Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle hatte die Freundlichkeit, sich in seinen Ausführungen zum Haushaltsplan etwas mit den von mir betreuten Flugblättern zu beschäftigen.
Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, da wir ja überhaupt noch vor der Notwendigkeit stehen, Herr
Kollege Schoettle, eine Diskussion zu Ende zu
führen, die wir bei der Haushaltsberatung im letzten Jahr begonnen haben. Ihre Beendigung vor
dem Rundfunk mit Ihnen ist mir leider deswegen
nicht gelungen, weil Sie sich trotz mehrfacher
Mühen nicht dafür zur Verfügung gestellt haben.
Herr Kollege Schoettle hat soeben davon gesprochen, daß vor der Übernahme der Wirtschaftspolitik durch Herrn Minister Erhard, den früheren Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, schon unendlich viel in der Bundesrepublik an Aufbau geleistet worden sei. Niemand von uns hat bisher bestritten, daß das geschehen sei. Trotzdem muß ich sagen: wenn nun so getan wird, als wenn seit 1948 so gewissermaßen alles von selber gekommen wäre, dann habe ich das Gefühl, daß man sich der Situation von 1948 und der Umstände, wie man sie gerade auf seiten der SPD damals sah, heute nicht mehr genügend erinnert. Darf ich zu diesem Zweck mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein kurzes Zitat aus dem Buche von Herrn Dr. Schumacher „Nach dem Zusammenbruch" verlesen, das im Jahre 1948 gedruckt worden ist. Darin sehen wir, wie man seitens der SPD die Chancen und Möglichkeiten eines wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus nach 1948 beurteilt hat. Es heißt dort:
Unübersehbar ist das Trümmerfeld, unvorstellbar das Elend, unheilbar das Leid. Der deutsche Name ist besudelt ...., die Wirtschaft ist zerstört, ihre Substanz geschwunden. Das Land ist krank bis ins Mark. Die einfachsten und selbstverständlichsten Forderungen des täglichen Lebens sind schier unlösbare Probleme geworden.
So schrieb Dr. Schumacher 1948, um dann fortzufahren:
Daß jetzt neue Lebensformen von unvorstellbarem Tiefstand und nie gekannter Primitivität für alle Deutschen heraufziehen,
davor wollen viele die Augen verschließen.
Meine Damen und Herren, das ist unsere ganze Genugtuung und Befriedigung, daß wir im vollen Bewußtsein dessen, was alles noch zu tun ist und wieviel Not noch zu lindern ist, die Unrichtigkeit dieses Zitats des Herrn Dr. Schumacher inzwischen durch unsere politische Arbeit unter Beweis gestellt haben.
Herr Kollege Kreyssig sagte drei Jahre später in der Bundestagsdebatte am 11. Oktober 1951:
Wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen und den Dingen etwas ernsthafter auf den Grund gehen, dann werden Sie feststellen müssen, daß man eine Charakterisierung des Ergebnisses der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung dahin zusammenfassen muß: Sie hat begonnen mit dem Stichwort der „freien Marktwirtschaft" und der „Liberalisierung", — sie hat im Frühjahr dieses Jahres geendet mit dem Einfuhrstopp vom 21. Februar, der das Fiasko der ganzen Politik, vor allem auch im Außenhandel, kennzeichnet... Auch Sie haben wahrscheinlich bemerkt, daß seit einiger Zeit von „sozialer" Marktwirtschaft kaum noch gesprochen wird.
Sie werden mir zugeben müssen,
— schloß Herr Kreyssig —
daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ausgezogen war, die Zwangswirtschaft zu beseitigen, jetzt drauf und dran ist und bis zum Halse drinsteckt, wieder eine obendrein noch miserabel funktionierende Bewirtschaftung einzuführen.
Es ist sehr interessant, meine Herren 'von der SPD, sich dieser Zitate jetzt einmal zu erinnern, wo wir ja nun für weitere Jahre die Ergebnisse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung vorliegen haben.
Herr Kollege Schoettle, da wir ja nicht unbedingt wissen können, ob wir uns beide im Herbst in diesem Hohen Hause wiedersehen — —
— Ja, wenn Sie sagen: „Hoffentlich Sie nicht!", dann muß ich darauf erwidern: ich fürchte, daß ich Ihnen auch im nächsten Bundestag nicht erspart bleibe.
