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes bezeichneten Ausgaben selbst trägt; daß andererseits die Länder die Ausgaben tragen, die zur Ausübung der staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben der Länder erforderlich sind. Damit ist der Grundsatz, der sich heute schon dem Sinn nach aus dem Grundgesetz ergibt, klar umschrieben. Er bedeutet nicht ohne weiteres eine sofortige Änderung des jetzigen, nicht in allem erfreulichen Zustandes. Diese Bestimmung soll aber Richtlinie für die Zukunft sein. Sie ist geboren aus dem Geiste der eigenen Verantwortung für die Finanzgebarung in Bund und Ländern.
Die Regelung des inneren Verhältnisses zwischen Ländern und Gemeinden kann im Weg des Art. 107 des Grundgesetzes nicht gefunden werden.
Dazu wäre ein besonderes verfassungänderndes Gesetz notwendig.
— Aber nicht auf Grund des Art. 107. — Der Gesetzentwurf enthält eine Richtlinie, die sich im Rahmen der jetzigen Verfassung hält, indem er in Anlehnung an den jetzigen Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes bestimmt, daß durch die Landesgesetzgebung zu regeln ist, ob und inwieweit Steuereinnahmen, die den Ländern zustehen, den Gemeinden zufließen.
Die vorgesehenen Bestimmungen teilen weiter die verschiedenen Steuern zwischen Bund und Ländern auf. Eine grundsätzliche Änderung des jetzigen Zustandes sehen sie bei dieser Steuerverteilung nicht vor. Insbesondere ist auch von den Ländern der Gedanke einer Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer des Bundes aufgegeben worden. Umgekehrt wurde davon abgesehen, gewisse Verkehrsteuern, die ihrer Natur nach nicht regional bedingt sind, wie z. B. Versicherungsteuer, Kapitalverkehrsteuer und Wechselsteuer, etwa dem Bund zu übertragen. Das Schwergewicht liegt darin, daß die Verteilung des Aufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Ländern künftig endgültig geregelt wird. Das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer soll künftig dem Bund zu 40% und den Ländern zu 60% zustehen. Vom Standpunkt des Bundes aus wäre es wünschenswert gewesen, einen höheren Anteil des Bundes vorzusehen. Dies hätte aber sicherlich außerhalb des politisch Erreichbaren gelegen.
Dem Gedanken, den Ländern ein Zuschlagsrecht für Einkommen- und Körperschaftsteuer zu gewähren, um, wie es hieß, eine Erstarrung der Einkünfte der Länder zu vermeiden, ist in der Regierungsvorlage nicht Rechnung getragen. Tatsächlich würde das nur dazu führen, daß die steuerschwachen Länder wirtschaftlich noch mehr getroffen würden;
denn sie wären die ersten, die von einem solchen Zuschlagsrecht Gebrauch machen müßten. Das Wirtschaftsleben in den steuerschwachen Ländern wäre dadurch noch mehr als bisher im Vergleich zu den steuerkräftigeren Ländern gedrosselt und getroffen. Es wäre mit einer Abwanderung gerade gewinnbringender, weil leistungsfähiger Betriebe aus den steuerschwachen Ländern zu rechnen, wenn von diesem Zuschlagsrecht Gebrauch gemacht würde, und es würde gerade das verhindert, was das Grundgesetz als Aufgabe des Bundes bezeichnet: nämlich die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern.
Eine Erstarrung der Einkünfte und finanziellen Bewegungsfreiheit der Länder tritt dadurch — abgesehen davon, daß ihnen reichliche andere Einnahmequellen noch zur Verfügung stehen — nicht ein. Die Länder können im allgemeinen damit rechnen, daß ihre Aufgaben und Ausgaben in dem Verhältnis wachsen, in dem unser gesamtes Wirtschaftsleben wächst, also etwa entsprechend dem Wachsen des Bruttosozialprodukts. Steigt das Bruttosozialprodukt aber, so wird auch das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer steigen, und die Länder haben also schon unter diesem Gesichtspunkt damit zu rechnen, daß dem Steigen ihrer Aufgaben auch, wenn vielleicht auch in einem geringen zeitlichen Abstand, ein Steigen ihrer Einkünfte aus ihrem Anteil an Einkommen-
und Körperschaftsteuer entspricht.
Ganz anders liegen die Verhältnisse beim Bund, der, wie die Vergangenheit leider reichlich bewiesen hat, als Träger der Lasten, die sich aus den Verpflichtungen des deutschen Volkes gegenüber dem Ausland ergeben, und als Träger der Lasten, die sich als innere und äußere Kriegsfolgen gerade auf sozialem Gebiet ergeben, einer häufig sehr starken stoßweisen Mehrbelastung ausgesetzt ist. Der Bund braucht Bewegungsfreiheit in weitaus höherem Maße als die Länder, um sich den jeweiligen neuen Lasten anzupassen. Ich habe schon dargelegt, daß nach meiner Überzeugung der jetzige Rechtszustand ihm diese Bewegungsfreiheit nicht mehr gewährt, weil die Erhöhung des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer. solange er an die Zustimmung der Länder gebunden ist und solange er sich auch an die Leistungskraft der finanzschwachen Länder anpassen muß, heute schon eine Grenze erreicht hat, die mir nicht mehr sehr steigerungsfähig erscheint. Es mußte deshalb ein anderer Weg gegangen werden. Der Bund muß die Möglichkeit haben, gerade in Notzeiten einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer aus eigenem Recht und ohne an die Zustimmung des Bundesrates gebunden zu sein, zu erheben.
Deshalb ist in dem Finanzverfassungsgesetz auf Grund des Art. 107 des Grundgesetzes eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer vorgesehen, deren Erträgnis ausschließlich dem Bund zufließt. Die Haushaltslage des Bundes macht es notwendig — ich werde vor Besprechung des Gesetzentwurfs über die Steuerreform noch darauf zu reden kommen —, von
dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen. Sie soll in der auf das geringstmögliche Maß beschränkten Höhe, nämlich mit 2,5 v. H. der Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld, erhoben werden. Dadurch ist dem Bund eine gewisse finanzielle Bewegungsfreiheit gesichert, die bei dem jetzigen Rechtszustand nicht gesichert ist. Auf diesem Wege könnte auch erreicht werden, daß der jährliche Streit über die Höhe des Bundesanteils zwischen Bund und Ländern entfällt. Er ist nach meiner Überzeugung zum Schaden beider Teile gewesen.
Es mußte noch einem weiteren Gedankengang Rechnung getragen werden. Auch das Gesetz, das nach Art. 107 des Grundgesetzes geschaffen wird und das die von dem Grundgesetzgeber nicht geschaffene endgültige Verteilung der Steuern auf Bund und Länder vornimmt, erhält Verfassungskraft. Wir haben in unserer finanzpolitischen Entwicklung zwar einen gewissen Abschnitt erreicht. Wir können wohl annehmen, daß die vergangenen Jahre die Jahre des Wiederaufbaus gewesen sind und daß wir uns jetzt den Jahren nähern, in denen wirtschaftlich und finanzpolitisch statt der unruhevollen und stürmischen Bewegung der letzten Jahre — wenn außen politisch die Ziele erreicht werden, die die Bundesregierung anstrebt — Jahre einer ruhigeren Entwicklung kommen. Jahre, in denen wir mit ganz festen und sicheren Verhältnissen rechnen können, wird unsere Generation schwerlich mehr erleben. Aber es ist unsere Aufgabe, daß wir alles mögliche tun, um die wirtschaftliche, soziale und finanzpolitische Entwicklung in ruhige Bahnen zu lenken.
