Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gezwungen, mich jetzt zum Wort zu melden, da ich mich spätestens in einer halben Stunde zu einer seit Wochen angesetzten Besprechung mit den Herren Länderfinanzministern begeben muß und nicht durch ein verspätetes Eintreffen die Atmosphäre, die vielleicht schon etwas gespannt ist, verdüstern möchte. Ich bitte deshalb zu entschuldigen, wenn ich außerhalb der Reihenfolge hier einspringe.
Meine Damen und Herren, ich habe meine Einführungsrede am 22. Januar mit dem Satz geschlossen: Nun stelle ich mich der Kritik dieses Hauses. Wenn ich die jetzige Aussprache überblicke, so darf ich wohl sagen, daß sie sachlich gewesen ist und daß die Kritik, soweit man von einer solchen sprechen kann, sich in sachlichen Formen und auf sachlichem Gebiet bewegt hat. Sie spiegelt damit den Geist wider, in dem wir uns jetzt seit fünf Jahren auch im Haushaltsausschuß bemühten, den Haushalt in einer sachlichen Atmosphäre und Zusammenarbeit zu behandeln.
Ich darf aber, nachdem die Aussprache sich zum großen Teil auch auf dem Gebiet der grundsätzlichen Erörterung, der Staatspolitik für die deutsche Bundesrepublik, bewegt hat, hier nur ein Thema herausgreifen, ohne daß ich deshalb sagen wollte, daß die anderen Themen nicht genau so erörternswert wären. Dieses Thema hängt natürlich mit der Aufgabe des Bundesfinanzministers zusammen, die finanzielle Ordnung, die Stetigkeit von Finanzen und Währung zu wahren.
Darf ich bei dieser Gelegenheit zunächst etwas sagen, was nicht der Bundesfinanzminister, sondern was das Mitglied des Deutschen Bundestages und damit ein Mann sagt, der in seinem Leben schon zweimal einen Staat hat zusammenbrechen und mehrere Revolutionen und Staatsstreiche über das Volk hat hingehen sehen; Ereignisse und Zeiten, die, wenn wir eine Folgerung ziehen und wenn wir auf die Zeit zurückblicken, den Wunsch nach der Festigkeit des Staates in erster Linie erwachsen ließen. Ich darf einen kühnen Satz wagen: Die Festigkeit eines Staatswesens ist in erster Linie dann gesichert, wenn die finanzielle Ordnung, aus der sich die Regelung der inneren Verhältnisse und die Bewahrung des sozialen Friedens in erster Linie mit ergeben, in einem Staat gefestigt ist.
Der ganze staatspolitische Geisteskampf unserer Zeit läßt sich heute in die zwei Worte fassen: hie Demokratie, hie totalitärer Staat. Wenn wir unserer Zeit neue Erschütterungen ersparen wollen, dann müssen wir den Gedanken der Demokratie zu einem Volksgedanken, zu einer inneren Überzeugung unseres Volkes machen.
Dazu ist, meine Damen und Herren, im demokratisch-parlamentarischen System das Parlament berufen. Das Parlament ist es, das die Fahne der Demokratie hochzuhalten, die Aufgabe der Demokratie vor dem Volke zu erfüllen und durch Leistung für den Gedanken der Demokratie zu werben hat. Wenn das Parlament in seiner Aufgabe versagt, wenn der Gedanke an die stetige, ruhige Entwicklung durch Verschulden des Parlaments gefährdet wird, dann wird der Gedanke der Demokratie durch den gefährdet, dem dieser Gedanke anvertraut ist.
Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meiner Jugendzeit geben. Als ich die ersten Lehrstunden in dem damaligen Parlament, dem Bayerischen Landtag, genommen hatte, traf ich dort einige recht alte Parlamentarier mit großer Lebenserfahrung, und unvergeßlich ist mir ein Satz, den einer zu mir gesprochen hat:
Ob das Parlament krank oder gesund ist, erkennt man daran, ob das Parlament als Einrichtung, als Ganzes, als Institution im Volk ein Echo und ein Vertrauen findet. Krank ist das Parlament, wenn nur einzelne Parlamentarier dieses Ansehen haben und dieses Vertrauen genießen.
