Rede:
ID0201300400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 19
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter,: 1
    3. darf: 1
    4. ich: 1
    5. darauf: 1
    6. aufmerksam: 1
    7. machen,: 1
    8. daß: 1
    9. die: 1
    10. normale: 1
    11. Redezeit: 1
    12. eine: 1
    13. Stunde: 1
    14. beträgt.: 1
    15. Sie: 1
    16. haben: 1
    17. 55: 1
    18. Minuten: 1
    19. verbraucht.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954 369 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 369 C, 406 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 23 betr. Bereitstellung von Mitteln zur Beseitigung von Frostaufbrüchen (Drucksachen 202, 235) 396 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) einschließlich Ergänzungsvorlage (Drucksache 200) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954 (Drucksache 201) 369 D Dr. Eckhardt (GB/BHE) 369 D Dr. von Merkatz (DP) 376 D Niederalt (CDU/CSU) . . . .380 C, 384 C, D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 384 C, D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 385 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 387 C Schoettle (SPD) 390 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 391 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 396 A Dr. Atzenroth (FDP) 398 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 400 A Seuffert (SPD) 401 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 403 A Überweisung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1954 (Drucksache 200) an den Haushaltsausschuß und des Entwurfs des Inanspruchnahme-Gesetzes (Drucksache 201) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Haushaltsausschuß 406 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Hypotheken- und Schiffsbankrechts sowie über Ausnahmen von § 247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Drucksache 195) 406 B Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Geld und Kredit . 406 B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Getreidepreisgesetz (Drucksache 188) 406 B Beschlußfassung 406 C Absetzung der Gesetzentwürfe über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Drucksachen 224, 112), zur Anpassung des Familienrechts an Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 178) und über die steuerliche Behandlung von Leistungen im Rahmen des Familienausgleiches (Drucksache 189) von der Tagesordnung . . . . 406 C Nächste Sitzung 406 C, D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Eckhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es mir als einem Neuling in diesem Hause nicht verargen, daß ich der gestrigen Debatte mit großem Interesse, aber auch mit einer gewissen Verwunderung gefolgt bin. Es ist unzweifelhaft amüsant, sozusagen im Blumengarten der Politik von Beet zu Beet zu eilen und mal diese Blume und mal jene zu pflücken oder zu beriechen, d. h. ein wenig Landwirtschaftspolitik, ein wenig Verkehrspolitik, ein wenig Innen- und Wirtschaftspolitik, Familienfragen, Staat und Religion sowie einiges andere miteinander zu mischen. Aber ich meine, daß diese Fragen doch immer in dem großen Zusammenhang gesehen werden sollten, den uns der Haushalt


    (Dr. Eckhardt)

    gestattet. Sie kennen das berühmte Wort vom Schicksalsbuch des Volkes, das einmal Johannes Popitz ausgesprochen hat und das in einem gewissen Sinne eine tiefe Berechtigung hat. Tatsächlich berührt der Haushalt die großen Fragen unseres Volkes und unserer Volkswirtschaft, und da es nun einmal gestern geschehen ist, daß auch grundsätzliche Fragen, etwa unsere Außenpolitik, angeschnitten worden sind, will ich mich im Namen meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich zu dem Grundsatz bekennen, unter dem wir angetreten sind, nämlich dem Grundsatz der Einigung des deutschen Volkes in Freiheit,

    (Unruhe und Zurufe)

    einem Grundsatz, von dem wir überzeugt sind, daß es auch der Ihre, daß es auch der Grundsatz der Fraktionen dieses Parlaments und der Parteien, der deutschen Landtage, des deutschen Volkes ist, und wir hoffen mit Herrn Krone, daß diese Einigkeit auch in der großen Frage, die möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten entschieden werden wird, zu einer einmütigen Stellungnahme unseres Volkes und unseres Bundestages führen wird.
    Die Bedeutung des Haushalts ergibt sich schon allein daraus, daß in dem Haushaltsbuch, in den Aufzeichnungen über den Haushalt nahezu alle Fragen berührt sind, die den Staat, die die öffentliche Verwaltung im Innersten angehen. Ein französischer Sachkenner hat den Haushalt einen Filter genannt, durch den das Volkseinkommen hindurchfließe. Es ist nun sehr wesentlich, wie grob oder wie fein dieser Filter ist. Und da scheint mir bemerkenswert. daß dieser Filter das Einkommen des deutschen Volkes mit runden 40 % auffängt und in die Kanäle weiterleitet, die die Politik ihm bestimmt. Das heißt zugleich. daß der Haushalt t iven außerordentlichen Einfluß auf die Geschicke dieser Wirtschaft, auf die Geschicke des Volkes überhaupt hat. Dabei ist interessant, festzuhalten. daß der Haushalt, ja daß überhaupt die Finanzpolitik nur in gewissem Umfang den marktwirtschaftlichen Gesetzen unterworfen ist,

    (Zuruf von der SPD)

    daß vielmehr der Haushalt und die Finanzpolitik im wesentlichen planender Natur sind. Um so sorgsamer ist der Einfluß abzuwägen. um so sorgfältiger ist zu überlegen, wie dieser Haushalt seinem Umfang und seinen Einzelheiten nach gestaltet werden muß. Daraus ergibt sich logisch etwas anderes — es ist gestern schon berührt worden —: Wer den Haushalt in der Hand hat. hat wirklich zu einem entscheidenden Teil die Durchführung der Politik in der Hand. hat einen wesentlichen, wenn nicht gar entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Volkswirtschaft.

    (Zuruf von der CDU: Das ist nicht neu!)

    Wer ist das nun? Ist der Haushalt in der Hand des Parlaments, des Bundestags oder der Landtage? Ich glaube, man wird nicht zu weit gehen, wenn man diese Frage sehr skeptisch betrachtet und vielleicht sogar mit Nein beantwortet. Der Haushalt ist nämlich überwiegend in der Hand der Exekutive. Schon die erste Phase des Haushaltskreislaufs zeigt das ganz deutlich. In den langen Monaten, in denen der Haushalt durch die dazu bestimmten Stellen, in erster Linie also durch den Finanzminister, vorbereitet wird, werden bereits zahlreiche Entscheidungen getroffen, deren Abänderung in der zweiten Phase, nämlich der Vorlage bei den parlamentarischen Körperschaften, außerordentlich erschwert ist.

    (Abg. Ritzel: Diese Erkenntnis lassen Sie sich patentieren!)

