Rede von
Dr.
Otto
Klötzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich mit meiner Berichterstattung sehr kurz fassen. Ein Angehöriger einer Bundesbehörde, der bis 1948 in der sowjetisch besetzten Zone lebte und dort bei mehreren Dienststellen tätig war, fühlt sich durch einen Brief beleidigt, den der Abgeordnete Dr. Henn in seiner Eigenschaft als Leiter einer Berliner Dienststelle seiner Partei an eine Bonner Dienststelle der gleichen Partei gerichtet hat. In diesem Brief hat Herr Dr. Henn Bedenken hinsichtlich der politischen Zuverlässigkeit dieses Angestellten der Bundesbehörde geltend gemacht und Vorwürfe wegen der politischen Tätigkeit dieses Herrn in der Zeit, als er in der Sowjetzone lebte, erhoben. Der Inhalt dieses Briefes ist dieser Bundesbehörde und auch dem betreffenden Herrn selbst zur Kenntnis gelangt. Er beabsichtigt nun, gegen Herrn Dr. Henn strafrechtlich vorzugehen.
Der Ausschuß hatte abzuwägen zwischen dem berechtigten Verlangen eines Staatsbürgers, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, selbst wenn diese von einem Abgeordneten erhoben werden, und der Überlegung, ob und inwieweit ein Mitglied dieses Hauses berechtigt, ja geradezu verpflichtet ist, im Personellen und Sachlichen Kritik zu üben und auf Mißstände in der öffentlichen Verwaltung hinzuweisen. Der Ausschuß sieht in dem Verhalten des Herrn Dr. Henn die Wahrung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 des Strafgesetzbuches. Er schlägt daher dem Hohen Hause vor, die Immunität des Abgeordneten Dr. Henn nicht aufzuheben.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß bereits der 1. Bundestag mit dieser Sache beschäftigt war und in seiner Sitzung vom 3. Juli 1953 auf Grund der gleichen, heute wieder zur Debatte stehenden Tatbestände ebenfalls zu der Ablehnung des Antrags gekommen ist und die Immunität nicht aufgehoben hat.