Rede:
ID0201302300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Schoettle.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954 369 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 369 C, 406 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 23 betr. Bereitstellung von Mitteln zur Beseitigung von Frostaufbrüchen (Drucksachen 202, 235) 396 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) einschließlich Ergänzungsvorlage (Drucksache 200) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954 (Drucksache 201) 369 D Dr. Eckhardt (GB/BHE) 369 D Dr. von Merkatz (DP) 376 D Niederalt (CDU/CSU) . . . .380 C, 384 C, D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 384 C, D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 385 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 387 C Schoettle (SPD) 390 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 391 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 396 A Dr. Atzenroth (FDP) 398 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 400 A Seuffert (SPD) 401 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 403 A Überweisung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1954 (Drucksache 200) an den Haushaltsausschuß und des Entwurfs des Inanspruchnahme-Gesetzes (Drucksache 201) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Haushaltsausschuß 406 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Hypotheken- und Schiffsbankrechts sowie über Ausnahmen von § 247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Drucksache 195) 406 B Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Geld und Kredit . 406 B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Getreidepreisgesetz (Drucksache 188) 406 B Beschlußfassung 406 C Absetzung der Gesetzentwürfe über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Drucksachen 224, 112), zur Anpassung des Familienrechts an Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 178) und über die steuerliche Behandlung von Leistungen im Rahmen des Familienausgleiches (Drucksache 189) von der Tagesordnung . . . . 406 C Nächste Sitzung 406 C, D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir machen ganz außerordentliche Fortschritte im Bundestag. Der zweite Bundestag scheint tatsächlich besser zu sein als der erste, und das war ja der Wunsch von manchen Seiten.

    (Heiterkeit und Beifall. — Zurufe links.)

    Jedenfalls: eine solche Haushaltsdebatte wie diese hat der erste Bundestag nicht zustande gebracht. Ich habe nun noch das besondere Glück, zusammen mit meinem unmittelbaren Vorredner Dr. Dresbach, daß das Bundeskabinett in einer Stärke auf der Regierungsbank vertreten ist, wie wir es früher auch kaum erlebt haben,

    (Zustimmung und Heiterkeit) und das freut einen denn ja auch.

    Über den Bundesrat ist genug gesagt worden. Auch ich will die Kompromißverhandlungen, die wahrscheinlich folgen werden, wie Kollege Dresbach sagte, nicht stören. Aber es würde sich schon ganz gut ausnehmen, wenn gerade angesichts der kursorischen Behandlung der Vorlage im Bundesrat selber der Bundesrat hier etwas zahlreicher, vielleicht sogar auf der ersten Bank, vertreten wäre und sich anhören würde, was der Bundestag, der „Konkurrent" auf dem Gebiete der Gesetzgebung, zu sagen hat.

    (Abg. Schoettle: Herr Kollege, diese These würde ich aber schleunigst korrigieren! Wir sind nicht die Konkurrenten, wir sind die ersten!)

    – Ich hatte das in Anführungsstriche gesetzt, will es aber gern nachholen. Der Möchte-gern-Konkurrent vielleicht, wenn Sie einverstanden sind.
    Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, etwas mehr über das zu sprechen, was den Haushaltsausschuß nun ab nächsten Montag nachmittag – früher geht es wirklich nicht — aller Voraussicht nach beschäftigen wird, nämlich über das Haushaltsgesetz und den Bundeshaushaltsplan. Ich wollte aber vorher noch einige Worte einschalten über das, was hier schon verschiedentlich berührt worden ist und womit auch ich mich immer wieder beschäftige; ich meine die Frage, wie wir dieses ganze Haushaltswesen der Gesamtheit unserer Bevölkerung oder wenigstens allen Menschen, die es begreifen wollen und können, näherbringen können.


