Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu Anfang ein Wort des königlich preußischen Kammerherrn von Oldenburg-Januschau variieren: Meine Rede wird kurz und hoffentlich für meine fäderalistischen Freunde aus Bayern nicht allzu verletzend sein.
Ich habe mir die enge Aufgabe gestellt, zur Drucksache 201 zu sprechen, zum Inanspruchnahme-Gesetz, muß aber auch auf die Drucksache 200 zurückgreifen, weil unser lieber Bruder in der Bonner Legislative, der Hohe Bundesrat, es für ratsam gehalten hat, seine Begründung zum Inanspruchnahme-Gesetz ausgerechnet in die Drucksache 200 zu setzen. Seine Ausführungen in der Drucksache 201 sind sehr lapidar und ungefähr so von dem Geiste gegeben: Sit pro ratione voluntas.
Herr Kollege von Merkatz, ich laufe ja nun Gefahr, daß ich mit dieser Verengung ins Fachliche von Ihnen als Manager abgetan werde. Sie unterschieden zwei Typen: einen, der ins Dekadente, und einen, der ins Totalitäre hineinführte. Obschon mein Äußeres vielleicht nicht gerade für dekadent spricht,
wähle ich aber doch den dekadenten Typ; denn er ist mit einem Hauch von Vornehmheit umgeben.
Und nun zum Thema selber. Es geht also darum: 42 % von der Einkommen- und Körperschaftsteuer, wie der Herr Bundesfinanzminister sagt, oder aber 38 %, wie es der Bundesrat will. Der Bundesfinanzminister hat eine Deckungslücke von 5040 Millionen DM aufgelassen, und das stimmt haargenau — und das will doch bei Zahlen, die in die Milliarden gehen, einiges heißen — mit dem 42 %igen Anteil überein. Der 'Bundesrat hat eine Rechnung aufgesetzt, die ich ganz kurz skizzieren darf. Er streicht im ordentlichen Haushalt 580 Millionen DM. Er setzt dann allerdings bei den Ausgaben, und zwar bei den Steuerverwaltungskosten, 230 Millionen DM hinzu. Und dann schätzt er die Zolleinnahmen noch höher und kommt so auf einen zu streichenden Gesamtposten von 480 Millionen DM. Das sind genau 4 %, nämlich die, die der Bundesfinanzminister mehr haben will.
Man kann gegenüber solchen genauen Rechnungen eine gewisse Skepsis äußern. Ich möchte sie hier aber nicht zu aufdringlich und zu hart vortragen. Der Herr Bundesfinanzminister hat im übrigen die Einwände des Bundesrats in seiner Rede eingehend widerlegt. Ich brauche sie nicht zu wiederholen.
Nur noch ein Wort zu der Begründung im Bundesrat. Der Berichterstatter dort, Herr Landesminister D r. Traeger, hat die Dinge in einer Weise abgetan, die man hier im rheinischen Land „von bowen eraff" nennt. Wir sind erst durch den Aufsatz meines Parteifreundes D r. Flecken im „Handelsblatt" hinter die wahren Motive des Bundesrats gekommen.
Mit einem Punkte habe ich mich hier aber noch zu befassen. Das ist der Zusatz, den der Bundesrat zu .der Position Steuerverwaltungskosten des Bundes für die Länder gemacht hat. Der Bundesrat neigt hier zu einer Politik, diese Steuerverwaltungskosten zu einem zweiten vertikalen Finanzausgleich zu machen, um damit nämlich dieses Gesetz zustimmungspflichtig zumachen.
Nun hat der Herr Berichterstatter im Bundesrat, Herr Landesfinanzminister Dr. Traeger, selbst einen Änderungsvorschlag gemacht, nämlich den, die effektiven Kosten zu halbieren — 50 % beim Bund und 50 % bei den Ländern —, und hat dazu die bemerkenswerte Äußerung getan, so viel müßte den Ländern die eigene Steuerverwaltung doch schon wert sein.
Meine persönliche Meinung ist: wenn wir im Steuerausschuß des Bundestages diesen Troegerschen Gedanken, weitergetragen durch Herrn Gülich — und ich muß schon sagen, ich habe mich etwas überrumpeln lassen, wenn ich zugestimmt habe —, aufgegriffen haben, so sollte er noch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, sondern wir sollten im Steuerausschuß versuchen, eine einfachere Methode zu finden. Meine persönliche Auffasssung ist die, daß man überhaupt von der Berechnung von Verwaltungskosten absehen und die Regelung dieser Dinge in das demnächst zu schaffende Gesetz zu Art. 107 einbauen sollte.
Und nun zu dem Inanspruchnahmegesetz! Herr Kollege Schoettle, ich machte Ihnen gestern während Ihrer Rede den Zuruf: „Ganz im Sinne des Grundgesetzes!" Sie konnten ihn im Augenblick nicht verkraften. Das ist auch nicht schlimm; aber ich darf ihn jetzt erläutern.
