Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Auffassung dieser Konvention und dem, was ich hier vortrage.
Die Wesensordnung der Familie ist aber nicht nur dem einzelnen vorgegeben, sondern auch dem Staat. Auch er darf die Familie nicht seinen augenblicklichen Zwecksetzungen unterordnen, er hat sie vielmehr in ihrem Wesen zu achten und zu schützen. Diese Forderung muß nicht nur einem totalen Staat, sondern auch einer freiheitlichen Demokratie gegenüber erhoben werden. Auch dem Volk als Träger der Staatsgewalt in der Demokratie kann es nicht erlaubt sein, in seinen Gesetzen die Wesensordnung der Familie zu mißachten oder gar zu zerstören. Wenn der Demokratie die Würde des Menschen heilig ist, dann muß sie folgerichtig auch die Gemeinschaftsgebilde achten, die wie die Familie in der Natur des Menschen begründet sind und der Entfaltung seiner Anlagen und Fähigkeiter dienen. Eine Volkssouveränität, die diesen Grundsatz nicht anerkennt, dürfte sich im Grunde nicht von der diktatorischen Staatssouveränität unterscheiden.
Zusammenfassend ist also zu sagen, daß der Wesensbegriff der Familie von individualistischen und staatssozialistischen Mißverständnissen zu reinigen ist, daß die Autorität der Familie wesentlich ist und weder der Würde des Menschen noch dem Grundsatz der Gleichberechtigung widerspricht, und daß die schon vor dem Staat dagewesene Ordnung der Familie weder durch den einzelnen noch durch den Staat willkürlich geändert werden darf. Diese in ihrem Wesen erkannte Familie scheint mir für die Gesellschaft und die Kultur eines jeden Volkes von grundlegender Bedeutung zu sein.
Nun darf ich noch einige Gedanken über die heutige Lage und Entwicklung der Familie anfügen.
Die Familien, die ihre Bewährungsprobe, vor allem in den letzten 20 Jahren, bestanden haben, zeigen überwiegend eine Autoritätsverfassung. Freilich sind gewisse Veränderungen gegenüber der Familienordnung früherer Jahrhunderte nicht zu übersehen. Allgemein läßt sich eine Abwendung von der patriarchalischen Lebensform der Familie feststellen. In gewissen Resten hat sie noch Eingang in das BGB gefunden, soweit dieses nämlich eine unbegründete Schlechterstellung der Frau vorsah. Bei dieser Wandlung geht es aber nur um einen Abbau der väterlichen Gewalt, nicht um deren Aufhebung oder Beseitigung. Nach wie vor liegt heute die Autorität in der Familie beim Manne. Das ist das eindeutige Forschungsergebnis der modernen Familiensoziologie. So weist z. B. Professor Schelsky in seinem 1953 erschienenen Buch „Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart" darauf hin, daß in der heutigen Familie das natürliche persönliche Gewicht des Mannes durchschnittlich immer noch das der Frau überwiegt. Es ist nicht uninteressant, solches von einem Soziologen zu hören, der Professor an der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg ist. So kommt auch seiner Stellungnahme zum früheren Ehegesetzentwurf, also nicht zur gegenwärtigen Vorlage der Bundesregierung, eine besondere Bedeutung zu. Schelsky sagt da:
;„Mit Bedenken ist die Neigung zu einer ... der Frau vom gesamtgesellschaftlichen Interesse her auferlegten Gleichstellung mit dem Mann heute auch in weniger totalitären Staatssystemen zu bemerken, so z. B. schon, wenn die Reform des Familienrechts in der westdeutschen Bundesrepublik sich vorwiegend von der abstrakten Verfassungsnorm der Gleichberechtigung von Mann und Frau her begründet."
Ich wiederhole: „Mit Bedenken" sieht Schelsky, daß man die Reform des Familienrechts vorwiegend von der abstrakten Verfassungsnorm der Gleichberechtigung her begründet.