Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine aufrichtige Freude, namens meiner politischen Freunde Herrn Dr. Kather und den heimatvertriebenen Abgeordneten seiner Fraktion, für die er gesprochen hat, dafür zu danken, daß er die Aufgaben, die im gegenwärtigen Augenblick der Vertriebenenpolitik auf dem sozialen und wirtschaftlichen Sektor noch gestellt sind, umrissen hat. Wir stimmen mit ihm fast ausnahmslos überein. Wir sind der Meinung, daß es jetzt darauf ankommen sollte, das Instrument, das diese Vertriebenenpolitik zu handhaben hat, so stark und so wirkungsvoll wie möglich zu machen. Wir meinen, daß das nicht allein ein Anliegen der Vertriebenen-Abgeordneten — gleichgültig, welcher Fraktion — sein sollte, sondern daß eigentlich alle, die an der Hebung der Produktivkraft unserer Volkswirtschaft interessiert sind, endlich Verständnis dafür finden sollten, daß hier noch unendlich viel ungenutzte Produktivkraft vorhanden ist, die im Interesse des Ganzen schnellstens zur Wirkung gebracht werden sollte.
Allerdings sollte man diese gemeinsame Aufgabe nicht so anfassen, daß man Unterscheidungen macht, welche Fraktion für diese Aufgabe den zuständigen Minister gestellt hat oder nicht gestellt hat. Herr Dr. Kather, darauf kann es doch wohl nicht ankommen! Ich glaube nämlich nicht, daß wir, besonders wenn wir zu den Regierungsparteien gehören, unser Mandat als Bundestagsabgeordnete richtig sehen, wenn wir sagen: „Wir sind dadurch von der Teilnahme an der Verantwortung freigestellt" oder „Uns hat man die Teilnahme versagt". Ich meine, jeder Abgeordnete, zumindest jeder Abgeordnete der Regierungsparteien, sollte sich voll verantwortlich fühlen für das, was die Bundesregierung in den einzelnen Ministerien in unser aller Namen tut oder unterläßt.
Ich stimme Ihnen zu, Herr Dr. Kather, wenn Sie hier die Auffassung vertreten haben, das Ergebnis der letzten Wahl dürfe nicht so gesehen werden, als ob im Zuge einer wirtschaftspolitischen Eingliederung der großen Masse der Vertriebenen auch eine politische Konsolidierung stattgefunden hätte.
— Verzeihung, dann habe ich Sie falsch verstanden. Ich hatte schon die Befürchtung, Sie wollten hier die Prognose aufstellen, die dreieinhalb Millionen Wähler Ihrer Fraktion könnten das nächste Mal zum BHE kommen.
Aber Scherz beiseite: ich glaube — und vielleicht wird mir Herr Dr. Kather insoweit zustimmen —, wir sollten alle Veranlassung haben, das Problem der Heimatvertriebenen — es sind immerhin Millionen — vom Standpunkt der politischen Konsolidierung aus mit außerordentlichem Ernst zu. betrachten. Ich bin allerdings der Meinung, daß diese Frage noch nicht ausgestanden ist. Wir wollen heute dankbar anerkennen, daß diese Millionenmasse in all den Jahren der Not und Verzweiflung Disziplin und Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Staatsganzen bewahrt hat. Wir haben aber alle Veranlassung, uns der Verpflichtung bewußt zu bleiben, auch alles zu tun, damit es in Zukunft so bleibt.