Eine Verfassung muß auch nichtvoraussehbaren Verhältnissen gegenüber die Möglichkeit einer Anpassung ohne Verfassungskonflikt bieten. Das Finanzverfassungsgesetz enthält deshalb auch eine Revisionsklausel, die bei den bisherigen Besprechungen zwischen den Vertretern des Bundes einerseits, den Vertretern der Länder andererseits Gegenstand von besonders eingehenden Erörterungen war. Der Gedanke, daß der Grundsatz der Steuerverteilung nicht nur für die jetzigen Steuern, sondern auch für etwa spätere gleichartige Steuern gilt, ist dabei selbstverständlich. Es mußte aber auch Vorsorge dafür getroffen werden, daß entweder in den Aufgaben zwischen Bund und Ländern künftig eine vorläufig nicht voraussehbare Verschiebung eintritt oder daß sich die Einnahmen in einer Art entwickeln, die nicht vorausgesehen werden kann. Gerade auf finanzpolitischem Gebiet hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung schon ausgesprochen, daß bei voller Anerkennung des Grundsatzes des Art. 109 der Verfassung, der in der Haushaltswirtschaft Bund und Länder selbständig und unabhängig voneinander stellt, doch Bund und Länder ihre Haushalte der Bevölkerung der Bundesrepublik gegenüber als eine Einheit zu betrachten haben und daß die Länder sie unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue, der Bund sie unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des föderativen Aufbaus des Grundgesetzes zu handhaben haben. Das ist eine Richtlinie, die auch bei der Gesetzgebung zu beachten ist, und zwar nicht nur für eine Regelung gegenwärtiger Verhältnisse, sondern vorsorglich auch für spätere, am heutigen Tag nicht voraussehbare Entwicklungen.
Das Finanzverfassungsgesetz sieht deshalb für beide Teile vor, daß auch ohne Verfassungsänderung eine Anpassung des in dem Finanzverfassungsgesetz vorgesehenen Beteiligungsverhältnisses
an der Einkommen- und Körperschaftsteuer erfolgen kann und soll, wenn andernfalls der Bund oder die Länder auch bei Ausschöpfung aller ihnen sonst gegebenen Möglichkeiten ohne ihr Verschulden nicht mehr in der Lage wären, ihre Aufgaben zum Wohl des Volkes zu erfüllen.
Durch diese neuen Bestimmungen des Finanzverfassungsgesetzes betreffend Art. 106 des Grundgesetzes wird der sogenannte vertikale Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern festgelegt. Wie ich schon betont habe, steht der vertikale Finanzausgleich, d. h. die Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern und die Festlegung des Bundesanteils, in innerem, unmittelbarem Zusammenhang mit dem horizontalen Finanzausgleich, dem Finanzausgleich unter den Ländern. Der horizontale Finanzausgleich muß die Voraussetzungen dafür schaffen, daß ein vertikaler Finanzausgleich überhaupt zweckmäßig gestaltet werden kann. Denn, wie ich schon im Vorhergehenden betont habe, es bestimmt die Finanzlage gerade des schwächsten Gliedes, also des steuerärmsten Landes, ob und wie weit bei der Regelung des vertikalen Finanzausgleichs gegangen werden kann. Der vertikale Finanzausgleich kann also nur dann wirklich seine Aufgabe erfüllen, wenn er zwischen dem Bund und Ländern erfolgt, die in ihrer Steuerkraft nicht zu sehr verschieden sind.
Das Gesetz über den Länderfinanzausgleich sucht das zu sichern und gleichzeitig den sich sonst auch jährlich wiederholenden Streit über den horizontalen Finanzausgleich zu vermeiden. Sein Ziel ist, entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu gewährleisten und deshalb einen angemessenen finanziellen Ausgleich zwischen den leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern sicherzustellen. Deshalb werden eine Steuerkraftmeßzahl und eine Ausgleichsmeßzahl berechnet. Die Steuerkraftmeßzahl stellt die wirkliche Steuerkraft des einzelnen Landes fest. Die Ausgleichsmeßzahl stellt fest, in welchem Verhältnis diese individuelle Steuerkraft des einzelnen Landes zu der Steuerkraft aller Länder im Bundesdurchschnitt steht. Die Begründung des Gesetzentwurfs enthält in sehr unterrichtenden Tabellen die rechnerischen Grundlagen für die Berechnung dieses Schlüssels und stellt in einer Tabelle auch das Ergebnis fest. Das Ergebnis ist, daß, während heute das Land mit der höchsten Steuerkraft 137,7 % des Bundesdurchschnitts hat und das Land mit der niedrigsten nur 53,9 %, nach Durchführung des horizontalen Finanzausgleichs das Land mit der höchsten Steuerkraft 117,6 %, das Land mit der niedrigsten Steuerkraft 89,9 % der Bundesdurchschnittszahl für die Steuerkraft der Länder bekommt. Es ist zwar keine Nivellierung erreicht — sie war auch bewußt nicht angestrebt —, aber es ist eine Annäherung unter den Ländern erreicht.
Natürlich gibt es hier Gegensätze unter den Ländern, zwischen denen, die geben, und denen, die nehmen. Ich darf aber nach der grundsätzlichen Seite hin betonen, daß dieser innere Ausgleich unter den Ländern eine notwendige Folge des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik ist. Als der Staat Preußen noch bestand, war es selbstverständlich, daß die — auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet — höheren Steuerleistungen einzelner Gebietsteile in die allgemeinen Staatskassen flossen und dazu benützt wurden, die Steuerschwäche anderer Gebietsteile des Staates Preußen auszugleichen. Oder, um ein Beispiel zu sagen: die schon damals gegebene höhere Steuerkraft der Gebietsteile, die heute z. B. im Land Nordrhein-Westfalen zusammengefaßt sind, hat dazu beitragen müssen, den Bedarf der steuerschwächeren Gebietsteile des Staates Preußen, wie Ostpreußen, Westpreußen, Pommern usw., zu decken. Diese Folgewirkung, die sich aus der zentralistischen Struktur des Staates Preußen ergeben hat, muß heute im Wege gegenseitiger Zustimmung durch Gesetzgebung gelöst werden. Sie muß gelöst werden nicht nur für die Gebiete des früheren Staates Preußen, sondern für das gesamte Bundesgebiet. Das setzt einen demokratischen Geist und den Geist der brüderlichen Zusammenarbeit aller Gliedstaaten des Bundes voraus.
Ich habe aus den bisherigen Verhandlungen den Eindruck, daß auf dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Weg, auch wenn die Länder im Bundesrat sich vielleicht noch auf gewisse Abänderungen des Schlüssels selbst einigen, doch der Grundsatz dieses Ausgleichs gefunden ist. Unter dieser Voraussetzung dürften die beiden Gesetzentwürfe über die Finanzverfassung, also der Gesetzentwurf über den vertikalen Finanzausgleich — das Finanzverfassungsgesetz — wie der über den Länderfinanzausgleich, als ein Sieg des demokratischen und brüderlichen Gedankens innerhalb der föderativen Bundesrepublik gewertet werden.
Sie dürfen gewertet werden als ein Unterpfand, das die Entwicklung unserer Verfassung den Konfliktsgefahren, die sich aus den derzeitigen finanzpolitischen Bestimmungen des Grundgesetzes ergeben könnten, entrückt und einen wesentlichen Beitrag für den inneren Frieden der Bundesrepublik leistet.
Auf Grund des Art. 107 des Grundgesetzes besteht nunmehr auch die Möglichkeit, die Zuschüsse an die steuerschwachen Länder diesen nicht mehr unmittelbar zu überweisen, wie es Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes bisher vorgeschrieben hat, sondern den horizontalen und den vertikalen Finanzausgleich miteinander zu verbinden. Die Leistungen der gebenden Länder werden in der Form erhoben, daß der Anteil, den sie aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund abzuführen haben, erhöht wird, während bei den steuerschwächeren Ländern der Anteil, den sie an den Bund abzuführen haben, entsprechend ermäßigt wird. Es kann sich infolgedessen künftig ergeben, daß das eine Land aus seinem Aufkommen an Einkommen-
und Körperschaftsteuer mehr als 40 % zu entrichten hat, während ein anderes Land bedeutend weniger, im extremen Fall ein besonders steuerschwaches Land vielleicht gar nichts zu entrichten hat.
Das ist nicht nur eine Vereinfachung der Verwaltung, es ist auch eine Sicherung dafür, daß die Ausgleichszahlungen tatsächlich und fortlaufend sofort mit dem Aufkommen von Einkommen- und Körperschaftsteuer entrichtet werden. Dies macht besonders sinnfällig, daß es der Bund ist, der den Ausgleich unter den steuerkräftigeren und steuerschwächeren Ländern vorzunehmen hat. Über die Auswirkungen für die einzelnen Länder wird dann zu reden sein, wenn diese Gesetzentwürfe dem Bundestag nach Beratung im Bundesrat vorgelegt und zur Entscheidung unterbreitet werden.
