Rede von
Dr.
Walter
Menzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beantrage ich die Einsetzung eines Sonderausschusses zur Beratung der drei Familiengesetzentwürfe. Mit dem Antrag, diese drei Entwürfe dem Rechts- und Verfassungsausschuß zu überweisen, würden wir den gleichen Weg gehen 'wie der 1. Bundestag, und gerade dieses Experiment ist doch schiefgegangen, und das sollte uns warnen. Auch der 1. Bundestag hat damals die Einsetzung eines Sonderausschusses abgelehnt und hat die Gesetzentwürfe dem Rechts- und Verfassungsausschuß überwiesen mit dem Ergebnis, daß dieser dann seinerseits in Form eines Unterausschusses praktisch doch einen Sonderausschuß gebildet hat; aber mit dem weiteren bedauerlichen Ergebnis, daß der Unterausschuß erst zwei Monate später an die Arbeit ging. Er hat dann den Gesetzentwurf zwei Monate, bis Mitte April 1953, behandelt, und hat ihn dann für die restlichen sechs Monate der ersten Legislaturperiode liegenlassen, so daß wir heute diese Arbeit wiederholen müssen.
Wir wissen doch genau — das hat sich auch im ersten Bundestag gezeigt —, daß der Rechts- und Verfassungsausschuß begreiflicherweise mit einer Menge anderer Vorlagen überlastet ist. Wenn wir ihm nun noch die Erledigung dieser so komplizierten Materie aufbürden, dann stehen wir vor der Notwendigkeit, entweder alle anderen Arbeiten, die dem Rechts- und Verfassungsausschuß überwiesen werden, auf Monate zurückzustellen oder aber zur gleichen Zeit sowohl .die anderen Vorlagen als auch die Fragen der Rechtsgleichheit zu behandeln, was dazu führen muß, daß der Ausschuß gezwungen ist, die Beratungen über die Durchführung der Rechtsgleichheit zu unterbrechen. Das aber gibt keinen guten Ansatzpunkt für das heute in der Debatte immer wieder geforderte gute und von gegenseitigem Verständnis getragene ernste Gespräch; es würde an der Möglichkeit der notwendigen Konzentration fehlen.
Auf der anderen Seite — auch das hat doch die Debatte ergeben — eilt die Durchführung der Rechtsgleichheit. Nach dem erfreulichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember vorigen Jahres steht fest, daß die Rechtsgleichheit seit dem 1. April 1953 gilt, und daß es sich nicht mehr nur
um allgemeine Richtlinien für den Gesetzgeber und die Politik handelt. Es ist richtig, daß das von vielen damals befürchtete und an die Wand gemalte Rechtschaos nicht eingetreten ist, und mancher Pessimismus über die Bereitwilligkeit der deutschen Richter, eine neue und gesunde Rechtsprechung zu entwickeln, hat sich Gott sei Dank als nicht gerechtfertigt erwiesen.
Auf der anderen Seite stehen wir aber doch unabweislich vor der Notwendigkeit, nicht nur dem Richter, sondern auch den betroffenen Bevölkerungskreisen, d. h. vor allem der Familie, bald eine klare Grundlage und Rechtssicherheit zu geben. Aus der Sorge, daß die Überweisung an den Rechts- und Verfassungsausschuß notwendigerweise wieder zu einer Verzögerung führt, bitten wir um die Einsetzung eines Sonderausschusses.