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    Es ist Wesentliches geschehen, besonders auch seitens der Exekutive. Ich glaube, daß sich die berühmten beiden Kreise. Verteilung von Einnahmen und Ausgaben, die man ja in jeder zweiten Amtsstube hängen sieht — im übrigen nicht nur bei Bundesdienststellen —, wirklich eine gewisse Popularität erworben haben, und ich hoffe, daß diese Praxis fortgesetzt wird.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    Der Film, der ein Versuch war, ist im Herankommen an die Öffentlichkeit vielleicht weniger an seinem Inhalt gescheitert als an der Tatsache, daß offenbar noch eine besondere Bearbeitung der Filmtheaterbesitzer vorgenommen werden muß,. damit sie sich auch einmal ihrerseits für einen Film zur Verfügung stellen, der sie nichts kostet außer Licht und Zeit, und den Film in ihr Programm mit aufnehmen.

    (Abg. Dr. Vogel: Er muß dann steuerbegünstigt werden!)

    Für ein wesentliches Mittel, an weitere Kreise heranzukommen, halte ich den zum ersten Mal hier unternommenen Versuch des Wegweisers durch den Haushalt. Hier ist, wie mir scheint, mit Erfolg der Versuch gemacht worden, Haushaltsdinge in einer Sprache darzulegen, die auch ein ganz gewöhnlicher Sterblicher ohne besondere Anstrengung verstehen kann; das wollen wir ja vom Bundeshaushalt selbst nicht sagen.
    Für alle intensiver interessierten Menschen ist nach meinem Gefühl der Versuch, alles Notwendige in den „allgemeinen Vorbemerkungen", wie wir sie in der Drucksache 200 haben, zu sagen, außerordentlich zu begrüßen. Das ist wirklich für den, der sich mit den Dingen beschäftigt, eine nicht nur lehrreiche, ich möchte beinahe sagen: interessante. fast spannende Lektüre.
    Warum ist nun wohl, meine Damen und Herren, das Interesse in der Bevölkerung verhältnismäßig so gering? Ich habe sehr viel darüber nachgedacht und habe zu dem, was hier schon gesagt worden ist, noch zwei weitere Gründe gefunden, die nach meinem Gefühl von ausschlaggebender Bedeutung sind.
    Auf der einen Seite ist die Einkommensteuer bzw. in den allermeisten Fällen die Lohnsteuer in den unteren Einkommensstufen so gering, daß sie schon aus Gewohnheit nicht als eine besondere, schwere Last empfunden wird. Auf der andern Seite gibt es so viele Menschen – diese Bevölkerungskreise umfassen Millionen —, die auf irgendeine Art und Weise vom Staat, von der öffentlichen Hand etwas zu bekommen hoffen; ihnen ist die Aufbringungsseite ziemlich gleichgültig, wenn nur der Zaster auf irgendeinem Wege herankommt!

    (Sehr gut! rechts.)

