Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist fürwahr schwer, keine Satire zu schreiben, wenn man sich diesen Antrag anschaut und wenn man daran denkt, daß er zum viertenmal auf der Tagesordnung steht.
Dreimal ist er abgesetzt worden, und wahrscheinlich doch nicht deshalb, weil man ihm eine besondere Güte zusprach, sondern weil jeder nüchterne Betrachter von Anfang an erkennen konnte, daß dieser Antrag unreif ist.
Der Herr Bundeswohnungsbauminister und auch der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Herr Dr. Brönner, haben schon eine sehr deutliche Kritik ausgesprochen. Aber es war, ich möchte sagen, eine „koalitionshöflich" verbrämte Kritik.
Man hat gewisse Rücksichten genommen. Man hat zwar diesen Antrag nicht offiziell unterstützt, aber man hat bei der Prüfung alsbald gemerkt, daß man so nicht verfahren kann.
Ich bedauere, nicht mit derselben Höflichkeit zu diesem Antrag Stellung nehmen zu können.
In einem Punkte, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich von vornherein restlose Klarheit herstellen.
— Was meinten Sie, Frau Kollegin?
— Warten Sie einmal ab; Höflichkeit ist ein relativer Begriff. Jedenfalls werde ich zu dem, was schwarz ist, schwarz sagen, und zu dem, was weiß ist, weiß. Das nenne ich eine ehrliche Aussage, und das braucht nicht in Widerspruch zur Höflichkeit zu stehen. Aber die Kritik, die vorhin laut geworden ist, war mir zu gedämpft. Sie war mir nicht klar genug.
Nun, wie sieht es mit diesem Antrag aus? Zunächst einmal decken sich Überschrift und Text nicht im geringsten. Bei diesem Antrag ist einiges passiert. Man ist sehr eifervoll darangegangen, aber man hat sich dabei doch sehr schlecht beraten lassen. Ich bedauere — und das ist, Frau Kollegin Dr. Weber, eine unhöfliche Bemerkung von mir —, feststellen zu müssen, daß dieser Antrag das Produkt eines beispiellosen Dilettantismus ist.
— Das kann man noch höflicher sagen?
— Na schön, ich habe es dann unhöflich gesagt. Jedenfalls ist dieser Antrag dilettantisch, und ich freue mich, daß Sie dem zustimmen, wenn Sie auch einen anderen Ausdruck dafür gebrauchen wollen.
Wie soll man denn eine Vorlage anders bezeichnen, bei der sich nicht einmal Überschrift und Text decken und in der die Verschwommenheiten und Unklarheiten der Formulierungen nur noch durch die Unbekümmertheit, ja Dreistigkeit übertroffen werden, mit denen hier Recht und Ordnung, nämlich wesentliche und jeder Abänderung entzogene Verfassungsbestimmungen mißachtet werden?
Zunächst die Überschrift. Sie spricht von kollektivem Eigentum und überläßt es der Phantasie, sich unter diesem politischen Schlagwort, das offenbar zu dem Zwecke, gruseln zu machen, gebraucht wird, etwas Greifbares vorzustellen.
In dem Antrag selbst dagegen wird von „gemeinwirtschaftlichem Haus-, Grundstücks- und Wohnungsbesitz des öffentlichen und privaten Rechts" gesprochen. Auch hier bedient man sich unscharfer Formulierungen. Was soll man denn eigentlich mit dem Begriff „gemeinwirtschaftlich" im Zusammenhang mit dem DP-Antrag verstehen? Wenn überhaupt etwas Sinnvolles darunter zu verstehen wäre, müßten dann nicht unter anderem auch die Verkehrs- und Grünflächen, die Parkanlagen darunterfallen? Das alles ist völlig unklar und gibt viele Möglichkeiten, hineinzuschieben, was man hineinschieben will.
Natürlich werden die Antragsteller erklären — und ich glaube ihnen das —, daß sie das gar nicht gewollt und gemeint haben. Aber warum haben sie es dann nicht gesagt, warum haben sie auf ihren Antrag nicht mehr Sorgfalt verwendet? Warum mußte Herr Dr. Schild hier einen Kommentar abgeben, der selbst den Herrn Bundeswohnungsbauminister, der einiges gewöhnt ist, in Erstaunen versetzte, weil Herr Dr. Schild etwas ganz anderes ausführte, als in dem Antragstext und in seiner Überschrift zu finden war?
— Natürlich weiß er Bescheid. Er weiß sogar über
die Hintergründe Bescheid, Herr Kollege Brönner!
So wie sich der Text liest, ist man jedenfalls auf Vermutungen angewiesen, was als gemeinwirtschaftlich im Sinne des Antrags verstanden werden soll.
Keine Vermutungen aber brauchen hinsichtlich der Tendenzen angestellt zu werden, die die Antragsteller bewegen. Ihr Anliegen ist offensichtlich, den Haus- und Bodenbesitz der öffentlichen Hand und der Wohnungsgesellschaften in die Hand privater Einzelpersonen zu überführen.