    Die Phase, in der das Parlament sich mit dem Haushalt beschäftigt, dauert auch bei ganz normaler, frühzeitiger Vorlage des Haushalts doch nur wenige Monate, eine sehr kurze Zeit, wenn man insbesondere bedenkt, daß ein ganzer Stab von Experten den Haushalt vorbereitet hat, daß aber dann doch die einzelnen Pläne eine — mitunter nur sehr kurze, manchmal notwendigerweise auch mehr oder minder abrupte — Behandlung erfahren müssen. Es ist gestern hervorgehoben worden, daß der politische Einfluß des Parlaments damit wesentlich zurückgedrängt wird. Das ist eine sehr ernste Frage, um deren Beantwortung und Lösung wir uns alle gemeinsam bemühen sollten. Sie wissen — oder vielleicht wissen Sie es auch nicht —, daß einmal ein großes Parlament die Vorbereitung des Haushalts selbst in die Hand genommen hat: der amerikanische Kongreß vor 1921. Die Vorbereitung des Haushalts lag bis 1921 in Amerika in den Händen des Kongresses. Dieses System hat sich als ungeeignet erwiesen, weil es für ein Parlament unmöglich ist, auch Aufgaben der Exekutive in diesem Umfang mitzuübernehmen. 1921 ist die Vorbereitung des Haushalts in den Vereinigten Staaten von Amerika auf ein besonderes Büro des Präsidenten, nicht also auf den amerikanischen Finanzminister, übergegangen.
    Man könnte auch an die britische Praxis erinnern, die ja eine ganze Reihe von Einnahmen und Ausgaben für permanent erklärt, z. B. die Personalausgaben oder die Königliche Zivilliste. Aber ich glaube, auch in unserem Haushalt sind eine ganze Reihe dieser Ausgaben und dieser Einnahmen permanent, und es würde uns nicht viel helfen, wenn wir das britische System für unsere Praxis übernehmen könnten.
    Sehr viel glücklicher wäre es schon, wenn wir vielleicht zu dem von anderer Seite angeregten System der gemischten Kommissionen kommen könnten, derart, daß Kommissionen unter der Beteiligung des Parlaments und der Exekutive bereits bei der Vorbereitung des öffentlichen Haushalts wesentlich tätig sind. Damit würde die Stellung des Parlaments in der zweiten, in der Phase der Bewilligung nicht unbeträchtlich gefestigt und gehoben. Ich bitte, diesen Vorschlag doch sehr ernsthaft zu erwägen, weil ich glaube, daß dieses Problem — Zurücktreten des Einflusses des Parlaments und Vorherrschen der Exekutive — unser Parlament nicht nur auf diesem, sondern auch auf so manchem anderen Gebiet notwendigerweise noch beschäftigen muß. Ich denke da z. B. an die kommende Steuerreform. Ich sehe es kommen, daß auch hier im Parlament verhältnismäßig wenig Initiative entfaltet werden wird und kann und daß das Parlament sich in der Hauptsache mit den Früchten der Arbeit der Exekutive zufrieden geben muß.
    Es ist gar kein Zweifel, daß wir die Tätigkeit dieser Exekutive hoch schätzen. Die Verwaltung verfügt über ausgezeichnete Experten, und wenn man die Kleinarbeit der letzten Jahre in der Entwicklung des öffentlichen Haushaltsrechts beobachtet, dann weiß man, was auf diesem Gebiet alles geschehen ist. Wenn ich vom System der Vorwegbewilligungen, das vielleicht nur eine Notmaß-


    (Dr. Eckhardt)