Nachdem Herr Kollege Schoettle bei der Haushaltsdebatte im Juli vorigen Jahres meine Ausführungen über die Wirtschafts- und Sozialpolitik in nicht gerade sehr freundlicher Form behandelt hatte, indem er sagte, meine Ausgangspunkte stimmten nicht ganz, es kämen falsche Ergebnisse heraus, und ich hätte ein Meisterwerk der Irreführung geleistet,
habe ich darauf gewartet, daß Herr Kollege Schoettle, wie er es in Aussicht genommen hatte, sich „die Geschichte einmal schwarz auf weiß angesehen" hätte, um dann zu .den von mir vorgetragenen Zahlen in sachlicher Weise Stellung zu nehmen. Es ist mir nun, wie gesagt, nicht gelungen, diese Rundfunkaussprache, die ja in aller Sachlichkeit hätte erfolgen können, mit Ihnen durchzuführen; und nun wollen wir das Gespräch, Herr Kollege Schoettle, damit es auf jeden Fall zu Ende kommt, eben heute noch beenden.
Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhange eigentlich nur einige Fragen vorzulegen, weil Sie ja immer über falsche Ausgangspunkte und derartige Dinge sprechen. Wenn wir unserer Beurteilung der wirtschaftspolitischen Lage die Zahlen zugrunde legen, wie sie laufend vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden, dann können Sie uns ja nicht vorwerfen, daß wir falsche Ausgangspunkte nähmen, auch dann nicht, wenn das Jahr 1936 als letztes normales Friedensjahr vor der eigentlichen Aufrüstung zugrunde gelegt wird. Denn wir haben ja nicht das Statistische Bundesamt beauftragt, die Statistik auf dieser Basis durchzuführen, sondern das ist aus sachlichen und wissenschaftlichen Gründen geschehen, weil diese Ausgangsbasis eben sachlich die richtigste ist. Ich frage nunmehr:
Ist es richtig, daß die Produktion der deutschen Industrie, die im Jahre 1948 63 % der Produktion von 1936 betrug, sich im Jahre 1952 auf 145 % belief und inzwischen 156 % derjenigen von 1936 erreicht hat,
also auf weit mehr als das Doppelte gesteigert worden ist? Ich frage weiter:
Ist es richtig — ich muß eine Einschränkung machen Herr 'Kollege Schoettle; die Zahlen, die ich vor einem Jahr genannt habe, bringe ich heute nicht mehr ganz in dieser Form weil sie inzwischen nämlich noch wesentlich verbessert worden sind, aber ich darf annehmen, daß Sie mir diese Berichtigung ohne weiteres gestatten — ist es richtig, daß seit der Währungsreform 1,5 Millionen Wohnungen mit einem Kapitalaufwand von 17 bis 18 Milliarden DM für etwa 5 bis 6 Millionen Menschen gebaut worden sind?
Ist es richtig, daß die landwirtschaftliche Bodenerzeugung von 79 auf 110% des Vorkriegsdurchschnitts, also um 38 % allein in den drei Jahren von 1948 auf 1951 gesteigert worden ist?
Ist es richtig, Herr Kollege Schoettle, daß insbesondere die deutsche Ausfuhr in den letzten Jahren trotz aller Hemmungen, die doch, wie wir alle wissen, im Ausland lange bestanden haben, einen geradezu nicht vorausahnbaren Aufschwung genommen hat,
indem sie 1949 4,1 Milliarden, 1950 8,4 Milliarden, 1951 14,6 Milliarden und 1952 fast 17 Milliarden DM, also mehr als das Vierfache des Jahres 1949 betrug?
Ist es welter richtig, daß die deutsche Ausfuhr monatlich Ende 1948 etwa 200 Millionen DM betrug und daß sie im Winter 1952/53 das Siebenfache mit rund 1,4 Milliarden DM monatlich beträgt?
Und ist es vor allem richtig — das sind ja die entscheidenden Zahlen jetzt —, daß wir im Außenhandel im Jahre 1949 noch einen Fehlbetrag von 3,7 Milliarden DM batten, der durch Auslandshilfe gedeckt werden mußte, der im Jahre 1950 nur auf 3 Milliarden absank, dann aber 1951 nur noch 150 Millionen DM betrug bei je rund 14 Milliarden DM auf beiden Seiten der Handelsbilanz, daß wir also im Jahre 1951, wie ich Ihnen voriges Jahr schon sagte, zum erstenmal bereits fast wieder eine ausgeglichene Handelsbilanz hatten?