    Das ist bedauerlicherweise der Fall. Zum Teil ist es eine schmerzliche Kriegsfolge. Ich halte es für eine wesentliche und große Aufgabe, die noch angepackt werden muß, den Versuch zu machen, auch all den Menschen, die aus der öffentlichen Hand, von irgendeinem der vielen Töpfe, etwas zu bekommen hoffen, das Verständnis dafür beizubringen, was für eine Mühe es macht, die Töpfe immer wieder zu füllen.
    Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß wir allen Steuerzahlern gegenüber verpflichtet sind, mit dem uns anvertrauten öffentlichen Geld sparsam umzugehen. Wir wissen alle, daß Sparsamkeit im öffentlichen Haushalt auch von positivem Nutzen für alle ist. Unter diesem Gesichtspunkt sehen meine Freunde und ich auch das Budgetrecht dieses Hauses, das schon so oft angesprochen worden ist und das zu betätigen wir — ich darf das wohl sagen — je länger je mehr noch immer besser lernen müssen. Die Würdigung, die Kollege Schoettle diesem Problem hat angedeihen lassen, scheint mir durchaus richtig zu sein; ich schließe mich ihr an und möchte auf der andern Seite sagen, daß auch die in eine fernere Zukunft weisenden Überlegungen des Kollegen Eckhardt über die Mitwirkung des Parlaments beim Zustandekommen von Haushaltsvoranschlägen sicherlich sehr der Beachtung wert sind. Ob wir uns das Institut der gemischten Kommissionen werden leisten können, wird noch zu prüfen sein.
    Über die Rede, mit der am 22. Januar der Herr Bundesfinanzminister uns sein Werk unterbreitet hat, ist schon viel gesprochen worden. Ich glaube, der Kardinalsatz ist darin zu erblicken, daß der Bundesfinanzminister die Wahrung der finanziellen Ordnung für die wesentlichste Aufgabe seines Ressorts und auch dieses Parlaments ansieht. Wir wissen, was diese finanzielle Ordnung im Positiven für uns bedeutet und was ein Schritt vom Wege an Gefahren auf jedem nur denkbaren Gebiet für uns bedeuten könnte.
    Wir wollen — so hat sich der Herr Bundesfinanzminister ausgedrückt — alle vermeidbaren Ausgaben vermeiden. Sicher, das müssen wir tun. Die Last ist ohnehin groß genug. Wir wollen und müssen als Parlament auch wirklich in jedem einzelnen Fall und immer wieder prüfen, ob eine Ausgabe unvermeidbar ist oder nicht. Wir haben infolge der so oft besprochenen Festlegung eines erschreckend hohen Prozentsatzes der gesamten Bundesausgaben hier nur eine verhältnismäßig kleine Manövriermasse zur Verfügung; aber jeder einzelne Gegenstand, jeder Titel bedarf der Prüfung, und wir stehen nur — vom Haushaltsausschuß gesehen — vor der Sorge, wie wir in der verfassungsmäßig vorgesehenen Zeit das gewaltige Pensum bewältigen sollen. Sitzungsfreie Wochen wird es für u n s in der nächsten Zeit nicht geben. Ich will uns gar nicht loben; wir sehen das als unsere Pflicht an und hoffen, in den „sitzungsfreien Wochen", wenn niemand anders uns stört, auch schnell von der Stelle zu kommen. Wir sind auch dabei, uns, soweit das möglich ist, zu noch rationelleren Arbeitsmethoden, als wir sie bisher angewandt haben, durchzuringen. Ich hoffe, daß die Pläne, die auf diesem Gebiet entworfen sind — die besonders intensive Einschaltung der Berichterstatter für die Einzelpläne und ähnliche Maßnahmen — dazu führen werden, daß wir eine schnelle und gleichwohl wirkungsvolle Arbeitsweise finden können.
    Das schon verschiedentlich zitierte Gesetz vom wachsenden Staatsbedarf ist — man könnte auf die Idee kommen — in diesem Haushaltsvoranschlag 1954 durchbrochen worden. Ich persönlich erlaube mir, das nicht zu glauben. Immerhin ist ein Ansatz gemacht, der zu begrüßen ist. Die Summen sind nicht weiter gestiegen. Wenn wir jetzt mit dem Haushalt 1954/55 auf einem Höhepunkt angelangt wären, von dem es nachher heruntergehen kann, so daß nachher aus dem Sinken des öffentlichen Bedarfs eine normale und selbstverständliche Senkungsmöglichkeit für die Steuerbürde gegeben sein würde, so wäre das sehr schön. Fröhlichen Optimismus in dieser Beziehung, den der Herr Bundesfinanzminister bezüglich des Aus-