Das Finanzanpassungsgesetz ist ein Gesetz, das die Gedanken des Finanzverfassungsgesetzes und des Länderfinanzausgleichs bereits für die Gegenwart vollzieht. Finanzverfassungsgesetz und Länderfinanzausgleichsgesetz beruhen auf dem Gedanken der Verteilung der Steuerquellen entsprechend der Verteilung der Aufgaben und Ausgaben auf den Bund und die einzelnen Länder. Das Finanzanpassungsgesetz geht von dem Grundsatz aus, daß jeder Teil die zur Ausübung der ihm obliegenden staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der ihm obliegenden staatlichen Aufgaben erforderlichen Ausgaben trägt. Es will den Grundsatz, daß die Eigenverantwortung gestärkt wird, schon für die Gegenwart in die Tat umsetzen.
Es bestimmt zunächst, daß bei Ausführung von Bundesgesetzen dann, wenn die Landesbehörden hierbei an Weisungen von Bundesbehörden gebunden sind, deren Vollzug den Ländern oder Gemeinden erhebliche Mehrausgaben verursacht, bestimmt werden kann, daß der Bund Zuschüsse zu diesen Ausgaben leistet. Es bestimmt andererseits, daß die Entschädigung für Verwaltung von Steuern und sonstigen Einkünften des Bundes durch die Länder künftig ganz wegfällt und umgekehrt eine Entschädigung der Länder für die Verwaltung von Steuern durch den Bund, wie das bei der Biersteuer der Fall ist, ebenfalls entfällt. Die Zuschüsse in Höhe von 410 Millionen DM, die der Bund und die Länder bisher an den Lastenausgleich leisten, werden jedoch künftig voll auf den Bund übernommen.
Bezüglich der Kriegsfolgenhilfe wird ein neuer Grundsatz eingeführt. Bisher wurden die sehr hohen Ausgaben für Kriegsfolgelasten vom Bund getragen und von den Ländern verwaltet. Damit bestand die Gefahr, daß die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei der Verwaltung dieser Gelder in den Hintergrund treten, da es menschlich ist, daß die Sorgfalt bei der Ausgabe fremden Geldes geringer ist als die Sorgfalt bei der Verwaltung eigenen Geldes, für das man eine eigene Verantwortung trägt. Es wird daher für einen großen Teil dieser Ausgaben ein Pauschalsystem festgelegt. Das heißt, der Bund zahlt im wesentlichen einen Pauschbetrag, der den nachgewiesenen Ausgaben des Jahres 1953 entspricht.
Die verwaltenden Stellen, Länder und Gemeinden, haben also den Vorteil, bei sorgsamer und zweckmäßiger Verwaltung der Gelder ohne Aufwand eigener Mittel höhere Leistungen vollbringen zu können; sie haben den Nachteil, daß sie bei wenig sorgfältiger und wenig zweckmäßiger Verwendung der Gelder mit einem Zuschuß aus eigenen Mitteln zur Erfüllung der Aufgabe rechnen müssen. Die Gesamtverwaltung hat den Vorteil, daß die Pauschalierung zu einer beträchtlichen Rationalisierung des behördlichen Apparats führt. Bei der Kriegsfolgehilfe ist das Pauschalierungssystem so gewählt, daß es von Jahr zu Jahr prozentual sinkt, um ab 1. 4. 1965 wegzufallen.
Im Jahre 1965 sind wir zwanzig Jahre vom Ende des Krieges entfernt, und wie schon heute die Aufwendungen für Kriegsfolgen im Verhältnis zu den Aufwendungen für allgemeine Fürsorge von 63,8 % im Jahre 1949 auf 43,7 % der Gesamtaufwendungen gesunken sind, so muß damit gerechnet werden, daß sie noch weiter Jahr für Jahr sinken, um zwanzig Jahre nach Kriegsende, also fast im Laufe einer Generation, wegzufallen.
Soweit eine Pauschalierung nicht erfolgt, bleibt es bei dem bisherigen System der Interessenquote, die aber von 15 auf 25 % gesteigert wird, um ihre Wirkung noch zu vermehren.
Die Entlastungen, die der Bundeshaushalt einerseits erfährt, und die Entlastungen, die die Länderhaushalte auf der anderen Seite erfahren, gleichen sich bei diesem System fast aus. Es tritt für die Länderhaushalte nur eine geringe, in der Wirkung kaum beachtliche Mehrbelastung ein. — Damit habe ich die Betrachtung der Vorschläge für die Finanzreform abgeschlossen.
Ich darf nun übergehen zu den Vorschlägen für die Steuerreform. Ziel der Finanzreform war die Stetigkeit der Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern und damit die Möglichkeit, für beide Teile eine vorausschauende Haushaltspolitik zu treiben. Diese war bisher dadurch gestört, daß der Bund bei Aufstellung seines Haushalts nie sicher damit rechnen konnte, den im Bundeshaushalt eingesetzten Bundesanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer wirklich zu erhalten. Die Länder wußten bei der gleichzeitigen Aufstellung ihrer Haushalte nicht, ob sie vom Bund zu einem höheren Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer herangezogen würden, als sie bei der Aufstellung des Haushalts zugrunde gelegt hatten. Ziel ist weiter, Verschiebungen in den Aufgaben und Ausgaben zu vermeiden und damit das Gesamtverhältnis zwischen Bund und Ländern zu stabilisieren. Die Stetigkeit in den Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern verlangt aber gebieterisch auch eine Stetigkeit in der Steuergesetzgebung von Bund und Ländern, sie verlangt, daß im Rahmen des Möglichen alles getan wird, um die ständige Unruhe in der Steuergesetzgebung, die auch eine Beunruhigung der Wirtschaft ist, künftig zu vermeiden.
Die Bundesregierung setzt damit ihre Politik fort, die sie schon bisher verfolgt hat. Ihr Ziel war, die ihr anvertraute junge Währung vor Erschütterungen zu bewahren, die finanzielle Ordnung im Staatshaushalt aufrechtzuerhalten. Ihr Ziel war, das zu erreichen und trotzdem die aus den Jahren, als die Besatzungsmacht die deutschen Steuergesetze erlassen hatte, übernommene Überbelastung des deutschen Steuerzahlers möglichst zu ermäßigen und tragbar zu gestalten und die wirtschaftlich lähmenden Folgen einer Überbelastung des Steuerzahlers zu vermeiden.
Wir haben aus diesem Grunde in den letzten Jahren die Steuerreformen der Jahre 1951 und 1953 durchgeführt. Die Bundesregierung setzt ihren Weg fort. Sollte das Ziel der Stetigkeit der Steuergesetzgebung erreicht werden, so mußte zunächst das gesamte Steuersystem daraufhin überprüft werden, ob ein Anlaß zu einer grundsätzlichen Änderung des Steuersystems besteht oder ob das Steuersystem grundsätzlich beibehalten werden kann mit den notwendigen Anpassungen an die Forderung unserer Zeit, nämlich es so zu gestalten, daß die Steuern dauernd getragen werden können.
Zu diesem Zweck haben sich verschiedene Gutachterkreise mit der Überprüfung des gesamten Steuersystems befaßt. Der Öffentlichkeit sind die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, die Vorschläge des In-
stituts für Steuern und Wirtschaft und die Vorschläge der Sachverständigen der Länder, die sogenannten „Diskussionsbeiträge", zugegangen.
Alle Gutachten sind zu einer gemeinsamen Erkenntnis gekommen, daß nämlich von einer grundlegenden Änderung und einem grundlegenden Umbau unseres Steuersystems abgesehen werden soll. Die Vorschläge, etwa Einkommen- und Körperschaftsteuer ganz oder doch überwiegend abzuschaffen und durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer auszugleichen, also grundsätzlich an Stelle der Besteuerung nach Einkommen und Gewinn und damit nach der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen eine Besteuerung nach dem Verbrauch des einzelnen zu setzen und damit den Umsatz an lebensnotwendigen Waren zum Steuermaßstab zu machen, sind abgelehnt worden.
Auch die Bundesregierung muß eine Gesetzgebung ablehnen, die sich auf solche Gedanken aufbauen und den kleinen Verbraucher, insbesondere auch die kinderreiche Familie, mehr belasten würde als Kreise, die ein hohes Einkommen oder hohen Gewinn erzielen und bei denen der der allgemeinen Besteuerung unterliegende Lebensverbrauch im Gegensatz zum Durchschnitt der Bevölkerung nur einen kleinen Teil ihrer Lebenshaltungskosten überhaupt ausmacht.
