Rede:
ID0201303300

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2013

  • date_rangeDatum: 5. Februar 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:32 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:50 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Schneider: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 6 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Seuffert.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954 369 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 369 C, 406 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 23 betr. Bereitstellung von Mitteln zur Beseitigung von Frostaufbrüchen (Drucksachen 202, 235) 396 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) einschließlich Ergänzungsvorlage (Drucksache 200) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954 (Drucksache 201) 369 D Dr. Eckhardt (GB/BHE) 369 D Dr. von Merkatz (DP) 376 D Niederalt (CDU/CSU) . . . .380 C, 384 C, D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 384 C, D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 385 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 387 C Schoettle (SPD) 390 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 391 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 396 A Dr. Atzenroth (FDP) 398 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 400 A Seuffert (SPD) 401 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 403 A Überweisung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1954 (Drucksache 200) an den Haushaltsausschuß und des Entwurfs des Inanspruchnahme-Gesetzes (Drucksache 201) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Haushaltsausschuß 406 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Hypotheken- und Schiffsbankrechts sowie über Ausnahmen von § 247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Drucksache 195) 406 B Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Geld und Kredit . 406 B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Getreidepreisgesetz (Drucksache 188) 406 B Beschlußfassung 406 C Absetzung der Gesetzentwürfe über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Drucksachen 224, 112), zur Anpassung des Familienrechts an Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 178) und über die steuerliche Behandlung von Leistungen im Rahmen des Familienausgleiches (Drucksache 189) von der Tagesordnung . . . . 406 C Nächste Sitzung 406 C, D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der breite Strom der Debatte sollte an einer Stelle noch etwas vertieft werden, und zwar möglichst schon da, wo sich im Grunde genommen die Quelle befindet, nämlich das Volkseinkommen und das daraus mögliche Steueraufkommen. Ich glaube, man sollte sich hier doch über ganz bestimmte Grenzen des öffentlichen Finanzbedarfs klar sein. Man darf dabei nicht nur den Bundeshaushalt und den Finanzbedarf des Bundes vor Augen haben, sondern muß die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte, einschließlich der sozialen Einrichtungen, sehen. Da darf man nicht nur die 27 Milliarden DM des Bundeshaushalts sehen, sondern muß sehen, daß wir im Haushaltsjahr 1954 wahrscheinlich an etwa 50 Milliarden DM Steuern und Sozialabgaben herankommen werden. Diese Größenordnung müssen wir im Verhältnis zu der gesamten volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehen, insbesondere im Verhältnis zu dem Begriff des Volkseinkommens. Wir haben im letzten Jahre die bedenkliche und gefährliche Entwicklung beobachten müssen, daß die Steuern und Sozialabgaben, d. h. die gesamten Leistungen für die öffentlichen Aufgabenbereiche, stärker zugenommen haben als das Sozialprodukt. Wir müssen aber, wenn wir eine Katastrophe vermeiden wollen und wenn sich das Volkseinkommen und damit das Steueraufkommen einigermaßen gleichmäßig entwickeln soll, unter allen Umständen vermeiden, daß das Gleichgewicht zwischen Produktions- und Staatswirtschaft gestört wird. Die Störungen sind im vergangenen Jahr deutlich geworden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die sehr lehrreichen Berechnungen des Berliner Instituts für Wirtschaftsforschung verweisen, woraus ich vielleicht doch die eine oder andere charakteristische Angabe einmal erwähnen darf.
    Der Anteil der öffentlichen Hand am Volkseinkommen des Jahres 1953 ist schätzungsweise um 12 % gestiegen, während in dem gleichen. Zeitraum der Anteil der Selbständigen und der Unternehmungen am Volkseinkommen um 11 % zurückgegangen ist. Wenn diese Entwicklung anhält, verlieren wir die Basis vielleicht noch nicht für den Bundeshaushalt des Jahres 1954, aber für die öffentlichen Haushalte der folgenden Jahre. Wenn das Einkommen der Selbständigen und der Unternehmungen in dieser Form zurückgeht, geht die Investitionstätigkeit zurück. Die Betrachtung der Entwicklung des Sozialprodukts im vergangenen Jahre — nämlich der Konsumgüterseite einerseits und der Investitionsmittel und Investitionstätigkeit andererseits — zeigt, daß die Investitionstätigkeit bereits hinter der allgemeinen Entwicklung des Sozialprodukts zurückgeblieben ist. Wir haben also die große Sorge, daß schon das gegenwärtige Investitionsvolumen zu klein ist, um schon in wenigen Jahren das erforderliche Steueraufkommen überhaupt noch sichern zu können.
