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ID0201600500

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    2. Deutscher Bundestag — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Februar 1954 517 16. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 517 C, 550 D Eintritt des Abg. Putzig in den Bundestag . 517 C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg Arndgen und Kemper (Trier) 517 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 19, 21, 22, 26, 27, 28, 29, 30 (Drucksachen 172, 265; 175, 264; 191, 273; 229, 277; 230, 276; 231, 281; 232, 274; 233, 268) 517 D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Ergebnisse der Berliner Außenminister-Konferenz) und Aussprache über die Erklärung 518 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 518 A Ollenhauer (SPD) 522 B Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 528 B Dr. Dehler (FDP) 533 B Haasler (GB/BHE) 538 C Dr. von Merkatz (DP) 539 B Unterbrechung der Sitzung . . . 544 A Wehner (SPD) 544 A Lemmer (CDU/CSU) 546 D Seiboth (GB/BHE) 549 A D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 550 A Präsident D. Dr. Ehlers 550 C Einstimmige Annahme der Entschließung Drucksache 286 550 B Nächste Sitzung 550 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Bei der großen Bedeutung der Berliner Konferenz für Deutschland erscheint eine ausführliche Darstellung des Verlaufs der Konferenz und eine Analyse der auf ihr gemachten Vorschläge notwendig.
    Die Teilung Deutschlands beruht nicht auf einem innerdeutschen Zwist, sondern auf dem Konflikt der vier Großmächte. Infolgedessen hat Deutschland ein vitales Interesse daran, daß der Ost-West-Konflikt entspannt und so die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf Grund einer Übereinkunft der vier Großmächte ermöglicht wird.
    Nach dem Tode Stalins deuteten vielleicht einige Anzeichen darauf hin, daß die Sowjetunion ihre starre außenpolitische Haltung, die zum Scheitern der bisherigen Versuche zur Lösung der deutschen Frage geführt hatte, aufgeben und an einer Entspannung ihrer Beziehungen mit der freien Welt interessiert sein könnte. Die Bundesregierung und mit ihr die drei westalliierten Mächte vertraten deshalb die Auffassung, daß der Zeitpunkt gekommen sei, eine neue Konferenz der vier Mächte einzuberufen und zu versuchen, die Spaltung Deutschlands neun Jahre nach Abschluß des Krieges endlich zu beseitigen. Die Sowjetunion hat sich dem Ansuchen der drei Mächte um eine Konferenz I nicht entzogen.
    Dem Notenwechsel, der der Berliner Konferenz voranging, war allerdings deutlich zu entnehmen, daß der Sowjetunion weniger an einer Entspannung und Normalisierung der Verhältnisse in Europa als vielmehr an einer Veränderung der gegenwärtigen Situation in Ostasien gelegen war. Das Motiv dieser Einstellung lag wohl in der Erkenntnis, daß die Westmächte, Deutschland und Österreich sich darin einig waren, die Voraussetzung für jede Entspannung in Europa müsse der sowjetische Verzicht auf die Unterwerfung freier Völker sein. Die Sowjetunion sollte damit auf die Rolle einer normalen Besatzungsmacht zurückverwiesen werden, die sich der Wiederherstellung des natürlichen Rechts der Völker auf ihre innere und äußere Selbstbestimmung nicht widersetzt. Deshalb ist die Forderung nach freien Wahlen in ganz Deutschland schon der Mittelpunkt der alliierten Noten gewesen.
    Der Sowjetunion war diese Forderung unbequem. Sie hoffte, bei der Behandlung asiatischer Themen einen leichteren Stand zu haben. Hier glaubte sie mit einer Aufspaltung der drei Westmächte rechnen zu können. Sie wußte, daß die westalliierten Auffassungen hinsichtlich der gegenüber der chinesischen Volksrepublik zu vertretenden Politik sich nicht immer deckten, und sie zählte gewiß auch darauf, daß die sozialen revolutionären Bestrebungen in den Völkern Ostasiens ihren eigenen Zielen dienstbar gemacht werden könnten.
    Schließlich mußte ihr die Aufnahme Rotchinas in das Konzert der Großmächte dringend angelegen sein, einmal weil die rotchinesische Führung dringend verlangte, die wirtschaftliche und politische Isolierung, die das Ergebnis dieser Freundschaft mit der Sowjetunion ist, zu durchbrechen, zum andern weil der Eintritt Rotchinas in die Gruppe der anerkannten Großmächte auch die Sowjetunion selbst aus der weltpolitischen Vereinsamung herausführen und ihre krasse Minderheitsposition in den Vereinten Nationen durch den Aufbau eines Weltsystems der fünf Mächte ablösen sollte.
    Zu Beginn der Berliner Konferenz war denn auch festzustellen, daß der sowjetische Außenminister versuchte, der Behandlung der deutschen und der österreichischen Frage so lange wie nur irgend möglich auszuweichen und dagegen die asiatischen Probleme in den Vordergrund zu stellen. Alle sowjetischen Vorschläge waren darauf gerichtet, erstens die UNO auszuhöhlen und zweitens an ihre Stelle ein mehr oder weniger ständiges Direktorium der Großmächte zu setzen, dem in jedem Fall die Chinesische Volksrepublik angehören sollte. Das gilt sowohl für Molotows Plan einer Fünfer-Konferenz als auch für seinen Vorschlag einer Weltabrüstungskonferenz sowie selbst für seine handelspolitischen Angebote.
    Die Außenminister der drei Westmächte sind diesem sowjetischen Vorgehen mit einer sehr geschmeidigen Taktik begegnet. Sie haben von Anbeginn — bei der Wahl des Konferenzortes, der Frage des Vorsitzes, ja selbst bei der Festsetzung der Tagesordnung — eine Reihe von zum Teil keineswegs nebensächlichen Zugeständnissen gemacht, weil sie ihrem sowjetischen Verhandlungspartner keine Möglichkeit zur Verzögerung geben, sondern zur Sache, zu ihrer und zu unserer Sache kommen wollten.
    Nachdem Molotow vergeblich versucht hatte, dem Sowjetzonen-Regime zu einer Art de-facto-Anerkennung durch die Großmächte zu verhelfen, indem seine Vertreter neben den Vertretern der Bundesrepublik auf der Konferenz gehört werden sollten, gelang es dem britischen Außenminister Eden, unverzüglich den Plan der drei Mächte für die Wiedervereinigung Deutschlands zur Sprache zu bringen.
    Der Eden-Plan beruht im wesentlichen auf den mit deutschen Sachverständigen durchgeführten Vorarbeiten der Alliierten und lehnt sich eng an die Beschlüsse des Bundestags vom 10. Juni 1953 an. Er beruht auf dem Grundgedanken, daß freie Wahlen die Grundlage und den ersten Schritt zur Wiedervereinigung Deutschlands bilden müssen. Nur aus freien Wahlen kann eine Nationalversammlung hervorgehen, die legitimiert ist, eine Verfassung auszuarbeiten und auf der Grundlage dieser Verfassung eine gesamtdeutsche Regierung zu bilden, die dann in der Lage wäre, Friedensverhandlungen zu führen und mit verbindlicher Wirkung für ganz Deutschland abzuschließen.
    Unter den Bedingungen, meine Damen und Herren, die heute in der Sowjetzone Deutschlands herrschen, kann die Freiheit der Wahlen jedoch nur dann als gesichert gelten, wenn ihre Durchführung von unparteiischen Organen überwacht wird, die dafür sorgen, daß bestimmte Freiheitsrechte vor, während und nach der Wahl garantiert sind. Der Eden-Plan schlug daher eine Überwachungskommission vor, die sich aus Vertretern der vier Mächte mit oder ohne Teilnahme Neutraler zusammensetzen sollte. Ein von den vier Mächten zu erlassendes Wahlgesetz sollte die Einzelheiten des Wahlverfahrens regeln und es der Bundesrepublik er-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    sparen, Wahlrechtsfragen mit Vertretern des SED-Regimes verhandeln zu müssen. Eine von der Nationalversammlung bestellte vorläufige gesamtdeutsche Behörde sollte schon frühzeitig ins Leben treten, die Nationalversammlung bei der Ausarbeitung der Verfassung unterstützen und gegebenenfalls Vorbereitungen für Friedensverhandlungen treffen.
    Der Nationalversammlung sollte es obliegen, zu bestimmen, wie die Befugnisse der Bundesregierung und der sowjetzonalen Behörden auf die gesamtdeutsche Regierung übertragen und die bisherigen Teilgewalten aufgelöst werden sollten. Die gesamtdeutsche Regierung sollte befugt sein, vertragliche Rechte und Pflichten der Bundesrepublik und der Sowjetzone zu übernehmen und neue Verträge zu schließen. In der Zeit bis zum Inkrafttreten des Friedensvertrags sollten die Kontrollbefugnisse der Besatzungsmächte auf diejenigen Vorbehaltsrechte beschränkt werden, die auch im Deutschland-Vertrag vorgesehen waren.
    Der Aufbau des Eden-Planes zeigt, daß es das gemeinsame Bestreben der Westalliierten und der Bundesregierung gewesen ist, ihren Plan zur Wiedervereinigung Deutschlands von jeder für die Sowjetunion unzumutbaren Forderung freizuhalten. Er enthielt vor allem, was den Zeitabschnitt vom Tag der freien Wahlen bis zum Abschluß des Friedensvertrages angeht, nicht unbeträchtliche Risiken. Wir waren der Meinung, daß wir ein Wagnis eingehen mußten und auch durften, nicht zuletzt deshalb, weil wir uns auf die demokratische freiheitliche Gesinnung aller Deutschen in Ost und in West fest verlassen können.
    Molotow hat den alliierten Vorschlag zunächst damit kritisiert, er sei nicht großzügig genug und lasse Deutschland nicht genug Freiheit. Er legte seinerseits im Laufe der zweiten Konferenzwoche den Entwurf eines Friedensvertrages und einen Plan für die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung und die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen vor. Obgleich dieser letzte Plan Molotows von freien Wahlen sprach, will er nur solche Wahlen zulassen, die mit den bekannten Mitteln totalitärer Staaten zu dem gewünschten Erfolge, in diesem Fall zu einem kommunistischen Siege führen würden. Zu diesem Zwecke lehnte Molotow jede Form unparteiischer Überwachung der Wahlen ab, forderte volle Betätigungsfreiheit für alle sogenannten demokratischen Organisationen und auf der anderen Seite das Verbot solcher Organisationen, die von den Kommunisten als faschistisch, militaristisch, antidemokratisch oder friedensfeindlich bezeichnet werden. Ohne das Ergebnis der Wahlen abzuwarten, sollte schon vorher eine gesamtdeutsche Regierung durch den Bundestag und die Volkskammer gebildet werden; ein Versuch, den Herren Pieck, Grotewohl und Ulbricht eine Legitimation zu verschaffen, die sie sich aus eigener Kraft bisher nicht erringen konnten,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    zugleich ein Versuch, ein trojanisches Pferd in den gesamtdeutschen Staat hineinzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Plan gipfelte in der unter dem Vorwand der Ausschaltung fremder Einmischung erhobenen Forderung, daß die Besatzungstruppen mit Ausnahme beschränkter Kontrollkontingente noch vor den Wahlen aus ganz Deutschland zurückgezogen werden. In diesem Punkte berührte sich der Plan mit
    dem Kerngedanken des sowjetischen Friedensvertragsentwurfs, der sich auf den bereits im März des Jahres 1952 bekanntgegebenen sowjetischen Vorschlägen aufbaute, diese aber nicht unerheblich ergänzte und verschärfte. Den Kernpunkt dieses Entwurfs bildete nach wie vor die Bestimmung, daß Deutschland keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse eingehen dürfe, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. Diese auf die Zwangsneutralisierung Deutschlands gerichtete Bestimmung wurde noch verstärkt. Neben dem Abzug der Besatzungstruppen wurde nach wie vor die Beseitigung aller ausländischen Militärstützpunkte auf deutschem Gebiet verlangt. Die eigenen nationalen Streitkräfte, die der Entwurf vom März 1952 Deutschland zubilligte, wurden nunmehr in der Weise beschränkt, daß sie nur noch inneren Ordnungsaufgaben, der lokalen Grenzverteidigung und dem Luftschutz dienen sollten.