Er wollte damit folgendes sagen. Wenn wir uns alle in dem Gedanken üben, daß das Parlament eine Volksvertretung ist und nicht die Vertretung eines einzelnen Kreises, nicht die Vertretung eines Berufes und nicht die Vertretung einer Interessentenschicht, und wenn wir uns alle in diesem Gedanken eingliedern unter Verzicht auf persönlichen Ehrgeiz, unter Verzicht auf die Eitelkeit, eine besondere Rolle zu spielen, unter Verzicht darauf, der besondere Wortführer einer Schicht, einer Gruppe zu sein und infolgedessen zu einseitig deren Interessen zu vertreten, wird das gesamte Parlament gesunden und die Fahne der Demokratie, die es trägt, geachtet sein. In dem Geisteskampf, in dem wir heute stehen und in dem die staatspolitischen Gegensätze gekennzeichnet sind mit den Worten Demokratie und totalitärer Staat, würden wir mit dieser Einstellung eine Lebensaufgabe für das deutsche Volk erfüllen.
Lassen Sie mich nun als Finanzminister die Folgerung aus dem ziehen, was sich der überzeugte Demokrat und Parlamentarier zum Grundsatz gemacht hat: die Stetigkeit in den öffentlichen Finanzen zu wahren, um das Vertrauen der Bevölkerung dafür zu gewinnen, daß die öffentlichen Finanzen in einer demokratischen Regierung, in einem demokratischen Parlament um der Allge-
meinheit willen, um der vielen, nicht um weniger willen, in Ordnung sind.
Man muß sich, wenn man von diesem Gedanken aus den Haushaltsplan betrachtet, jetzt die Frage vorlegen: Ist denn die finanzielle Ordnung oder, um es mit dem erwähnten Ausdruck zu nennen, die Stetigkeit in diesem Haushalt gesichert? Meine lieben Damen und Herren, alle Dinge sind relativ. Seit Einstein müssen wir erkennen, daß es auch in der Naturwissenschaft nur relative, keine absoluten, keine unveränderlichen Größen gibt. Wenn sich der Körper mit seiner Geschwindigkeit in Stoff und Volumen verringert und bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit alles zu Licht wird, gibt es nur relative Größen. Ich vergleiche also die Entwicklung des Haushaltsplans 1954 mit der von früheren, um festzustellen, ob er an innerer Festigkeit gewonnen hat. Da darf ich jetzt ganz nüchtern folgendes ausführen.
Wir haben an Steuereinnahmen im Jahre 1954 gegenüber dem Vorjahr ein Mehr von 1500 Millionen DM angenommen. In allen Vorjahren ist nicht nur das erhoffte Steuer-Mehr, sondern leider Gottes meistens sogar ein höherer Betrag in den ordentlichen Haushalt übernommen und dann auf der Ausgabenseite des ordentlichen Haushalts eingesetzt worden. Wir haben in diesem Jahr, obwohl wir ein Steuer-Mehr von 1500 Millionen DM annehmen, ein Wachstum des ordentlichen Haushalts von nur rund 500 Millionen DM. Der Unterschied von 1000 Millionen DM dient zur inneren Konsolidierung, zur inneren Festigung des ordentlichen Haushalts. Es sind nämlich, was für jeden sichtbar ist, Einnahmeposten, die vom Standpunkt der Solidität, der Festigkeit nicht zweifelsfrei sind und im Vorjahr nur unter besonderen Umständen, unter besonderen Notständen eingesetzt waren, in diesem Jahr zur Erleichterung meines Gewissens verschwunden; das ist ein Betrag von 975 Millionen DM: Beitrag des außerordentlichen Haushalts in den ordentlichen Haushalt. Das ist das eine äußere Symbol einer inneren Festigung des ordentlichen Haushalts.
