Rede von
Dr.
Fritz
Czermak
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Bürgerliches Gesetzbuch ist bekanntlich mehr als 50 Jahre alt, daher dringend reformbedürftig. Gerade in den letzten 50 Jahren, in denen wir zwei Weltkriege mit all ihren Folgen erleben mußten, haben sich die Zeiten gründlich geändert, auch im Bürgerlichen Leben der Familie, im Verhältnis von Mann und Frau und Eltern und Kindern. Ich darf hier zunächst auf das schwere Schicksal der Witwen und Waisen der Kriegsgefallenen, auf die alleinstehenden Frauen und Kinder der Kriegsgefangenen, Vermißten und Zivilinternierten und besonders auf die infolge der Austreibung aus ihrer Heimat zerrissenen Familien verweisen. Diese alleinstehenden Frauen und Kinder, die schon jahrelang ohne ihren Erhalter und Ernährer leben müssen, sind wohl das traurigste Kapitel in unserer heutigen Zeit. Dabei müssen wir feststellen, daß sich unsere deutschen Frauen in dieser schwersten Zeit unserer Geschichte tapfer gehalten haben, tapferer als so mancher Mann. Darf ich zunächst bemerken, daß es heute drei Millionen Frauen mehr in Westdeutschland gibt als Männer, daß jeder dritte Arbeitnehmer eine Frau ist.
Der Satz des Art. 3 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" entspricht daher sicherlich dem Geist unserer Zeit. Da der Art. 3 am 1. April 1953 in Kraft getreten ist und seither ein gesetzloses Vakuum besteht, muß jetzt, besonders auf dem Gebiet des ehelichen Güterrechts, ein Gesetzeswerk geschaffen werden. Dabei sind wir uns alle klar, daß dieser kurze Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" verschieden ausgelegt werden kann, was heute in dieser großen Debatte auch zum Ausdruck gekommen ist. Er soll und darf kein Dogma werden, sondern muß vor allem unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden — worüber wir uns alle einig sind —, daß das Wohl der Familie das Entscheidende ist und daß hier vor allem Art. 6 des Grundgesetzes gilt, worin es heißt:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
Dabei muß schon jetzt gesagt werden, daß diese Gesetzesreform der Frau und Mutter nicht nur neue Rechte, sondern auch neue Pflichten bringt, und damit oft eine sehr schwere Belastung bedeuten wird. Die bisherigen gesetzlichen Schutzrechte der Frauen und Mütter müssen dabei grundsätzlich gewahrt bleiben. In gesunden, harmonischen Ehen regelt sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern meist von selbst nach Natur und Sitte, nach Persönlichkeit und Charakter, auch ohne Gesetz und ohne Gericht. Als Rechtsstaat sind wir aber verpflichtet, eine klare gesetzliche Regelung zu suchen und zu finden und vor allem für das ganze Bundesgebiet eine Rechtseinheit zu schaffen. Dadurch allerdings, daß man problematische Paragraphen streicht, löst man diese Probleme nicht.
Ich will in der heutigen Lesung nur einige strittige Grundfragen herausgreifen. Wir stehen zunächst auf dem Standpunkt, daß das Ehegesetz in einer lex specialis, nicht im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches normiert, d. h. ausgeklammert werden sollte. Diese gewiß schwierige Materie erfordert eine ganz besondere Behandlung und würde auch das beabsichtigte Reformwerk nur komplizieren und verzögern.
In manchen Fragen — durchaus nicht in allen — stimmt die Fraktion des Gesamtdeutschen Blokkes/BHE dem Regierungsentwurf zu, allerdings nicht ohne gewisse Bedenken und Vorbehalte. In manchen Fragen aber scheiden sich auch innerhalb unserer Fraktion die Geister, wie wir das soeben auch von anderer Seite gehört haben und wie es auch in anderen Fraktionen der Fall ist.
Da ist zunächst der viel umstrittene § 1354, der Stichentscheid des Mannes. Man verlangt seine Streichung, weil er verfassungswidrig sei. Die Mehrheit — nicht alle — meiner politischen Freunde sind grundsätzlich für diese Gesetzesbestimmung im Sinne des Regierungsentwurfs, wenn wir auch über die endgültige Formulierung im zuständigen Ausschuß noch sehr gründlich sprechen müssen, vor allem auch über die noch offene Frage, was dann zu geschehen hat, wenn der Stichentscheid des Mannes von der Frau mit Fug und Recht nicht anerkannt wird. Wir stehen dabei primär auf dem Standpunkt, daß der Mann der Erhalter und Ernährer und die Frau das Herz der Familie sein soll.