    (Hört! Hört! in der Mitte und rechts.)

    Noch deutlicher als der Plan für die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung und die Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen erweist sich dieser Entwurf eines Friedensvertrages als ein wohlberechnetes Mittel zur Sowjetisierung ganz Deutschlands.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Zur Begründung hat der sowjetische Außenminister immer wieder auf die Gefahr des Wiederauflebens des deutschen Militarismus hingewiesen, die unter allen Umständen und mit allen Mitteln gebannt werden müsse. Aus dem sowjetischen Vorschlag muß man entnehmen, daß die Sowjetunion nur dann einer Wiedervereinigung zustimmen würde, wenn ihr der Prozeß der Wiedervereinigung die Möglichkeit gäbe, den sowjetischen Einfluß auf ganz Deutschland auszudehnen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Selbst dann sollte das wiedervereinigte Deutsch-
    land isoliert bleiben und als Staat minderen Rechts
    eine diskriminierende Sonderbehandlung erleiden.
    Das wurde deutlich, als Molotow in der letzten Konferenzphase die sowjetischen Vorstellungen von einem System kollektiver Sicherheit entwickelte. Die Ziele dieses Planes sind, die Vereinigten Staaten und praktisch auch Großbritannien vom Kontinent zu entfernen,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : Hört! Hört!)