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    gleichs dieses Haushaltsvoranschlags an den Tag gelegt hat, vermag ich für meine Person leider noch nicht aufzubringen.
    Der Ausgleich des Haushalts ist zwar formal erreicht, aber auch diesmal wieder unter Anwendung von Hilfsmitteln, deren Wiederholung einfach nicht in Frage kommen darf. Ich will die verschiedenen Mittel, mit denen der Ausgleich herbeigeführt worden ist, hier nicht aufzählen. Ich will aber doch zum Ausdruck bringen, wie sehr meine Freunde und ich es begrüßen, daß die Bundesregierung mit dem 4 %igen Abschlag auf jeden Einzelplan einen Weg beschritten hat, der uns sehr lobenswert zu sein scheint. Hoffentlich gelingt es, nicht nur diese 4 % durchzusetzen — das muß sein, das ist auch durchaus möglich —, sondern vielleicht im nächsten Jahr diesen Prozentsatz noch zu erhöhen.
    Daß auch wiederum der Weg beschritten werden muß, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und den Trägern der Rentenversicherung geschuldete Beträge zum Teil in Schuldverschreibungen auszuzahlen, ist bedauerlich. Ich kann mir vorstellen, daß die 512 Millionen DM an anderer Stelle im Bundeshaushalt nicht gefunden werden können. Wir haben die Hoffnung, daß die Verhandlungen, die mit den beiden genannten Anstalten seitens des Bundesfinanzministeriums über diesen Punkt geführt werden müssen, erfolgreich zum Abschluß gebracht werden können.
    Über den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat der Kollege Dresbach soeben sehr zu Herzen gehende goldene Worte gesagt. In der Lage, in der sich der Bund befindet, und zur Tragung all dessen, was das Grundgesetz dem Bund zu tragen auferlegt, ist diese Inanspruchnahme nach unserer Überzeugung notwendig. Ich darf nur wiederholen, daß der Bundesrat es sich mit seiner Ablehnung allerdings so leicht gemacht hat, wie es die Sache nicht verdient.
    Bezüglich der Vorausschätzungen des Steueraufkommens ist der Herr Bundesfinanzminister zuversichtlich. Wir wollen hoffen, daß er recht hat; denn eine anders verlaufende Entwicklung würde sehr schwere Folgen nach sich ziehen. Die Schätzungen über die weitere Steigerung des Sozialproduktes im laufenden Jahre sind nicht völlig einheitlich. Ein anderes wichtiges Wirtschaftsressort des Bundes hat vor wenigen Tagen eine Schätzung von 1,7 % Steigerung des Sozialproduktes der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Wir müssen uns außerdem darüber klar sein, daß die Vorarbeiten zur Aufstellung dieses Haushalts bis in den Sommer des vorigen Jahres zurückreichen und das infolgedessen noch nicht alles, was während des Haushaltsjahres 1954/55 auf uns zukommen wird, schon in diesem Voranschlag enthalten sein konnte. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur das Verkehrsproblem. Ich kann mir nicht vorstellen, daß von der Lösung dieses Problems, die in den nächsten Monaten so oder so gefunden werden muß, der Bundeshaushalt völlig unberührt bleiben wird.
    Ich will auf einzelne Ausgabenansätze und auf die Aufmachung der Einzelpläne nicht eingehen. Ich möchte nur einen einzigen Punkt erwähnen — wobei ich die Hoffnung habe, daß die Bundesregierung ihrerseits auch eingesehen hat, daß die starken Streichungen bei diesem Posten nicht möglich waren —, den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und alles das, was damit zusammenhängt. Es handelt sich um eine Anzahl von Dienststellen in Berlin, in München usw. Dieser Suchdienst muß gerade jetzt, wo auch aus Schweigelagern Menschen in die Heimat zurückkehren konnten, seine Arbeit unter allen Umständen fortsetzen können, wenn nicht nach Zehntausenden und aber Zehntausenden zählende Rückstände von Nachrichten für Angehörige in Deutschland unbearbeitet liegen bleiben sollen.