Ganz wenige Worte zu den außenpolitischen Ausführungen von Herrn Dr. Kather, dem ich auch insoweit weitestgehend zustimmen kann. Ich schlage vor, das unglückliche Wort vom Kondominium aus dem deutschen Sprachschatz zu entfernen. Jetzt einmal ein Wort an die Presse: es ist doch mehr als merkwürdig, daß der Herr Bundeskanzler mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit die Unterstellungen zurückgewiesen hat, die ihm im Zusammenhang mit diesem Wort gemacht worden sind. Die deutsche Presse — wenigstens einige der Herren — scheint im Augenblick keine andere Aufgabe zu finden, als so zu tun, als ob dieses Dementi des Herrn Bundeskanzlers unwahr wäre, immer weiter über diesen unglückseligen Ausdruck zu debattieren und lange Leitartikel darüber zu schreiben. Wer sich nur einigermaßen die Mühe macht, dem Inhalt des völkerrechtlichen Begriffs Kondominium einmal nachzugehen, der kann mir nur recht geben, wenn ich die Bitte ausspreche, diese Dinge im deutschen öffentlichen Raum nicht mehr zu erörtern. Das ist kein Begriff, der uns auch nur einen Schritt oder auch nur einen Zentimeter der Lösung der Fragen entgegenbringt.
Ein letztes! Herr Dr. Kather hat mit vollem Recht betont, daß im Rahmen der deutschen Ostpolitik das Recht auf Heimat eine' sehr beachtliche Rolle spielen wird und spielen muß, das Recht auf Heimat, das wir nicht nur für die deutschen Vertriebenen in Anspruch nehmen, sondern mit genau der gleichen Ehrlichkeit für alle Menschen, die zum osteuropäischen Raum, der sich zum freien Abendland zu bekennen wünscht, gehören und dort siedeln. Mit dem Begriff Recht auf Heimat hat es eine etwas eigenartige Bewandtnis. Er ist heute, das dürfen wir nicht verkennen, noch nicht Inhalt des anerkannten Völkerrechts. Unsere Aufgabe muß es sein, dahin zu kommen. Es ist nämlich ein Begriff, der in Millionen Herzen so fest verankert ist, daß er nicht herauszureißen ist. Das. gesunde Rechtsgefühl von Millionen ist hier der Schrittmacher für die Bildung eines völkerrechtlichen Begriffs. Die Wissenschaft sollte es sich sehr angelegen sein lassen, den Inhalt dieses Begriffs und seine Abgrenzung zu anderen völkerrechtlichen Begriffen, insonderheit zu dem Begriff des Selbstbestimmungsrechtes sehr bald zu untersuchen und auf eine solche Grundlage zu stellen, daß es der deutschen Politik gelingen kann, diesen Begriff zu einem anerkannten Begriff des Völkerrechts zu gestalten.
Wenn ich gesagt habe, daß das Gefühl für das, was von diesem Begriff umschlossen wird, in Millionen Menschen lebt, dann darf ich dafür vielleicht einen kurzen Hinweis geben. Es kann nicht bestritten werden, daß bei den jetzigen Bewohnern der deutschen Ostgebiete das Gefühl, daß sie irgendwie rechtlich nicht fundiert liegen, wenn sie dort stehen und arbeiten, wie alle Nachrichten bezeugen, sehr weit verbreitet ist. Für meine Heimat Ostpreußen sind Tausende von Belegen dafür beizubringen, daß die dort angesiedelten Bauern das Gefühl haben, sie stehen nicht auf eigenem, sondern auf fremdem Volksgrund.
Eine letzte Bitte. Die Fragen der deutschen Ostpolitik mit dem Ziel der Wiedergewinnung der deutschen Ostgebiete sind so heikel, ,daß sie eigentlich ein für allemal aus dem Thema aller Sonntagsreden und aus der Themenstellung aller lückenfüllenden Leitartikel verbannt werden sollten. Wir haben die herzliche Bitte an die Bundesregierung, insonderheit an den Herrn Bundeskanzler, diese Frage mit den ,dazu berufenen und auch erfahrungsgemäß in den Stand gesetzten Vertretern der deutschen Ostgebiete zu besprechen. Wir legen entscheidenden Wert darauf, bei all diesen Bemühungen in enger Fühlungnahme mit der amtlichen deutschen Außenpolitik zu bleiben. Nur dann ist es möglich, auf diesem sehr heißen Territorium keine Fehlschritte zu tun und kein Porzellan zu zerschlagen.