    die Bündnisse der freien Staaten zu sprengen, dagegen das Allianzsystem des Ostblocks zu erhalten und der Sowjetunion so die Vorherrschaft in Europa zu sichern.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Dieser sogenannte Sicherheitsplan Molotows, der sich aus zwei Dokumenten zusammensetzt, mit der Überschrift „Sicherheitsgarantien in Europa" und „Gesamteuropäischer Vertrag über die kollektive Sicherheit in Europa", bemüht sich nicht, zu verbergen, daß er von der fortdauernden Teilung Deutschlands ausgeht und die europäische Friedensordnung auf dieser Voraussetzung aufbauen will. Bis zu dem heute noch völlig ungewissen Zeitpunkt, an dem der Friedensvertrag einmal in Kraft treten wird, sollen die Besatzungsmächte das Recht behalten, ihre zunächst zurückgezogenen Besatzungstruppen wieder in die bisherige Besatzungs-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    zone zurückzuführen. Der nur schlecht verhehlte Hintergedanke dieser Bestimmung zielt darauf ab, die britisch-amerikanischen Truppen zum Verlassen des Kontinents zu bewegen, in der sicheren Gewißheit, daß sie nicht so rasch zurückkehren könnten wie die an den östlichen Grenzen Deutschlands stationierten Sowjettruppen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Die Partner des kollektiven Sicherheitsvertrages sollen sich verpflichten, sich an keinen Koalitionen oder Bündnissen zu beteiligen, deren Ziele im Widerspruch zu den Zielen dieses Vertrages stehen. Diese Bestimmung zielte offenbar auf den Nordatlantikpakt, wenngleich es der sowjetische Außenminister verstand, allen darauf gerichteten Fragen auszuweichen und eine klare Antwort zu vermeiden.
    Eine andere Bestimmung des kollektiven Sicherheitsvertrages sah vor, daß alle diejenigen internationalen Verträge und Abkommen bestehenbleiben sollen, deren Grundsätze und Ziele den Grundsätzen und Zielen dieses Vertrags entsprechen. Damit suchte sich die Sowjetunion eine Grundlage für die Aufrechterhaltung ihres eigenen Bündnissystems mit den östlichen Satellitenstaaten zu sichern.
    Im Endergebnis machte Molotow mit diesem Sicherheitsplan den etwas naiven Vorschlag, daß sich die freien Nationen Westeuropas dem Schutze derjenigen Macht anvertrauen sollen, von der sie sich bisher einzig und allein bedroht fühlen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die drei alliierten Außenminister haben in der sowjetischen Konzeption mit Recht den Ausdruck einer unverhüllten Machtpolitik gesehen. Sie haben diese Politik als überholt, reaktionär und friedensgefährlich gebrandmarkt. Sie haben dem Geist von Versailles, von Jalta und Potsdam eine Konzeption gegenübergestellt, die eine Frucht der bitteren Erfahrungen ist, die die Menschheit zweimal in der kurzen Spanne einer Generation machen mußte. Diese Konzeption ist entstanden aus dem Gedanken der Völkergemeinschaft, die zustande kommt, weil die einzelnen Völker in Souveränitätsbeschränkungen einwilligen, aber nicht unter Zwang, sondern aus freien Stücken. Diese Handlungsfreiheit kann allein die Grundlage von Vertragstreue sein. Sie macht auch diskriminierende Kontrollen überflüssig, die nur Keime zu neuen Konflikten sind.
    Die Alliierten haben in zäher Verhandlung versucht, Molotow zu überzeugen, daß nur eine auf Recht und Vertrauen gegründete Ordnung den Frieden gewährleisten kann. Sie sind ihm entgegengekommen, indem sie jeden Zweifel über die völlige Handlungsfreiheit der gesamtdeutschen Regierung im Hinblick auf von der Bundesregierung geschlossene Abkommen beseitigten. Sie haben in der Frage der Wahlkontrolle und des Wahlgesetzes Zugeständnisse gemacht. Statt einer aus Vertretern der Vier Mächte mit oder ohne Neutrale zusammengesetzten Überwachungsorganisation erklärten sie sich bereit, einer Überwachung durch Kommissionen zuzustimmen, die sich aus je einem Vertreter der Bundesregierung und der Sowjetzone und einem Neutralen zusammensetzen. Ebenso erklärten sie sich bereit, auf der Grundlage des Weimarer Wahlgesetzes zu verhandeln, für das sich der sowjetische Außenminister ausgesprochen hatte. Sie haben schließlich ihre eigenen Vorstellungen von einem System kollektiver Sicherheit entwickelt und darüber hinaus die Gültigkeit der bestehenden alliierten Verträge mit der Sowjetunion bekräftigt sowie ihre Verlängerung angeboten. Es handelt sich, meine Damen und Herren, um die Verträge, die zwischen der Sowjetunion und Frankreich und zwischen der Sowjetunion und Großbritannien seinerzeit geschlossen worden sind.
    Die Mitglieder der 'alliierten Delegationen haben immer wieder in persönlichen Gesprächen mit den sowjetischen Persönlichkeiten zu erkunden versucht, ob Ansatzpunkte für ein Kompromiß bestanden, die in einer Geheimsitzung zu behandeln sich gelohnt haben würde.
    Die sowjetische Reaktion war immer die gleiche und zeigte absolute Unbeweglichkeit. Entgegen manchen Erwartungen waren die Sowjets nicht bereit, irgendeinen Preis für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit auch nur zu nennen, auch nicht die Europäische Verteidigungsgemeinschaft.

    (Sehr richtig! und Hört! Hört! in der Mitte und rechts.)

    Die Behandlung des österreichischen Staatsvertrages zeigte, daß diese negative sowjetische Haltung sich nicht nur auf Deutschland, sondern generell auf Europa bezog.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Obwohl die Westmächte und Österreich bereit waren, die bisher strittigen Artikel des Staatsvertrages in der sowjetischen Fassung anzunehmen, hat Molotow durch das Hinzufügen neuer Bedingungen, von denen er wußte, daß sie unannehmbar waren, den Abschluß des österreichischen Staatsvertrages verhindert.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das Ziel dieses Manövers war, die sowjetischen Truppen auch fernerhin in Österreich halten zu können und sich damit zu gegebener Zeit den Zugriff auf dieses Land zu sichern. Auch die Bereitschaft Österreichs, sich aus freiem Entschluß aller militärischen Bindungen an die eine oder andere Mächtegruppe zu enthalten, hat Molotow nicht von seiner Forderung abgebracht, weiterhin die Rote Armee in Österreich zu belassen.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Das heißt, meine Damen und Herren, sogar ein neutrales Österreich würde nicht frei werden, sondern ein besetztes Österreich bleiben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dieser Zumutung hat sich die österreichische Regierung widersetzt.
    Ich möchte, meine Damen und Herren, zusammenfassend feststellen, daß die sowjetische Politik in Europa von dem Gedanken beherrscht ist, den Status quo hinsichtlich der Besatzung, hinsichtlich der politischen Stellung aller unter ihrer Kontrolle befindlichen Gebiete aufrechtzuerhalten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ihre Pläne lassen aber befürchten, daß die Sowjetunion den Status quo zu gegebener Zeit zur Basis eines weiteren Vordringens in Westeuropa machen wird.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das letzte Ziel ist die sowjetische Vorherrschaft in Europa.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : Hört! Hört!)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Bei der Erörterung der asiatischen Frage hat sich die Sowjetunion dagegen verhandlungsbereit gezeigt. Diese Bereitschaft fand ihren Ausdruck in den Geheimsitzungen der Konferenz. Das Gespräch der vier Mächte über diese Fragen wird am 26. April in Genf fortgeführt werden. Wir müssen sein Ergebnis abwarten. Ich möchte aber schon jetzt sagen, daß die Bundesregierung hofft, die Genfer Konferenz möge das Ende des Krieges in Indochina bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte die Darstellung des Konferenzverlaufs nicht abschließen, ohne den drei westlichen Außenministern für die ausgezeichnete und sehr eindrucksvolle Art, in der sie die Sache der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit auf der Berliner Konferenz vertreten haben, herzlich zu danken.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung zieht aus dem Verlauf der Berliner Konferenz die folgenden Schlüsse:
    1. Um dem sowjetischen Streben nach einer Vorherrschaft in Europa entgegenzutreten, besteht mehr denn je die Notwendigkeit, Europa zu einen und seine Kräfte zusammenzufassen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dazu gehört auch, daß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft Wirklichkeit wird.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    2. Die Bundesrepublik muß ihre auf Freiheit und Recht gegründete innere Struktur festigen und die geistige und materielle Kraft entwickeln, die notwendig ist, um jeden Versuch, ganz Deutschland zu sowjetisieren, vereiteln zu können.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    3. Die Bundesregierung muß durch Worte und Taten klarmachen, daß die Deutschen sich niemals mit der Spaltung Deutschlands abfinden und niemals die Existenz zweier deutscher Staaten hinnehmen werden.

    (Langanhaltender Beifall im ganzen Hause.)

    4. Die Berliner Konferenz hat gezeigt, daß die Deutschlandfrage nicht für sich allein gelöst werden kann. Die Bundesregierung begrüßt es daher, wenn der Versuch gemacht wird, Konfliktstoffe in anderen Teilen der Welt zu beseitigen,

    (Sehr richtig! rechts)

    weil sich die dadurch erzielte Entspannung auch auf die deutsche Frage auswirkt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Bundesregierung wird sich bemühen, auch von sich aus zu einer allgemeinen Entspannung beizutragen, die neue Verhandlungen über Deutschland möglich macht. Sie wird insbesondere für den Aufbau eines auf der freien Zustimmung und der Gleichberechtigung aller Mitglieder beruhenden Systems kollektiver Sicherheit eintreten, das die Sowjetunion veranlassen kann, die sowjetisch besetzte Zone aus ihrem Machtbereich zu entlassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    5. Die Bundesregierung wird alle in ihrer Macht stehenden Maßnahmen ergreifen, um den Deutschen in Berlin und in der sowjetisch besetzten Zone ihr schweres Los zu erleichtern.

    (Lebhafter Beifall im ganzen Hause.)