Aber, Herr Kollege Schoettle, ich muß jetzt weiter fragen über das letzte Jahr: Ist es richtig oder ist es nicht richtig, daß das Jahr 1952 uns erstmals einen Außenhandelsüberschuß von 700 Millionen DM gebracht hat, so daß wir also 1952 schon über das Ziel des Marshallplans hinausgekommen sind?
Trotz all den Unkereien, die man immer wieder, neulich auch von Herrn Ollenhauer in Frankfurt, hörte: Ja, nächstens kommt die Katastrophe; jetzt kommt ihr nicht mehr weiter: 'Herr Kollege Schoettle, ist es richtig, daß wir in diesem Jahre 1953 im Außenhandel am 1. Juni schon wieder einen Vorsprung von 700 Millionen DM Bilanzverbesserung gegenüber dem Vorjahr gehabt haben, während das ganze vergangene Jahr einen Ausfuhrüberschuß von 700 Millionen DM erbracht hat?
Das sind die wirklichen Entwicklungen, die Sie, meine Herren von der Opposition, gegenüber der Bevölkerung zu unterdrücken natürlich das höchste Interesse haben, weil diese Ergebnisse nun wahrlich besser als jeder theoretische Beweis für die Richtigkeit unserer Wirtschaftspolitik sprechen.
Ist es weiter richtig, Herr Kollege Schoettle, daß wir im Mai. 1953 einen Gold- und Devisenbestand von 5 Milliarden DM, also einen Vorrat zur Bezahlung von drei Monaten Einfuhrbedarf, bereits wieder verfügbar gehabt haben, darunter 3/4 Milliarden in Gold, während vor einem Jahr, als ich sprach, diese Beträge noch 2,7 Milliarden und ,440 Millionen DM in Gold gewesen sind?
Ist es weiter _richtig, daß unser Brutto-Sozialprodukt von 80 Milliarden im Jahre 1949 auf 125 Milliarden im Jahre 1952 gestiegen ist?
Alles amtliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes,
an denen ich nicht das mindeste frisiert habe und an denen wir auch nichts zu frisieren haben, weil sie ebenso für sich sprechen.
Aber nun weiter: Ist es richtig, daß die Einzelhandelsumsätze von 1949 auf 1952 von 25 auf 40 Milliarden DM gestiegen sind, die Handwerksumsätze von 20 auf 32 Milliarden DM? Und ist es — und nun kommt etwas sehr Wesentliches, darauf spielten Sie vorhin 'an — richtig, ,daß die Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik heute fast genau die gleichen sind wie um die Jahreswende 1948/49?
Der Lebenshaltungsindex betrug 168 um die Jahreswende 1948/49 und 169 im April und Mai 1951!
Sie kennen die Entwicklung, die dazwischenliegt. Der Index ging zuerst im Jahre 1949 im Zuge der sozialen Marktwirtschaft bis auf 148 herunter, und dann kam die Korea-Teuerung, die bei uns in der Bundesrepublik, wie Sie auch ganz genau wissen, die niedrigste unter allen Ländern der Welt gewesen ist. Diese Korea-Teuerung trieb die Preise dann hoch bis zu einem Lebenshaltungsindex von 172 in Mai 1952. Inzwischen sind wir nun wieder bei 169 gelandet, also ungefähr auf dem gleichen Niveau, das um die Jahreswende 1948/49 in der Bundesrepublik bestand. Das bedeutet aber, daß alle Gehalts-, Lohn- und Rentenerhöhungen, die zwischen Anfang 1949 und jetzt erfolgt sind, reale Kaufkraftsteigerungen gewesen sind
und nicht nur eine Änderung der Nominalbezüge.
Was nun die Verteilung des vergrößerten Sozialprodukts angeht, so ist es gerade vor diesem Hintergrund der Lebenshaltungskosten von Anfang 1949 und von heute immerhin interessant — ich möchte mir diese Zahlen von Ihnen bestätigen lassen, Herr Kollege Schoettle; denn ich lege Wert darauf, daß wir uns über die Tatbestände einig werden —, daß der Durchschnittsstundenlohn des Industriearbeiters im Juni 1948 98 Pfennig betrug, im Dezember 1948 1,13 Mark und im Februar 1953 1,59 Mark und daß der Durchschnittswochenlohn im Dezember 1948 50 Mark und im Februar 1953 73 Mark betrug; also eine annähernd 50% ige Reallohnsteigerung der Industriearbeiterschaft, die allerdings, meine Herren von der SPD, unser ganz großer Stolz ist, wenn wir auf diese vergangenen Jahre zurückblicken.