Das Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung im Bundesgebiet ist heute etwa 50 zu 50. Dieses Verhältnis ist gesund. Es besteht kein Anlaß, hier durch die Gesetzgebung Änderungen grundsätzlicher Art vorzunehmen.
Auch die Wünsche auf grundsätzlichen inneren Umbau der Umsatzsteuer, wie sie von manchen Wissenschaftlern vorgelegt worden sind, sind nicht übernommen worden, zumal die Durchführung dieser Vorschläge eine erneute starke Beunruhigung in das Leben unserer Wirtschaft getragen hätten, die nun einmal in allen Berechnungen und wirtschaftlichen Kalkulationen auf dem jetzigen System der Umsatzsteuer aufbaut.
Die Bundesregierung hat sich daher entschlossen, an dem bestehenden Steuersystem grundsätzlich festzuhalten und die Änderungen zu treffen, die ihr notwendig erscheinen, um eine Steuerbelastung zu erreichen, von der anzunehmen ist, daß sie von unserer Wirtschaft für längere Dauer getragen werden kann.
Die Steuerreform bringt infolgedessen eine neue, beträchtliche Ermäßigung der Steuerlast. Auf der anderen Seite sucht sie das schon in der Steuerreform 1953 verfolgte Ziel aufrechtzuerhalten und weiterzuführen, die Steuergesetzgebung zu vereinfachen und zu diesem Zweck die Steuervergünstigungen möglichst einzuschränken. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Steuervergünstigungen seinerzeit deshalb eingeführt worden sind, weil die Steuertarife in den Jahren, als die Gesetzgebung in den Händen der Besatzungsmacht lag, nicht so ermäßigt werden konnten, wie sie hätten ermäßigt werden müssen, und daß deshalb damals eine ganze Reihe von Steuervergünstigungen geschaffen wurden, damit die größten Schäden einer Überbelastung der Wirtschaft durch Steuern vermieden werden konnten.
Es soll infolgedessen eine erhöhte Gleichmäßigkeit der Besteuerung erreicht werden. Während
die bisherigen individuellen Steuervergünstigungen mit Subventionscharakter eine verschiedenartige Steuerbelastung ergeben, die in erster Linie besonders geschickten und gerade zahlungskräftigen Personen zugute gekommen ist,
soll jetzt im Zusammenhang mit einer allgemeinen Tarifsenkung auch durch einen völlig gleichmäßigen Tarif die höchstmögliche Gleichmäßigkeit gewonnen werden.
Die Steuerbelastung soll auch den Grad, der angesichts der Not, die durch den Krieg geschaffen worden ist, unbedingt erforderlich ist, nicht übersteigen. Das soll geschehen einmal durch Anpassung der Freibeträge an die heutige Auffassung, was als Mindesteinkommen zu betrachten ist, und dann durch einen gleichmäßigen Aufbau der Progression in der Belastung bei Einkommen- und Erbschaftsteuer. Die Steuerbelastung soll weiter die Gefahr vermeiden, daß das wirtschaftliche Verhalten des einzelnen sich nicht danach richtet, was er nach wirtschaftlicher Vernunft und nach den volkswirtschaftlichen Gesetzen zu tun hätte, sondern danach, wie er sich dem Zugriff der Steuer möglichst entziehen kann.
Bei dieser Steuerreform ist das Ziel angestrebt worden, dem Großteil der Steuerzahler das Gefühl zu belassen, daß ihm auf alle Fälle auch nach Abzug seiner Einkommen- und Körperschaftsteuer mehr bleibt, als der Steuerträger an sich nimmt. Das Einkommen und der Gewinn, den er durch zweckmäßige wirtschaftliche Gestaltung seiner Arbeit erworben hat, soll ihm auch überwiegend verbleiben. Der Anreiz, volkswirtschaftlich unnötige Ausgaben der Steuer wegen zu machen, soll gemindert, gesundes wirtschaftliches Denken geweckt werden. Dadurch soll sich eine für die gesamte deutsche Volkswirtschaft nützliche Wirkung ergeben, weil das wirtschaftliche und zweckmäßige Verhalten aller Steuerzahler zusammen der Volkswirtschaft dient und das Bruttosozialprodukt stärkt.
Niemand kann daneben mit mehr innerer Überzeugung und Wärme denn der Finanzminister selbst als Ziel einer solchen Steuerreform noch den Wunsch aussprechen, daß die Steuergesetzgebung vereinfacht und auch für den Steuerzahler verständlicher gemacht wird; denn niemand weiß besser als er, wie unter dieser unruhevollen, wechselnden, unverständlichen und unübersichtlichen Gesetzgebung gerade die Steuerverwaltung bei der Einhebung der Steuern leidet.
Das Gesetz über die Neuordnung der Steuern enthält Vorschriften über die Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, über Änderungen im Wohnungsbauprämiengesetz, in der Gewerbe-
und Erbschaftsteuer. Außerdem wird Ihnen vorgelegt werden ein Gesetz bezüglich der Beibehaltung des Berliner Notopfers und ein Gesetz über die Änderung des Umsatzsteuergesetzes, ferner das von mir schon erwähnte Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, das ja das innere Bindeglied zu den Vorschlägen für die Finanzreform darstellt. Ich darf die kleineren Gesetze vorausnehmen.
Das Wohnungsbauprämiengesetz enthält im wesentlichen eine Anpassung der Bestimmungen dieses Gesetzes an die übrigen Gesetze und Einzelheiten, über die bei der Einbringung der Gesetz-
entwürfe, nicht aber heute zu sprechen ist. Heute genügt die Feststellung, daß das Wohnungsbauprämiengesetz im wesentlichen unverändert beibehalten wird.
Das gleiche gilt von dem Abschnitt über die Änderung der Gewerbesteuer. Auch diese enthält im wesentlichen Anpassungen an die Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes.
Der Gesetzentwurf über die Änderung der Erbschaftsteuer enthält dagegen wesentliche Milderungen der Steuersätze. Auf der einen Seite werden die Freibeträge erhöht, auf der andern Seite wird der Tarif so umgestaltet, daß eine erhebliche Senkung der Erbschaftsteuer eintritt. Die Erhöhung der Freibeträge wirkt sich als Entlastung gegenüber der jetzt bestehenden Steuer hauptsächlich bei kleineren und mittleren Nachlässen aus und wird die Zahl der Fälle mehren, in denen überhaupt keine Steuer erhoben wird. Die Umgestaltung des Tarifs kommt hauptsächlich größeren Nachlässen zugute. Für die Steuerklassen I und II, also Vererbung auf Kinder und Ehegatten, werden wieder die Freibeträge von 1934 eingeführt. Bei den Steuerklassen III und IV werden die Freibeträge wesentlich erhöht. Als Beispiel sei festgestellt, daß bei einem Erwerb eines einzelnen Erben im Wert von 30 000 DM in der Steuerklasse I künftig keine Steuer mehr zu zahlen ist, während die Steuer bisher 400 DM betrug. Bei einem Erwerb von 60 000 DM durch den einzelnen Erben beträgt nach dem neuen Tarif die Erbschaftsteuer 1600 DM statt bisher 2800 DM. Bei einem Erwerb in Höhe von 600 000 DM beträgt sie nach dem neuen Tarif 78 600 DM statt bisher 104 400 DM. Auf die Einzelheiten ist einzugehen, wenn das Gesetz nach Durchgang im Bundesrat dem Bundestag vorgelegt wird.