    Sie appelliert an das Hohe Haus und an die Bevölkerung der Bundesrepublik, sie dabei mit Rat und mit Tat zu unterstützen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Die Wiedervereinigung Deutschlands ist zunächst an der Haltung der Sowjetunion gescheitert. Das ist die bittere Wahrheit. Wir werden aber in unseren Bemühungen nicht nachlassen, neue Mittel und Wege für die Wiedervereinigung Deutschlands zu finden. Die Sowjetunion muß wissen, daß der Westen immer bereit ist zu konstruktiven Verhandlungen. Wir wollen hoffen, daß Fortschritte in anderen Fragen, die Ost und West trennen, die Sowjetunion auch zu einer Revision ihrer Politik in Europa bringen werden.
    Die Bundesregierung sieht in der Tatsache, daß die Berliner Konferenz die Solidarität des Westens eindeutig bewiesen hat, ein positives Resultat der Konferenz.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Sowjetunion muß sich nach dem Verlauf dieser Konferenz im klaren sein, daß ihre Annahme, die westlichen Mächte würden sich untereinander entzweien — eine Annahme, auf der ihre ganze jetzige Politik beruht —, falsch ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    So kann die Berliner Konferenz zum Ausgangspunkt einer neuen Phase der russischen Politik werden, die durch eine richtigere Einschätzung der Realitäten gekennzeichnet wird. Die schmerzliche Enttäuschung über den Verlauf der Berliner Konferenz wird durch die Gewißheit gemildert, daß die Wiedervereinigung Deutschlands zu einem Anliegen der gesamten freien Welt geworden ist.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir dürfen insbesondere der Hilfe und der Unterstützung der Westalliierten gewiß sein.
    Noch ein Wort zur Handlungsfreiheit der gesamtdeutschen Regierung. Sie gehört nicht nur von jeher zum Programm des Westens für die Wiedervereinigung, sondern sie ist auch im Art. VII Abs. 3 des Deutschland-Vertrages statuiert. Was diese Bestimmung des Deutschland-Vertrages betrifft, so war sie notwendig angesichts der staats-
    und völkerrechtlichen Probleme, die die Wiedervereinigung aufwirft, deren juristische Form heute noch niemand voraussagen kann. Man sollte aber über den akademischen Fragen die politischen Realitäten nicht vergessen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Das deutsche Volk einschließlich der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung der Sowjetzone fühlt sich schon heute mit der Gemeinschaft des Westens verbunden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Willenskundgebungen vom 17. Juni und vom
    6. September des letzten Jahres haben den Beweis dafür geliefert, daß insbesondere die Politik der europäischen Integration, die die Bundesrepublik verfolgt, von der weit überwiegenden Mehrheit des Volkes gebilligt wird.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Ich glaube, ich kann hieraus die Berechtigung entnehmen, schon jetzt zu sagen: nicht nur wird jede Regierung der Bundesrepublik Deutschland alles tun, um ganz Deutschland in der im Bonner und Pariser Vertrag gegebenen Form in die Gemeinschaft der freien Völker zu führen, sondern wenn die Stunde der Wiedervereinigung gekommen ist, wird das ganze deutsche Volk diese Entscheidung zu der seinigen machen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Inzwischen gilt es, meine Damen und Herren, die deutsche Einheit zu erhalten mit der Kraft des Geistes, des Opfers und der Liebe.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.) Es gibt nur ein einziges deutsches Vaterland.


    (Wiederholter Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)

    Wir werden nicht ruhen und rasten, bis es seine Einheit wiedergefunden hat in Frieden und in Freiheit.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen.
Ich eröffne die
Aussprache über die Erklärung der
Bundesregierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

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    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Sitzung vom 10. Dezember 1953 hat der Deutsche Bundestag in einer einstimmig angenommenen Entschließung das Anliegen des deutschen Volkes im Hinblick auf die damals bevorstehende Vier-Mächte-Konferenz zum Ausdruck gebracht. Die Tatsache dieser einmütigen Stellungnahme des Bundestages bietet nach unserer Auffassung eine gute Grundlage für die heutige Debatte über den Verlauf, die Resultate und die Auswirkungen der Berliner Vier-Mächte-Konferenz.
    Die Konferenz ist zu keiner Verständigung über die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf der Basis von freien Wahlen gekommen. Dieser Ausgang der Konferenz hat zweifellos die große Mehrheit des deutschen Volkes, vor allem die Deutschen in der Sowjetzone, tief enttäuscht. Diese Empfindungen werden von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im vollen Umfang geteilt.
    Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Konferenz nicht nur negativ beurteilt werden kann. Es war die erste Vier-Mächte-Konferenz nach einer Pause von fünf Jahren mit all den Verhärtungen, die die Zuspitzung des kalten Krieges in der Vergangenheit mit sich gebracht hat. Man mußte daher damit rechnen, daß die Verhandlungspartner zunächst ihre Positionen definieren würden. Das ist geschehen und vor allem von der russischen Seite mit einer Deutlichkeit wie nie zuvor. Eine Überbrückung der Gegensätze ist nicht erfolgt; aber die Konferenz ist mit Resultaten und unter Bedingungen abgeschlossen worden, die weitere Verhandlungen und Konferenzen mit dem Ziel einer internationalen Entspannung möglich machen. Die Fortsetzung der Gespräche über eine internationale Atomenergieordnung und die Vereinbarung über eine neue Konferenz zur Besprechung der Koreafrage und des Kriegs in Indochina sowie die Vereinbarung über eine energischere Fortsetzung der Abrüstungsgespräche sind Beweise für diese Annahme.
    Wir Sozialdemokraten halten diesen Ansatz in der Richtung einer weiteren Entspannung für ein Ereignis von grundsätzlicher und weittragender Bedeutung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Hoffnungen aller Menschen richten sich in erster Linie auf die Erhaltung und die Festigung des Friedens in der Welt.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Vor allem das deutsche Volk muß schon den Versuch einer solchen Politik aus tiefstem Herzen begrüßen; denn seine Wiedervereinigung, die Hebung seines Wohlstandes und seine Eingliederung in die Gemeinschaft der Völker hängt davon ab, ob es den entscheidenden Mächten der Welt gelingt, die Periode der Spannungen zu überwinden und den Frieden zu erhalten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sogar die einfache, natürliche Existenz der deutschen Menschen ist von dem Erfolg einer solchen Politik abhängig.
    Wir begrüßen es, daß auch der Herr Bundeskanzler in seiner heutigen Regierungserklärung den Vorrang einer Politik der Entspannung, vor allem auch im Hinblick auf die Lösung der Deutschlandfrage, so positiv unterstrichen hat.

    (Zuruf von der Mitte: Er hat es schon immer getan!)

    Die Berliner Konferenz hat in diesem Zusammenhang auch den Beweis erbracht, daß die Lösung der Deutschlandfrage nur in Verbindung mit den weiteren, fortgesetzten Bemühungen zur Lösung der durch den Krieg aufgeworfenen Probleme auf internationaler Basis gefördert werden kann und daß angesichts der gegebenen Machtverhältnisse in der Welt und der Verflochtenheit der Probleme eine isolierte Lösung des Deutschland-Problems nicht erreicht werden kann.
    Wir glauben, daß man dieser Tatsache ins Auge sehen muß, so schwer es auch für jeden in unserem Volke sein mag, einzusehen, daß das natürliche Recht eines Volkes auf seine staatliche und nationale Einheit und seine Selbstbestimmung an sich nicht den Anspruch auf unmittelbare Erfüllung hat. Das deutsche Volk darf nicht müde werden, diesen Anspruch auf seine natürlichen Rechte bei allen verantwortlichen Mächten mit Nachdruck zur Geltung zu bringen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sicher ist es für uns Deutsche nach alledem, was hinter uns liegt, und angesichts dessen, was uns bedrückt, schwer, eine solche Konferenz wie die Berliner gerecht und kritisch zu würdigen. Die Erfüllung unseres ureigensten Wunsches hängt aber entscheidend davon ab, ob wir uns in die Lage versetzen können, unsere eigenen Forderungen und Anliegen an den durch diese Konferenz eingeleiteten Prozeß internationaler Gespräche und Verhandlungen immer wieder von neuem heranzubringen, damit ihre Lösung gefördert wird.


    (Ollenhauer)

    Auf dieser Konferenz sind nicht nur 23 Tage hindurch Standpunkte gegeneinander gestellt und Auseinandersetzungen über die Gegensätze geführt worden. Einer der Teilnehmer der Konferenz, der amerikanische Außenminister Mr. Dulles, hat sich am letzten Tage zusammenfassend über die Konferenz geäußert. Er hat gesagt:
    Außer dem, was wir hier erreicht haben, haben wir viel gelernt. Das ist ein Ergebnis, das man nicht ignorieren sollte.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Lachen und Unruhe in der Mitte.)