    Wir sind sehr darüber erfreut, daß der wenig schöne Weg, den ordentlichen Haushalt mit einem Beitrag aus dem außerordentlichen Haushalt auszugleichen, in diesem Jahre nicht gegangen zu werden brauchte. Wir sehen das ,als einen großen Fortschritt an. Der außerordentliche Haushalt ist, wie die Damen und Herren wissen, ohnehin auf das Aufkommen aus dem Kapitalmarkt, auf den Anleihemarkt angewiesen. Wie es auf diesem Markt auch heute noch aussieht, wissen wir. Eine Kreditermächtigung, wie sie z. B. in § 13 des vorliegenden Haushaltsgesetzes ausgesprochen wird, ist also vorläufig eine Ermächtigung ohne ernsthafte Realisierungsmöglichkeit. Wir haben einen ähnlichen Zustand schon in der Vergangenheit gehabt. Das hat bisher, wie wir zu unserer Freude feststellen können, nicht viel Schaden angerichtet. Der Öffentlichkeit sind ,diese Dinge kaum bewußt geworden, weil die außerordentlich günstige Kassenlage des Bundes die Situation praktisch verschleiert hat. Das kann sich, wie uns der Herr Bundesfinanzminister selber auseinandergesetzt hat, sehr schnell ändern, wenn die in Aussicht gestellten Abrufe der allmählich auf über 2 Milliarden DM angewachsenen Besatzungskosten im Laufe des ersten Halbjahres 1954 erfolgen.
    Wir müssen uns überhaupt darüber klar sein, daß wir mit dem Bundeshaushalt nicht etwa endgültig in ruhigem Fahrwasser angelangt sind. Bisher hat es die gewaltige Wirtschaftsexpansion, die wir seit 1948 und 1949 in steigendem Maße zu verzeichnen hatten, ermöglicht, diese kühne, man könnte manchmal beinahe sagen, riskante Finanzpolitik zu machen. Diese Expansion hat die große Steuerbürde getragen, indem die Unternehmungen die gewaltigen Steuerlasten, die aus den Erträgnissen des Vorjahres angefallen waren, jeweils mit einem wieder erhöhten Wirtschafts- und Geschäftsumfang im laufenden Jahre finanzieren konnten. Eine Verlangsamung dieser Entwicklung — ich sagte es schon — muß natürlich als möglich ins Auge gefaßt werden und könnte uns unerfreuliche Überraschungen bringen.
    Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß gleichwohl der Haushaltsvoranschlag 1954 als Basis und Ausgangspunkt für Reformen aller Art, von denen heute verschiedentlich gesprochen worden ist, Steuerreform, Finanzreform. Sozialreform, Reform des Verkehrswesens, angesehen werden kann. Wir wissen, wie notwendig diese Reformen sind. Wir meinen ungeachtet der Vorbehalte, die wir hier und da glaubten vorbringen zu müssen, daß die Drucksachen 200 und 201 der geeignete Ausgangspunkt für diese Reformmaßnahmen sind. Ich darf daher im Namen meiner Freunde das Hohe Haus bitten, die Drucksachen 200 und 201 dem Haushaltsausschuß zu überweisen, der sich — das glaube ich in Aussicht stellen zu können — mit Feuereifer auf die Bearbeitung stürzen wird.
    Ich bitte, mir noch eine Minute zuzubilligen, um meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß Herr Kollege Niederalt, obwohl er sich in etwa an meinem Freund Dehler glaubte reiben zu sollen, festgestellt hat, daß Föderalismus in übertriebener