Zu dem Gesetzgebungswerk über die Steuerreform gehört auch ein Gesetzentwurf zur Erhebung der Abgabe „Notopfer Berlin". Eine wesentliche Änderung des bisherigen Zustands wird durch diesen Gesetzentwurf nicht angestrebt. Die durch die Bundesregierung zu entscheidende grundsätzliche Frage war, ob diese Abgabe beizubehalten ist und ob sie unter dem alten Namen der Abgabe „Notopfer Berlin" beizubehalten ist. Die Abgabe hat derzeit bereits ein Erträgnis von mehr als 800 Millionen DM im Jahr. Sie ist finanzwirtschaftlich unentbehrlich. Ihr Wegfall hätte es unmöglich gemacht, die starke Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die vorgesehen ist, wirklich zu machen. Sie muß auch ihrer Natur nach beibehalten werden und konnte nicht in die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingebaut werden, weil sie ja sonst zu einer Steuer geworden wäre, deren Ertrag Bund und Ländern im Verhältnis von 40 zu 60 zufließen würde. Sie muß das bleiben, was sie bisher war: eine Abgabe, die der Bund, d. h. die Bevölkerung des gesamten Bundesgebietes in ihrem Treueverhältnis zur Stadt Berlin leistet. Unsere Hoffnungen und Wünsche, die sich an die Berliner Konferenz geknüpft haben, die Stadt Berlin möge wieder zu einer deutschen Stadt im Gebiet eines einheitlichen deutschen Staates werden, sind noch nicht in Erfüllung gegangen. Wir müssen dieser Stadt, die zum Symbol des freien deutschen Geistes im Kampf gegen eine Welt der Unterdrückung geworden ist, auch weiterhin unsere Treue besonders bekunden.
Deshalb ist nicht nur die Abgabe als solche, sondern
auch der Name „Notopfer Berlin" beibehalten worden als Hinweis und als stete Erinnerung für jeden einzelnen Deutschen an seine Brüder in Westberlin. Westberlin soll die Überzeugung behalten, daß die Bevölkerung des deutschen Bundesgebiets das ihr Mögliche tut, um Wirtschaft und Sozialleben der Stadt Berlin auf dem gleichen Stand wie im übrigen deutschen Bundesgebiet zu halten.
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes bringt ebenfalls keine sehr wesentliche Änderung. Das Bundesfinanzministerium hätte zwar gewünscht, daß das Wesen der Umsatzsteuer stärker hätte betont werden können. Die Umsatzsteuer ist eine Steuer, die vom Entgelt erhoben wird und die grundsätzlich abwälzbar ist. Sie ist deshalb eine Steuer, die an sich auf Gesichtspunkte wie Gemeinnützigkeit, Wohltätigkeit etc. keinerlei Rücksicht nehmen könnte. Die Bundesregierung hat aber unter den heutigen Verhältnissen noch davon abgesehen, diesen Wesenszug der Steuer etwa dadurch zu betonen, daß die entsprechenden Befreiungsvorschriften in dem heutigen Gesetz beseitigt worden wären. Sie bleiben. Der Bundesfinanzminister möchte aber doch die gesetzgebenden Körperschaften bitten, auf diese Wesensart der Umsatzsteuer bei kommender Gesetzgebung besonders Rücksicht zu nehmen.
Der starke Ausfall an Einnahmen, den die Senkung der Tarife bei Einkommen- und Körperschaftsteuer auch für den Bundeshaushalt bedeuten wird, hat es notwendig gemacht, bei der Umsatzsteuer in einem Punkt eine Erhöhung des Steuersatzes vorzuschlagen. Das ist die Erhöhung des Steuersatzes für den Großhandel von bisher 1 auf 1,50/o. Die sich daraus errechnende Mehreinnahme ist unbedingt notwendig, um das haushaltswirtschaftliche Risiko der großen Steuersenkung erträglich zu gestalten. Dieser Steuersatz bleibt dann immer noch unter dem, was in anderen Ländern, die das deutsche System der Umsatzsteuer haben, beim Umsatz im Großhandel erhoben wird. Die Erhöhung von 1/2% ist auch sicherlich nicht von einer solchen Bedeutung, daß sie vom Großhandel nicht ohne Schaden für die Wirtschaft abgewälzt oder allenfalls getragen werden könnte.
Daneben sieht der Gesetzentwurf eine Anpassung sowohl zugunsten des Steuerpflichtigen wie zuungunsten der Steuerpflichtigen bei der Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme vor. Es sollen damit gleiche Wettbewerbsverhältnisse unter den öffentlich-rechtlichen und privaten Betrieben geschaffen werden.
Damit darf ich nun zu dem Teil des Gesetzentwurfs über die Neuordnung von Steuern übergehen, der die öffentliche Anteilnahme wohl besonders erweckt. Es sind das die geplanten Änderungen in der Gesetzgebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Schon bei der Steuerreform des Jahres 1953 war es das Ziel, eine Senkung der Steuerlast durch eine Senkung der Tarife zu erstreben und gleichzeitig durch Wegfall der früher sehr zahlreich festgelegten Vergünstigungen eine Vereinfachung der Gesetzgebung und innere Gerechtigkeit der Steuergesetze zu erreichen. Der neue Gesetzentwurf hält an diesem Ziel fest. An dem Wegfall der Vergünstigungen, der in dem Gesetz des Jahres 1953 festgelegt ist, wird festgehalten. Infolgedessen fallen auch zu dem bereits im Gesetz vom Jahre 1953 vorgesehenen Termin die Vergünstigungen des § 7 c
und des § 7 d des Einkommensteuergesetzes weg. Um eine Schädigung des Wohnungsbaus zu vermeiden, hat sich die Bundesregierung entschlossen, vorzuschlagen, in der Neufassung des Wohnungsbauprämiengesetzes eine Bestimmung vorzusehen, die sachlich zur Folge hat, daß die Leistungen des Bundeshaushalts für den Wohnungsbau um jährlich bis zu 60 Millionen DM erhöht werden. Die Bundesregierung hat sich auch entschlossen, bei der Beratung des Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Zeit vorliegenden Gesetzes über die Förderung des Kapitalmarktes für eine längere Beibehaltung der Steuerfreiheit der sozialen Pfandbriefe einzutreten und die dazu notwendigen weiteren Änderungen in diesem Gesetz zu befürworten. Sie glaubt, daß damit die Voraussetzungen geschaffen werden, um trotz Wegfalls des § 7 c den Wohnungsbau in dem notwendigen und geplanten Umfang fortführen zu können.
Der neue Gesetzentwurf sieht daneben den Wegfall einzelner kleinerer Vergünstigungen vor. Jedoch hat sich die Bundesregierung — wenn auch nicht leichten Herzens — entschlossen, den Freibetrag des § 13 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 1000 DM für die nichtbuchführenden Landwirte vorerst beizubehalten.
Die Bundesregierung macht in dem Gesetzentwurf Vorschläge in der seinerzeit viel umstrittenen Frage der gemeinsamen Besteuerung von Ehegatten, von denen sie hofft, daß sie nunmehr auf Verständnis in der Öffentlichkeit stoßen. Diese Frage erhält j a durch die Senkung der Tarife ein ganz neues Gesicht, und, ohne ironisch zu werden, darf ich betonen, daß die neue Regelung auch dem Gedanken der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau besser entspricht.
Auf die übrigen Bestimmungen, die zum Großteil auch technischer Natur sind und den Zweck der Vereinfachung haben, brauche ich hier, wo es sich nur um die Darlegung der Grundgedanken handelt, nicht einzugehen.
Das Kernstück des Gesetzentwurfs ist die Neugestaltung der Tarife. Wir haben bereits im Jahre 1953 eine Senkung der Tarife um rund 15% vorgenommen. Wenn ich heute rückschauend, soweit das bereits möglich ist, die haushaltswirtschaftliche Auswirkung dieser Steuersenkung des Jahres 1953 betrachte, so darf ich feststellen, daß nach dem Ergebnis von heute die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums sich als richtig erwiesen haben.
Wir hatten zunächst für das Jahr 1953 mit einem Aufkommen von 4200 Millionen DM aus Lohnsteuer im Bundesgebiet gerechnet. Wir haben dann unter Berücksichtigung der vorgesehenen Steuerreform diesen Ansatz auf 3650 Millionen DM heruntergesetzt. Dieser so berechnete Ansatz wird durch das tatsächliche Aufkommen des Jahres 1953/54 bestätigt.
Von den verschiedenen Arten der Einkommensteuer läßt sich ein klares Bild für die Entwicklung nur bei der Lohnsteuer zeichnen.
Die Lohnsteuer hat im ersten Rechnungsvierteljahr 1953 eine Zunahme gegenüber dem gleichen Rechnungsvierteljahr 1952 um 14,1 % gebracht. Die Lohnsummen sind im gleichen Vierteljahr gegenüber dem entsprechenden Vierteljahr 1952 um 11,6% gestiegen. Das Lohnsteueraufkommen stieg also damals stärker als die Lohnsumme, was eine Folge des progressiven Aufbaus der Lohnsteuer ist.