    — Ich zitiere Mr. Dulles. —

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte und rechts.)

    Es macht es weniger wahrscheinlich, daß irgend jemand von uns aus Unachtsamkeit oder Fehlkalkulation etwas unternimmt, was das Risiko eines neuerlichen Krieges heraufbeschwören würde.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube, eine solche Feststellung gibt keinen Anlaß zu Heiterkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Dieses Urteil von Mr. Dulles ist auch ein Beweis dafür, daß die beiderseitigen Standpunkte nur auf dem Wege einer direkten Aussprache im Rahmen einer Vier-Mächte-Konferenz klargestellt werden konnten und daß auch in Zukunft ein Fortschritt nur erreicht werden kann, wenn die Berliner Konferenz als ein Glied in der Kette internationaler Besprechungen, als ein Anfang einer Serie von Konferenzen dieser oder ähnlicher Art betrachtet wird.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Schlußkommuniqué der vier Außenminister, nicht das Schlußkommuniqué der drei, läßt erkennen, daß jedenfalls in diesem Punkte eine Übereinstimmung bestand.
    In diesem Fall war die Lage der Konferenz dadurch erschwert, daß sie sozusagen selbst die diplomatischen Vorbereitungen ersetzen mußte. Für die Zukunft wird es die Arbeit einer weiteren Konferenz sicher erleichtern, wenn sie durch eine intensive diplomatische Aktivität vorbereitet wird. Wie die Erfahrungen der letzten zwei Jahre zeigen, reicht ein einfacher Notenwechsel dafür nicht aus.
    Was nun die Behandlung der deutschen Frage auf der Berliner Konferenz selbst angeht, so hat sich die Diskussion im wesentlichen um die beiden Hauptprobleme, die Prozedur der Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis von freien Wahlen und den internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands im Zusammenhang mit dem Sicherheitsproblem gedreht. In der Frage der Prozedur des Aufbaus eines wiedervereinigten Deutschlands standen sich der Eden-Plan der Westmächte und die Molotow-Vorschläge für die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung gegenüber. Der Vorschlag Edens deckt sich in seiner Forderung nach freien Wahlen als erstem Schritt zur Bildung eines gesamtdeutschen Parlaments mit unser aller Auffassung, mit den wiederholten Beschlüssen des Bundestags. Allerdings ist der Teil des Eden-Plans, der sich mit den Kompetenzen des gesamtdeutschen Parlaments und der gesamtdeutschen Regierung oder gesamtdeutschen Behörde beschäftigt, die bis zur Verabschiedung der
    Verfassung bestehen soll, nicht in voller Übereinstimmung mit den vom Bundestag gefaßten Beschlüssen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich möchte das einfach feststellen, damit die Positionen in dieser sehr wesentlichen Frage eindeutig und klar sind. Wir haben im Bundestag die Aufgaben einer gesamtdeutschen Regierung unmittelbar nach dem Zusammentritt des Parlaments in wesentlich weitergehender Weise, nämlich als die Konstituierung einer echten demokratischen gesamtdeutschen Regierung, festgelegt. Dieser Beschluß ist durch den Eden-Plan nicht gedeckt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube — ohne daß ich die Debatte über diese Frage in diesem Augenblick vertiefen möchte —, daß es für die weitere Diskussion über die Gestaltung der Dinge in bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands wichtig ist, diesen wesentlichen materiellen Unterschied hier einfach festzustellen.
    Auf der andern Seite enthalten die Vorschläge Molotows über die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung und ihre Aufgaben bis zur Wahl des gesamtdeutschen Parlaments gegen-
    über dem Eden-Plan Vorstellungen, die einfach darauf hinauslaufen, schon vor den Wahlen Maßnahmen zu treffen, die in die Richtung eines volksdemokratischen Systems gehen und die deshalb von uns als Anhängern der parlamentarischen Demokratie nicht akzeptiert werden können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Bemerkenswerte auf der Konferenz war aber, daß eine ernsthafte Diskussion über mögliche Berührungspunkte und Kompromißmöglichkeiten — insbesondere auch nachdem, wie der Herr Bundeskanzler mit Recht unterstrichen hat, die Westmächte gewisse Änderungsvorschläge unterbreitet hatten, nachdem sozusagen das Material für eine ernsthafte Diskussion dieser Frage auf der Konferenz vorlag — nicht stattgefunden hat.
    Dieser Umstand der Nichtdiskutierung der Frage des besten Weges, um zu einer Wiedervereinigung Deutschlands zu kommen, erklärt auch die bemerkenswerte Tatsache, daß es auf der Berliner Konferenz auch zu keiner Diskussion über das Ausmaß der Selbstbestimmung des deutschen Volkes nach seiner Wiedervereinigung gekommen ist. Das ist ein sehr wichtiges Problem, auf das ich auch hier nur als einen Beitrag für unsere eigene weitere Diskussion hingewiesen haben möchte; denn auch der Eden-Plan, den wir als eine Unterlage, als eine Basis für eine sachliche Behandlung der Wiedervereinigung in Freiheit durchaus positiv bewerten, beschränkt die Selbstbestimmung einer gesamtdeutschen frei gewählten Regierung in weitgehendem Maße, indem sich auch die drei Westmächte als Besatzungsmächte ausdrücklich ihr Einspruchsrecht gegen Beschlüsse der Nationalversammlung einschließlich der von ihr auszuarbeitenden Verfassung vorbehalten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Schließlich haben sich auch beide Seiten auf ihre Weise das Recht zur Verhängung des Notstands, das in unseren Diskussionen über den Deutschland-Vertrag eine so große Rolle gespielt hat, vorbehalten:

    (erneute Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)



    (Ollenhauer)

    Molotow in seinem Vorschlag vom 10. Februar zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa unter Punkt 2 b und die Westmächte im Art. 5 des Generalvertrags von Bonn. Es ist gut, daß wir uns auch über diese Tatbestände klar sind und daß wir sie im Gedächtnis behalten, da die Diskussion über die Wiedervereinigung und ihre Formen weitergehen wird.
    Folgender anderer Tatbestand ist außerdem sehr wesentlich. Die Berliner Konferenz hat gezeigt, daß man sich über freie Wahlen nicht verständigen konnte ohne die gleichzeitige Behandlung der Frage des Status eines wiedervereinigten Deutschlands in einem europäischen oder internationalen Sicherheitssystem. Ich glaube, auch diese Erkenntnis müssen wir aus der Berliner Konferenz gewinnen. Angesichts der Tatsache, daß die Sowjetunion weiß, daß die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis von freien Wahlen, wie wir sie wollen, das Ende der Pankower SED-Herrschaft, das Ende des kommunistischen Einflusses auch in der Sowjetzone bedeutet,

    (Beifall bei der SPD)

    ist für die Sowjetunion die Zustimmung zu diesem Resultat freier Wahlen automatisch mit der Frage des Status eines so wiedervereinigten freien und demokratischen Deutschlands in einem internationalen Sicherheitssystem verbunden. Das ist völlig abseits von allen Wertungen einfach ein Faktor, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben. Es ist sehr bemerkenswert, daß der britische Außenminister, M r. Eden, noch in der ersten Hälfte der Konferenz auf diesen Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen hat, indem er erklärte:.
    Das Hauptproblem liegt darin, die Freiheit in Deutschland mit der Sicherheit in Europa zu verbinden.

    (Sehr wahr! und Hört! Hört! links.)