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    oder sturer Form sich selber schlägt. Wir hoffen, daß diese Erkenntnis Allgemeingut wird.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu gestatten, daß ich noch einmal in die gestrige Debatte zurücksteige und einige Bemerkungen zu Aussagen mache, die gestern von dieser Stelle gefallen sind.
    Ohne mich in eine allgemeine Polemik gegen andere Teilnehmer dieser Debatte zu verstricken, möchte ich eine Bemerkung des Herrn Kollegen D r. D e h 1 er aufgreifen. Er hat von der Kühnheit gesprochen, mit der im Frühjahr 1951 durch seine Freunde im Bundeskabinett im Bunde mit Herrn Professor Dr. Erhard sozusagen das Steuer herumgerissen und die deutsche Wirtschaftspolitik auf den Pfad der Tugend gelenkt worden sei, obwohl – er hat es angedeutet — das Bundeskabinett damals bereits sehr drastische Beschlüsse gefaßt habe. Er ist dann aber gerade in dem Augenblick, wo es interessant geworden ist, vor der vollen Preisgabe des Geheimnisses zurückgeschreckt. Dafür hat ein aktives Mitglied des Bundeskabinetts — Herr Dr. Dehler genießt ja heute die Freiheit von der strengen Zucht des Kabinetts —

    (Heiterkeit)

    vor einigen Wochen dieses Geheimnis bereits weitgehend gelüftet, als es gesagt hat, im Frühjahr 1951 hätten wir die Brotkarte wieder einführen müssen, wenn uns nicht in diesem Augenblick die Amerikaner mit Lebensmittellieferungen sehr massiv unter die Arme gegriffen hätten. Ob man das gerade als Kühnheit bezeichnen kann oder als Glücksfall oder als Kombination von politischen Notwendigkeiten oder sonstwie, das lasse ich dahingestellt. Ich möchte nur zur Steuer der Wahrheit und zur Herstellung der historischen Perspektive einen Beitrag geleistet haben.
    Im übrigen habe ich gestern von Prinzipien gesprochen. Auch die Kollegen, die nach mir gekommen sind, haben das getan, und ich bin eigentlich sehr froh darüber, daß ich sie herausgefordert habe. Ich finde es beinahe schmeichelhaft, daß sich ein wesentlicher Teil der gestrigen Debatte um das gedreht hat, was ich zur Debatte gestellt habe, und das ist ja wohl der Sinn einer solchen Aussprache. Bei einer solchen Gelegenheit werden Prinzipien ausgesprochen, um gegeneinander gestellt zu werden.

    (Abg. Dr. Blank [Oberhausen]: Sehr wahr!)

    Jeder von uns weiß, daß im Ringen der politischen und gesellschaftlichen Kräfte in einer echten Demokratie immer zum Kompromiß gestrebt wird. Das geschieht im Alltag in den großen und in den kleinen Dingen, und letzten Endes kommt aus dem, was man vielleicht das Parallelogramm der Kräfte nennen könnte, das heraus, was just im Augenblick möglich und von allen Seiten erreichbar ist. Wenn man anders verfahren wollte, wäre die Demokratie eine Fassade, und es wäre müßige Deklamation, wenn die Opposition als Minderheit hier ihre Grundsätze in der sicheren Gewißheit verkündete, daß die Mehrheit sie einfach mit dem Gewicht der Zahl niederwalzen würde. Ich bin Herrn Kollegen von Merkatz für seine Bemerkung über das, was ich gesagt habe, außerordentlich dankbar. Er hat ganz genau verstanden, worum es mir als dem
    Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion gestern ging. Man kann das etwa auf die Formel bringen: suaviter in modo, fortiter in re, verbindlich im Ton, aber unnachgiebig in der Sache, und das möchte ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ausdrücklich als das Prinzip ihres Handelns hier erklären.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich muß noch eine Bemerkung zu den Überlegungen machen, die hier über den Aufstieg der Bundesrepublik und ihrer Wirtschaft angestellt worden sind. Ich frage mich immer, und meine Freunde fragen sich mit mir, warum man bei der Überlegung, vor allem, wenn es darum geht, sich mit dem auseinanderzusetzen, was man sich als Sozialismus zurechtgemacht hat, ausgerechnet vor etwa 6 oder 8 Jahren anfängt, wo, wie Sie alle genau so wie wir wissen, im Grunde genommen die Reste der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft noch weiterlebten, in einer Periode allgemeiner Unsicherheit und Zersplitterung, und warum man dann nicht den Kreis der Betrachtungen über die Nützlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit politischer und ökonomischer Theorien etwas weiter ausdehnt und die letzten hundert Jahre in Betracht zieht, von denen man ja bestimmt nicht sagen kann, daß der demokratische Sozialismus, dem wir Sozialdemokraten uns verpflichtet fühlen, etwa die Geschicke der Welt regiert hätte. Es war doch wohl nicht so, daß die Sozialdemokraten an der Wiege des 1. und 2. Weltkriegs und der großen Krisen der kapitalistischen Wirtschaft gestanden haben;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    das waren doch die Tendenzen und geistigen Strömungen, die aus der Welt des sogenannten Bürgertums entsprungen sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Stellen Sie also die Dinge doch nicht auf den Kopf, sondern haben Sie auch einmal den Mut, die Geschichte nicht von dem Gesichtspunkt aus zu bewerten, der Ihnen nützlich erscheint, wenn Sie im Augenblick in einer für Sie günstigen Konjunktur stehen, und den Sozialismus in Bausch und Bogen abzufertigen, obwohl Sie sich vermutlich nie mit dem Wesen dessen beschäftigt haben, was wir unter Sozialismus verstehen!