    nahme war, übergehe zur Frage etwa der Einführung des Prinzips der einseitigen Deckung, bei der nur ein Posten dem anderen aushilft, anders als beim Prinzip der gegenseitigen Deckungsfähigkeit, wenn ich weiter erwähne, daß die Experten der Verwaltung mit Fug und und Recht das altbekannte Prinzip der Nonaffektation aufrechterhalten haben, d. h. den Grundsatz, daß alle Einnahmen alle Ausgaben zu decken haben, dann zeigt sich, daß auf diesem Gebiet an Kleinarbeit und an Verfeinerung des Haushaltsrechts unzweifelhaft sehr viel geleistet worden ist. Die Aufgabe des Parlaments kann weniger darin bestehen, an dieser Verfeinerung mitzuwirken, als vielmehr darin, und nur das ist ihm heute möglich, den Haushalt von den großen tragenden Grundsätzen der Finanz- und Haushaltspolitik aus zu überschauen und zu beurteilen. Diese großen, tragenden Grundsätze sind die klassischen Prinzipien der Öffentlichkeit, des Haushaltsausgleichs, der Sparsamkeit, der Spezialisierung, der Vollständigkeit und der Klarheit. Das Parlament wird darauf zu achten haben, daß diese Grundsätze zur Geltung kommen. Von der Schau dieser Grundsätze aus wird zu diesem Haushalt einiges zu sagen sein.
    Erlauben Sie mir, zunächst auf einen Grundsatz kurz einzugehen, der vielleicht ein Fundament demokratischen Lebens überhaupt bildet. Das ist das Prinzip der Öffentlichkeit. Von einem Haushalt von 2000 Seiten und dem Gewicht von vielen Bänden können Sie nicht verlangen, daß ihn die Öffentlichkeit als eine Unterhaltungslektüre auffaßt. Auch die Einführungen, die uns der Finanzminister dazu gegeben hat, sind, wie gestern schon gesagt worden ist, keine Romane. Es ist sehr verdienstlich, daß wir diese übersichtliche Schau der allgemeinen Vorbemerkungen vor uns liegen haben. Aber der Kollege Schoettle hat gestern wohl mit Recht hervorgehoben, daß diese allgemeine Schau letzten Endes ja auch Stunden aufmerksamen Lesens kostet und infolgedessen letztlich dem Fachmann vorbehalten bleibt.
    Es genügt auch nicht, daß der Haushalt im Parlament, in diesem Bundestag öffentlich verhandelt wird. Es scheint mir im Interesse dieses demokratischen Fundaments auch unseres Haushaltslebens notwendig, den Haushalt hinauszutragen; ich will nicht so vermessen sein, zu sagen: zum letzten Wähler, aber jedenfalls doch zu vielen Wählern, ihn populär zu machen. Ich erinnere dabei an die Haushaltsfibel, die Herr Dr. h. c. Kurt Heini g in Stockholm verfaßt hat und die ganz ausgezeichnet ist. Aber es muß auf diesem Gebiet weit mehr geschehen. Es kann sich nicht nur um eine theoretische Einführung handeln, sondern die Grundprobleme unseres Finanz- und Wirtschaftslebens, unseres Haushalts müssen dem Volk in irgendeiner Weise klargemacht werden. Hierin scheint mir eine besondere Aufgabe unseres Parlaments, aber auch unserer Exekutive, wenn sie ihre Pflichten recht auffaßt, und unserer Presse zu liegen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Rede an die res publica appelliert. Ich darf daran anknüpfen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß es uns gelingen möge, den Haushalt selbst zu einer res publica zu machen, zu einer, wenn ich das einmal gewagt übersetzen darf, Sache im Gemeingebrauch. Das schiene mir notwendig. Damit würde auch der Forderung des großen Volkswirtschaftslehrers, des Begründers unserer nationalen Volkswirtschaftslehre, Friedrich List, entsprochen, der seinerzeit vor mehr als hundert Jahren die Publizität als die Garantie der Throne erklärt hat. Soviel zur Frage der Öffentlichkeit.
    Der Minister hat sowohl in den Vorbemerkungen als auch in seiner Haushaltsrede besonderes Gewicht auf den Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts gelegt. Wir haben hier einen Verfassungsgrundsatz vor uns. Es ist selbstverständlich, daß das Grundgesetz Beachtung gebietet. Darüber hinaus handelt es sich um einen klassischen, orthodoxen Grundsatz, möchte ich sagen. Man hat einmal — nicht ganz zu Unrecht — das Erreichen des Haushaltsgleichgewichts als die finanzpolitische Tugend bezeichnet. Manchem mag das etwas überaltert vorkommen. Wir haben ja hier Worte von der Theorie des deficit spending gehört, die bekanntlich in der amerikanischen Praxis wenigstens in gewissem Umfang zur Geltung gekommen ist und die auch in Deutschland u. a. von dem Inhaber eines führenden Lehrstuhls verteidigt und für praktisch anwendbar gehalten wird. Ich muß Ihnen dazu etwas sagen. Die Theorie des deficit spending scheint mir außerordentlich gefährlich, mindestens in dem Zustand, in dem sie sich heute befindet. Ich lese da, daß auch in der deutschen Finanzwirtschaftslehre der Gedanke vertreten wird, jene Ideale von einer neutralen Steuer- und Finanzpolitik, von einem sogenannten staatskreditären Abstinentismus — ich wiederhole, was ich gelesen habe; ich finde die Formulierung sehr wenig schön — und weiterhin vom absoluten Haushaltsgleichgewicht seien veraltet, und es handle sich um entthronte Ideale. Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Prüfen Sie einmal selbst, was die Theorie des deficit spending Ihnen zu bieten hat. Sie lehrt, man müsse an eine jährliche Änderung der Tarife denken, um zu einer sachgerechten Durchführung der theoretischen Forderungen zu gelangen, man müsse weiter eine alternierende Schuldenpolitik treiben, man brauche nur von einer rein monetären Deckung auszugehen, und schließlich müsse man eine antizyklische Ausgabenwirtschaft betreiben.
    Ich halte es nicht für ideal, wenn die Steuertarife künftig immer wieder alljährlich geändert werden sollen. Das ist vielleicht in den letzten Jahren notwendig gewesen. Aber wir wollen uns an das alte Wort zurückerinnern, nach dem Steuergesetze mindestens im Postulat einen relativen Ewigkeitswert haben sollten. Ich denke es mir auch für die Wirtschaft vernünftig und angemessen, wenn diese Tarife eine längere Zeit bestehenbleiben und wenn die Wirtschaft in Ruhe mit ihnen kalkulieren und rechnen kann. Ich meine auch, daß die Forderung nach einer alternierenden Schuldenpolitik nur sehr schwer durchführbar wäre. Schließlich bin ich der Ansicht, daß eine antizyklische Ausgabenwirtschaft eine Regierung und ein Parlament vor ganz ungewöhnliche Anforderungen stellt. Ich verstehe es durchaus, wenn man in den Zeiten einer Depression, einer Deflation größere staatliche Aufwendungen fordert und in den Zeiten einer sich nähernden Inflation umgekehrt verfahren will. Aber man kann hier sehr leicht des Guten zuviel tun. Wir haben in der Vergangenheit, gerade in unserer jüngsten deutschen Finanzgeschichte, Beispiele genug dafür, welch verheerende Wirkung dieses Zuviel oder Zuwenig gehabt hat. Diese Theorie des deficit spending ist ja in Wirklichkeit gar nicht neu; sie ist schon vor Jahrhunderten vertreten worden, und ihr erster Vertreter war der Roi Soleil, nämlich Ludwig XIV., der bekanntlich


    (Dr. Eckhardt)

    als seinen finanzpolitischen Grundsatz hervorgehoben hat, der König könne gar nicht genug ausgeben, denn damit tue er dem Volke nur Gutes.
    Diese deficit-spending-Theorie führt noch zu einem anderen Gedankengang hin. Schon damals hat Louvois, der Kriegsminister Ludwigs XIV., bemerkt, daß der Steuerzahler ja dem Herrscher nichts gebe, was dieser nicht schon von vornherein besitze. Und nun darf ich Sie darauf hinweisen, daß die Schriften Lenins in diesem Zusammenhang ein gewisses Interesse erwecken sollten. Lenin hat nämlich die Forderung aufgestellt, man müsse zur ständigen Belebung der Wirtschaft, zur Steigerung des Sozialprodukts eine Finanzpolitik inflatorischer Natur treiben. Einer der besten Wege zum Staatssozialismus, meine Damen und Herren! Ich möchte dieses Gefahrenzeichen ausdrücklich aufrichten. Ich hielte es für sehr bedenklich, wenn wir den Verfassungsgrundsatz des Haushaltsausgleichs in Frage stellen würden.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

    Daß er in den vergangenen Jahren manchmal nur
    mit artistischen Kunststücken hat eingehalten werden können, steht auf einem anderen Blatt und
    hat sich aus den schwierigen Fragen des Aufbaus
    ergeben, den wir nur zum Teil hinter uns haben.

    (Zuruf von der SPD.)