    Und Mr. Eden war es, der in diesem Zusammenhang auch den Vorschlag machte, daß Deutschland ein Mitglied der Vereinten Nationen wird, das an die Bestimmungen der Charta gebunden ist. Nun, ohne auf diese Vorschläge Mr. Edens einzugehen, entwickelte Herr Molotow seine umfangreichen Vorschläge, die ein europäisches Sicherheitssystem unter Einschluß beider Teile Deutschlands und unter Beteiligung der Sowjetunion, aber unter Ausschluß Großbritanniens und der Vereinigten Staaten vorsahen. Meine Damen und Herren, eine solche Konzeption ist für das deutsche Volk unannehmbar.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Ich möchte mich mit dieser Bemerkung und Feststellung begnügen.
    Aber, meine Damen und Herren, wesentlich ist auch hier, daß es über die Frage einer europäischen Sicherheitsorganisation auf dieser Konferenz zu einer echten Debatte gekommen ist, in deren Verlauf z. B. der französische Außenminister, M. Bidault, eine Reihe von außerordentlich bemerkenswerten Vorschlägen gemacht hat. Ich darf etwas aus seiner Rede zitieren. M. Bidault sagte:
    Was Deutschland angeht, so muß die Sicherheit seiner Nachbarn unter allen Umständen gewährleistet sein. Diese Sicherheit kann vor dem Friedensvertrag nicht bedroht werden auf Grund der Anwesenheit der Truppen der vier Mächte, die dort stationiert sind, um die Sicherheit zu garantieren. Nach dem Vertrag wird
    Deutschland, und zwar das Deutschland in einer definitiven Verbindung, nicht über militärische Streitkräfte verfügen, die seinen eigenen Entschlüssen unterstehen. Die Sicherheit in bezug auf Deutschland wäre in folgender Weise garantiert:
    a) Die Hilfsabkommen, die während des Krieges abgeschlossen worden sind, treten im Falle der Aggression in Funktion.
    b) Deutschland kann auf militärischem Gebiet nicht aus eigenem Ermessen handeln. Das schließt jede Möglichkeit einer Aggression aus.
    c) Deutschland, das die Verpflichtungen der Charta der Vereinten Nationen übernimmt, ist ohne Einschränkungen Partner am Weltsystem der Sicherheit.
    d) Die Regierung des vereinigten Deutschlands müßte sich verpflichten, daß sie nicht die Bestimmungen zu modifizieren versucht, die seine Aktionsfreiheit auf militärischem Gebiet begrenzen.
    Und M. Bidault fügte hinzu:
    Alle diese Bestimmungen verfolgen das Ziel, Deutschland den Platz wiederzugeben, der ihm in der Gemeinschaft der friedliebenden Staaten zukommt, und gleichzeitig jegliche Bedrohung für die Sicherheit der europäischen Völker von dieser Stelle auszuschalten. Endlich ist es notwendig, unsere Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen weiterzuverfolgen, die darauf abzielen, allmählich zu jener voll und ganz zufriedenstellenden Form der kollektiven Sicherheit zu gelangen, die die allgemeine, gleichzeitige und kontrollierte Abrüstung darstellen wird.
    Meine Damen und Herren! Obwohl diese Diskussion zu unserem Bedauern schon nicht mehr unter der Annahme geführt wurde, daß es auf dieser Berliner Konferenz zur Wiedervereinigung Deutschlands kommen werde, haben vor allem die Bidaultschen Vorschläge das Problem der europäischen und der internationalen Sicherheit in ihrer vollen Perspektive zur Diskussion gestellt, so daß hier die Möglichkeit zu weiteren fruchtbaren Gesprächen gegeben ist.
    Und es gibt ein anderes wesentliches Merkmal in dieser Debatte über die Sicherheit, nämlich die Tatsache, daß sowohl die Molotowschen Vorschläge, die ich vorhin abgelehnt habe, als auch die Bidaultschen und andere westliche Vorschläge die Frage einer europäischen Sicherheitsorganisation bewußt und positiv in die Tätigkeit und die Verpflichtungen der Vereinten Nationen hineinbauen. Wenn es überhaupt zu einer Lösung dieses für den Frieden in Europa und in der Welt entscheidenden Problems kommen soll, ist sie nur denkbar im Rahmen einer umfassenden internationalen Organisation, wie die Vereinten Nationen sie darstellen. Damit scheint auf dieser Konferenz der Beweis erbracht zu sein, daß ein Durchdenken des Sicherheitsproblems auch in deutscher Sicht unabweisbar in den Rahmen und die Arbeitsordnung der Vereinten Nationen hineinführt und damit die Vorstellung von der Möglichkeit begrenzter Lösungen erledigt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat bereits früher den Vorschlag für die Aufnahme


    (Ollenhauer)

    eines wiedervereinigten Deutschlands in die Vereinten Nationen gemacht. Dieser Vorschlag hat gerade durch den Verlauf der Berliner Konferenz offensichtlich ein neues Gewicht bekommen.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    Wir halten diesen Weg auch noch heute für den einzig gangbaren und effektiven. Denn eine Verständigung über den internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands ist nur zu erreichen, wenn dieses wiedervereinigte Deutschland in ein Sicherheitssystem eingeordnet wird, das von keiner der interessierten Mächte als eine gegen sie gerichtete Bedrohung empfunden werden kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal ausdrücklich die Stellung der Sozialdemokratischen Partei hinsichtlich eines deutschen Beitrages in einem solchen internationalen Sicherheitssystem unterstreichen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist bereit, für die Erfüllung aller Verpflichtungen einzutreten, die sich aus der Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschlands in einem solchen internationalen Sicherheitssystem ergeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich eine zusätzliche Bemerkung zu diesem Fragenkomplex machen. Wie immer man die Entwicklungschancen dieser Politik und dieser Möglichkeiten beurteilen möge, in jedem Fall sollte die deutsche Politik schon jetzt mindestens den Schluß aus dieser Diskussion ziehen, daß es nicht im Interesse des deutschen Volkes liegt, wenn im Zusammenhang mit dem Sicherheitsproblem von deutscher Seite die Vereinten Nationen in so herabsetzender Weise behandelt werden, wie es noch bei der Debatte über die Regierungserklärung im vorigen Jahre in diesem Hause geschehen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze [Bethel]: Na, na!)

    Meine Damen und Herren, für die deutsche Politik ergibt sich nach unserer Auffassung aus dieser Lage die Konsequenz, daß für die Bundesrepublik auch weiterhin die Politik der Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen ihr vordringlichstes Ziel bleiben muß.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Na also!)

    Gerade die Atmosphäre und die Resultate der Konferenz bestätigen die Ansätze einer Politik der Entspannung zwischen den Großmächten, und sie verpflichten die deutsche Politik nach unserer Auffassung in noch höherem Maße als bisher, in der Bundesrepublik alles zu unterlassen, was durch deutsche Handlungen eine Verschärfung der Gegensätze oder eine Vertiefung der Spaltung Deutschlands zur Folge haben könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Berliner Konferenz hat uns zweifellos noch einmal mit bedrückender Deutlichkeit vor Augen geführt, daß wir allein nicht in der Lage sind, das Unglück der staatlichen Spaltung unseres Volkes zu überwinden. Aber unser ständiger Beitrag in der Richtung einer Verstärkung der Befriedungstendenzen in der Welt sollte sein, uns so zu verhalten, daß wir diese Entwicklung positiv fördern und nicht hemmen.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Wer will das denn?)

    Meine Damen und Herren, gerade unter diesem Gesichtspunkt bedauern wir es, daß der erste gesetzgeberische Akt des Parlaments nach der Berliner Konferenz in der Behandlung der Anträge zur Änderung des Grundgesetzes besteht, die morgen verabschiedet werden sollen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Diese Änderung wird, wenn sich eine Mehrheit für diese Anträge in diesem Hause findet,

    (Zurufe von der Mitte: Die findet sich!)

    ohne praktische Bedeutung für die Realisierung des EVG-Abkommens sein. Aber in ihrem rein demonstrativen Charakter erblicken wir ihre Bedenklichkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze [Bethel]: Sie wollen uns nicht verstehen, Herr Ollenhauer!)