Es ist gewiß interessant, die Gesetzgebung anderer Länder auf diesem Rechtsgebiet zum Vergleich heranzuziehen. Dies ist bereits bezüglich des Code civil geschehen. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich als alter Wiener Student einige Sätze aus dem österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch zitiere, wozu ich aber nicht meine volle Zustimmung zum Ausdruck bringen will. In § 91 dieses alten österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt es: „Der Mann ist das Haupt der Familie." In § 139 steht: „Die Eltern haben die Verbindlichkeit, ihre ehelichen Kinder zu erziehen, das
ist, für ihr Leben und ihre Gesundheit zu sorgen, ihnen den anständigen Unterhalt zu schaffen, ihre körperlichen und Geisteskräfte zu entwickeln und durch Unterricht in Religion und in nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt zu legen." Schließlich heißt es in § 144: „Die Eltern haben das Recht, einverständlich die Handlungen ihrer Kinder zu leiten. Die Kinder sind ihnen Ehrfurcht und Gehorsam schuldig."
Gewiß klingt das vielfach nach altem römischen Recht, nach dem Begriff des pater familias, des bonus, diligens pater familias, des ordentlichen Hausvaters. Vielleicht ist es aber gar nicht so patriarchalisch , wie es klingt; denn das gilt noch in sehr vielen Familien und noch in ganzen Ländern: in Frankreich, Italien, Spanien, Schweiz und Belgien, allerdings nicht in den nordischen Staaten.
Im Zusammenhang damit einige Worte zu einer zweiten Streitfrage, der des Entscheidungsrechts des Vaters in Ausübung der elterlichen Gewalt nach § 1628. Oberste Richtschnur muß das Wohl des Kindes sein. Wenn keine Einigung möglich ist, hat das zuständige Vormundschaftsgericht zu entscheiden. Es ist hier ganz offen und klar zu sagen, daß es für jede Ehe oftmals eine Gefahr bedeutet, wenn bei jedem Ehekonflikt, der auch in den besten Ehen vorkommen soll, sofort zum Kadi gelaufen werden kann.
Daß die Erziehung der Kinder wohl die schönste und natürlichste Aufgabe der Mutter ist, darüber sind wir uns wohl alle klar. Bekanntlich sind oft gerade die besten Väter die schlechtesten Pädagogen.
Mit § 1356 des Regierungsentwurfs, wonach die Frau den Haushalt in eigener Verantwortung führt und berechtigt ist, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist, sowie mit der Verpflichtung zur gegenseitigen üblichen Mitarbeit im beruflichen Leben sind wir grundsätzlich einverstanden. Desgleichen mit der beiderseitigen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern, auch mit der gegenseitigen Alimentationspflicht der Ehegatten nach § 1360. Begründete Zweifel bestehen allerdings bezüglich der Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten, Schwiegereltern und Stiefkindern, was auch schon von anderer Seite betont wurde, des weiteren bezüglich der Aussteuer der Tochter bzw. der Ausstattung der Kinder, der Töchter und Söhne, bei Existenzgründungen, ob hier Rechtsspruch oder bloß moralische Verpflichtung bestehen soll. Über alle diese Fragen muß noch gründlich gesprochen werden.
Wir stimmen im Prinzip — und da sind wir uns, glaube ich, wohl im ganzen Hause hinsichtlich aller drei Entwürfe ziemlich einig — dem Regierungsentwurf bezüglich der Regelung des ehelichen Güterrechts, § 1363 und folgende, zu, wonach als gesetzlicher Güterstand der Zugewinnausgleich gelten soll. Grundsätzlich sollen die Ehegatten über ihr eingebrachtes und persönliches Vermögen, allerdings nicht in toto ohne gegenseitiges Einvernehmen, frei verfügen. Der Zugewinn soll gerecht verteilt werden. Bedenken bestehen allerdings auch bei uns hinsichtlich der sogenannten Risikoprämie von einem Viertel des Mehrbetrags nach § 1385. Gerade diese Regelung des ehelichen Güterrechts erscheint uns derzeit sehr vordringlich, denn hier besteht tatsächlich in der Praxis eine höchst bedenkliche Rechtsunsicherheit. Was wir bei dieser
Gelegenheit auch dringend wünschen würden, ist eine klare, schöne, einfache, wohlklingende deutsche Sprache, d. h. eine sprachliche Änderung sehr vieler alter und unverständlicher Paragraphen.
Zum Schluß möchte ich nur noch ganz offen erklären: wir wollen eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau und keine falsche, rein formale Gleichmacherei. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, besonders meine Damen — darf ich das trotz der mir angeborenen Höflichkeit sagen —, viele Frauen und Mütter sehen dieser Gleichberechtigung mit einer gewissen Sorge entgegen und haben daran nicht eine ganz reine' Freude. Ich hoffe aber, daß wir, wie dies meine Vorrednerin in so schönen Worten erklärt hat, in gemeinsamer Zusammenarbeit bei gemeinsamem Verständnis über alle parteipolitischen, weltanschaulichen und natürlichen Verschiedenheiten hinweg zu einer Lösung kommen, die dem Wohl der Familie, der Eltern und der Kinder und damit dem allgemeinen Wohle dient.
Ich halte es gerade auf diesem Gebiete für richtig und empfehlenswert und beantrage deshalb, daß sämtliche Gesetzentwürfe einem Sonderausschuß überwiesen werden, und zwar einem Sonderausschuß, in dem die Damen unseres Hohen Hauses entsprechend vertreten sind.