— Verzeihen Sie, wenn es sich um private Einzelpersonen handelte, wie sie vorhin bei der Beratung des Familienheimgesetzes angesprochen worden sind, wenn es sich um Menschen handelte, die zu echten Eigentum kommen sollen, dann hätte ich keine Bedenken. Aber es gab einige sehr interessante Randbemerkungen von Herrn Dr. Schild, als er von dem kaufwilligen und kauffähigen Mieter in den Wohnblocks sprach, der sich ja auch demnächst als Hausbesitzer präsentieren könnte. Da weiß man, was man im eigentlichen will, und da wird man dann doch sehr nachdenklich.
Der Antrag ist — ich sagte es schon — eifervoll, aber er ist sachlich nicht verständlich und er ist praktisch unbrauchbar, weil er in keiner Weise als Grundlage für eine gleich wie geartete Regelung dienen kann. Deshalb muß ich sagen, daß mir die nicht als eine sehr klare Feststellung zu bezeichnende Stellungnahme des Herrn Kollegen Dr. Brönner in keiner Weise eingeht. Was soll denn der unglückselige Wiederaufbauausschuß mit einem solchen Antrag anstellen? Dort kann man doch nur am Daumen lutschen und sich Gedanken darüber machen, was man vielleicht demnächst in dieser oder jener Richtung unternehmen sollte.
Als einer der Gründe für die Überweisung an den Ausschuß wird von Herrn Dr. Brönner angeführt, man könne ja die künftige Gesetzgebung in dieser Richtung beeinflussen. Warten wir doch die Vorlagen der Regierung ab! Warten wir doch ab, was der Herr Bundeswohnungsbauminister uns in einem neuen Wohnungsbaugesetz zu bieten hat! Dann können wir auf diesen unglückseligen Antrag zurückkommen, und vielleicht hat er dann doch noch irgendwie einen Sinn gehabt. Aber für die legislatorische Arbeit ist uns mit diesem Antrag keine brauchbare Grundlage an die Hand gegeben. Es liegt ein offenbares Unvermögen der Antragsteller vor, ein Petitum klar zum Ausdruck zu bringen.
Der Antrag ist vor allem deshalb unbrauchbar, weil er in elementarster Weise gegen das Grundgesetz und seine Grundrechte verstößt. Ich verweise auf die Artikel 14 und 19. Ich beschränke mich darauf, hierzu im einzelnen kurz folgendes auszuführen:
Nach Art. 14 des Grundgesetzes ist die Enteignung nur dann zulässig, wenn ein nachgewiesenes öffentliches, im konkreten Falle vorliegendes Interesse den Eigentumswechsel erfordert, d. h. wenn das in Rede stehende öffentliche Bedürfnis ohne den Eigentumswechsel nicht erfüllt werden kann. Es muß sich also um eine rechtliche Notwendigkeit handeln. Der Antrag der Deutschen Partei wird jedoch nicht von Gründen getragen, die die
Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 zu erfüllen vermögen. Erkennbare Grundlage des Antrags ist ein politisches Interesse. Einem politischen Interesse aber kann die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht dienstbar gemacht werden. Dabei ist es völlig unstreitig, daß auch das Eigentum der von dem Antrag der DP betroffenen Rechtsträger dem Schutz des Art. 14 unterliegt. Bei den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen handelt es sich um juristische Personen des privaten Rechts, denen das Grundrecht des Eigentums niemals bestritten worden ist und denen es nicht bestritten werden kann. Auch das Eigentum der öffentlichen Hand, das ja hier berührt wird, genießt den Grundrechtsschutz. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes erfüllt. Da niemals in Abrede gestellt worden ist, daß juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts die volle Eigentümerstellung einnehmen können, kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß das Grundrecht des Eigentums seinem Wesen nach auf die genannten juristischen Personen anwendbar ist.
Sonst, meine Damen und Herren, sind gerade die Antragsteller, die Damen und Herren der DP, so sehr darauf aus, sich bei jeder Gelegenheit auf die Eigentumsgarantien der Verfassung zu berufen.
Das geschah sogar anläßlich der Debatten über die Mitbestimmung, bei denen schon diese bescheidene Forderung der Arbeitnehmer als ein Enteignungsbegehren bezeichnet worden ist. Ist für Sie, meine Damen und Herren von der DP, eigentumsschutzwürdig nur, was Ihnen genehm erscheint? Ist die Verfassung nach Ihrer Auffassung ein Instrument, mit dem man manipulieren kann? Welch merkwürdige Auffassung von der Bedeutung der Verfassung und welch merkwürdige Auffassung vorn Rechtsstaat, welche Vorstellungswelt präsentiert sich aus diesem unmöglichen Antrag! Da wird ein Einzeleingriff, also eine unzulässige Enteignung verlangt. Der Gleichheitsgrundsatz wird verletzt, und es wird auch in die Koalitionsfreiheit rigoros eingegriffen.