    Ich sage das nicht, weil wir der Auffassung sind, daß wir unsere Politik unter dem Gesichtspunkt der möglichen Reaktion auf der Seite der Sowjetunion abstimmen sollen; aber es ist ja keineswegs sicher, meine Damen und Herren, daß ein solcher Schritt nicht auch zu einer ernsten Beunruhigung in der westlichen Welt führen wird.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, ich gönne Ihnen Ihre Heiterkeit! Wenn Sie morgen diesen Beschluß fassen, können wir uns vielleicht in der nächsten Woche über die Reaktion in Frankreich auf Ihren Beschluß unterhalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich glaube auch, daß dieser Akt dem Interesse unseres eigenen Volkes widerspricht.
    Zu diesem Zeitpunkt, in dem die Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich erscheint, muß es eine unserer Hauptaufgaben in der Bundesrepublik sein, alle Bestrebungen und Möglichkeiten zu fördern, um die Lage der 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone zu erleichtern, indem wir die Beziehungen zwischen ihr und der Bundesrepublik so weit als möglich normalisieren. In diesem Punkte sind wir einig mit der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler heute morgen hier abgegeben hat. Aber eine forcierte Integrationspolitik als unmittelbare Reaktion auf den Ausgang der Berliner Konferenz kann die Aussichten für die Menschen ,der Sowjetzone erheblich beeinträchtigen und verschlechtern.

    (Abg. Euler: Sie wollen weiterhin nichts tun!)

    Wir begrüßen es, daß die drei westlichen Hohen Kommissare ein erstes Programm für eine solche Normalisierung der Beziehungen dem sowjetischen Hohen Kommissar unterbreitet haben. Es sind Forderungen, die wir hier im Bundestag bereits früher eingehend besprochen haben und die dazu helfen können, eine wesentliche Erleichterung der Lage der Bevölkerung in der Sowjetzone herbeizuführen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung, wie sie heute hier erklärt hat, diese Versuche durch eine eigene Initiative aktiv unterstützt. Wir behalten uns vor, dem Parlament von uns aus weitere konkrete Vorschläge in dieser Richtung zu unterbreiten. Die Tatsache, daß gestern die Grotewohl-Regierung die Vorschläge der drei westlichen Hohen Kommissare mit der Behauptung zu-


    (Ollenhauer)

    rückgewiesen hat, es handle sich hier um eine Angelegenheit, die zwischen den Deutschen zu regeln sei, sollte weder die Hohen Kommissare noch die Bundesregierung veranlassen, ihre Bemühungen einzustellen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    In ähnlicher Weise hat dieselbe Sowjetzonenregierung bereits früher den Versuch gemacht, die Aufhebung der Interzonenpässe zu hintertreiben. Die Beharrlichkeit der Hohen Kommissare des Westens hat aber schließlich doch eine teilweise befriedigende Lösung dieses Problems erzielt.
    Über die Vorschläge hinaus, die die Hohen Kommissare unterbreitet haben, gibt es noch eine Reihe von anderen Fragen, die das Leben von Millionen Menschen in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone auf das tiefste berühren. So wäre z. B. eine dringende und menschliche Aufgabe, Vereinbarungen dahingehend herbeizuführen, daß die Unterlagen über vermißte Kriegsgefangene und verschollene Zivilpersonen, die jetzt in beiden Teilen Deutschlands getrennt verwaltet werden, verglichen und in eine gemeinsame geordnete Verwaltung gebracht werden. Ebenso sollten Schritte überlegt werden, um zu erreichen, daß in der Sowjetzone auch Menschen in Freiheit gesetzt werden, die durch die sowjetzonalen Behörden gefangengehalten oder verurteilt sind, nachdem eine große Zahl der durch russische Militärtribunale Verurteilten in Freiheit gesetzt wurden.

    (Beifall bei der SPD.)

    An dem Verhalten der andern Seite gerade gegenüber diesen menschlichen Problemen wird sich erweisen, wieweit hier der ernste Wille zu einer menschlicheren Haltung gegeben ist.

    (Zuruf rechts: Letzteres ist schon abgelehnt!)

    Zweifellos wären die Aussichten für eine befriedigende Regelung dieser Fragen größer, wenn sich die Außenminister auf der Berliner Konferenz hätten entschließen können, durch einen gemeinsamen Beschluß ihren Organen in Deutschland eine entsprechende Anweisung in der Richtung einer solchen Aktivität zu geben. Wir sind der Meinung, daß selbstverständlich alle die auf diesem Wege erreichbaren Erleichterungen der Lage der Bevölkerung in der Sowjetzone in keiner Weise einen Ersatz für ihre Grundforderung nach freien Wahlen und für die Erfüllung ihres natürlichen Rechts, wieder in einem gemeinsamen Staat vereinigt zu sein, bringen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber die politische Wirkung dieser Maßnahmen, vor allem auch im Bewußtsein der Menschen in der Sowjetzone, wird von so großer Bedeutung in der Richtung der Sicherung des Gemeinschaftsgefühls aller Teile des deutschen Volkes sein, daß die Bundesregierung hier eine unablässig drängende und aktive Politik treiben sollte. Unter diesem Gesichtspunkt erledigt sich auch das törichte Gerede von der sogenannten kleinen Lösung.
    Wir können, meine Damen und Herren, bei der Behandlung der Frage unseres Verhältnisses zu der Bevölkerung in der Sowjetzone selbstverständlich nicht an den besonderen Problemen vorbeigehen, vor die die Stadt Berlin gestellt ist. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es, daß der Herr Bundeskanzler in Berlin ein erweitertes Hilfsprogramm für Berlin in Aussicht gestellt hat.
    Wir hätten es allerdings für wertvoll gehalten,
    wenn der Herr Bundeskanzler bereits in seiner
    Berliner Rede konkretere Vorschläge an die Stelle
    allgemein gehaltener Ankündigungen gesetzt hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion hat im ersten Bundestag an der Erarbeitung von Stützungsmaßnahmen für Berlin maßgeblichen Anteil gehabt. Sie wird in dieser Richtung weiter mitarbeiten, und die Mehrheit dieses Hauses darf damit rechnen, daß die weitestgehenden, aus ihren Reihen kommenden Vorschläge zugunsten Berlins grundsätzlich die Unterstützung der Opposition finden werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im einzelnen scheint es uns gegenwärtig auf folgende Punkte anzukommen.
    1. Der im Vorschlag zum Bundeshaushalt vorgesehene Zuschuß zur Deckung des Fehlbedarfs des Berliner Landeshaushalts reicht aus Gründen, die nicht den Berlinern zur Last gelegt werden können, bei weitem nicht aus. Bei aller Anerkennung des Drängens auf eine sparsame Verwaltung des Landes Berlin muß daran erinnert werden, daß der Bund sich auch durch das Dritte Überleitungsgesetz verpflichtet hat, den Fehlbedarf des Berliner Haushalts zu decken. Bei einer Prüfung dieses Fehlbedarfs dürfen die Besonderheiten der Berliner Lage nicht unberücksichtigt bleiben. Wir halten es in diesem Zusammenhang für überaus bedenklich, wenn ausgerechnet in der gegenwärtigen Lage in Berlin eine 30%ige Erhöhung des Brotpreises in Aussicht steht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    2. Das Aufkommen aus der Abgabe „Notopfer Berlin" sollte dem Lande Berlin unverkürzt zugute kommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD und einigen Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Der Betrag, um den das Aufkommen aus dem Berliner Notopfer den Zuschuß zum Berliner Haushalt überschreitet, sollte der isolierten Hauptstadt in ihrer unverschuldeten Notlage als zusätzliche Wirtschaftshilfe zufließen. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit an das Wort des Herrn Bundesfinanzministers, jede in Berlin angelegte Mark diene der Sicherung der freien Welt.
    3. Es muß sichergestellt werden, daß diejenigen deutschen Mittel aufgebracht werden, die erforderlich sind, damit das Berliner Notstandsprogramm auf der Basis von gut 20 000 Beschäftigten fortgeführt und womöglich noch erweitert werden kann.
    In dem Zusammenhang verweisen wir darauf, daß der von Herrn Reuter geführte Senat von Berlin eine Erweiterung des Notstandsprogramms auf 35 000 Mann geplant hat.
    4. Bei der Verstärkung von Steuererleichterungen für die Berliner Wirtschaft sollte es sich nicht um private Subventionen handeln, sondern um neue Möglichkeiten zur Intensivierung des Berliner Aufbaus.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Bei dem unter dem Bundesdurchschnitt liegenden Lohnniveau in Berlin müssen etwaige Steuersenkungen auch den Arbeitnehmern zugute kommen.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    5. Für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, den Kernpunkt jeder Berlinhilfe, sollten insbesondere auch Mittel aus den ERP-Rückflüssen bereitgestellt werden.
    6. Über die bloße Ankündigung einer verstärkten Auftragslenkung nach Berlin hinaus sollten die positiven Ansätze, die wir in der Arbeit des Berlin-Bevollmächtigten beim Bundeswirtschaftsminister erblicken, energisch weiterentwickelt werden. Insbesondere kommt es darauf an, daß die Auftragserteilung der öffentlichen Hand verstärkt und daß der Berliner Wirtschaft bei der Auftragsfinanzierung noch wirksamer als bisher geholfen wird.
    Meine Damen und Herren, ich komme zu einigen abschließenden Bemerkungen.
    Es ist nicht unsere Absicht, im Zusammenhang mit dieser außenpolitischen Debatte eine neue Diskussion über die europäische Verteidigung herbeizuführen. Die Entwicklung der internationalen Sicherheitsdiskussion auf der Berliner Konferenz hat deutlich gemacht, daß auf dem Wege einer regional so beschränkten Verteidigungsorganisation, wie die EVG sie darstellt, eine effektive Sicherheit für ein einzelnes Volk oder für eine Gruppe von Völkern unter den heute gegebenen Bedingungen nicht erreichbar ist.
    Die Sozialdemokratie ist außerdem durch den Verlauf der Debatte auf der Berliner Konferenz noch mehr in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft be-. stärkt worden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die Art und Weise, wie von den westlichen Außenministern der EVG-Vertrag als ein Sicherheitsinstrument zur Kontrolle über Deutschland den Sowjets präsentiert wurde, hat in drastischer Weise unsere Argumentation bekräftigt, daß es sich bei diesem Vertrag nicht um einen Vertrag auf der Ebene der Partnerschaft und der Gleichberechtigung handelt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich will in diesem Zusammenhang nicht über die Frage streiten, inwieweit die Vorbereitung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Sowjetrußland gehindert hat, freien Wahlen zuzustimmen.