Was den außerordentlichen Haushalt betrifft, so haben wir ihn in diesem Jahr nicht nur insofern verringert, als wir Posten, die früher im ordentlichen Haushalt standen, in ihn übernommen haben, nunmehr allerdings mit einem Vorbehalt, nämlich mit dem Vorbehalt, daß wir das Aufblähen des außerordentlichen Haushalts für gefährlich halten und es als unsere Pflicht ansehen, den außerordentlichen Haushalt ziffernmäßig so zu begrenzen, daß er auch echte Anleihemöglichkeiten bietet und daß wenigstens die Hoffnung gewahrt werden kann, die Beträge möchten am Geld- und Kapitalmarkt auch wirklich aufgebracht werden. Damit ist uns allerdings — und ich möchte das für die Beratung im Haushaltsausschuß vorausschicken — auch für den außerordentlichen Haushalt eine Grenze gesetzt. Wenn wir nämlich über diesen Betrag, den wir ausgerechnet haben, hinausgehen, um irgendwelchen Leuten Freude zu machen, dann tun wir es wider besseres Wissen. Denn wir sind der Überzeugung, daß der jetzige Betrag des außerordentlichen Haushalts bereits die Wahrscheinlichkeitsgrenze — echte Anleihemöglichkeit — erreicht hat und jeder Betrag, den wir darüber hinaus ansetzen, ein, sagen wir es ganz offen, Selbstbetrug und ein Betrug derer wäre, deren Wünsche wir hier nur äußerlich, aber nicht tatsächlich erfüllen können. Deswegen, das möchte ich betonen, ist diese Konsolidierung hier auch erfolgt.
Nun folgendes wegen einer Bemerkung von Herrn Kollegen Schoettle in seiner Rede. Die 400 Millionen für den Wohnungsbau durften verplant werden, weil wir sie als sichere Einnahme bezeichnen. Mit den 512 Millionen DM Schuldverschreibungen hat das gar nichts zu tun. Wir rechnen mit einer Kapitalaufnahme, also einer Anleiheaufnahme von rund 1500 Millionen DM. Die ersten Mittel hieraus gehören dem Wohnungsbau. Daß 500 Millionen DM auf dem Geld- und Kapitalmarkt aufgebracht werden können, ist über jeden Zweifel erhaben. Infolgedessen war die Verplanung für den Wohnungsbau ohne weiteres innerlich gerechtfertigt und möglich.
Insofern kann ich sagen, daß die Festigung des Haushalts nach meiner Überzeugung im Rahmen des heute Möglichen erreicht worden ist. Ich möchte aber auch die Gründe nennen, aus denen sie jetzt erreicht werden mußte. Wir haben in den Jahren 1952 und 1953 gefährliche Entwicklungen des Haushalts nur deshalb vermieden, weil der Posten Verteidigungsbeitrag in diesen beiden Jahren aus den bekannten Gründen Ersparnis- und Ausweichmöglichkeiten bot. Wir müssen uns bewußt sein, daß wir diese Ausweichmöglichkeiten im Haushaltsjahr 1954 und von da ab nicht mehr haben. Wir haben sie deswegen nicht, weil wir hier einen Betrag von insgesamt 9000 Millionen DM eingesetzt haben, der — und jeder, der internationale Verhandlungen und Kräfteverhältnisse und die Leistungen der anderen auf diesem Gebiet kennt, wird mir das bestätigen — eine berechtigte Hoffnung auf große Einsparungen nie aufkommen läßt, möge der EVG-Vertrag am 1. April, am 1. Juni oder vielleicht sogar noch später wirklich ratifiziert sein. Der Betrag von 9000 Millionen DM wird nach den internationalen Verhandlungen für das Gesamtjahr diese Ersparnismöglichkeiten nicht mehr bieten. Wir sind infolgedessen dazu gezwungen, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.
Es wird häufig nach Reserven gefragt. Ich glaube, das geschieht aus dem Bewußtsein der Verantwortung heraus, die vor jedem einzelnen von uns steht, und man möchte sich dieses schwere Gefühl der Verantwortung durch eine schwache Hoffnung erleichtern. Ich habe manche äußerlich lobenden und nett klingenden Worte über den listenreichen Odysseus gehört.
— Nein, nicht von Ihnen! — Aber, meine Damen und Herren, Sie kennen das alte Wort: Wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Auch Odysseus war es nicht möglich, eine List anzuwenden, wenn nicht irgendein Hilfsmittel für die Anwendung dieser List noch vorhanden gewesen ist, eine Reserve.
