Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es bedauerlich, daß sich das Hohe Haus mit diesem Antrag beschäftigen muß, nachdem Herr Staatssekretär Professor Hallstein schon in der 202. Sitzung des ersten Deutschen Bundestages am 27. März 1952 erklärt hat, daß bereits seit dem Februar 1952 Verhandlungen über die Entschädigungsfrage eingeleitet worden seien. Ich möchte feststellen, daß es nunmehr bald zwei Jahre her ist, seit diese Erklärung abgegeben wurde, und diese verhältnismäßig leichte Aufgabe ist bis heute noch nicht gelöst.
An dieser Feststellung ändert sich auch nichts dadurch, daß nun am 18. Januar dieses Jahres eine Presseerklärung herausgegeben worden ist, nach der eine vorläufige Regelung gefunden worden ist. Sie ändert nichts daran, daß tatsächlich heute noch die Fischer vom Knechtsand ohne jede Entschädigung dasitzen. Seit dem September des vorigen Jahres war es der Regierung bekannt, daß die Bombenwürfe auf den Großen Knechtsand beginnen würden. Die ersten Bomben sind dann am 24. November gefallen. Entgegen der Vorankündigung, wonach man den 12. November als ersten Termin vorsah, wurden die Abwürfe immer wieder verschoben, und damit wurde die Tätigkeit der Fischer praktisch unterbunden.
Durch die Einschaltung des Präsidenten des Niedersächsischen Landtags, Herrn Olfers, war es dann gelungen, am 2. Januar dieses Jahres endlich eine erste Abschlagszahlung, die durchaus noch keine rechtliche Grundlage hatte, in Höhe von 6000 DM an die Fischer zu verteilen. Ich möchte feststellen, daß die Schadenssumme — ihre Höhe dürfte unbestritten sein — heute bereits weit über 50 000 DM beträgt. Die Summe von 6000 DM ist für den Kreis der dort Geschädigten — immerhin sind es ja 44 Kuttereigner — eine sehr, sehr kleine Abfindung für die Schäden, die sie bis heute erlitten haben.
Aber nicht allein die Tatsache, daß man bis jetzt die Entschädigung nur so tropfenweise hat fließen lassen, veranlaßte uns zu diesem Antrag, sondern eigentlich das Problem in seiner Gesamtheit. Tatsächlich handelt es sich für die dort Betroffenen nicht so sehr um ein politisches, als vielmehr um ein wirtschaftliches Problem. Dieses Problem muß unbedingt so gelöst werden, wie es in der 202. und auch in der 230. Sitzung des ersten Deutschen Bundestages mit so hochherzig klingenden Worten angekündigt worden ist. Nicht nur der Berichterstatter, der Herr Kollege Dr. Hasemann, sondern auch mein Bi eurer Kollege Müller-Hermann haben gesagt, daß sie die faire und großzügige Regelung dieser Entschädigungsfrage als Herzensangelegenheit ansähen. Leider Gottes ist aus dieser großzügigen Ankündigung nichts weiter geworden als — ich
möchte es etwas sarkastisch sagen — gewissermaßen ein Ideenwettbewerb, wie man sich um die Frage am besten herumdrücken kann.
Man mutet den einzelnen Geschädigten zu, einen Antrag bei ihrer Genossenschaft einzureichen, der dann an den Landkreis, von dort an den Regierungspräsidenten in Stade, von dort an die Regierung in Hannover und dann an den Bund weitergereicht wird und anschließend den Weg über dieselben Stufen zurückläuft. Ich meine, das ist eigentlich der Gipfel einer bürokratischen Handhabung.
Aber nicht allein die Notwendigkeit einer schnellen Lösung der Frage der ersten Entschädigung für das, was die Fischer bis heute verloren haben, hat uns veranlaßt, unseren Antrag zu stellen. Ich sagte bereits, daß unser Antrag in zwei Teile gegliedert worden ist. Der zweite Teil des Antrags dürfte der interessantere sein. Dieser Teil stützt sich auf die inzwischen vorliegenden Ergebnisse und Erkenntnisse. Die vorausgesagten Auswirkungen sind im ersten Bundestag bagatellisiert worden. Die Bedenken, die mein damaliger Kollege Mertins dem Hohen Hause vorgetragen hat und die damals von der Mehrheit nicht anerkannt worden sind, haben sich in vollem Umfange als berechtigt erwiesen.
Zunächst ist nicht restlos sichergestellt, daß in dem fraglichen Gebiet tatsächlich ein Unfall nicht passieren kann. Bereits am ersten Tage der Bombardierung hat ein Kutter mit Motorschaden im Fahrwasser gelegen, ohne daß ein Patrouillenfahrzeug, wie es seinerzeit in der Berichterstattung angekündigt worden war, das Fahrwasser kontrolliert und den Betreffenden gewarnt hätte, so daß er aus der Gefahrenzone hätte herauskommen können.
Weiterhin hat man seinerzeit auf Grund von Sachverständigengutachten so sehr die Treffsicherheit der Übungsflieger gerühmt. Nun, mit der Treffsicherheit ist es tatsächlich sehr, sehr fraglich. Es erfolgt keine Beobachtung mit Instrumenten, sondern nur eine optische Beobachtung der Bombenabwürfe, die kein Ergebnis darüber erbringt, ob irgendwo Blindgänger liegenbleiben, die nicht gefunden werden. Darüber hinaus ist der Streukreis dieser Bombenabwürfe nach Berichten von Augenzeugen, die das beobachtet haben, sehr groß und reicht bis in das eigentliche Fanggebiet hinein.
