Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Zwischenrufer sofort sagen: Es kommt nicht der Abgeordnete von Passau, sondern es kommt zunächst einmal Herr Schäffer!
Und Herr Schäffer hat keine Bewußtseinsspaltung!
Er ist in seinem Inneren vollkommen harmonisch, ob er nun als Bundesfinanzminister oder als Abgeordneter des Bundeswahlkreises Passau denkt!
Herr Kollege Gülich hat sich hauptsächlich mit verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt. Aber dabei hatte ich — ich bitte, es ja nicht übelzunehmen — eben das Bewußtsein einer Bewußtseinsspaltung auf der anderen Seite.
Denn erstens sprach er davon, daß wir formal die Verfassung zu achten haben und deswegen uns überlegen müssen, ob dieser Gesetzentwurf, ohne daß er neuerdings den Weg des Art. 76, also über den Bundesrat, gegangen ist, hier überhaupt vorgelegt werden darf, — — peinliche Hochachtung vor dem Buchstaben der Verfassung! Als er aber im zweiten Teil dann über sein Lieblingskind, die Bundesfinanzverwaltung, sprach, bedeutete die Verfassung nichts.
— Nein,- Moment, darf ich mich berichtigen: Hier wird die Frage nicht aufgeworfen, so will ich sagen, ob das Ziel überhaupt bei den heute gegebenen politischen Umständen auf einem verfassungsmäßigen Wege erreicht werden kann bzw. ob das Ziel in den nächsten vier Jahren, wenigstens solange der Herr Finanzminister Zietsch und andere Finanzminister in den Ländern amtieren, überhaupt erreichbar ist. Sie haben doch gelesen, daß gerade der Herr Finanzminister Zietsch nunmehr in Bayern der neueste Rufer im Streit gegen eine Bundesfinanzverwaltung geworden ist, und deshalb darf angenommen werden, daß die Länderregierungen, auch soweit sie der Couleur des Herrn Kollegen Zietsch nahestehen, im Bundesrat ganz bestimmt die Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung nicht zur Verfügung stellen.
Wenn ich das aber weiß, Herr Kollege Gülich, dann ist alles Gerede über eine „verfassungsmäßige" Änderung dieser grundgesetzlichen Bestimmungen reine Theorie. Denn ich weiß genau: Wenn der Bundesrat nicht mit Zweidrittelmehrheit zustimmt — nach seiner jetzigen Stellungnahme ist bestimmt anzunehmen, daß er sich ungeachtet der jeweiligen Länderregierungen mit 100 % seiner Stimmen dagegen äußern wird —, dann ist der verfassungsmäßige Weg eben nicht gegeben, und dann haben wir im Bundestag nach meiner Überzeugung — und der Bundesfinanzminister und der Abgeordnete des Bundeswahlkreises Passau haben hier völlig die gleiche Überzeugung — gar keine Gelegenheit und keine Möglichkeit, uns mit dem Thema ernsthaft zu beschäftigen.
Dann handelt es sich aber um ganz etwas anderes, nämlich darum, aus der gegebenen verfassungsmäßigen Situation das Bestmögliche zu machen. Kein Gesetz — ich habe es schon oft gesagt — ist so in sich unausgeglichen und unvollkommen, daß es nicht vernünftigen Menschen möglich wäre, etwas Vernünftiges aus dem Gesetz zu machen. Das ist der Sinn.
Ich darf jetzt zu der ersten formatrechtlichen Frage übergehen. Durch die Neuwahl des Bundestages ist eine Diskontinuität in der Arbeit des Bundestages eingetreten. Deswegen ist in der Geschäftsordnung des Bundestages auch bestimmt, daß nicht erledigte Vorlagen mit dem Wahltag als unerledigt überhaupt wegfallen. Ich bitte aber daran zu denken, daß der Bundesrat nicht in dieser Situation ist, sondern daß er ungeachtet der Neuwahl des Bundestages seine Befugnisse völlig weiterführt. Infolgedessen ist die Diskontinuität beim Bundesrat nicht vorhanden.
Der Zustand war also folgender: Dieser Gesetzentwurf ist dem Bundesrat am Schluß der letzten Session vorgelegt worden; der Bundesrat hat dazu Stellung genommen. Nach der Verfassung hat nun die Bundesregierung wieder zu der Stellungnahme des Bundesrats sich ihrerseits zu äußern. Das hat sie getan, und sie tut das in der Form, daß sie jetzt dem Bundestag den Gesetzentwurf unterbreitet. Ich habe nach der Wahl mit demselben Bundesrat zu tun, mit dem ich vor der Wahl zu tun hatte, und die Stellungnahme desselben Bundesrats liegt vor. Die Voraussetzung des Art. 76 ist daher gegeben.
— Die neue Bundesregierung hat dazu Stellung genommen und damit die Stellung der alten Bundesregierung mit übernommen. Verfassungsrechtliche
Bedenken kann ich also wirklich nicht sehen. Das
wäre ein Bemühen, eine einfache Angelegenheit
möglichst kompliziert und umständlich zu machen.
Ich glaube, auch die Verfassungsauslegung muß danach gehen: Was ist praktisch, was ist zweckmäßig, und was entspricht dem Sinn des Gesetzes?