Diese Reserven werden ja ängstlich überwacht. Sie kennen doch unser System: Der Bundeshaushalt geht zuerst zu den Ländern. Die Länder wissen, daß nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes die durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben des Haushalts von ihnen in Form eines erhöhten Bundesanteils zu übernehmen sind. Sie
können sich doch vorstellen, daß Jahr für Jahr —und nicht nur bei den Haushaltsberatungen, auch, nach Ihren Erfahrungen, außerhalb der Haushaltsberatungen während des Jahres — alle Sachverständigen sämtlicher Länderfinanzministerien prüfen, wie sie es im nächsten Jahr vermeiden können, nicht gedeckte Ausgaben des Bundes anzuerkennen, damit sie die Erhöhung des Bundesanteils nicht annehmen müssen. Sie mögen infolgedessen den listenreichsten Odysseus finden, — er würde im Lauf der langen Jahre gar nicht in der Lage sein, in dieser Siutation den Ländern irgendwelche Reserven zu verschweigen. Er hätte nur den einen Wunsch: die Länderhaushalte daraufhin nachzuprüfen, welche Reserven in diesen enthalten sind. Das kann er aber leider nicht.
Das Ziel der Festigung und Stetigkeit ist u. a. auch die Vorbereitung der Steuerreform. Dazu darf ich aber etwas sagen. Im allgemeinen entschließen sich Finanzminister dann zu einer Steuerreform, wenn sie Überschüsse haben. Der deutsche Bundesfinanzminister hat keine Überschüsse. Was Herr Kollege Vogel über die im nächsten Jahr auf uns zukommenden Belastungen ausgeführt hat, ist leider Gottes völlig richtig und nur insofern noch zu ergänzen, als, wie er ja selbst andeutete, noch große unbekannte Lasten im Hintergrund stehen, die wir zahlenmäßig nicht erfassen können. Eine derart schwere Aufgabe, der ich mich gegenübersehe, kann ich nur dann lösen, wenn wenigstens der Etat des Ausgangsjahres in sich gefestigt und innerlich stark ist und keinen Experimenten unterliegt. Das ist die Situation.
Nun kann leider Gottes der Bundesfinanzminister nicht den Gesetzgeber spielen und gleichzeitig die Mittel, die er zur Festigung des Haushalts braucht, aufbringen. Auf die Gefahrenpunkte des Haushalts habe ich in meiner Einführungsrede hingewiesen und habe sie immer noch zu unterstreichen. Er kann also alles nicht gleichzeitig tun, er braucht dazu das Parlament, er braucht dazu die Länder, und er braucht auch das Verständnis der Öffentlichkeit. Nun darf ich aber folgendes sagen: Herr Kollege Schoettle hat meinem Grundsatz, daß die finanzielle Ordnung und Stetigkeit aufrechterhalten werden muß, zunächst so liebenswürdig zugestimmt. Er hat dann mit einem starken oder leisen Zweifel, jedenfalls mit Zweifeln darüber gesprochen, ob die Stetigkeit des Haushalts wirklich erreicht sei, so wie der besorgte Hausvater sich fragt, ob das, was ihm der Handwerker ins Haus bringt, auch das Geld wert ist, das er dafür ausgibt. Wenn ich das Beispiel eines Stuhles nehme: ob er auch wirklich seinen Leib künftig diesem soliden Stuhl überlassen kann. Ich habe also daraus die Sorge entnommen, den Bundesfinanzminister — vom Bundesfinanzminister nur als Repräsentanten der Bundesrepublik gesprochen — in der Politik der Stetigkeit und der Solidität dieses handwerksmäßig hergestellten Stuhles zu unterstützen. Sie werden verstehen, daß ich schmerzliches Bedauern in meiner Seele fühlte, als Sie dann unmittelbar fortfuhren, eine Taschensäge herauszogen und anfingen, Stuhlbein für Stuhlbein von diesem eben gelieferten Stuhl anzusägen oder abzusägen.
Sie haben erstens einmal — wenn ich das Stuhlbein nehme — sofort erklärt: „512 Millionen? —
Unmöglich!" — Nicht wahr, Sie wissen, was ich
meine: die Schuldverschreibungen, die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und von den Rentenversicherungsanstalten anstelle von Barzuschüssen übernommen werden sollen, wenn sich die Notwendigkeit dafür ergibt.
Ich darf jedoch hier wieder einmal feststellen, Herr Kollege: Wenn man ein Nein sagt zu einem Gefüge, das in sich fest sein soll — und Sie wollen, daß der Stuhl vier Beine hat —, d. h. wenn Sie das eine Bein wegschlagen, dann wäre es nett gewesen, es wäre eine gute handwerkliche Leistung gewesen, wenn Sie sofort ein anderes, besseres Stuhlbein hergestellt hätten.
Von dem anderen Stuhlbein habe ich nichts gesehen, und der Stuhl mit drei Füßen scheint mir nicht solide zu sein.