Seinerzeit ist gesagt worden, die Gefahr, daß es Blindgänger und vor allen Dingen Blindgänger bei scharfen Bomben geben könnte, sei nicht groß, das sei eine Bagatelle, weil diese Bomben Zeitzünder hätten, es werde praktisch keine Blindgänger geben. Ich darf Sie vielleicht an den Fall vom September vorigen Jahres in Nürnberg erinnern, wo sich gezeigt hat, daß sogar eine Luftmine mit drei Zündern, die auf das Festland gefallen war, ein Blindgänger sein kann; er wurde nun nach langen Jahren entdeckt und mußte entschärft werden. Um wieviel größer ist die Gefahr in diesem Gebiet!
Aber nicht allein die scharfen Bomben bilden eine Gefahr. Niemand hat daran gedacht, daß die Zementbomben, die man als Übungsbomben verwendet, eine dauernde Gefahr für die Fischerei darstellen. Das stählerne Leitwerk dieser Bomben ragt nachgewiesenermaßen aus den Sänden heraus, und die Fischer gehen bei jedem Fang das Risiko ein, daß ihre Netze zerrissen werden, so daß sie wegen dieser „harmlosen" Übungsbomben ihr Fanggebiet tatsächlich nicht mehr ausnutzen können.
Man mag versuchen zu bagatellisieren: daß das nur einen kleinen Kreis von Betroffenen angehe. Aber denken Sie daran, daß es sich hier tatsächlich um das einzige große, geschlossene Fanggebiet der Krabbenfischerei handelt, daß hier ungefähr 10 % der deutschen Krabbenfischerei liegen und daß ein Jahresergebnis von etwa 400 000 DM, auf 44 Eigner verteilt, immerhin ein selbständiges Gewerbe hat begründen lassen.
Es kommt hinzu, daß nicht, wie seinerzeit versichert worden ist, die vertragliche Vereinbarung innegehalten worden ist, wonach nur in zeitlich großen Abständen wenige Tagesübungen stattfinden sollten. Gerade in der Hauptfangzeit, in den Monaten September, Oktober und November — vor allem bei dem langen, milden Herbst dieses Jahres —, hat sich die Sperre, die für jede Nacht verhängt worden ist und die eine Stunde vor Sonnenuntergang beginnt und eine Stunde nach Sonnenaufgang endigt, dahin ausgewirkt, daß praktisch für den Tag nur sechs Stunden freier Zeit übrigblieben, eine Zeit also, in der kein Mensch verlangen kann, daß ein Kutter hinausfährt, seinen Fang macht und wieder hereinkommt. Wer die Verhältnisse an der Küste kennt, weiß, daß diese Zeit zu kurz ist, um überhaupt einem Erwerb nachzugehen. Deshalb bedarf der zweite Teil unseres Antrages wohl keiner weiteren Begründung. Es ist jedenfalls einmal zu untersuchen, ob unter diesen Umständen den Fisechrn dort die Ausübung ihres Gewerbes überhaupt noch zugemutet werden kann.
Ferner ist zu überlegen, ob nach den fünf Jahren, in denen dieses Gebiet nun ständig mit Bomben verseucht wird und nach deren Ablauf es freigegeben werden soll, die Fischer überhaupt noch eine Möglichkeit haben, ihrem Gewerbe nachzugehen, wenn sie nicht riskieren wollen, mit Boot und Mannschaft auf Blindgänger zu stoßen. Auf einer Versammlung ist den Fischern draußen die zynische Bemerkung gemacht worden, die Praxis müsse erst einmal erweisen, ob diese Blindgänger überhaupt gefährlich seien. Mit anderen Worten, die Fischer müssen erst einmal Boot und Mannschaft riskieren, um nachzuweisen, daß ihr Gewerbe für die Zukunft völlig ausgeschaltet ist. Diese Bauern des Meeres, wie ich sie nennen möchte, bedürfen genau so des Schutzes und der Entschädigung wie alle anderen, die durch militärische Maßnahmen in der Ausübung ihres Berufes behindert sind.
Hinzu kommt, daß diese Fischer ja nicht Staatspensionäre werden wollen. Sie legen keinen Wert darauf, von einer Entschädigung zu leben. Sie wollen wirklich ihrem Gewerbe nachgehen, sie wollen selbständig sein. Wer weiß, daß gerade dieser Beruf mit unendlichen Gefahren verbunden ist, wird auch wissen, daß unendliche Liebe dazu gehört, ihn auszuüben. Wir erwarten daher von der Regierung, daß sie die von der Fischerei in diesem Gebiet vorgetragenen Argumente würdigt und vor allen Dingen prüft, ob es nicht möglich ist — wie mir heute morgen noch der Vorstand der Fischereigenossenschaft erklärt hat —, diese Fischer endgültig abzufinden, damit ihnen der Weg zum Aufbau einer anderen Existenz eröffnet wird. Es handelt sich hier um einen Personenkreis, der seinen Lebensinhalt darin sieht, eine selbständige Existenz zu unterhalten. Hier dürfte es Aufgabe der Regierung sein, aber auch der Parteien, die sie stützen, einen Weg zu finden, auf dem diesen Menschen tatsächlich geholfen werden kann.
Ich möchte Sie daher bitten, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Antrag der Sozialdemokratischen Partei Drucksache 139 auch Ihrerseits vorbehaltlos zu unterstützen, damit nach einer so langen Diskussion tun eine eigentlich kleine Angelegenheit die Bundesregierung endlich von einem schlechten Schuldner zu einem guten Schuldenzahler wird.