    In diesem Zusammenhang noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem gesamten Aufbau unserer öffentlichen Haushalte! Unsere öffentlichen Haushalte kranken daran, daß sie noch zu sehr kameralistisch aufgebaut sind, d. h. nur Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. Der modernen Entwicklung wird nicht genügend Rechnung getragen. Der Staat hat ja nicht nur Verwaltungsaufgaben, sondern bei diesem gleichen Staat finden zwangsläufig auch Einkommensübertragungen für soziale Leistungen statt. Schließlich wird von diesem Staat auch zwangsläufig eine außerordentliche Investitionstätigkeit finanziert.
    Dieser Tatsache sollte doch durch einen Umbau unserer öffentlichen Haushalte Rechnung getragen werden. An die Stelle der kameralistischen Nachweisung sollte eine mehr wirtschaftsnahe Aufgliederung treten, insbesondere in den Teilen, die einmal der Einkommensübertragung und zum andern den Investitionsaufgaben gewidmet sind. Gerade für den Gesamtbereich der Investitionstätigkeit der öffentlichen Haushalte bedürfen wir zweifellos einer wesentlichen Verfeinerung der Nachweisungen und insbesondere einer Verfeinerung der Rechnungslegung darüber, was denn nun mit diesen Investitionsmitteln geschehen ist und wie sie sich tatsächlich ausgewirkt haben. Diese Entwicklung der Haushaltsgestaltung ist in diesem Bundeshaushalt, aber auch in den Länderhaushalten, bisher nur angedeutet. Es liegt uns sehr daran, hier eine weitere Entwicklung herbeizuführen, die insbesondere dem entspricht, was andere Länder schon längst mit Erfolg in ihren öffentlichen Finanznachweisen eingeführt haben.
    Ich darf noch ein Wort zu der Vermögensbilanz sagen. Wir erkennen dankbar an, daß erstmals ein deutscher öffentlicher Haushalt eine einigermaßen doch Vollständigkeit anstrebende Vermögensbilanz vorgelegt hat. Wir hoffen, daß diesem Beispiel des Bundes in Kürze alle anderen öffentlichen Haushalte folgen; denn das Bild des Bundes ist ja nur ein Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex. Von den etwa 43 % des Volkseinkommens, die in die Steuer-und Sozialbelastung gehen, ist ein ganz erheblicher Teil Vermögensbildung bei der öffentlichen Hand. Das Vermögen, das die Bundesrepublik in dien letzten Jahren aufgebaut hat, wird von Sachverständigen auf etwa 20 Milliarden DM geschätzt. Wenn Sie noch einbeziehen, was bei den Ländern und bei anderen öffentlichen Stellen entwickelt worden ist, werden Sie doch wohl sagen müssen, daß der Komplex des öffentlichen Vermögens dort, wo er direkt in werbender Form. in Erwerbsunternehmungen, angelegt ist, eine Größenordnung erreicht hat, die volkswirtschaftlich von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Ich betrachte es im Grunde genommen — wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle zurückkommen darf — nur als einen Streit um Worte, wenn er meint, der öffentliche Haushalt sei noch nicht ein Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Kapitallenkung, ja, der Wirtschaftslenkung schlechthin geworden. Wir erkennen dieses Prinzip in der Form, wie Herr Schoettle es vorgetragen hat, nicht an. Wir müssen feststellen: praktisch sind wir längst so weit, daß der öffentliche Haushalt infolge des außerordentlichen Anteils am Volkseinkommen, an der Investitionstätigkeit, am Volksvermögen und an der wirtschaftlichen Betätigung ein Instrument der Wirtschafts- und der Kapitallenkungspolitik geworden ist. Aus diesem Grunde kommt den erforderlichen Vermögensnachweisen eine entscheidende Bedeutung zu. Ich bedaure, feststellen zu müssen, daß den Erwartungen, die wir in dieser Richtung an die Vermögensbilanz des Bundes geknüpft hatten, noch nicht entsprochen worden ist. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die der erstmaligen Erstellung eines solchen Vermögenskataloges, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Beteiligungen, entgegenstanden. Aber die jetzige Vermögensübersicht ist im Grunde genommen rein kameralistisch, da sie lediglich Vermögenswerte auf verschiedene Methoden errechnet und addiert. Die realen Werte dahinter werden nicht sichtbar. Vor allem aber wird nicht sichtbar das wirtschaftliche Gewicht, das diese Bun-


    (Dr. Hellwig)

    desbeteiligungen an Erwerbsunternehmungen in der Praxis darstellen. Das wirtschaftliche Gewicht ist — wenn man es überhaupt in D-Mark ausdrükken kann — ein Vielfaches von den 1,2 Milliarden DM Beteiligungen, die in diesem Vermögensnachweis stehen.