In Abs. 3 des Art. 106 des Grundgesetzes steht nämlich, daß die Inanspruchnahme insbesondere zur Deckung von Zuschüssen an die Länder erfolgen soll. Sie mäkelten so ein bißchen an diesen Nrn. 2 und 3, diesen Gaben des Bundes für die Grenzzonengebiete und für die Länder, die die Sowjetzonenflüchtlinge aufnehmen, herum. Deshalb mein Zuruf. Ich glaube, wir sind uns ganz einig: Hier übt der Bund — wie mein Kollege Niederalt durchaus richtig ausgeführt hat — eine ausgleichende Funktion aus, fast in der Art, wie sie früher der § 35 des alten Reichsfinanzausgleichs für die steuerschwachen Länder, insbesondere für Bayern, ausgeübt hat. Diese ausgleichende Funktion liegt nicht nur in dem horizontalen Finanzausgleich, der ja doch wohl nicht sehr geklappt hat, obwohl der Herr Bundesfinanzminister seinerzeit so sehr von der Brüderschaft, die der Föderalismus bedeute, gesprochen hat.
Aber sonst darf man doch wohl sagen, daß Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes seinen Sinn verloren hat. Er war eine Behelfsmaßnahme und war wohl doch noch etwas auf den Gedanken zugespitzt, daß der Bund im Sinne des Art: 30 ein subsidiäres Staatsgebilde darstelle, daß er vielleicht — nun übertreibe ich etwas – so etwas wie ein Kommunalverband höherer Ordnung oder ein Zweckverband sei.
Die Dinge, meine Freunde aus Bayern, sind doch wohl vorbei, seitdem der Bund völkerrechtlicher Vertragskontrahent geworden ist und demnächst Waffenträger sein wird. Die Bundespolitik unter der Führung des von mir und hoffentlich auch von Ihnen so sehr verehrten Bundeskanzlers hat solche außenpolitischen Fortschritte gemacht, daß sie die Buchstaben des Grundgesetzes hinter sich gelassen haben. Mein Kollege Niederalt hat sehr richtig von der Dynamik in der Bundeswelt gesprochen.
Nun haben aber auch die Länder dieses vom Kollegen Eckhardt wieder herausgezauberte Wort Adolph Wagners für sich beansprucht. Sie sagen: auch bei uns gibt es einen zunehmenden Staatsbedarf. Ich möchte nun nicht wie der Kollege Eckhardt auf die Fragen der Verwaltungsreform in den Ländern eingehen; aber eine kleine Berner-kung darf ich machen. Wir haben in den Länderministerien solche Abteilungen und Referate, die ausschließlich Studios für den Bundesrat sind. Ob man die Länderaufgaben so weit ziehen soll, weiß ich nicht. Ich erlaube mir, Zweifel zu äußern.
Aber nun werden wir demnächst bei der Beratung des Gesetzes zu Art. 107 ja auch die Gelegenheit haben, uns einmal mit der Aufgabenverteilung zu befassen. Der Herr Kollege Niederalt hat genau wie der Bundesrat festgestellt, daß in dem gegenwärtigen Bundeshaushalt noch Bestandteile seien, die eigentlich Aufgaben der Länder seien. Aber, verehrter Kollege Niederalt, die Verfassungsänderungsanträge der Koalitionsparteien, die eine Wiederbewaffnung wollen, zielen zumindest auf eine Vermehrung der Bundesaufgaben hin. Ich glaube, das sind Dinge, die wir demnächst bei der Erörterung des Gesetzes zu Art. 107 beachten müssen.
Nun soll ja, wie der Finanzminister mit einem Aufatmen — und ich kann es ihm so lebhaft nachfühlen — sagt, dieser Haushalt der letzte sein, der im Zeichen dieser Bestimmung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes stehen soll. Ich darf mir wohl, ohne Prophet sein zu wollen, erlauben, einige Ge- danken zu dem künftigen Gesetz zu Art. 107 zu äußern. Das ist möglich; denn alle Gutachten haben bisher im materiellen Steuerrecht und in den Steuerarten keine Revolution gewollt, so daß man auch einige Betrachtungen über die Verteilung von Steuerquellen und Steuererträgnissen anstellen kann. Meine Damen und Herren, was wir anstreben wollen, ist ein fester Beteiligungssatz des Bundes und der Länder bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, vielleicht 40 zu 60. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats hat auch eine Beteiligung der Länder an der bisher ausschließlichen Bundessteuer, der Umsatzsteuer, vorgeschlagen. Wenn das realisiert wird, dann sind wir doch wieder beim System der Beteiligungssteuern angelangt oder, wie es am Anfang, nach 1920, hieß, der Reichsüberweisungssteuern. Dann ist es meines Erachtens gleichgültig, ob die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch eine Landessteuer ist oder ob sie eine Bundessteuer wird. Das Reich hatte früher nur einen Anteil von 25 % an der Reichseinkommen- und Körperschaftsteuer. Wir haben jetzt schon viel mehr. Dann ist es meines Erachtens — da unterscheide ich mich etwas von meinem politischen Kartellbruder Niederalt — auch nicht mehr ein weiter Weg bis zur Bundesfinanzverwaltung. Jedenfalls scheidet für mich diese Frage aus dem weltanschaulichen Bereich aus. Sie ist eine reine Zweckmäßigkeitsangelegenheit geworden. Ja, und dann sind wir doch schließlich wieder bei Erz berger. Ich hoffe, daß vielen meiner Parteifreunde dieser Schritt zurück leichter fallen wird als mir.