Nun zu der zweiten Frage: Warum schlägt die Bundesregierung diesen Weg vor? — Was ergibt sich aus der verfassungsmäßigen Lage, daß wir heute eine Länderfinanzverwaltung haben und mit dieser Länderfinanzverwaltung, weil die Länder in diesem Ziel einig sind — das ist auch in den letzten Wochen im Bundesrat sehr deutlich ausgesprochen worden —, weiter zu rechnen haben? Warum schlägt die Bundesregierung diesen Weg vor? Herr Kollege Gülich, gerade aus dem Gesichtspunkt, den Sie so stark hervorgehoben haben, daß es Aufgabe der Finanzpolitik des Bundes sein muß, bei jeder finanzpolitischen Gesetzgebung an den inneren Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Län-
dern zu denken. Wenn ich die Geschichte der finanzpolitischen Artikel im Grundgesetz durchgehe, so ist ganz klar ersichtlich — auch aus dem Wortlaut der Artikel, wie sie geplant gewesen sind —, daß der Gesetzgeber des Grundgesetzes wollte, daß, wie es dort wörtlich heißt, die Finanzpolitik des Bundes einen „Ausgleich unter den Ländern" je nach ihrer Finanzstärke und je nach ihrer sozialen Belastung schafft. Deswegen hat die Finanzpolitik der Bundesregierung bei allen Gesetzgebungswerken — horizontalem Finanzausgleich, Überleitungsgesetz etc. — immer dies Ziel dieses Ausgleichs vor sich gehabt. Es ist richtig, Herr Kollege, daß wir seinerzeit, als wir das Überleitungsgesetz machten, auf Grund der damaligen Steuergesetzgebung zu der Überzeugung gekommen sind, es könnte der Schlüssel, der damals gewählt wurde je nach dem Aufkommen der Steuern die Entschädigung zu geben —, übernommen werden. Er mag damals den Verhältnissen entsprochen haben. Aber daß in der Zwischenzeit — —
— Ja, ich sage ja nur, wir scheinen einig in dem einen Punkt. Aber daß in der Zwischenzeit die Verhältnisse sich stark geändert haben, daß inzwischen infolgedessen der Sinn des Gesetzgebungswerkes von damals — ich will damit nichts Verletzendes sagen — zu einem Widersinn geworden ist, das ist auch nicht zu bestreiten. Es ist jetzt praktisch keine Entschädigung mehr, sondern es ist eine Inkassoprämie geworden. Diese Inkassoprämie kommt in erster Linie den steuerstarken Ländern zugute und ist deswegen ein Unrecht gegenüber den steuerschwachen Ländern. Sie verschleiert auch den ganzen Sinn und Zweck des Art. 106 Abs. 3, nach dem die nicht gedeckten Ausgaben des Bundes durch einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder auszugleichen sind. Wenn ich einen Bundesanteil festsetze und gleichzeitig den Ländern, die die Steuern verwalten, eine Inkassoprämie gebe, dann ist das entweder eine stille Herabsetzung des Bundesanteils oder, wenn Sie wollen, eine Erhöhung der nicht gedeckten Ausgaben des Bundes, so daß ich mit der einen Hand das Gegenteil von dem tue, was die andere Hand eigentlich will. Infolgedessen ist hier eine Bereinigung erforderlich, von der ich hoffe, daß sie endgültig bei der Finanzreform erfolgt, von der ich aber weiß, daß ich sie nicht mehr verschieben kann.
Ich würde nicht empfehlen, um der finanzschwachen Länder willen etwa den Weg zu gehen — den man auch gehen kann —, daß man einfach die Prozentsätze, nach denen die Entschädigung gegeben wird, heruntersetzt. Ich käme finanziell zu ungefähr demselben Ziel, wenn ich sagte: der Entschädigungssatz beträgt nicht mehr 2 % der Umsatzsteuer, sondern 1 % der Umsatzsteuer, und für die Einkommen- und Körperschaftsteuer fällt der Satz von 4 % überhaupt weg, weil eine Mehrarbeit auf diesem Gebiet für die Länder nicht entsteht. Aber, Herr Kollege Gülich — ich bin gern bereit, Ihnen im Ausschuß die Berechnungen vorzulegen —, das würde den Nachteil haben, daß die finanzschwachen Länder dadurch ungünstiger behandelt werden als bei diesem Entwurf.
Ich habe diese Rechnungen durchgeführt. Im Ergebnis würden die finanzstarken Länder gegenüber den finanzschwachen Ländern einen Vorteil haben.
Eine grundsätzliche Frage ist das nicht. Aber, Herr Kollege Gülich, wenn wir beide in dem Bestreben einig sind, bei jeder Regelung an die finanzschwachen Länder zu denken und den für die finanzschwachen Länder günstigeren Weg zu gehen, ich glaube, dann werden wir uns, wenn die Berechnungszahlen vorliegen, über diese Frage im Ausschuß leicht einigen können. Denn die Berechnungszahlen würden ja dann Beweiskraft haben.
Ich hoffe also, daß dieser Gesetzentwurf, trotz der gegensätzlichen Wünsche, die zum Thema Bundesfinanzverwaltung in diesem Hause und besonders zwischen Bundesrat und Bundestag bestehen, in einer ernsten Arbeit und mit dem Ziel beraten wird, aus den gegebenen Tatsachen das Bestmögliche zu machen.