    Daher möchte ich einige Anregungen vorbringen und bitten, daß man sich bei der Beratung gerade dieser Vermögensübersicht um folgende Ergänzungen bemüht: einmal, daß eine Ordnung in das Vermögen hineingebracht wird, indem eine wirklich den organischen Verwendungszwecken der einzelnen Bestandteile entsprechende Vermögensordnung aufgebaut wird; zum anderen, daß Unterlagen, die im Laufe der Haushaltsberatung bereits zur Verfügung stehen, aber nicht in die Vermögensnachweise per 31. 3. 1953 hineingearbeitet worden sind, zumindest nachträglich vorgelegt werden. Ich denke dabei an Komplexe wie die Hibernia-Bergwerksgesellschaft, die allein ein Reinvermögen von über einer halben Milliarde D-Mark hat, aber als zum Stichtag der Erhebung noch nicht vorliegend mit einem Strich, d. h. ohne Aussage, in der Vermägensbilanz steht. Es sollte möglich sein, bei der Haushaltsberatung derartige Nachträge laufend zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte erreicht werden, daß dieser rein vermögensmäßigen, rein fiskalischen Übersicht eine wirtschaftliche Übersicht folgt, die das wirtschaftliche Gewicht, den Aufbau und die Verflechtungen der Bundesbeteiligungen in der gewerblichen Wirtschaft offenlegt und insbesondere bis in die letzten Verschachtelungen hineingeht, die in dieser ersten Übersieht natürlich nicht nachgewiesen werden konnten.
    Ein Satz aus der ersten Rede des Herrn Bundesfinanzministers hat mich etwas aufhorchen lassen. Ich weiß nicht, ob hier ein Mißverständnis vorliegt und durch eine Klarstellung Besorgnisse etwa zerstreut werden können. Ich meine die von ihm angekündigte Verwendung von Wohnungsbaudarlehen, deren Rückfloß erfreulicherweise bereits angelaufen sei. Nach seinen Angaben sollen diese Rückflüsse zum Erwerb von Beteiligungen des Bundes an Wohnungsbaugesellschaften verwandt werden. Ich glaube, hier wäre doch eine Klarstellung in dem Sinne erforderlich, daß es sich dabei bestenfalls um Ausnahmen handeln kann mit dem Ziel, den Einfluß des Bundes, der bei der Darlehenshergabe selbstverständlich eine Rolle spielt. zu sichern, nicht aber darum, eine neue Vermögensbildung durch den Bund nun auch in der Wohnungswirtschaft einzuleiten.
    Im ganzen können wir wohl mit Dank anerkennen, daß dieser erste Versuch mit der Vermögensbilanz gemacht worden ist. Wir haben aber — gerade aus wirtschaftspolitischen Gründen — den dringenden Wunsch, daß in einer weiteren Darstellung auch die wirtschaftliche Seite dieses Bundesvermögens einmal aufgehellt wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben gestern und heute viele Ausführungen über finanzpolitische und auch über andere Fragen gehört, grundsätzliche Ausführungen, historische und theoretische, selbst gefühlvolle Ausführungen, auch von seiten des Herrn Bundesfinanzministers. Ich will keineswegs Ihre Aufmerksamkeit jetzt noch dafür in Anspruch nehmen, daß ich auf diese Ausführungen eingehe, zumal ich gar nicht alles anhören konnte.