Mit Beginn des zweiten Vierteljahrs haben sich die Auswirkungen der Tarifsenkungen der kleinen
Steuerreform des Jahres 1953 gezeigt. Während die Lohnsumme im zweiten Rechnungsvierteljahr gegenüber dem gleichen Vierteljahr 1952 um 10 % weiter zunahm, ist das Lohnsteueraufkommen um 5,8% gesunken. Im dritten Rechnungsvierteljahr 1953 stieg die Lohnsumme gegenüber dem gleichen Vierteljahr 1952 um 13,1%, während das Lohnsteueraufkommen um 4,2% gesunken ist. Im vierten Rechnungsvierteljahr 1953 ist das Lohnsteueraufkommen — einschließlich des Monats März, für den nur eine Vorschätzung vorliegen kann — um 2,4% gegenüber dem gleichen Vierteljahr des Jahres 1952 gesunken. Die Lohnsumme des vierten Rechnungsvierteljahres 1953 liegt noch nicht vor.
Für die veranlagte Einkommensteuer können Zahlen heute nicht gegeben werden. Das Bild ist bei der veranlagten Einkommensteuer deshalb nicht klar, weil hier die Nachzahlungen früherer Jahre nach den früheren Tarifen eine große Rolle spielen.
Der Bundesminister der Finanzen darf wohl, nachdem sich die Berechnungen über den Steuerausfall bei der kleinen Steuerreform als richtig erwiesen haben, annehmen, daß auch die Berechnungen für den Ausfall, der infolge der neuen Senkung der Tarife zu erwarten ist, richtig sind.
Die neue Senkung der Tarife hat, wie bereits betont, das Ziel, die wirtschaftliche Initiative zu steigern und dazu beizutragen, die Betriebsausgaben nur nach den Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft, nicht nach dem Grundsatz der Steuerflucht zu gestalten. Sie hat damit auch das Ziel einer Besserung der Steuermoral. Es kann bei tragbaren Tarifen von jedem Steuerzahler verlangt werden und muß verlangt werden, daß er seine Steuerverpflichtungen nach dem Gesetz ehrlich und redlich erfüllt. Die Senkung der Tarife hat weiterhin das Ziel, in noch stärkerem Maße als bisher auch den breiten Schichten die Möglichkeit zu geben, entweder ihren Verbrauch zu steigern oder zu einer stärkeren Bildung von Ersparnissen beizutragen. Sie will in den Willensentschluß des einzelnen Verbrauchers dabei nicht eingreifen. Sie hofft aber, daß die Milliardenbeträge, die den Steuerzahlern künftig verbleiben, zum großen Teil zu einer stärkeren Bildung von Ersparnissen führen und insbesondere damit auch zu einer Belebung des Kapitalmarkts. Die Bundesregierung hofft, daß infolge der Belebung des Kapitalmarkts mehr und mehr nicht nur im Bund, sondern insbesondere auch in den Ländern die öffentlichen Investitionen nicht mehr durch Steuergelder gedeckt werden müssen,
sondern daß sie auf dem Weg über den Kapitalmarkt durch Anleihen bestritten werden können, zu deren Verzinsung und Bildung auch die kommenden Generationen mitzutragen haben, denen die Frucht dieser Investitionen zugute kommt.
Sie hofft, damit für die weitere Zukunft eine Entlastung des öffentlichen Haushalts zu erreichen, die das Wagnis, das in der Tarifsenkung liegt, rechtfertigt.
Sie hofft, daß der Anreiz, Betriebsausgaben künftig nicht unter dem Gedanken der Steuerflucht, sondern nach den Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft zu gestalten, dazu beiträgt, das Erträgnis der Volkswirtschaft zu steigern und damit auch die Steuerkraft der Gesamtheit zu steigern.
Ich darf aber bemerken, daß allen diesen Bemühungen Grenzen gezogen sind. Die eine Grenze liegt zunächst schon darin, daß ein Volk, dessen Regierung, wenn sie auch eine Regierung von Verbrechern gewesen ist, einen Krieg begonnen und diesen Krieg mit einem Zusammenbruch hat enden lassen, ein Volk, das infolgedessen heute in vielem noch auf Hilfe und Unterstützung anderer großherziger Völker angewiesen ist, in seiner Steuerbelastung nicht unter der Belastung der Siegerstaaten liegen kann.
Ich weiß und niemand braucht das zu betonen, daß Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht die einzigen Steuerlasten sind, die die deutsche Wirtschaft trägt. Ich weiß, daß wir daneben nicht nur die Last der indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer, tragen, die in diesem Umfang das Ausland vielfach nicht kennt.
Ich weiß, daß auf dem Gebiet der direkten Steuern neben Einkommen- und Körperschaftsteuer noch das Berliner Notopfer, die Ergänzungsabgabe und insbesondere die Vermögensabgaben für den Lastenausgleich zu berücksichtigen sind.
Ich kann deshalb feststellen, daß die gesamte Steuerlast, die die deutsche Bevölkerung trägt, immer noch über der Steuerlast anderer Völker liegt; aber trotzdem muß damit gerechnet werden, daß bei gleichen Steuerarten, die in allen Ländern das Hauptstück der Besteuerung darstellen, das Ausland Tarif zu Tarif vergleicht, und ich darf mit einer gewissen Mahnung betonen, daß, wenn die neuen Tarife Gesetz werden, die deutschen Tarife zum Teil unter den Sätzen liegen, die in anderen, reichen Ländern heute noch erhoben werden. Wenn man dabei darauf hinweist, daß wir gleichzeitig die Steuervergünstigungen aufheben, während andere Länder z. B. das sogenannte splitting haben, das in seiner Wirkung eine wesentliche Ermäßigung der Tarife für Verheiratete bedeutet, so ist das wohl richtig, schließt aber die Gefahr eines falschen Vergleichs nur von Tarif zu Tarif nicht aus. Es ist daher bei der Tarifgestaltung auch auf die internationale Betrachtung Wert zu legen, und ich muß betonen, daß allein schon unter diesem Gesichtspunkt die neuen Tarife die äußerste Grenze dessen darstellen, was möglich erscheint.
Sie stellen auch die äußerste Grenze dessen dar, was haushaltswirtschaftlich möglich ist. Der Bundesfinanzminister weiß, welche Schwierigkeiten sich schon für das Rechnungsjahr 1954 ergeben haben, den Bundeshaushalt abgeglichen vorzulegen, und welche Schwierigkeiten sich noch ergeben werden, diese Abgleichung des Bundeshaushalts durchzuhalten.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich betonen, daß der Bundeshaushalt irgendwelche versteckten Kapitalien nicht kennt. Der deutsche Bundesminister der Finanzen legt der Öffentlichkeit monatlich auf Mark und Pfennig die Ausweise über seine Ausgaben und seine Einnahmen vor. Er weist auf Mark und Pfennig aus, wie der Kassenstand im einzelnen Monat und Vierteljahr ist, und jeder weiß, daß die rückständigen Besatzungskosten in ihrer Höhe den Kassenbeständen des Bundes fast gleichkommen und daß diese rückständigen Besatzungskosten leider Gottes, wie verschiedentlich in der Öffentlichkeit auf Grund von Erklärungen der Besatzungsmacht betont werden mußte,
dem Bundeshaushalt nicht zur Verfügung stehen, sondern durch Verpflichtungen, die die Besatzungsmächte bereits eingegangen sind, restlos verfügt und täglich fällig sind.
Der Bundesminister der Finanzen hat sich pflichtgemäß auch Gedanken darüber gemacht, ob das haushaltswirtschaftliche Wagnis einer Tarifsenkung in dem Umfang, wie sie vorgenommen wird, auch getragen werden kann. Er muß hier offen gestehen, daß unter diesem Gesichtspunkt das Wagnis ihm ein sehr großes erscheint. Selbst wenn sich für den Bundeshaushalt 1955 keine Mehrausgaben ergeben als die, die heute schon als sicher vorausgesehen werden können, so muß der Bundesminister der Finanzen heute schon feststellen, daß die Abgleichung des Haushalts 1955/56 noch wesentlich höheren Schwierigkeiten begegnen wird, als es heim Haushalt 1954/55 bereits der Fall gewesen ist.