Nun darf ich zu dem einen Stuhlbein einmal etwas sagen, damit in der Öffentlichkeit kein falsches Bild entsteht. Die 512 Millionen DM haben mit dem Rentenempfänger gar nichts zu tun! Der Bundeshaushalt zahlt jährlich rund 2600 Millionen D-Mark Zuschüsse aus Steuergeldern an diese Anstalten. Er zahlt diesen Zuschuß erstens, weil die Währungsumstellung das alte Deckungskapital verflüchtigen ließ, und zweitens, weil wir uns heute schon Sorgen darüber machen, daß im Jahre 1960/61 die Altersentwicklung des deutschen Volkes dazu führen kann, daß die Beiträge an diese Anstalten geringer sein werden als die laufenden Rentenzahlungen, schon nach der jetzigen Gesetzgebung.
Wir sammeln infolgedessen bewußt ein Deckungskapital an. Das Geld, von dem hier gesprochen wird, ist nicht für den heutigen Rentenempfänger gedacht, es ist nur zur Ansammlung eines Deckungskapitals bestimmt. Wenn das Deckungskapital heute schon in Industrieobligationen, Kommunalobligationen und sonstigen Wertpapieren angelegt wird, dann frage ich: Ist es eine Zumutung, dieses Deckungskapital in Papieren anzulegen, die schließlich von dem gegeben werden, der der Garant nicht nur dieser Anstalten, sondern letzten Endes aller inneren Werte, die bei uns umlaufen, ist, ob das Kommunal-, Länder- oder sonstige Wertpapiere sind, die heute auch schon in der Deckungsmasse dieser Anstalten liegen?
Diese Maßnahme mag vielleicht vom Standpunkt der Selbstverwaltung aus kritisiert werden. Sie wissen, Selbstverwaltung wird meistens eifersüchtig geübt; Sie wissen aber auch, Eifersucht ist eine Leidenschaft, die manchmal blind macht und manchmal die Dinge anders sehen läßt, als sie in Wirklichkeit sind.
Ich hoffe also, wenn wir ohne Eifersucht in ruhiger Abschätzung der wirklichen Verhältnisse miteinander reden, werden wir uns gegenseitig davon überzeugen, daß es im Interesse beider Teile liegt, zu einer Einigung zu kommen. Denn ein Zusammenbruch, eine Krise des Haushalts ist auch für die Sozialversicherungsanstalten gefährlich, da der Bundeshaushalt der Garant ihrer Existenz ist.
Dann zu dem zweiten Stuhlbein, zum Bundesanteil von 42 %. Da darf ich doch einmal die Rechtslage schildern, Herr Kollege, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, bereits das Ersatzstuhlbein zur Verfügung zu stellen. Die Dinge liegen nämlich so: nach Art. 106 Abs. 3 erhält der Bund die Mittel für die durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben durch den Bundesanteil. Der Bundesbedarf ist in dem Moment, in dem die Haushaltsausgaben feststehen, umrissen. Ich bemerke: das Wort „Sparsamkeit", Herr Kollege Schoettle, ist dann, wenn man davon spricht, daß nur die nichtnotwendigen Ausgaben vermieden werden müssen, immer eine Tugend. Da kann die Frage nach der Untugend gar nicht aufgeworfen werden. Ich sprach von den nichtnotwendigen Ausgaben. Also wenn ich den Haushalt aufgestellt habe, habe ich das Volumen der Ausgaben. Und dann komme ich zu der Überlegung: was durch die jetzt bestehenden Bundeseinnahmen nicht gedeckt ist, ist die Summe, die durch den Bundesanteil zu decken ist, entweder durch den Bundesanteil oder durch andere Einnahmen, die sich der Bund schafft.
Theoretisch kann sich der Bund jederzeit neue Einnahmen schaffen. Theoretisch kann ich die Umsatzsteuer vervielfältigen, wie ich will. Das ist letzten Endes die Einnahmequelle. Würde jemand es für gesund und vernünftig, für gerecht und billig halten, wenn in einer Zeit, in der die Ländereinnahmen ausreichen, um dem Bund zu geben, was um der Allgemeinheit willen notwendig ist, der Bundesgesetzgeber nur wegen einer Weigerung der Länder gezwungen wäre, neben überflüssigen Einnahmen der Länder die Umsatzsteuer zu erhöhen, nur um den Zusammenbruch seines Haushalts zu vermeiden? In einer Zeit, in der auf einem Teilgebiet eine steuerlich ausreichende Decke vorhanden ist, neue Steuern einzuführen, nur weil die zwei sich nicht einigen können, so daß der Steuerzahler der geduldige Esel ist, auf dessen Rücken alles ausgetragen wird, würde doch jeder unvernünftig finden.