    Wenn ich noch einige kurze Bemerkungen zu einem Thema machen darf, das durch alle diese Ausführungen immer wieder hindurchschien, nämlich zu dem Thema Steuerreform, so möchte ich anknüpfen an eine in sehr grundsätzlicher Form vorgetragene Bemerkung unseres Herrn Kollegen und Spezialisten für konservative Politik. Herr von Merkatz hat hier einen Satz aus dem Tröger-Gutachten zitiert — nebenbei: es war wirklich amüsant, wie hier autoritäres Staatsdenken alles, was heute in Deutschland geschieht, als unter dem Schutz der allmächtigen Koalition geschehen ihr zu höherem Lob und Verdienst zugerechnet hat —, einen Satz, in dem von der Wichtigkeit der nivellierenden Wirkung der Einkommensteuer für die demokratische Staatsgesinnung die Rede ist. Nun, ich kann dem Kollegen Dr. von Merkatz und denen, die ihm Beifall gezollt haben, sicherlich nicht die Unwissenheit darüber unterstellen, daß jede Einkommensteuer, wie überhaupt jedes Steuersystem in einem demokratischen Staat im ganzen natürlich eine Einkommensumschichtung darstellt, welche ausgleichend zu wirken hat und von der natürlich die höheren Einkommen stärker angefaßt werden als die niedrigen Einkommen. „Ausgleichend" ist die richtige Übersetzung des Wortes ..nivellierend". Eine falsche Übersetzung, d. h. eine Übersetzung von ,nivellierend" etwa mit „einebnend", würden auch wir mit allem Nachdruck ablehnen.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Ich glaube, daß uns niemand Derartiges unterstellen sollte.
    Wir gedenken aber weder heute noch später eine Debatte über die richtige Anwendung oder Überseztung von Fremdwörtern oder über die Philosophie der Vorbemerkungen des Troeger-Gutachtens einzuleiten, sondern wichtig sind uns die praktischen Vorschläge dieses Gutachtens. Nebenbei bemerkt, ich habe gar nichts dagegen, daß es als Troeger-Gutachten bezeichnet wird. Ich habe nichts dagegen, daß es den Namen meines guten Freundes Heinrich Troeger trägt. Aber der Sache nach ist es ein Bundesratsgutachten. Wichtig sind uns die sachlichen Vorschläge dieses Gutachtens. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß uns dieses Bundesratsgutachten in weitem Abstand von allem, was bisher an Gutachten und sonstigen Äußerungen zu diesen Fragen gesagt worden ist, eine Diskussionsgrundlage zu bieten scheint, die wir recht positiv bewerten. Wir würden uns freuen, wenn wir gewisse Andeutungen aus dem Bundesfinanzministerium richtig verstanden hätten, die den Eindruck erwekken konnten, daß auch dort die Meinung geteilt wird, hiermit sei eine wirkliche Diskussionsgrundlage geschaffen.
    Die Steuerreform kann in gar keiner Weise ausschließlich oder in erster Linie eine Steuersenkung sein. Das müßte man in einer Haushaltsdebatte doch noch einmal ausdrücklich betonen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, anzunehmen, daß auch im Bundesfinanzministerium der Gedanke der wirklichen Steuerreform vor dem der Steuersenkung richtig in den Vordergrund gestellt wird. Allerdings haben z. B. die Ausführungen des Kollegen Dehler gestern, als er von „doppelt geben" und „schnell geben" sprach, doch etwas zu sehr den Eindruck entstehen lassen, als würde das hier nur im Sinne des Weggebens und Wegschenkens von Steuern gesehen.