Die Steuersenkung wird einen verstärkten Appell an die Öffentlichkeit erfordern, dem Staat nicht mehr Ausgaben zuzumuten, als unbedingt notwendig sind, und sie wird im Staatswesen den Zwang zur Sparsamkeit noch mehr verstärken müssen,
als dies bisher der Fall gewesen ist.
Unter diesem Gesichtspunkt muß ich erklären, daß die vorgenommene Senkung der Tarife das äußerst Mögliche ist, was die Bundesregierung wagen kann, und daß ich nur die Hoffnung aussprechen darf, daß dieses Wagnis nicht durch vielleicht unvernünftige Forderungen einzelner Beteiligter ins Unverantwortliche gesteigert wird.
Der neue Steuertarif für die Einkommensteuer unterscheidet sich schon in seinem Aufbau von den bisherigen Steuertarifen. Er ist seinem Wesen nach — wie bisher — progressiv. Das entspricht dem Grundsatz der Gerechtigkeit, da bei hohen Einkommen der für den Lebensbedarf notwendige Teil einen geringeren Hundertsatz des Gesamteinkommens bedeutet als bei niedrigen Einkommen. Der neue Steuertarif ist ein sogenannter Formeltarif, er ist nach einer mathematischen Formel aufgestellt mit dem Ziel, Sprünge und Brüche zu vermeiden und die Progression automatisch von Mark zu Mark Mehreinkommen steigen zu lassen. Während alle bisherigen Tarife gewisse Ausbuchtungen zeigten zugunsten und zuungunsten irgendwelcher Einkommensschichten, folgt der neue Tarif stetig der mathematischen Regelmäßigkeit, stellt also keine willkürlich gewählte Kurve mehr dar.
Zu dem neuen Steuertarif treten Erhöhungen der Freibeträge. Die Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben sind unverändert geblieben. Die Freibeträge sind dagegen erhöht worden, und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung kinderreicher Familien.
Ich habe, als ich einmal im Kreise der Länderfinanzminister saß und dort einen Bericht über das Gutachten der Sachverständigen der Länder hörte, ein Scherzwort vernommen. Der Berichterstatter hat erklärt, daß es sich um einen von Sachverständigen aufgestellten Bericht handle, der, wie alles, was von guten Sachverständigen bearbeitet wird. in nüchternem Ton gehalten sei; nur an einer Stelle
werde dieser Bericht fast lyrisch, nämlich an der Stelle, wo die Sachverständigen über die Notwendigkeit sprechen, die kinderreiche Familie in der Steuergesetzgebung zu berücksichtigen und zu begünstigen.
Die Bundesregierung hat vielleicht nicht den lyrischen Ton,
aber doch den Grundgedanken dieses Sachverständigengutachtens auch hier übernommen. Es war ihr Bestreben, bei den Freibeträgen gerade mit Rücksicht auf die kinderreiche Familie soweit zu gehen, als nur möglich erschien.
Die Freibeträge für den Steuerpflichtigen und
seine Ehefrau werden erhöht von 800 auf 900 DM.
Die Freibeträge für die Kinder werden erhöht von bisher 600 DM für das erste und zweite Kind auf 720 DM und vom dritten Kind an auf 1440 DM.
Es werden daher künftig Familien mit drei Kindern zur Lohnsteuer überhaupt nur herangezogen, wenn sie ein Einkommen von mehr als 5600 DM haben,
Familien mit vier Kindern erst dann, wenn sie ein Einkommen von mehr als 7000 DM haben,
Familien mit fünf Kindern erst dann, wenn sie ein Einkommen von mehr als 8500 DM haben.
Die Steuersätze, mit denen sie herangezogen werden, beginnen bei Überschreitung dieser Einkommen dann natürlich sehr gering.
Die Tarife des Jahres 1949 kannten Höchstsätze von 94 %. Der Tarif 1951 kannte noch einen Höchstsatz von rund 80 %. Der Tarif des Gesetzentwurfs für das Jahr 1954 kennt nurmehr einen höchsten Durchschnittssatz von 55 %. Dieser Tarifsatz von 55 % beginnt erst bei einem Einkommen von über 600 0000 DM. Die große Masse aller Steuerzahler, auch der sogenannten großen Steuerzahler, wird daher künftig Tarifsätze unter 50 % im Durchschnitt zu tragen haben.
Das ist der psychologische Punkt, bei dem jeder einzelne sich sagen muß, daß unnötige Ausgaben, die er macht, nicht mehr zum größeren Teil vom Finanzamt, sondern nunmehr zum größeren Teil aus seiner eigenen Tasche und auf Kosten seiner eigenen Lebenshaltung und Ersparnisbildung zu tragen sind.
Wenn ich die Tarife nun vergleiche mit den Tarifen der früheren Jahre, so darf ich zunächst ausgehen von einem Vergleich mit dem Jahr 1951. Denn die Einkommensteuerreform des Jahres 1954 muß als Einheit betrachtet werden mit der sogenannten kleinen Steuerreform des Jahres 1953. Ich vergleiche also zunächst die Steuerermäßigung, die der Gesetzentwurf vorsieht, gegenüber dem Einkommensteuertarif 1951. Sie beträgt in Steuerklasse III 1 bei einem Einkommen von über 3000 DM 61,5 %,
bei einem Einkommen von über 4000 DM 35,4 %,
bei einem Einkommen von über 5000 DM 26,6 %,
von 6000 DM ab 23,7 %, von 8000 DM ab 25,3 %,
- der gesamten Steuer natürlich;
ich weiß nicht, was man, wen man über eine Steuerermäßigung spricht, anderes erlassen kann als die Steuern -,
bei einem Einkommen von über 10 000 DM 28,2 %, über 12 000 DM 30,6 %, über 15 000 DM 31,4 %, über 20 000 DM 30,3 %, über 25 000 DM 29,9 %, über 30 000 DM 29,2 %, über 40 000 DM 29,1 %, über 60 000 DM 29,4 %, über 80 000 DM 31,4 %, über 100 000 DM 32,9 %, über 500 000 DM 33,5 %, über 1 Million DM 31,3 %.
Vergleiche ich die Senkung der Tarife bei der Einkommensteuer nach dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den Steuersätzen, wie sie die kleine Steuerreform im Jahre 1953 vorgesehen hat, so ergibt sich folgende Tabelle:
Die neue Ermäßigung ist bei Einkommen
über 3 000 DM 41,6 %
„ 4 000 DM 12,8 %
5 000 DM 7,1 %
„ 6 000 DM 6,4 %
„ 8 000 DM 9,9 %
„ 10 000 DM 13,9 %
„ 12 000 DM 17,0 %
„ 15 000 DM 18,8 %
„ 20 000 DM 19,1 %
„ 25 000 DM 18,9 %
„ 30 000 DM 18,2 %
„ 40 000 DM 17,2 %
„ 60 000 DM 16,6 %
„ 80 000 DM 17,9 %
„ 100 000 DM 18,9 %
„ 500 000 DM 24,0 %
„ 1 Mio DM 21,5 %
Die Verschiedenartigkeit in der Auswirkung der Senkung erklärt sich natürlicherweise einerseits aus dem System der Freibeträge und andererseits daraus, daß der neue Tarif, wie ich betont habe, ein Tarif ist, der stetig nach mathematischen Gesetzen die Progression in allen Einkommensschichten durchführt und die Ausbuchtungen der Kurve, die in dem alten Tarif noch enthalten waren, mit beseitigt. Wieweit die Steuersenkungen, auch verglichen mit der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, gerade für die kleinen Einkommen gehen, beweist die Tatsache, daß die Steuerpflichtigen mit einem Einkommen bis rund 4 500 DM
infolge der gesamten Steuerpolitik der Bundesregierung seit dem Jahre 1949 prozentual und absolut künftig weniger zu zahlen haben als in den Jahren vor dem Krieg.