    In Frankreich hat Gaston Jèze sogar nach einem Minister für das Gleichgewicht gerufen. Das mag ein wenig übertrieben sein; aber ich glaube, diesem klassisch-orthodoxen Grundsatz können wir im ganzen doch zustimmen. Er führt uns zu einer andern, zu einer wesentlich wichtigen, zu einer grundsätzlich entscheidenden Frage, und das ist der Haushaltsgrundsatz der öffentlichen Sparsamkeit. Hierüber finden Sie allerlei, wenn Sie das Haushaltsrecht studieren. Aber der Grundsatz hat doch eine viel wesentlichere Bedeutung. Ich möchte sagen, er entspricht einer allgemeinen Auffassung, einem allgemeinen Wunsch, einer allgemeinen Forderung des Wählers, des Volkes. Wir werden uns in der Befolgung des Grundsatzes der Sparsamkeit von niemandem übertreffen lassen, wenn wir auch der Meinung sind, daß die sozialen Gewichte durchaus einmal anders verteilt werden müssen, als es hier und da der Fall sein mag.
    Der Grundsatz der Sparsamkeit begegnet bei seiner praktischen Verwirklichung einer Tendenz, die gestern von allen Rednern — soviel ich sehe — erwähnt oder mindestens gestreift worden ist. Das ist jene alte Regel, die sich in einem 1879 veröffentlichten Buch von Adolph Wagner ausgesprochen findet. Ich meine das sogenannte Gesetz des ständig wachsenden Staatsbedarfs. Der Herr Kollege Schoettle hat es gestern historisch begründet, und für diese historische Auffassung spricht selbstverständlich sehr vieles. Aber es ist auch schon bemerkt worden, daß wir doch möglichst vermeiden sollten, dieser Regel, dieser historischen Beobachtung die Kraft oder den Gehalt eines Naturgesetzes zumessen zu wollen. Ich glaube, Sie würden mit einer solchen Auffassung dem einmütigen Widerspruch auch des Volkes begegnen; denn das Volk wünscht sich einen sparsamen Staat.
    In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen noch etwas anderes sagen. Die Regel wird sehr oft zitiert. Wie bei den meisten Zitaten ist es zweckmäßig, nachzulesen, was in der Quelle geschrieben steht. Schon Adolph Wagner — der „Kathedersozialist" Adolph Wagner — hat ausdrücklich auf eine Entwicklung hingewiesen, in der er eine Begleiterscheinung des Gesetzes von den ständig wachsenden Staatsaufwendungen sieht. Er bemerkt nämlich wörtlich, daß damit in Zukunft die Steigerung des kommunistischen Charakters der ganzen Volkswirtschaft zum Ausdruck kommen werde. Wenn Sie diese Ausdrucksweise Wagners in die Sprache, in die Terminologie unserer Zeit übersetzen, dann werden Sie statt „kommunistischer Charakter" vielleicht „kalte Sozialisierung" sagen können. Eine solche kalte Sozialisierung muß verhindert werden, wenn wir die Grundprinzipien unseres Wirtschafts- und Gesellschaftslebens wahren wollen.
    Es ist gar kein Zweifel, daß der Personalstand der öffentlichen Verwaltung sich in einer Weise vermehrt hat, wie es nicht notwendig war. Sie entspricht auch keineswegs historischen Gesetzen und Regeln. Sie können in allerlei Publikationen darüber nachlesen, wie sich die Zahl etwa der hohen Beamten im Verhältnis von 1932 zu 1954 vermehrt hat. Man kann sagen, sie ist um das Doppelte gestiegen. Sie hatten 1932 im Reich, glaube ich, rund 160 Ministerialdirigenten und entsprechend viele Präsidenten, Sie haben heute im Bund rund 330.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Was damals gewesen ist, kann in keiner Weise verteidigt werden.

    (Zuruf von der SPD: Sie waren doch dabei!)

    Wenn Sie sich in das Jahr 1932, in den Zustand etwa eines Landratsamts oder eines Finanzamts der damaligen Zeit zurückversetzen und den Personalstand, allerdings auch die Arbeitsbelastung der Ämter heute betrachten, so sehen Sie, daß sich die Beamtenzahl jedenfalls dieser Ämter vervielfacht hat und die Arbeit deshalb nicht besser geworden ist. Jeder gute Beamte wird Ihnen das bestätigen.
    Ich habe kein Wort in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers so sehr begrüßt und unterschrieben wie den Satz, nach dem ein Zuviel an Personal weniger geeignet ist, mit einer Arbeitsbelastung fertigzuwerden als ein Zuwenig an Personal. Ich werde dazu einiges zu sagen haben. Wir können nicht auf einen Wegfall großer Aufgaben hoffen, wenn wir den künftigen Haushalt sparsam gestalten wollen. Das wird nicht möglich sein angesichts dessen, was wir auch an sozialen Entwicklungen und sozialen Aufgaben noch vor uns haben. Es wäre utopisch, daran zu denken. Wir müssen uns also ernste Gedanken darüber machen, wie wir dieses Zuviel an Verwaltung, an Personal, dieses Übermaß an Bürokratie eindämmen. Dieses Übermaß an Bürokratie hat sich uns schon in der Stellung des Parlaments gezeigt, in dem Zurücktreten des Parlaments hinter die Exekutive in entscheidenden Fragen unserer Finanzwirtschaft. Es sind vielleicht alte Forderungen, die ich Ihnen wiederhole, aber es sind Forderungen, die aus langer Verwaltungserfahrung stammen. Da ist zunächst der Ruf nach einer echten inneren Verwaltungsreform, und darunter verstehe -ich folgendes: erstens eine Verlagerung der verantwortlichen Entscheidungen auf die unteren Dienststellen, zweitens eine Beseitigung der Überzahl von Verwaltungsanweisungen, an der wir leiden,

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    drittens eine wesentliche Einschränkung und oft
    sogar Aufhebung von Mittelbehörden, viertens eine


    (Dr. Eckhardt)

    Beschränkung der Ministerien auf ihre Funktion bei der Gesetzgebung und fünftens die weitestmögliche Beseitigung der Doppelarbeit.
    Lassen Sie mich dazu einiges bemerken. Die Übertragung verantwortlicher Entscheidungen auf die unteren Dienststellen ist schon deshalb notwendig, weil dieser Zustand ja früher einmal dagewesen ist. Wir haben nämlich vor 1933 ein wesentlich größeres Verantwortungsbewußtsein und infolgedessen einen wesentlich stärkeren Entscheidungswillen auch der Leiter der unteren Dienststellen gehabt. Wenn Sie heute zu dem Leiter einer Behörde hingehen, so wird er Ihnen vielleicht in sechs von zehn Fällen sagen: „Da muß ich zunächst an meine obere Dienststelle berichten." Und die obere Dienststelle berichtet an das Landesministerium oder an das Bundesministerium.

    (Zuruf rechts: Das war doch früher auch so!)