    (Seuffert)

    Ich möchte klarmachen — es ist eigentlich selbstverständlich —, daß die Sozialdemokratie in keiner Weise interessiert ist an einer hohen Steuerbelastung oder an hohen Steuersätzen, schon gar nicht an Steuersätzen, die gar nicht effektiv sind und nur auf dem Papier stehen. Schon aus diesem Grunde möchte ich mich auch nicht damit beschäftigen, ob alles das, was in letzter Zeit über die Steuerbelastung gesagt worden ist, und ob all die Berechnungen, die dabei aufgestellt worden sind, richtig sind. Die Berechnungen, die von den nur auf dem Papier stehenden und außerdem nicht viele Leute betreffenden höchsten Spitzensätzen der Tabelle ausgehen, sind sicherlich falsch.
    Was die Berechnungen in Prozentsätzen des Sozialprodukts anlangt, so nur eine grundsätzliche Bemerkung: Die Sozialabgaben, die Leistungen, die ein Unternehmen für die Sicherung seiner Arbeitnehmer, für ihre Krankenversicherung, Unfallversicherung und Alterssicherung aufbringt und aufzubringen hat, diese Leistungen zur Erhaltung der Substanz der Arbeitskraft haben einen genau so legitimen Anspruch auf einen Anteil am Unternehmensertrag wie die Leistungen zur Erhaltung der Substanz des Kapitals, wie die Rücklagen zur Kapitalerhaltung und Kapitalergänzung und können, ebensowenig wie diese, nicht ohne weiteres mit den Steuern in einen Topf geworfen werden; sie gehören in die Kategorie der wirtschaftlichen Notwendigkeiten und nicht ohne weiteres in die Kategorie der fiskalischen Abgaben.
    Um es zu wiederholen, die Sozialdemokratie ist keineswegs interessiert an hoher Steuerbelastung oder an hohen Steuersätzen; aber sie ist sehr an gerechter Verteilung der Steuerlasten interessiert. Deshalb hat sie von Anfang an und in allen Debatten ohne Scheu vor Wiederholungen hier immer wieder betont, daß ihr nicht die paar Sätze, die am obersten Ende der Tabelle auf dem Papier stehen, am Herzen liegen, sondern die sehr effektiven, sehr wirksamen und sehr hohen Spitzensätze, die in jeder Einkommensstufe bereits bei den kleinsten und mittleren Einkommen erhoben werden. Hier die viel zu steile Progression, hier die lächerlich engen Progressionsstufen, hier die viel zu geringen Freibeträge immer wieder anzugreifen, das war unser Bemühen, und wir haben das von Anfang an für eine bessere mittelständlerische Politik gehalten als vieles, was unter Verwendung von vielen Worten hier von Spezialanwälten für Mittelklasseninteressen vorgetragen worden ist.
    Wir glauben, daß in der Entwicklung der Steuerdiskussion, in der das Bundesratsgutachten, das Troeger-Gutachten ein gewisses Ergebnis darstellt, diese Gedanken nun mehr zum Zuge gekommen sind, als man es uns in den letzten Jahren zugestanden hat. So wird die Regierung, wenn sie wieder, anknüpfend an die Spitzensätze der Tabelle, dort nur das tut, was von gewisser Seite gewünscht ist, und im Wege einer linearen Senkung den anderen, eben den mittleren Einkommen, wieder sozusagen nur den Abfall noch mit zukommen läßt, unseren schärfsten Widerstand finden. Wenn sie es aber auf eine wirkliche Steuerreform anlegt, wenn sie ernst macht mit der Beseitigung der Steuervergünstigungen, die wir immer als einseitig und ungerecht angegriffen haben, und wenn sie ernst macht mit einer wirklichen Tarifreform
    niemand kann verkennen, daß das eine das andere voraussetzt und bedingt —, wird sie keinen Widerstand bei uns finden.
    Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle einen vollständigen Überblick über alle Steuerprobleme zu geben. Unsere Kritik an der Umsatzsteuer haben wir oft vorgetragen. Wir können nur hoffen, daß es auch bei dieser Steuer sehr bald zu einer ernsthaften Reform kommt. Wir haben auch unsere Kritik an den Verbrauchsteuern immer wieder bekanntgemacht; ich kann darauf verweisen. Wir denken allerdings nicht daran, schematisch Verbrauchsteuer gleich Verbrauchsteuer zu setzen. Ich brauche nur das Wort „Branntweinmonopol" zu nennen — wenn mein Freund Professor Gülich heute nicht erkrankt wäre, hätte er Ihnen sicherlich noch einiges dazu gesagt —, um hier Unterschiede anzudeuten, die in der Tat gemacht werden müssen. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir den derzeitigen überhöhten Satz der Körperschaftsteuer als gefährlich ansehen. Das ist ja auch eine Erfindung des Herrn Bundesfinanzministers und nicht unsere Erfindung. Wir haben auf der anderen Seite immer wieder darauf hingewiesen, daß die Probleme der Besteuerung der Unternehmen in ihren verschiedenen Formen nur durch eine wirklich reformierte und durchdachte Betriebsteuer gelöst werden können.