— Ja, Herr Dr. Schild, daß diese Feststellung für Sie unangenehm ist, ist mir klar. Daß Sie hinterher zu einer Kommentierung Ihres Antrages kommen, die mit dem Wortlaut des Textes und der Überschrift nicht übereinstimmt, damit sollten Sie sich selbst auseinandersetzen. Ich stelle nur fest, daß aus diesem Antrag ein anderes Begehren herauszulesen ist, als Sie es vor dem Plenum wahrhaben wollen.
Es ergeben sich also eine Fülle rechtlicher Bedenken. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht sind eine ganze Reihe von kritischen Bemerkungen zu machen, und wie man die Sache auch betrachtet, es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine positve Beurteilung des Antrages.
Auch Sie, meine Damen und Herren von der Deutschen Partei, haben im Wahlkampf Wert darauf gelegt, die großen Leistungen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues herauszustellen. Sie haben davon gesprochen, daß es der Arbeit vor allem der Bundesregierung zuzuschreiben sei, daß diese Leistungen erbracht worden seien, Leistungen, die nicht erbracht worden wären ohne die intensive Arbeit gerade der Unternehmen, denen Sie jetzt den Garaus machen wollen
und gegen die Sie jetzt in dieser Weise zu intervenieren versuchen. Diese Unternehmen — ich nehme doch an, daß Sie das Gemeinnützigkeitsrecht kennen — sind ja gar nicht in der Lage, Kapitalien auf die Dauer kapitalistischen Zwecken zuzuführen, sondern sie müssen bekanntlich ihr gesamtes Geld ständig im Kreislauf des Wohnungsbaues arbeiten lassen.
Im übrigen: Es ist ja nicht so, daß sich hier unternehmerische Initiative an einem Objekt betätigt hat, an dem an sich Kritik zu üben wäre. Wir haben hinsichtlich des sozialen Wohnungsbaues manches Kritische zu bemerken, und manche Wohnung erscheint auch uns nicht so, wie wir sie wünschen möchten. Aber jede Wohnung, die gebaut worden ist, hat doch schlimmeres Elend beseitigt!
Erst aus der gesamten Leistung, die sich im Wohnungsbau präsentiert, ergibt sich ein Grund zu einer gewissen Freude und Genugtuung.
Sie können diese Gesellschaften — ich gebe zu, das ist ein rein moralischer Einwand — schließlich nicht behandeln wie den Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat und der nun gehen kann und gehen soll, weil sich gewisse Kreise nunmehr etwas ausrechnen, was — ich sage das mit aller Deutlichkeit — bisher beim sozialen Wohnungsbau nicht möglich war, nämlich ein Geschäft!
Ich bin nicht der Meinung, daß Sie bei diesem Antrag sehr stolz auf die Vaterschaft sein können. Ich halte ihn für ein mißgestaltetes Wesen, das in den Papierkorb gehört, und wir sollten diesen Antrag schon im Plenum ablehnen, weil Sie in den Ausschußberatungen von allen sachlichen Beurteilern der Materie weiß Gott nicht sehr freundlich bedient werden können. Sie sollten sich hier überstimmen lassen, und auch die Damen und Herren der CDU/ CSU sollten sich die Frage vorlegen, ob es gut ist. im Bundestag eine neue Praxis einzuführen: daß man an einen Ausschuß einen Antrag überweist, der aus sich heraus gar nicht beraten werden kann. — Ich darf mich darauf beschränken, diese Bemerkungen zu machen. Ich könnte Ihnen angesichts der vielen Zahlen, die hier genannt worden sind, noch einiges Nachdenkliche sagen; ich will darauf verzichten.
Ich will nur eine Abschlußbemerkung machen, damit nicht nach dieser Richtung hin uns gegenüber wieder einmal eine Unterstellung erfolgt: Dieser Antrag hat mit dem Anliegen des Familienheimgesetzes nicht das geringste zu tun.
Dieser Antrag hat mit einer familiengerechten Wohnungsbaupolitik nicht das geringste zu tun.
Dieser Antrag hat mit einer positiven und von uns allen bejahten Eigentumsförderung nicht das geringste zu tun. Dieser Antrag ist ein Antrag, der auf Enteignung abstellt. Wir von der sozialdemokratischen Opposition unterstützen alle Bestrebungen, die der Familie dienen können, die ihren Zusammenhalt zu fördern geeignet sind und diese als einen sittlich-ethischen Faktor in der Gemeinschaft zu stabilisieren vermögen.
Würde der Antrag diesen Zielen dienen, er fände unsere Zustimmung. Wir haben keine Rücksicht auf Unternehmen zu nehmen, uns ist in dieser Beziehung die Möglichkeit einer absolut freien Entscheidung gegeben. Aber dieser Antrag bezweckt positive Dinge nicht. Dieser Antrag ist rechtsstaatlich bedenklich, sachlich unmöglich, und wir bitten Sie daher, ihn hier schon im Plenum abzulehnen.