    Dieser Zustand kann verbessert werden.
    Ich habe von der Überzahl der Verwaltungsanweisungen gesprochen. Sie brauchen sich nur einmal das anzusehen, was Sie selbst jeden Morgen in Ihrem Postfach vorfinden. Wenn nun der kleine Beamte oder Angestellte eines Landratsamtes oder eines Finanzamtes morgens seinen Schreibtisch besieht, so entdeckt er darauf einen ganzen Haufen von Verwaltungsverfügungen aller Art des Bundes, der Länder, der Regierungspräsidenten, der Oberfinanzdirektionen usw. Er ist nicht einmal mehr in der Lage, dieses Papier zu lesen. Aber es hemmt ihn selbstverständlich in der verantwortungsbewußten Entscheidung, die der Steuern zahlende Staatsbürger von ihm erwartet. Es kann da eine wesentliche Ersparnis von echten Verwaltungskosten eintreten, wenn wir zu den früheren Zuständen zurückkehren, was bestimmt nicht den Weg etwa einer Reaktion darstellen kann.
    Zur Aufhebung der Mittelbehörden will ich nicht viel sagen. Aber jeder, der damit zu tun hat, weiß, daß sie doch in großem Umfang nur Durchleitestellen sind und gewissermaßen nur das Material aufbereiten, das dann von den Beamten der höchsten Dienststellen der Landesministerien oder des Bundesministeriums geprüft wird. Und da muß ich sagen, daß Verwaltungsentscheidungen, Einzelentscheidungen von Fällen nicht in das Tätigkeitsfeld der obersten Bundes- und Landesbehörden hineingehören, d. h. daß diese davon entlastet werden müssen. Wenn der Einzelfall schon his zu einer solchen Ebene vorgetragen wird oder werden soll, so ist es Sache der Gerichtsbarkeit, insbesondere also der Verwaltungsgerichte, den Fall zu prüfen und zu entscheiden. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zitieren, das ein Freund des Freiherrn vom Stein, nämlich der hannöversche Verwaltungsjurist Rehberg, gesprochen hat:
    Vergebens wird ein Heer von Zivilbediensteten in ein beständiges Aufgebot versetzt, um jedem Groschen nachzujagen, der alas den Rechnungen zu desertieren droht, wenn man den Verstand und die Aufmerksamkeit lähmt, welche Taler in die Rechnungen hineinschaffen könnten.
    Ein weiterer entscheidender Punkt in der Frage der Verwaltungsvereinfachung und damit der öffentlichen Sparsamkeit ist das Verhältnis von Bund und Ländern. Es mag das ein leidiges Thema sein. Von mancher Seite wird es mit Erbitterung verfolgt und zu Tode gehetzt, was im Interesse unseres öffentlichen Lebens kaum begrüßt werden kann. Wir haben gestern von einem Artikel in der „Bayerischen Staatszeitung" Kenntnis genommen. Dieser Artikel ist auch mir, und zwar von einem bayerischen Beamten, zugeschickt worden mit der Bemerkung, daß man ihn der öffentlichen Kritik, und zwar der Kritik auch des Bundestages, unterwerfen müsse. Solche Äußerungen sind nur geeignet, die Atmosphäre unseres politischen Lebens zu vergiften.
    Ich weiß, daß der Gedanke des Föderalismus auf historischer Grundlage gewachsen ist, und ich bekenne mich bei aller Tragik unserer Vergangenheit zu dem echten und wertvollen Gut der deutschen Geschichte.

    (Abg. Ritzel: Welcher Vergangenheit?)

    — Der Vergangenheit unserer ganzen deutschen Geschichte, muß ich Ihnen sagen. Wir haben diese Tragik immer wieder erlebt,

    (erneuter Zuruf des Abg. Ritzel)

    allerdings in der jüngsten Vergangenheit noch einmal in besonderem Maße. Wir haben immer wieder, und das schon sehr lange, die Tragik der Entzweiung in unserer Geschichte erlebt. Das darf ich Ihnen vielleicht einmal sagen, und ich glaube, damit doch nur auch Ihnen allzu Bekanntes zu wiederholen.

    (Abg. Ritzel: Das sind olle Kamellen!)

    Diese Tragik der Entzweiung spiegelt sich auch in dem manchmal leider wirklich haß- und tendenzerfüllten Streit: Föderalismus auf der einen Seite, Unitarismus auf der anderen Seite. Vom Zentralismus will ich nicht sprechen, weil ich selbst und wir alle Gegner jeder Form von Zentralismus sind. Wir bekennen uns dagegen zu einem vernünftigen Unitarismus. Das bedeutet, daß wir die geschichtlichen Notwendigkeiten des Föderalismus in. ihrem Rahmen vollauf anerkennen, und dieser Rahmen ist in erster Linie der kulturpolitische Rahmen. Was wären wir ohne die organisch gewachsenen Kulturzentren in unserer deutschen Landschaft? Was wären wir ohne diese Kulturzentren, in denen das landsmannschaftliche Gefühl groß geworden ist bis zum Belt und bis zur Memel? Das muß jeder Deutsche anerkennen, und den Verfassungssatz, daß die Kulturpolitik Sache der Länder sei, können wir nur begrüßen.
    Aber wir meinen, daß auf den mehr technischen Gebieten doch die Forderung nach einer größeren Einheit, nach Durchsetzung nicht des zentralistischen Gedankens — Dezentralisierung ist das Gebot jeder vernünftigen Verwaltung —, aber nach der Durchsetzung des unitarischen Gedankens unerläßlich ist. Diesem unitarischen Gedanken müssen wir auf dem Gebiet von Wirtschaft und Finanzen schon deshalb folgen, weil wir nun einmal keine Wirtschaftsgrenzen und auch keine Zollgrenzen in Deutschland mehr haben und haben können, sondern weil Wirtschaft und Finanzen eine untrennbare Einheit auch innerhalb unseres Landes darstellen. Dieser untrennbaren Einheit entspricht auch der direkte und damit sparsamste Weg am besten, nämlich der Weg einer Bundesfinanzverwaltung.
    Ich will das Thema hier nicht in allen Einzelheiten erörtern; ich will es nur anrühren. Es ist mir hoffentlich gelungen, Ihnen dabei zu zeigen, daß man das Thema auch ohne die Leidenschaft erörtern kann, mit der die Auseinandersetzung der Föderalisten und der Unitaristen durchsetzt ist.