    Es bleibt — ich kann mich auf diese Andeutungen beschränken — noch sehr viel zu tun, und wir würden es ehrlich begrüßen, wenn darüber, was hier und wie es zu geschehen hätte, eine Verständigung stattfinden könnte, die es uns ermöglicht, der Regierung unsere Mitarbeit in Aussicht zu stellen. Die Regierung wird um so mehr unser Lob finden, je schneller und je energischer sie von dem Versuch abrückt, durch steuerliche Sondermaßnahmen den Kapitalmarkt in dem einen oder anderen Sinne zu ordnen. Wir haben das bereits in der Debatte zur Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht und hoffen, daß die Konsequenzen, die sich auch auf Regierungsseite und in allen Überlegungen der Wirtschaftskreise deutlich genug ankündigen, so schnell und nachdrücklich wie möglich gezogen werden. Das ganze Problem des Kapitalmarkts läßt sich gegenüber den zum Teil recht wirren und zum Teil recht widerspruchsvollen Ausführungen darüber, die heute jeden Tag in der Zeitung stehen, doch einfach darauf zurückführen: daß es sich um die Konkurrenz der Leute, die das zur Anlage bereite Geld in Aktien oder in private Anleihen lenken wollen, und des Anleihebedarfs der öffentlichen Hand handelt.
    Wir haben auch in der Debatte zur Regierungserklärung keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir das Anleihebedürfnis der öffentlichen Hand in dem Umfange, wie es jetzt diskutiert und angekündigt worden ist, als legitim anerkennen – aus Gründen der Wichtigkeit des Haushaltsausgleichs für die Währung und aus Gründen der Bedeutung der öffentlichen Investitionen und der öffentlichen Auftragsvergebung für die Wirtschaft, um nur zwei Gründe anzuführen. Wir haben in diesen Erklärungen darauf hingewiesen, daß auch wir die Anleihewünsche der öffentlichen Hand. was Laufzeit, Normalverzinsung usw. betrifft, möglichst bald in die ihnen zukommenden Formen zurückgeführt haben möchten. Andererseits können wir nicht bezweifeln, daß eine Stärkung des Aktienmarktes erwünscht ist. Ich wüßte nicht, was wir dagegen haben sollten. Aber erstens kann man auch von einem Wirtschaftswunder nicht alles auf einmal erwarten, zweitens ist die Entwicklung auf dem Aktienmarkt in der letzten Zeit, was die Kurse und die Dividendenpolitik anlangt, nicht unerfreulich,


    (Seuffert)

    und drittens sollte man die zugegebenermaßen nicht sehr glücklichen Maßnahmen, die man zu diesem Zweck im vorigen Jahre auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer vorgenommen hat — gerade in einem Zeitpunkt, in dem man von allgemeiner Steuerreform spricht —, sich erst einmal auswirken lassen und das Ergebnis abwarten, bevor man sie noch einmal, und zwar verstärkt, anwendet.
    Was — um zum Schluß hierzu noch ein Wort zu sagen — den Zeitpunkt der Steuerreform anlangt, möchte ich darauf hinweisen, daß wir sie selbstverständlich so bald wie möglich sehen möchten. Andererseits muß sie natürlich in einem Zeitpunkt durchgeführt werden, der ihre Durchführung in praktischer, einfacher und ausgereifter Weise ermöglicht. Nach allem, was man sieht, kann das zu keinem anderen Zeitpunkt als zu Beginn eines Veranlagungsjahres erfolgen, d. h. zum nächsten 1. Januar.

    (Beifall bei der SPD.)