Als junger Publizist habe ich in den zwanziger Jahren noch weitere Rufe ausgestoßen — übrigens im Einvernehmen mit dem von mir schon damals besonders ' geschätzten Oberbürgermeister von Köln —,
und einer dieser Rufe hieß: „Zurück zu Miguel!"
Das war die Frage der selbständigen Festsetzung
des Einkommensteueranteils durch die Gemeinden.
Nun darf ich auch etwas zu dem Thema „Gemeinden" sagen. Für diesen mutigen Ritt habe ich Korsettstangen bekommen durch die Rede des Herrn Bundesinnenministers auf der letzten Ta-
gung des Deutschen Gemeindetages. Ich habe mit Freuden festgestellt, daß bei ihm, obschon er nicht aus der kommunalen Welt kommt, das kommunale Herz fast noch voluminöser ist als das meinige.
Meine Damen und Herren, es wäre sehr nett, wenn wir eine bundesgesetzliche Regelung fänden, die den Gemeinden die Realsteuern als ausschließliche Gemeindesteuern überließe. Das würde am gegenwärtigen Tatbestand nichts ändern. Es wäre dann allerdings eine Verfassungsänderung notwendig; denn das Grundgesetz weist die Realsteuern den Ländern und nach Maßgabe der Ländergesetzgebung den Gemeinden zu. Nach meiner Meinung könnte man in einem Bundesgesetz, ähnlich wie früher im Reichsfinanzausgleichsgesetz, den Gemeinden wenigstens rahmenmäßig Anteile an den Überweisungssteuern, also an der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer zusprechen. Das würde dann ein Abweichen vom System der Finanzzuweisungen im sogenannten innerstaatlichen Finanzausgleich bedeuten. Das wäre dann das, was man neuerdings nach dem Muster der Energiewirtschaft als Verbundwirtschaft bezeichnet. So viel zu dem Grundsätzlichen mit kurzem Blick in die Zukunft.
Aber nun zur Regelung im Jahre 1954. Der Herr Kollege Niederalt hat vor Kompromissen gewarnt, insbesondere wegen der Zuschüsse für die armen Grenzgebiete. Ich freue mich, daß ich ihm hier voll und ganz zustimmen kann. Der Herr Bundesfinanzminister hat noch auf ein beide Teile befriedigendes Ergebnis gehofft, und der Berichterstatter im Bundesrat, Herr Landesfinanzminister Dr. Troeger, meinte, dieser Kompromiß sei eben in den vier Prozent eingeschlossen. Herr Bundesfinanzminister, was kommt nun bei diesem Handel wieder heraus? In der Vergangenheit bin ich manchmal an Gebräuche auf einem Viehmarkt erinnert worden, wenn der Handschlag erscholl und man sich gegenseitig in die treuherzigen germanischen oder anderen Augen schaute nach dem Motto „Wer — wen?"
Wie gesagt, der Bundesrat hat es etwas kurz gemacht. Mit dem kann man nicht viel anfangen.
Ich hoffe aber, einige Genossen zu finden, wenn ich geziemenden Anstoß daran nehme, daß die Bundesratsbank während der Rede des Herrn Bundesfinanzministers leer war.
Aber ich möchte hier nicht verärgern und nicht in die Kompromißverhandlungen hineinschießen und hineinreden, in die der Herr Bundesfinanzminister ja nun doch eintreten muß und bei denen wahrscheinlich schließlich das Überparlament, der Vermittlungsausschuß, das letzte Wort haben wird.
Herr Bundesfinanzminister, es gab da mal einen Reichskanzler Luther, auf den hatte eine Spottdrossel einen Spruch seines berühmteren Namensvetters variiert, und da hieß es: Hier stehe ich, ich kann auch anders!
Daß dieser Spruch auf Sie, verehrter Herr Bundesfinanzminister, nicht zutrifft, auf diesen zähen energischen, wissenden Menschen, brauche ich nicht besonders hervorzuheben.
Aber ich möchte doch feststellen, daß man entgegen manchen Verlautbarungen über die westdeutsche Bundesrepublik, die angeblich so schwarz sein soll, hier ungestraft Martin Luther zitieren kann;
Herr Kollege Eckhardt hat es schon getan. So darf ich Ihnen denn mit einem Schlußwort des Mannes, zu dessen Bekenntnis ich gehöre, kommen. Ich darf das Wort etwas säkularisieren und konzentrieren:
Solange ich nicht durch klare Vernunft widerlegt werde, kann und will ich nicht widerrufen, da gegen das Gewissen zu handeln beschwerlich und gefährlich ist!