Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der breite Strom der Debatte sollte an einer Stelle noch etwas vertieft werden, und zwar möglichst schon da, wo sich im Grunde genommen die Quelle befindet, nämlich das Volkseinkommen und das daraus mögliche Steueraufkommen. Ich glaube, man sollte sich hier doch über ganz bestimmte Grenzen des öffentlichen Finanzbedarfs klar sein. Man darf dabei nicht nur den Bundeshaushalt und den Finanzbedarf des Bundes vor Augen haben, sondern muß die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte, einschließlich der sozialen Einrichtungen, sehen. Da darf man nicht nur die 27 Milliarden DM des Bundeshaushalts sehen, sondern muß sehen, daß wir im Haushaltsjahr 1954 wahrscheinlich an etwa 50 Milliarden DM Steuern und Sozialabgaben herankommen werden. Diese Größenordnung müssen wir im Verhältnis zu der gesamten volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehen, insbesondere im Verhältnis zu dem Begriff des Volkseinkommens. Wir haben im letzten Jahre die bedenkliche und gefährliche Entwicklung beobachten müssen, daß die Steuern und Sozialabgaben, d. h. die gesamten Leistungen für die öffentlichen Aufgabenbereiche, stärker zugenommen haben als das Sozialprodukt. Wir müssen aber, wenn wir eine Katastrophe vermeiden wollen und wenn sich das Volkseinkommen und damit das Steueraufkommen einigermaßen gleichmäßig entwickeln soll, unter allen Umständen vermeiden, daß das Gleichgewicht zwischen Produktions- und Staatswirtschaft gestört wird. Die Störungen sind im vergangenen Jahr deutlich geworden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die sehr lehrreichen Berechnungen des Berliner Instituts für Wirtschaftsforschung verweisen, woraus ich vielleicht doch die eine oder andere charakteristische Angabe einmal erwähnen darf.
Der Anteil der öffentlichen Hand am Volkseinkommen des Jahres 1953 ist schätzungsweise um 12 % gestiegen, während in dem gleichen. Zeitraum der Anteil der Selbständigen und der Unternehmungen am Volkseinkommen um 11 % zurückgegangen ist. Wenn diese Entwicklung anhält, verlieren wir die Basis vielleicht noch nicht für den Bundeshaushalt des Jahres 1954, aber für die öffentlichen Haushalte der folgenden Jahre. Wenn das Einkommen der Selbständigen und der Unternehmungen in dieser Form zurückgeht, geht die Investitionstätigkeit zurück. Die Betrachtung der Entwicklung des Sozialprodukts im vergangenen Jahre — nämlich der Konsumgüterseite einerseits und der Investitionsmittel und Investitionstätigkeit andererseits — zeigt, daß die Investitionstätigkeit bereits hinter der allgemeinen Entwicklung des Sozialprodukts zurückgeblieben ist. Wir haben also die große Sorge, daß schon das gegenwärtige Investitionsvolumen zu klein ist, um schon in wenigen Jahren das erforderliche Steueraufkommen überhaupt noch sichern zu können.
In diesem Zusammenhang noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem gesamten Aufbau unserer öffentlichen Haushalte! Unsere öffentlichen Haushalte kranken daran, daß sie noch zu sehr kameralistisch aufgebaut sind, d. h. nur Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. Der modernen Entwicklung wird nicht genügend Rechnung getragen. Der Staat hat ja nicht nur Verwaltungsaufgaben, sondern bei diesem gleichen Staat finden zwangsläufig auch Einkommensübertragungen für soziale Leistungen statt. Schließlich wird von diesem Staat auch zwangsläufig eine außerordentliche Investitionstätigkeit finanziert.
Dieser Tatsache sollte doch durch einen Umbau unserer öffentlichen Haushalte Rechnung getragen werden. An die Stelle der kameralistischen Nachweisung sollte eine mehr wirtschaftsnahe Aufgliederung treten, insbesondere in den Teilen, die einmal der Einkommensübertragung und zum andern den Investitionsaufgaben gewidmet sind. Gerade für den Gesamtbereich der Investitionstätigkeit der öffentlichen Haushalte bedürfen wir zweifellos einer wesentlichen Verfeinerung der Nachweisungen und insbesondere einer Verfeinerung der Rechnungslegung darüber, was denn nun mit diesen Investitionsmitteln geschehen ist und wie sie sich tatsächlich ausgewirkt haben. Diese Entwicklung der Haushaltsgestaltung ist in diesem Bundeshaushalt, aber auch in den Länderhaushalten, bisher nur angedeutet. Es liegt uns sehr daran, hier eine weitere Entwicklung herbeizuführen, die insbesondere dem entspricht, was andere Länder schon längst mit Erfolg in ihren öffentlichen Finanznachweisen eingeführt haben.