    (Dr. Eckhardt)

    Wir bekennen uns gerade auf Grund dieser Einheit auch zu dem Übergewicht des Bundes. Dieses Übergewicht hat der Bund bereits mit dem 1. April 1950 auf Grund der Realisierung des Art. 120 des Bonner Grundgesetzes erlangt. Im Bayerischen Landtag hat man das einmal dahin ausgedrückt, daß am 1. April 1950 die Totenglocke des Föderalismus geschlagen habe. Nun, das wollen wir nicht hoffen. Aber wir wollen hoffen, daß der Bund auch seine Forderung im Rahmen des Finanzausgleichs — die jetzt erhobene Forderung — durchsetzt, weil diese Forderung nach unserer Auffassung nicht nur den finanziellen Notwendigkeiten gerecht wird, sondern weil diese Forderung auch einen neuen Weg zeigt in Anknüpfung an das frühere System der Finanzzuweisungen, den wirklich schwachen Ländern zu helfen, den Ländern mit jenen Notstandsgebieten, die uns — das darf ich hier sagen — ganz besonders am Herzen liegen.
    Wenn Sie einmal draußen im Lande fragen: wer soll denn das Übergewicht haben, soll denn eine Bundesfinanzverwaltung kommen? —, dann, glaube ich, werden Sie vom vernünftigen Steuerzahler nur eine einzige Antwort bekommen. Als vernünftigen Steuerzahler betrachte ich den bonus pater familias, von dem vielleicht in der Debatte um die Gleichberechtigung von Mann und Frau noch sehr oft die Rede sein wird. Der Steuerzahler will keineswegs wegen seiner Umsatzsteuer zur einen und wegen seiner Einkommensteuer zur andern Stelle laufen. Wenn ich Ihnen das an einem praktischen Beispiel zeigen darf: prüfen Sie einmal, was notwendig ist, um etwa in einer Devisenangelegenheit, sagen wir, einer Devisenstrafsache zu Rande zu kommen! Sie müssen zunächst mit der Devisenüberwachungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten sprechen. Sie werden außerdem mit der Zollfahndungsstelle zu tun haben und über die Zollfahndungsstelle hinaus sehr bald zur Staatsanwaltschaft gehen müssen. Da die Staatsanwaltschaft erfahrungsgemäß nicht gern etwas mit Finanzdingen zu tun hat, werden Sie sehr bald erkennen, daß es schon in der unteren Stufe außerordentlich schwierig ist, diese drei Stellen zweier Verwaltungen unter einen Hut zu bringen. Sie werden sehr bald die Erfahrung machen, daß Sie auch das Landeswirtschaftsministerium beehren müssen, unter Umständen natürlich auch den Landesfinanzminister. Der Landeswirtschaftsminister wird Ihnen nicht viel weiterhelfen, sondern Ihnen sofort sagen: „Da müssen Sie sich nach Bonn an das Bundeswirtschaftsministerium wenden." Wenn man aber beim Bundeswirtschaftsministerium angekommen ist, dann merkt man, daß der Landeswirtschaftsminister aus gewissen Gründen den letztzuständigen oder den entscheidenden Partner nicht erwähnen wollte, und das ist dann das Bundesfinanzministerium. — Wenn Sie das in jeder kleinen Sache versuchen, dann wissen Sie, daß selbst ein routinierter Jurist bei diesem Wirrwarr von Zuständigkeiten, Wirrwarr von Kompetenzen in Verzweiflung geraten kann, und dann verstehen Sie, daß auch der Finanzbeamte, der kleine Steuerbeamte draußen beim Finanzamt, der eine so stille, entsagungsvolle und doch außerordentlich große Arbeit heute zu leisten hat, Ihnen sagt: Gebt mir nur um Himmels willen die Bundesfinanzverwaltung wieder, weil sie so vieles für mich, nämlich für die praktische Arbeit unten am Tisch des Bezirksbearbeiters und für die praktische Arbeit des Betriebsprüfers und selbstverständlich auch jedes einzelnen Steuerzahlers bedeutet! In diesem Zusammenhang kommen wir ohne weiteres zu der weiteren Forderung, von der ich annehme, daß Sie alle mit mir darin übereinstimmen, wenn ich nämlich eine „Entrümpelung" unseres gesamten öffentlichen Rechts verlangen muß. Die Zustände auf dem Gebiet etwa des Sozialrechts, des Bauwesens, des Steuerrechts, des Devisenrechts sind — jeder einzelne von Ihnen wird mir das auf Grund eigener parlamentarischer Praxis und Erfahrung bestätigen können — unerträglich geworden. Die Gebiete sind einfach nicht mehr überschaubar. Ich habe mir sagen lassen, daß auf einer Wahlversammlung in Niedersachsen oder in Schleswig-Holstein der Wahlredner eine Papierschlange hinter sich hergezogen hat, die mehr als 50 Meter lang war, und diese Papierschlange bestand aus den Antragsformularen, die er nötig hatte, um seinen sozialen Wohnungsbau durchzuführen. Das ist doch eine sehr bezeichnende Feststellung.
    Also eine Vereinfachung unseres gesamten öffentlichen Rechts! Hier ist ein sehr dankbares Feld für die Vorbereitungsarbeit der Exekutive, und ich hoffe, daß die Exekutive sich dieser dankbaren Arbeit in Kürze in verstärktem Maße zuwendet.
    Aber noch etwas anderes muß ich im Zusammenhang mit der Forderung nach Sparsamkeit hervorheben. Das ist das Verlangen nach einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung der öffentlichen Erwerbsbetriebe. Wir kennen diese Frage, insbesondere auch aus Feststellungen, die in den letzten Jahren z. B. im Bayerischen Landtag getroffen wurden. Der bayerische Staat besitzt 42 Erwerbsbetriebe. Von diesen 42 haben nur zwei mit Gewinn abgeschlossen. Glauben Sie, daß, wenn private Betriebe mit solchen Ergebnissen kämen, der Steuerinspektor im Finanzamt diese Ergebnisse hinnehmen dürfte? Das wird auch der Herr Bundesfinanzminister oder der Herr Landesfinanzminister kaum dulden wollen.
    Was hier für Bayern gilt, das gilt, möchte ich doch behaupten, in nicht unbeträchtlichem Maße auch für den Bund, wenn man sich die finanziellen Endergebnisse der vielen wertvollen Beteiligungen und der vielen wertvollen Erwerbsbetriebe des Bundes ansieht. Es sind eigentlich nur zwei oder drei, die den Gewinn haben, den der Steuerinspektor des Finanzamts für Körperschaften von ihnen erwartet. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, daß sogar ein hoher Beamter, ein Beamter einer Stelle, die sich leider entgegen dem öffentlichen Interesse sonst allzusehr zurückzuhalten pflegt — nämlich der Präsident des Bayerischen Rechnungshofes —, wiederholt und jetzt noch einmal — wiederholt auch im Landtag in Auseinandersetzungen mit der Staatsregierung — zum Ausdruck gebracht hat, die öffentlichen Betriebe, überhaupt öffentliche Verwaltungen, die wirtschaftlichen Charakter haben, beispielsweise die bayerische oberste Baubehörde, seien dringend der betriebswirtschaftlichen Überprüfung in Richtung einer echten Rationalisierung bedürftig. Ich will diese Vorschläge im Rahmen der mir bestimmten Zeit nicht erweitern oder vertiefen; es sollen ja nur Anregungen sein.
    Zu dem Gebiet des Verfassungsrechts wäre manches zu sagen. Die Anhänger einer Ersten Kammer weisen etwa darauf hin, eine Erste Kammer neige in der Regel zur Sparsamkeit. Diese Frage kann der zukünftigen Erörterung vorbehalten bleiben. Das viel beredete Problem des Sparkommissars oder auch des Bundessparkommissars ist nicht zu lösen,