    (Beifall bei der SPD)

    Versuchen Sie einmal, obwohl es vielleicht schwer ist, so objektiv zu sein wie möglich!
    Ich will noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Niederalt machen. Er hat die sozialdemokratische Bundestragsfraktion angezapft und hat ihre zweifelhafte Länderfreundlichkeit hier kritisiert.

    (Abg. Mellies: Ausgerechnet Herr Niederalt!)

    Na schön, über die Frage, ob eine bestimmte Sorte von Föderalismus für das deutsche Volk in den letzten acht Jahren nützlich war oder nicht, könnten eigentlich im wesentlichen diejenigen miteinander reden, die eine Periode noch größerer Verwirrung miterlebt haben, nämlich die vergeblichen Bemühungen im Wirtschaftsrat für die zwei Zonen, das Auseinanderfließende durch gesetzgeberische Maßnahmen zusammenzuhalten, und die dabei auf den Beistand der Länderregierungen gerechnet haben. Ich mache keinen Unterschied der Farbe. Dabei haben wir alle die Erfahrung gemacht, daß es viel leichter war, einen Sack Flöhe


    (Schoettle)

    zu hüten, als die zehn oder elf Länderregierungen für die Meisterung einer gemeinsamen Aufgabe unter einen Hut zu bringen.

    (Zustimmung bei der SPD. – Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

    Ich finde, daß da der Föderalismus gründlich kompromittiert und ebenso gründlich mißverstanden worden ist. Wir halten es da mit dem Gesichtspunkt, daß die Aufgaben zwischen den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Verwaltung so verteilt werden sollen, daß so viel zentrale Entscheidungsmöglichkeit wie notwendig und so wenig Zentralismus wie möglich in der öffentlichen Verwaltung Platz greifen. Ob Sie das als ein Grundprinzip des Föderalismus akzeptieren oder ob Sie dem die andere Etikette umhängen, das ist uns ganz einerlei. Wir glauben aber, daß man bei der sachlichen Entscheidung über die Frage z. B. der Aufteilung der Steuerquellen ganz von selber von den Notwendigkeiten und von den Aufgaben, aber nicht von den Theorien ausgehen wird. Wenn man das tut, dann wird man zu einer richtigen Lösung kommen. Im übrigen, Herr Kollege Niederalt, muß ich Ihnen den Schmerz bereiten, Ihnen mitzuteilen, daß wir im Gegensatz zum bayrischen Finanzminister und vielleicht auch zur bayrischen Landtagsfraktion der Sozialdemokratie nach wie vor für die Bundessteuerverwaltung eintreten.

    (Beifall bei der SPD.)