Ich darf noch ein Wort zu der Vermögensbilanz sagen. Wir erkennen dankbar an, daß erstmals ein deutscher öffentlicher Haushalt eine einigermaßen doch Vollständigkeit anstrebende Vermögensbilanz vorgelegt hat. Wir hoffen, daß diesem Beispiel des Bundes in Kürze alle anderen öffentlichen Haushalte folgen; denn das Bild des Bundes ist ja nur ein Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex. Von den etwa 43 % des Volkseinkommens, die in die Steuer-und Sozialbelastung gehen, ist ein ganz erheblicher Teil Vermögensbildung bei der öffentlichen Hand. Das Vermögen, das die Bundesrepublik in dien letzten Jahren aufgebaut hat, wird von Sachverständigen auf etwa 20 Milliarden DM geschätzt. Wenn Sie noch einbeziehen, was bei den Ländern und bei anderen öffentlichen Stellen entwickelt worden ist, werden Sie doch wohl sagen müssen, daß der Komplex des öffentlichen Vermögens dort, wo er direkt in werbender Form. in Erwerbsunternehmungen, angelegt ist, eine Größenordnung erreicht hat, die volkswirtschaftlich von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Ich betrachte es im Grunde genommen — wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle zurückkommen darf — nur als einen Streit um Worte, wenn er meint, der öffentliche Haushalt sei noch nicht ein Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Kapitallenkung, ja, der Wirtschaftslenkung schlechthin geworden. Wir erkennen dieses Prinzip in der Form, wie Herr Schoettle es vorgetragen hat, nicht an. Wir müssen feststellen: praktisch sind wir längst so weit, daß der öffentliche Haushalt infolge des außerordentlichen Anteils am Volkseinkommen, an der Investitionstätigkeit, am Volksvermögen und an der wirtschaftlichen Betätigung ein Instrument der Wirtschafts- und der Kapitallenkungspolitik geworden ist. Aus diesem Grunde kommt den erforderlichen Vermögensnachweisen eine entscheidende Bedeutung zu. Ich bedaure, feststellen zu müssen, daß den Erwartungen, die wir in dieser Richtung an die Vermögensbilanz des Bundes geknüpft hatten, noch nicht entsprochen worden ist. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die der erstmaligen Erstellung eines solchen Vermögenskataloges, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Beteiligungen, entgegenstanden. Aber die jetzige Vermögensübersicht ist im Grunde genommen rein kameralistisch, da sie lediglich Vermögenswerte auf verschiedene Methoden errechnet und addiert. Die realen Werte dahinter werden nicht sichtbar. Vor allem aber wird nicht sichtbar das wirtschaftliche Gewicht, das diese Bun-
desbeteiligungen an Erwerbsunternehmungen in der Praxis darstellen. Das wirtschaftliche Gewicht ist — wenn man es überhaupt in D-Mark ausdrükken kann — ein Vielfaches von den 1,2 Milliarden DM Beteiligungen, die in diesem Vermögensnachweis stehen.
Daher möchte ich einige Anregungen vorbringen und bitten, daß man sich bei der Beratung gerade dieser Vermögensübersicht um folgende Ergänzungen bemüht: einmal, daß eine Ordnung in das Vermögen hineingebracht wird, indem eine wirklich den organischen Verwendungszwecken der einzelnen Bestandteile entsprechende Vermögensordnung aufgebaut wird; zum anderen, daß Unterlagen, die im Laufe der Haushaltsberatung bereits zur Verfügung stehen, aber nicht in die Vermögensnachweise per 31. 3. 1953 hineingearbeitet worden sind, zumindest nachträglich vorgelegt werden. Ich denke dabei an Komplexe wie die Hibernia-Bergwerksgesellschaft, die allein ein Reinvermögen von über einer halben Milliarde D-Mark hat, aber als zum Stichtag der Erhebung noch nicht vorliegend mit einem Strich, d. h. ohne Aussage, in der Vermägensbilanz steht. Es sollte möglich sein, bei der Haushaltsberatung derartige Nachträge laufend zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte erreicht werden, daß dieser rein vermögensmäßigen, rein fiskalischen Übersicht eine wirtschaftliche Übersicht folgt, die das wirtschaftliche Gewicht, den Aufbau und die Verflechtungen der Bundesbeteiligungen in der gewerblichen Wirtschaft offenlegt und insbesondere bis in die letzten Verschachtelungen hineingeht, die in dieser ersten Übersieht natürlich nicht nachgewiesen werden konnten.
Ein Satz aus der ersten Rede des Herrn Bundesfinanzministers hat mich etwas aufhorchen lassen. Ich weiß nicht, ob hier ein Mißverständnis vorliegt und durch eine Klarstellung Besorgnisse etwa zerstreut werden können. Ich meine die von ihm angekündigte Verwendung von Wohnungsbaudarlehen, deren Rückfloß erfreulicherweise bereits angelaufen sei. Nach seinen Angaben sollen diese Rückflüsse zum Erwerb von Beteiligungen des Bundes an Wohnungsbaugesellschaften verwandt werden. Ich glaube, hier wäre doch eine Klarstellung in dem Sinne erforderlich, daß es sich dabei bestenfalls um Ausnahmen handeln kann mit dem Ziel, den Einfluß des Bundes, der bei der Darlehenshergabe selbstverständlich eine Rolle spielt. zu sichern, nicht aber darum, eine neue Vermögensbildung durch den Bund nun auch in der Wohnungswirtschaft einzuleiten.
Im ganzen können wir wohl mit Dank anerkennen, daß dieser erste Versuch mit der Vermögensbilanz gemacht worden ist. Wir haben aber — gerade aus wirtschaftspolitischen Gründen — den dringenden Wunsch, daß in einer weiteren Darstellung auch die wirtschaftliche Seite dieses Bundesvermögens einmal aufgehellt wird.