Im Zusammenhang mit dem Tarif der Einkommensteuer muß der Steuersatz der Körperschaftsteuer stehen. Der Tarif der Körperschaftsteuer ist notwendigerweise geringer, als der höchste Durchschnittssatz bei der Einkommensteuer ist. Der höchste Durchschnittssatz bei der Einkommensteuer ist, wie ich betont habe, 55 %. Es werden in der Öffentlichkeit viele Worte, manchmal auch törichte Worte, über die sogenannte Doppelbesteuerung durch Körperschaftsteuer einerseits, Besteuerung des Einkommens der Gesellschafter andererseits gesprochen. Man sollte nicht vergessen, daß der Körperschaftsteuersatz ganz bewußt so festgelegt ist, daß er durch einen geringeren Satz — verglichen mit der Einkommensteuer — diese Tatsache der Doppelbesteuerung, wenn man das Wort überhaupt gebrauchen soll, ausgleicht. Es darf nicht vergessen werden, daß die Steuerpolitik zum Ziele haben muß, in das Wirtschaftsleben möglichst wenig einzugreifen. Sie darf unter keinen Umständen dahin wirken, daß der persönliche Unternehmer, der mit seinem ganzen Vermögen für den Erfolg oder Mißerfolg seines Unternehmens einsteht, steuerlich schlechter behandelt wird
als die anonyme Körperschaft, bei der der einzelne Gesellschafter nur mit einem beschränkten, manchmal recht geringen Teil seines Vermögens für den Erfolg und Mißerfolg der Gesellschaft haftet.
Unsere Volkswirtschaft braucht den persönlichen Unternehmer, und es wäre eine falsche Steuerpolitik, die den persönlichen Unternehmer veranlaßt, sein Unternehmen rein aus steuerlichen Gründen in eine Körperschaft mit einer beschränkten Haftung umzuwandeln.
Infolgedessen muß zwischen dem höchsten Durchschnittssatz der Einkommensteuer, die der persönliche Unternehmer zu tragen hat, und zwischen dem Satz der Steuer für die anonyme Körperschaft ein Unterschied bestehen, der die Besteuerung unter Berücksichtigung des Umstandes, daß bei der anonymen Körperschaft der ausgeschüttete Gewinn beim Gesellschafter wiederum besteuert wird, möglichst gleichmäßig für beide Teile festsetzt. Es besteht weitgehend Übereinstimmung darin, daß der Unterschied zwischen dem höchsten Durchschnittssatz der Einkommensteuer und dem Körperschaftsteuersatz etwa 10 Punkte betragen sollte. Aus dieser Erwägung heraus schlägt die Bundesregierung für die Körperschaften, die bisher einen Satz von 60 % zu tragen hatten, neuerdings einen Satz von 45 % vor, was also eine Senkung um ein Viertel, um 25 %, bedeutet. Aus Gründen der Pflege des Kapitalmarktes hat sich die Bundesregierung außerdem entschlossen, die Begünstigung des ausgeschütteten Gewinns, der bekanntlich jetzt nur mit 30 % Steuersatz belegt ist, vorerst weiter zu behalten. Sie hat dies getan, obwohl sie an dem Grundsatz festhält, in die wirtschaftlichen Verhältnisse möglichst wenig einzugreifen und insbesondere keinen Anreiz zur Umwandlung persönlicher Unternehmen in anonyme Körperschaften zu geben.
Die Begünstigung des ausgeschütteten Gewinns erfolgt nur unter dem Gesichtspunkt der Pflege des Kapitalmarktes und ist daher zeitbedingt.
Die Bundesregierung hat sich weiter entschlossen, diese Steuertarife bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer — nicht die übrigen Bestimmungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, insbesondere nicht die Bestimmungen der früheren Gesetze für den Wegfall von Vergünstigungen — womöglich bereits zum 1. Oktober 1954 in Kraft treten zu lassen. Dies ist allerdings von Voraussetzungen abhängig. Die Vorverlegung des Termins auf den 1. Oktober 1954 wird Auswirkungen für den Haushalt nicht nur der Länder, sondern auch des Bundes haben. Der Bundeshaushalt muß nach den Vorschriften der Verfassung abgeglichen gehalten werden. Die für den Bundeshaushalt entstehende Deckungslücke muß in irgendeiner Form geschlossen werden. Die Bundesregierung wird dem Bundestag rechtzeitig die entsprechenden Vorschläge unterbreiten.
Außerdem muß ich pflichtgemäß darauf hinweisen, daß nach allen bisherigen Erfahrungen bei Änderungen von Tarifen und Steuergesetzen sich ein Zeitraum von etwa zwei Monaten nach Verkündung der Gesetze als notwendig erwiesen hat, um den Arbeitgebern und daneben auch der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, den Vollzug der Gesetze vorzubereiten.
Ich muß nun auf die schon früher erwähnte Ergänzungsabgabe hinweisen. Die Einführung einer Ergänzungsabgabe ist in den Gesetzen über die Finanzreform vorgesehen. Sie ist unvermeidlich. Sie ist unvermeidlich aus dem allgemeinen Gesichtspunkt, den ich vorhin erwähnt habe. Der Bund muß eine Bewegungsfreiheit auch künftig behalten, um anpassungsfähig für Fälle neuer, heute noch nicht voraussehbarer notwendiger Ausgaben des Bundes zu sein.
Er darf nicht gezwungen werden, in der Zukunft allein auf das Gebiet der indirekten Steuern auszuweichen und damit die Belastung des Verbrauches der breiten Massen über das Erträgliche und Gerechte hinaus zu steigern. Er ist aber auch zeitlich gezwungen, von der Ermächtigung, eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer einzuführen, Gebrauch zu machen. Die Bundesregierung und der Bundesminister der Finanzen haben sich dabei auf das unerläßliche, geringstmögliche Maß beschränkt.
Der Gesetzentwurf über die Ergänzungsabgabe sieht eine solche in Höhe von 2,5 % des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer vor. Das bedeutet also, daß etwa 10 % der Steuersenkung durch die notwendige Ergänzungsabgabe wieder aufgeholt werden. Ich darf die Hoffnung aussprechen, daß die Gesetzentwürfe nicht vom Standpunkt des öffentlichen Haushalts aus im Laufe der Beratungen eine weitere Verschlechterung erfahren, weil sonst dieser Satz von 2,5 % Ergänzungsabgabe kaum gehalten werden könnte.
Ich habe vorhin grundsätzlich von dem hauswirtschaftlichen Wagnis gesprochen. Ich darf hier die Zahlen geben: Die Entlastung des Steuerzahlers durch die Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer wird im Kalenderjahr insgesamt etwa 2300 Millionen DM betragen. Damit diese Zahl richtig gewürdigt wird, darf ich dem gegenüberstellen, daß das gesamte Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer im Jahre 1950 überhaupt nur 5,4 Milliarden DM betragen hat.
Selbstverständlich ist ein entsprechender Ausfall für die öffentlichen Haushalte in Bund und Ländern damit verbunden.
Ich bemerke ausdrücklich, daß bei dieser Berechnung die möglichen günstigen Auswirkungen der Steuersenkung bereits berücksichtgit sind. Diesen Berechnungen ist insbesondere zugrunde gelegt, daß sie es der deutschen Wirtschaft ermöglichen, auch im Jahre 1955 das Bruttosozialprodukt um weitere 5 % zu steigern, also um einen Satz, mit dem kein anderes Land in Europa zur Zeit zu rechnen wagt.
Das mag kühn erscheinen. Es ist aber ein Beweis dafür, welches Vertrauen die Bundesregierung in das deutsche Volk setzt. Die Bundesregierung bemüht sich, auf dem finanzpolitischen Gebiet und dem der Steuergesetzgebung eine Stetigkeit zu schaffen. Sie entlastet den Steuerzahler bis zum äußerst Möglichen von den übermäßigen Lasten, die er bisher zu tragen hatte. Sie gibt dem wirtschaftenden deutschen Volk nicht nur Bewegungsfreiheit, sondern will ihm auch Vertrauen in die weitere stetige Entwicklung des deutschen Volkes geben. Sie übernimmt damit bewußt ein großes Wagnis in der Hoffnung, daß Vertrauen mit Vertrauen erwidert wird.
Lassen Sie mich schließen mit dem Wunsch, daß das deutsche Volk dieses Vertrauen erwidert mit Fleiß, Tüchtigkeit, Sparsamkeit und Ehrlichkeit gegenüber dem Staat. Staat und Volk sind eine Einheit, und Staat und Volk haben ein Schicksal. Die Bundesregierung ist bemüht, alles zu tun, auf daß dieses Schicksal von Staat und Volk sich weiter zum Guten wende.