    (Dr. Eckhardt)

    wenn man es nur vom Gesichtspunkt der Exekutive sieht. Ein Sparkommissar kann nur wirken, wenn Sie ihm eine verfassungsrechtlich fundierte Stellung geben. Alle Versuche anderer sogenannter Sparkommissare werden erfolglos bleiben.
    Ich habe die Frage der öffentlichen Erwerbsbetriebe besprochen. Sie berührt einen anderen Grundsatz des öffentlichen Haushalts, den der Vollständigkeit. Kein öffentlicher Haushalt ist vollständig. Vor allen Dingen enthält kein öffentlicher Haushalt den bekannten versteckten Staatsbedarf, nämlich jene Aufwendungen, die der Staat der Wirtschaft überbürdet und überwälzt, beispielsweise auch beim Steuerverfahren des Lohnabzugs oder bei der Selbstberechnung von Steuern wie der Umsatzsteuer. Diese Aufwendungen der Wirtschaft sind nicht unbeträchtlich. Man muß sie zumindest in der Öffentlichkeit einmal hervorheben. Es ist notwendig, an sie zu denken, wenn man von der Vollständigkeit des Haushalts spricht.
    Wir begrüßen es sehr, daß in diesem Umfang und mit so viel Arbeit und Kennerschaft eine Vermögensrechnung des Bundes aufgestellt worden ist. Allerdings müssen wir eines sagen. Ein hoher Beamter des Finanzministeriums hat gemeint, bei der Lektüre dieser Rechnung müßten alle Illusionen über einen sogenannten reichen Bund verflattern. Meine Damen und Herren, ich habe niemals den Bund für sich allein als reich bezeichnet. Das frühere Reich war es ja auch nicht. Das ist einfach historisch begründet. Aber auch hier müssen wir zu einem Prinzip der Einheit zurückkehren, auch wenn sie formal oder äußerlich dem Art. 109 des Grundgesetzes zu widersprechen scheint. Wir können in dieser Beziehung Bund und Länder nur als Einheit betrachten. Manche Länder, die heute gewissermaßen ihre Armut präsentieren, um im Finanzausgleich irgendwie besser wegzukommen, sind — vermögensmäßig betrachtet —reich. Das hängt einfach damit zusammen, daß diese Länder im 19. Jahrhundert bei der Säkularisierung des Kirchengutes ein reiches Erbe übernommen haben. Gerade diese Länder haben interessanterweise in ihrem Verfassungsrecht die Forderung nach Vorlage einer Vermögensrechnung nicht. Wir würden es begrüßen, wenn der Herr Bundesfinanzminister auf die Aufstellung von Vermögensrechnungen gerade dieser Länder mit möglichster Energie hinwirken würde. Unsere öffentliche Finanzwirtschaft würde dann an Klarheit wesentlich gewinnen. Dann haben Sie auch das, wovon in letzter Zeit wiederholt gesprochen worden ist. Dann sehen Sie nämlich auf einmal einen Substanzrückhalt für die sozialen Reformen oder für die große soziale Reform vor sich, die Reform, mit der wir auf jeden Fall fertig werden müssen.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Ich darf jetzt insbesondere auch unseren Freunden in der Koalition sagen: mit dieser Reform müssen wir deshalb fertig werden, weil es sonst möglicherweise wieder so gehen wird, wie es im 19. Jahrhundert gegangen ist, und weil sonst die Kräfte, die sich jetzt unseres sozialen Aufstiegs angenommen haben, die Führung auf diesem Gebiet verlieren. Das ist eine sehr ernste Überlegung. Sie führt dazu, soziale Fragen als vordringlich zu behandeln.
    Ich werde mir erlauben, einiges zu dem zu sagen, was dazu gehört. Wenn man in dem Erwerbsvermögen der Länder und des Bundes einen Substanzrückhalt für unsere Sozialpolitik erblickt, tritt ohne weiteres der vielfach auch in der Wirtschaft vertretene Grundsatz der Privatisierung oder meinetwegen auch der Reprivatisierung öffentlicher Betriebe auf. Ich habe es nicht gern mit Schlagworten zu tun. Aber dieses Problem bedarf einer sehr ernsten Prüfung. Es muß vor allen Dingen einmal klargestellt werden, wo die öffentliche Hand mit ihrer Tätigkeit wirklich am Platze ist. Ich freue mich, mich in dieser Beziehung auf grundsätzliche Ausführungen des Herrn früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg, B r a u e r, beziehen zu können. Er hat nämlich im Jahre 1951 erklärt, daß die öffentliche Hand hinsichtlich der Führung von Erwerbsbetrieben überall da am Platze sei, wo es in echtem Sinne öffentliche Aufgaben zu erfüllen gelte. Als solche öffentliche Aufgaben hat er die einer Muster-, einer Erziehungswirtschaft, einer Ergänzungswirtschaft angesehen. Er denkt bei der Frage der Ergänzungswirtschaft z. B. an die Krankenhäuser in öffentlichem Besitz, an die Notwirtschaft, die insbesondere nach dem Zusammenbruch erforderlich gewesen ist. Er sagt weiter, die öffentliche Hand müsse auch überall da eingreifen, wo es der privaten Wirtschaft an Elan. an Initiative mangele. Das letzte glaube ich allerdings nicht. Ich will nicht bestreiten, daß es ausgezeichnete Beamte gibt, die sehr viel Initiative entwickeln können. Aber gemeinhin ist das keine Qualität des Beamten. Zu dieser letzten Forderung des Herrn früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg kann ich mich persönlich nicht bekennen.
    Nun einige weitere grundsätzliche Bemerkungen.


Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, darf ich darauf aufmerksam machen, daß die normale Redezeit eine Stunde beträgt. Sie haben 55 Minuten verbraucht.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Eckhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Danke schön! — Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß hinter dem trockenen Zahlenwerk eines Haushalts doch verschiedenes andere zu suchen ist, daß vor allen Dingen in Verbindung mit diesem Zahlenwerk Verschiedenes wesentlich ist, was dem Leser nicht ohne weiteres zum Bewußtsein kommt. Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, dieser Haushalt sei die Voraussetzung und das Fundament für eine Sozialreform, für eine Finanzreform, für eine Steuerreform. Wir können also feststellen, auch in diesem Haushalt ist es so wie in vielen Bilanzen, die dem Finanzamt vorgelegt werden: das Wichtigste steht nicht drin.