Darum meine ich, Herr Kollege Schoettle: wenn wir zusammenarbeiten wollen, und wir haben, hoffe ich, beide die Überzeugung, daß auch der andere den besten Willen hat, dann müssen wir uns doch sagen: Was ich an Bundesanteil verweigere, ohne in der Lage zu sein, nachzuweisen, daß die Ausgaben des Bundes gemindert werden können und daß die Summe der nicht gedeckten Ausgaben nicht mehr so hoch ist, das muß ich durch andere Einnahmen, die dem Bund zur Verfügung gestellt werden, zu decken vorschlagen. Dann steht die Verantwortung für das Nein einer Verantwortung für ein anderes Ja gegenüber. Ich halte es für die Pflicht eines Parlamentariers, die Verantwortung auf beiden Seiten zu tragen, ob Sie heute Opposition, in einer anderen Session einmal Regierungspartei sind oder ob wir heute Regierungspartei und, was Gott verhüten möge,
ein anderes Mal Opposition sind. Also, darüber müssen wir uns klar sein. Das ist auch das, was ich den Ländern und bei einem Streit mit den Ländern dem deutschen Steuerzahler erzählen müßte. Ich glaube, daß sich für die Umsatzsteuer die Wähler sogar interessieren, wenn Landtagswahlen sind.
Also das wäre ein zweites Beispiel, über das wir gesprochen haben.
Nun darf ich noch kurz auf die Einwendungen eingehen, die der Herr Minister Flecken, mein verehrter Kollege im Lande Nordrhein-Westfalen
— über dessen wirkliche Finanzlage, Kassenguthaben usw. ich eine erschöpfende Auskunft nicht geben will, weil ich sie nicht geben kann —
vorgebracht hat. Ich will deswegen nicht näher darauf eingehen, weil alles, was er jetzt im „Handelsblatt" in einem Artikel wiederholt hat, wörtlich das ist, was im Bundesrat im Namen der Länder vorgetragen worden ist. Ich habe darauf geantwortet. Diese Antwort ist im „Handelsblatt" nicht abgedruckt. Ich habe also die stille Hoffnung
— ich nehme an, daß aus irgendwelchen Gründen die Antwort von der Gegenseite noch nicht nachgeprüft worden ist, daß sie aber sicher nachgeprüft werden wird —, daß die von mir vorgetragenen Argumente am Schluß die Gegenseite überzeugen werden.
Ich möchte nur ganz kurz zu einem Punkt bemerken: Für die Zolleinnahmen — das habe ich schon im Bundesrat erklärt — kann nicht einfach schematisch eine vermutliche Steigerung des Jahres 1953/54 genommen werden. Man muß daran denken, daß durch die jetzt schon getroffenen gesetzlichen Änderungen, die auch mit der Montanunion zusammenhängen, ein Ausfall von rund 65 Millionen DM bestimmt eintreten wird. Ich muß also bei jeder Steigerung die gesetzlichen Änderungen berücksichtigen und diese Ausfälle abziehen.
Bezüglich des Disagios kann ich nur darauf verweisen: Hier hat sowohl der Bundestag in seinen früheren Beratungen wie auch der Bundesschuldenausschuß, in dem der Bundesrat übrigens vertreten ist, sein Votum im Sinne der Darlegungen des Bundesfinanzministers abgegeben.
Bei den Zinsen ergeben sich immer gewisse Möglichkeiten. Herr Kollege Schoettle hat angefragt, ob der Bund wesentlich reicher geworden ist durch die Tatsache, daß, nachdem jetzt der Überhang an Besatzungskosten als Kassenguthaben vorliegt, Zinsen eingehen. Ich möchte, damit die Öffentlichkeit die Zahlen kennt — ich habe es Herrn Kollegen Schoettle schon gezeigt —, feststellen: Einnahmen an Zinsen vom 1. April 1953 bis 31. Dezember 1953 insgesamt 32 Millionen DM; Ausgaben an Zinsen, nämlich für die schwebende Schuld, etwas über 22 Millionen DM; Erträgnis netto 10 Millionen DM. Meine Damen und Herren, das macht das Kraut nicht fett, wie man bei uns sagt, und der Fehlbetrag des Jahres 1953 wird sich deshalb leider nicht vermindern.