    (Lachen, Zurufe und Unruhe in der Mitte und rechts.)

    Aber in Berlin ist für uns ein anderes wichtiges Problem aufgetaucht, nämlich, ob die von den westlichen Außenministern vorgeschlagene Interpretation, daß eine gesamtdeutsche Regierung frei sei, internationale Verträge wie den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft anzunehmen oder abzulehnen, tatsächlich mit den Bestimmungen des Vertrages, der ja von der Bundesregierung unterzeichnet worden ist, zu vereinbaren ist, jedenfalls im Verhältnis gegenüber den Vertragspartnern, die nicht auch gleichzeitig Vertragspartner des Generalvertrages sind. Der frühere französische Außenminister M. Robert Schuman hat die Berliner Zusage als unvereinbar mit dem Vertrag angegriffen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auf jeden Fall stellt sich doch für uns die Frage,
    welche der beiden Auffassungen richtig ist. Bindet
    der Vertrag tatsächlich auch eine zukünftige gesamtdeutsche Regierung, wie M. Schuman behauptet, so
    kann doch nicht bestritten werden, daß er die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit erschwert.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn so die Sozialdemokratische Partei ihren ablehnenden Standpunkt gegenüber der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in vollem Umfange aufrechterhalten muß, so möchte ich noch einmal und, wie ich hoffe, damit zur endgültigen Ausmerzung des Unfugs des Geredes über die angebliche Ohne-mich-Politik oder Neutralisationspolitik der Sozialdemokratie feststellen, daß die Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht die Ablehnung einer Politik der militärischen Sicherheit für unser Volk bedeutet.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Sozialdemokratische Partei hat sich auf ihrem Dortmunder Parteitag im Jahre 1952 in ihrem Aktionsprogramm ausdrücklich zu einem System der kollektiven Sicherheit mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten bekannt.

    (Zuruf von der Mitte: Aber wie!)

    Wir haben diesen in unserem Aktionsprogramm aufgestellten Grundsatz vor vielen Monaten in unserem Handbuch sozialdemokratischer Politik im einzelnen dargestellt, und wir haben darüber hinaus für die Zeit der Existenz der Bundesrepublik Deutschland folgendes über unseren Standpunkt in der Frage der Sicherheit der Bundesrepublik ausgeführt. Da heißt es:
    Solange die staatliche Einheit Deutschlands nicht wiederhergestellt ist, kann die Bundesrepublik an gemeinsamen Anstrengungen der freien Welt zur Sicherung des Friedens nur teilnehmen, sofern gewährleistet sind
    a) die Gleichberechtigung der Bundesrepublik gegenüber allen anderen Teilnehmerstaaten;
    b) die Gleichwertigkeit der Bedingungen für die Sicherheit und die Lebensinteressen jedes Teilnehmerstaates;
    c) die ausdrückliche Übereinstimmung aller Teilnehmerstaaten, Deutschlands Anspruch auf Wiederherstellung einer staatlichen Einheit anzuerkennen und die Bundesrepublik in ihrem Streben nach friedlicher Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zu unterstützen;
    d) keine Bindung der frei . gewählten gesamtdeutschen Regierung durch vertragliche Verpflichtungen, die die Bundesrepublik eingeht, sondern Kündbarkeitsklausel für den Fall der Wiedervereinigung Deutschlands in jedem Vertrag. Die Bundesrepublik muß angesichts der durch die Spaltung Deutschlands geschaffenen besonderen Lage darauf bestehen, die Kräfte der USA und Großbritanniens durch festes Engagement mit den eigenen militärischen Anstrengungen der Bundesrepublik zu verbinden.
    Damit die Bundesrepublik den ihr zukommenden Anteil an solchen gemeinsamen Anstrengungen zur Sicherung des Friedens übernehmen und erfüllen kann, ist nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts ihr rechtlicher Status so zu bestimmen, daß sie — ungeachtet


    (Ollenhauer)

    des Art. 107 der Satzungen der UN — die vom Statut der UN für die Mitgliedschaft geforderten Voraussetzungen erfüllt.
    Meine Damen und Herren, ich möchte diese sehr klaren und präzisen Feststellungen hier noch einmal herausgestellt haben und gerade jetzt mit allem Nachdruck noch einmal auf die Voraussetzungen verweisen, in denen davon gesprochen wird, daß jede deutsche Sicherheitsverpflichtung, die die Bundesrepublik eingeht, nicht im Gegensatz zu unserer Politik der Wiedervereinigung stehen darf und daß Verträge dieser Art mit einer ausdrücklichen Kündigungsklausel für den Fall der Wiedervereinigung verbunden sein müssen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Die deutsche Politik steht nach dem Ausgang dieser ersten Berliner Vier-Mächte-Konferenz vor zwei entscheidenden Aufgaben, die zueinander gehören: Erstens muß sie alles tun, was in den Kräften der Bundesrepublik steht, die Frage der deutschen Wiedervereinigung in Freiheit in alle Fühlungnahmen und Gespräche mit den Regierungen der Besatzungsmächte hineinzubringen. Sie muß zu ihrem Teil dazu beitragen, daß die Verhandlungssituation, die sich in Berlin gezeigt hat, offenbleibt und immer wieder ausgenutzt wird. Für die deutsche Politik darf die Berliner Konferenz weder ein Zwischenspiel noch ein Abschluß sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens muß die Bundesregierung versuchen, durch ständige intensive Bemühungen das Leben der Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone erträglicher zu machen und die Beziehungen zwischen den Deutschen aller Zonen und Berlins soweit wie möglich zu normalisieren. Auf diese Weise sollte angestrebt werden, daß der allgemeine Zug zu einer Entspannung seinen Niederschlag auch in den innerdeutschen Verhältnissen findet. Beide großen Aufgaben gehören zusammen und stehen unter der zentralen Forderung, das Klima für erneute und erfolgreichere Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit günstiger zu gestalten.

    (Lebhafter, langanhaltender Beifall bei der SPD.)