    (Abg. Mellies: Hört! Hört!)

    Ich möchte doch einiges andeuten, insbesondere zu der uns sehr am Herzen liegenden sozialen Frage. Wir freuen uns, daß im Bundesvertriebenenministerium nun eine gewisse Zusammenfassung von Aufgaben für alle Geschädigten erfolgt ist. Wir glauben, daß das ein Fortschritt auf dem Wege zu einer echten sozialen Reform ist. Wir freuen uns über die Feststellung des Bundesfinanzministers, daß dem sozialen Wohnungsbau auf jeden Fall Genüge getan werden soll, auch wenn er aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt hineingerutscht ist. Wir halten die Fragen des sozialen Wohnungsbaus und der Familie, die damit in engem Zusammenhang stehen, für Kernfragen unseres politischen Zusammenlebens.
    Wir meinen allerdings auch, daß bei dem Bekenntnis zu diesen sozialen Fragen sehr sorgfältig


    (Dr. Eckhardt)

    verfahren werden muß und daß man sich darüber klarwerden muß, welche Reaktion diese oder jene Äußerung, diese oder jene Begründung haben muß. Da ist z. B. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 131. Urteile können — das wissen wir alle aus dem praktischen Leben — verschieden ausfallen, und man kann ihr Ergebnis nicht voraussagen. Ob es aber notwendig war, in der Begründung eine Diskontinuität in unserm Staatswesen so deutlich aufzuzeigen, das halten wir für sehr zweifelhaft. Meine Damen und Herren, das deutsche Berufsbeamtentum hat doch in weiten Teilen heute schon wieder einen ausgezeichneten Ruf. Glauben Sie wirklich, das sei in drei Jahren aufzubauen gewesen? Nein, dieses Berufsbeamtentum hat auch in zwölf Jahren trotz allem nicht zerstört werden können, sondern es hat in sich ein Erbe und eine Verpflichtung gespürt, die es mit der deutschen Geschichte von Jahrhunderten verknüpfen. Deshalb kann man dem deutschen Beamten nicht sagen, daß sein Beamtenverhältnis oder vielleicht sogar seine Gesinnung sich entscheidend gewandelt habe. Er hat immer dem Staat gedient, und er wird es hoffentlich mit der gleichen Unbestechlichkeit, deren sich das deutsche Berufsbeamtentum in früheren Jahrzehnten erfreut hat, auch künftig tun.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Gerade deshalb halten wir eine derartige Begründung für äußerst gefährlich, geradezu für staatsgefährlich.

    (Zuruf von der SPD: Was?!) – Jawohl, dieser Ansicht sind wir.


    (Abg. Ritzel: „Vertriebener" aus dem „Dritten Reich"! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Weiter meinen wir, daß in sozialer Hinsicht das Problem der älteren Angestellten auch finanzwirtschaftlich bedacht werden muß. Wir haben einen Gesetzentwurf vorbereitet, den wir dem Parlament vorlegen werden, und dann wird sich Gelegenheit ergeben, zu dieser entscheidenden Frage unseres sozialen Lebens Stellung zu nehmen.
    Auch das Problem der Eingliederug unserer heimatvertriebenen Bauern muß in diesem sozialen Zusammenhang gesehen werden, wobei ich mit „sozial" nicht etwa „bedürftig" oder „sozial schwach" meine, sondern wobei ich daran denke, daß hier die gesellschaftlichen Fundamente unseres Lebens berührt werden. Die heimatvertriebenen Bauern bringen bäuerliche Substanz mit. Wem brauche ich noch zu sagen, wie schwer es selbst in der Heimat ist, bäuerliche Substanz zu erhalten?! Pflegen wir diese Substanz also!

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.) Nun zu anderen wesentlichen Punkten.


    (Schluß-Rufe von der SPD.)

    Zur Frage der Finanzreform habe ich bereits einiges gesagt; ich will es im Interesse der Zeit nicht wiederholen. Zur Frage der Steuerreform nur folgendes. Meine Damen und Herren, sehen Sie — um mit Martin Luther oder mit dem Herrn Bundesminister Franz-Josef Strauß zu sprechen –

    (große Heiterkeit) dem Volke aufs Maul


    (anhaltende Heiterkeit)

    und fragen Sie das Volk einmal, was es will! Es will die einfache Steuer, es will die gleiche Steuer und es will die billige Steuer. Die einfache Steuer! Es will nämlich nicht haben, daß der Betriebsprüfer oder der Veranlagungsbeamte in diesem oder jenem Bezirk von vornherein einen anderen Standpunkt einnimmt oder daß dieses oder jenes Land die Wirtschaft anders behandelt, sondern es will eine gleichmäßige Behandlung des Steuerzahlers. Es wünscht ferner ein einfaches Steuersystem, in dem sich dieser Steuerzahler auch selber zurechtfinden kann, und es verlangt deshalb nicht nur eine Wiederholung der kleinen Steuerreformen oder überhaupt der Steuerreformen der letzten Jahre — ich will nicht um Worte streiten —, sondern der Steuerzahler wünscht eine umfassende Reform, und darauf werden wir auch in diesem Bundestag Rücksicht zu nehmen haben.
    Ich komme — notwendigermaßen — zum Schluß. Mit meinen Ausführungen glaube ich gezeigt zu haben, daß wir uns zu der Finanzpolitik bekennen, die uns auch in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers vorgetragen worden ist. Wir hoffen und wünschen aber, daß die klassischen Grundsätze, von denen er selber bei der Aufstellung seines Etats ausgegangen ist, erfüllt werden und dann in dem sozialen und in dem wirtschaftlichen Geist gehandhabt werden, von dem ich gesprochen habe. Das bedeutet nicht etwa Unterordnung der Finanzpolitik unter die Wirtschaftspolitik, sondern es bedeutet eben, ein richtiges Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik auf der einen Seite und Finanzpolitik des Staates auf der andern Seite herzustellen. Damit erreichen wir, daß die von uns und von dem ganzen Parlament zu erarbeitende Finanzpolitik des Bundes nicht nur der Steigerung des Sozialprodukts und damit der Erhöhung des sozialen Lebensstandards dient, sondern überhaupt den sozialen Grundsätzen, die ich Ihnen in aller Kürze anzudeuten versucht habe.

    (Beifall beim GB/BHE.)