Weil ich von dem Fehlbetrag 1953 rede und an die nette Schilderung vom Kollegen Dresbach denke, wie sich die Händler auf dem Viehmarkt oder die Finanzminister bei ihren Besprechungen in Bad Nauheim oder sonstwo gegenseitig in die Augen sehen, — —
— In die blauen germanischen Augen sehen, ganz richtig, mit der stillen Frage: wer? wen? Für die Vergangenheit, Herr Kollege Dresbach, braucht man die Frage gar nicht aufzuwerfen. Wir haben den Bundesanteil berechnet und festgelegt, um einen Fehlbetrag zu vermeiden. Wir haben den Bundesanteil in all den Jahren nie in der gewünschten Höhe erhalten und wir haben in all den
Jahren sehr beträchtliche Fehlbeträge zu verzeichnen, die wesentlich geringer wären, wenn die Länder, wozu sie in der Lage gewesen wären, dem Vorschlag des Bundesfinanzministers gefolgt wären, der nie vorgeboten hat, sondern immer nur das gewünscht hat, was er als für den Bund unbedingt notwendig erklären mußte — seiner Pflicht entsprechend —, und der dies immer nur verlangt hat, wenn er gleichzeitig der Überzeugung war — und das bin ich —, daß die Leistungsfähigkeit der Länder davon nicht betroffen und nicht berührt wird.
Nun aber muß ich sagen, der Artikel des Herrn Kollegen Fleck en im „Handelsblatt" hat mir sogar eine leise Hoffnung gegeben. In einem wiederholt er die Argumente aus dem Bundesrat nämlich nicht: bei dem Thema Bundesbahn und deutsche Verkehrspolitik. Es scheint fast, daß eine Mitwirkung der Länder, wie er hier sagt, an der Bundesbahnreform erfolgen kann unter der Voraussetzung — sagt er —, daß das im Rahmen eines konstruktiven Gesamtplans geschieht. Ich bin hoffnungsvoll genug, anzunehmen, daß es sich hier um einen Ball handelt, den ich aufzunehmen sehr gern bereit bin. Ich will eine Einigung mit den Ländern, ich will ein Verständnis der Länder und eine Verständigung. Ich bin für jeden Wink dankbar, der zu einer Einigung führt, der dem Bund in seinen Aufgaben das gibt, was er braucht, und den Steuerzahler mit einer unnötigen, unvertretbaren Belastung verschont. Ich bin jeden Weg dazu zu gehen bereit und hoffe, daß mich der Gedanke, es könnte hier ein kleiner Wink enthalten sein, nicht täuscht.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich noch zu einem anderen Punkt zurückkehren. Wir haben im Laufe der Debatte nicht nur gehört, wie alles I wünscht, daß die finanzielle Ordnung aufrechterhalten wird, sondern wir haben von verschiedenen Seiten auch gehört, welche Reformen — Reformen, die Geld kosten werden — gewünscht werden: nicht nur Sicherung der älteren Angestellten und Sozialreform, Agrarreform, selbstverständlich Verbesserung des Straßennetzes — ein besonderer Wunsch von Herrn Kollegen Schoettle, wobei ich nebenbei bemerke: man soll sich einmal den Kopf zerbrechen, welche Unsummen von Geld schon im Wiederaufbau unseres Straßennetzes, unserer Brücken und Kanäle, die im Jahre 1945 doch alle Ruinen gewesen sind, stecken. Wir haben in Bayern einmal eine Rechnung aufgemacht; danach sind bis zum Vorjahr bereits im ganzen Bundesgebiet allein an Brücken etwa 300 km neu gebaut worden. Ich glaube, man unterschätzt die Leistungen auf diesem Gebiet, unterschätzt, was der deutsche Steuerzahler auch für die Wirtschaftszweige, die diese Straßen benutzen, schon getan hat.
Man muß das alles zusammennehmen, meine Damen und Herren; ich muß Sie bitten, nicht jedes Programm für sich, sondern a 11 e Programme in Abstimmung und Harmonie zueinander zu betrachten. Ich halte es für richtig, daß Bundesregierung und Bundesparlament, Bundesfinanzminister und antragstellende Partei gegenseitig sich darüber klarwerden: Was ist das Dringendste, was muß unter den besonderen Verhältnissen zuerst und was kann später getan werden? Eine zeitliche Reihenfolge in allen Plänen — um den Steuerzahler nicht alles plötzlich aufzubürden — scheint mir unbedingt notwendig, und ich glaube, wir könnten uns darüber vernünftig unterhalten.
Meine Damen und Herren, Sie haben ein weiteres Kapitel angesprochen: die Anwendung des
Art. 113 des Grundgesetzes. Ich bin dem Herrn Kollegen Schoettle sehr dankbar, daß er in vorsichtiger Form, aber doch wieder mit schwäbischer Hartnäckigkeit auch den Mehrheitsparteien dabei einen Wink gegeben hat.
Ich darf ihm aber einmal sagen, wie ich es verstehe. Herr Kollege Schoettle, Sie haben ungefähr gesagt: Man spricht von der Ausgabewilligkeit des Deutschen Bundestages, und der Deutsche Bundestag macht sich durch seine Ausgabewilligkeit nur bei einzelnen beliebt, nicht bei den vielen, nicht bei der Gesamtheit des Volkes. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man in einer Versammlung steht, in der nur eine Gruppe, ein Verband, ein Beruf vertreten ist, oder ob ich in Versammlungen spreche, in denen alle Schichten gleichzeitig vertreten sind.
Reden, die in einem Gremium unter Beifall gehalten werden, werden in einem anderen Gremium wenig Beifall finden. Und man muß bedenken, daß sich der Wähler in den allgemeinen Versammlungen und nicht in den Berufs- und Kategorienversammlungen findet.
Es handelt sich also nur um die Frage, wie es gemacht werden kann, daß das, was uns anvertraut ist, die Demokratie, die Achtung, die das Parlament um der Demokratie willen vor der Gesamtheit zu erwerben und zu vertreten hat, nicht gestört werden? Hier müßten wir den Art. 113 des Grundgesetzes und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags ihrem Sinne nach verstehen. Das englische Parlament hat sich in 200 Jahren eine Tradition anerzogen, die es in England beim kleinsten und beim radikalsten Mann als unmöglich erscheinen läßt, gegen den Gedanken „Parlament" und gegen den Gedanken „Demokratie" in eine Agitation einzutreten. Auch wir müßten erreichen, daß die Einrichtung Parlament und die Einrichtung Demokratie tabu, unantastbar in der öffentlichen Meinung werden.
In diesem Streben müssen wir zusammenwirken. Deswegen sehe ich den Art. 113 nicht etwa, wie ihn manche auffassen, als einen Versuch, eine Diktatur über das Parlament einzurichten, sondern ich sehe darin den Hinweis eines Gesetzgebers, der um die Demokratie auch bangte und sie nicht durch finanzielle Unordnung gefährdet wissen wollte, einen Hinweis, um Parlament und Bundesregierung zu einer Zusammenarbeit gegen die sie gemeinsam bedrohende Gefahr aufzurufen, daß der Gedanke der res privata über den Gedanken der res publica siegt, um sie aufzurufen, den Gedanken der res publica in gemeinsamer Verantwortung gegen diese Gefahr zu vertreten.
Wir wollen hier nicht über die Vergangenheit reden. Aber ich hoffe, daß, wenn wieder ein solcher Fall eintritt, die Bundesregierung in der ersten Stunde, in der überhaupt über eine Ausgabe gesprochen wird, ehrlich und offen sofort entweder erklärt: Ich kann die Zustimmung nach Art. 113 des Grundgesetzes nicht geben, oder: Ich kann sie nur geben, wenn du gleichzeitig die Verantwortung für eine bestimmte Deckung übernimmst, oder: Ich kann sie geben.
Wenn das in der ersten Stunde geschieht, betrachten wir das nicht als Mißtrauen, nicht als Kampf gegeneinander, sondern als Zusammenarbeit von Parlament und Bundesregierung. Ich glaube, daß wir unter dieser Voraussetzung die Stetigkeit der deutschen Finanzpolitik um des deutschen Volkes, um der deutschen Demokratie willen wahren können.