Ist es weiter richtig, daß die Zahl der Beschäftigten sich in diesen genannten Jahren um 2 Millionen, im Bereich der Wirtschaft sogar um 2,5 Millionen erhöht hat? Sie reden immer nur von dein nicht wesentlichen Absinken der Arbeitslosenzahl. Warum verschweigen S i e denn der Öffentlichkeit immer wieder, daß sich das Arbeitskräftepotential bei uns laufend erheblich erhöht hat, nämlich von 1.3,9 Millionen Menschen auf 16,5 Millionen Menschen in diesen wenigen Jahren, und daß es dadurch keinen einzigen zusätzlichen Arbeitslosen gegeben hat, sondern daß trotzdem die Bundesrepublik jetzt 300 000 Arbeitslose weniger hat als bei Zusammentritt des Bundestages? So muß man die Dinge doch sehen, wenn man sie objektiv darstellt.
Auch die Lage der Rentenempfänger muß in diesem Zusammenhang nochmals erörtert werden. Wir sind die letzten, meine Damen und Herren von der Opposition, die so vermessen wären, etwa zu erklären, daß die Renten der Sozialversicherung oder der Kriegsopferversorgung heute ausreichend wären.
Wir haben mindestens genau so wie Sie das ernste Bestreben und das heiße Bemühen, gerade auf diesem Gebiete dem bisher Geschehenen noch weiteres hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, wir machen es aber nicht so, wie sie das draußen mit solchen Flugblättern wie diesem hier machen,
wo Sie auf der einen Seite den Wählern draußen 41/2 Milliarden Mehrausgaben zugunsten der Notleidenden versprechen und dann auf der Rückseite Steuersenkungen in Höhe von ebenfalls 41/2 Milliarden in Aussicht stellen,
ohne eine Antwort darauf zu geben, woher Sie die Differenz von 9 Milliarden nehmen wollen,
ohne die Inflation herbeizuführen,
die in einem solchen Fall die einzige Lösung wäre. Meine Damen und Herren, darauf sind Sie nicht nur uns, sondern der Bevölkerung draußen die Antwort leider Gottes schuldig geblieben.
Wenn wir in diesem Zusammenhang, meine Herren von der Opposition, davon sprechen, daß hier verantwortungslose Opposition getrieben wird, dann, glaube ich, haben wir mit diesem Standpunkt sehr recht; denn nicht nur die Mitglieder der Regierungsparteien, überhaupt nicht nur die Abgeordneten des Bundestages, sondern jeder einzelne Wähler im Volke draußen ist Träger der staatsbürgerlichen Gesamtverantwortung und hat kein Recht, an diesen Staat, der von ihm selber mit repräsentiert wird, Forderungen zu stellen, wenn er
sich nicht Gedanken darüber macht, wie diese Forderungen ohne Schaden für die Gesamtheit, für die Währung usw. erfüllt werden können.
Sie erziehen die Leute draußen zum negativen staatsbürgerlichen Bewußtsein,
zum Egoismus, zum Nur-an-sich-Denken,
und wir geben uns Mühe, die Menschen zum staatsbürgerlichen Denken zu bringen, weil idas eine Voraussetzung für das Funktionieren unserer demokratischen Ordnung auf die Dauer ist.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Rentnern. Ich sagte also: sicherlich reicht das, was bisher geleistet ist, nicht, und Sie wissen aus den Verhandlungen des Bundestages, daß wir, wann und wo wir können, die Dinge zu bessern suchen. Andererseits darf ' auch hier nicht unterdrückt werden, daß die Invalidenrenten, die Anfang 1949 bei gleichem Lebenshaltungsindex wie heute durchschnittlich 46 DM monatlich betragen haben, heute im Durchschnitt 83 DM monatlich betragen, also eine Steigerung von 80 % auch in realer Kaufkraft aufweisen.
Das ist gewiß nicht unser letztes Ziel. Auch wir wollen noch mehr. Man kann aber keine Sozialpolitik treiben, indem man immer nur hier im Bundestag Anträge stellt oder Flugblätter vertreibt, um die Massen aufzuhetzen.
Wir ringen mit dem Finanzminister um positive Ergebnisse,
Wenn wir im Haushalt den Niederschlag dieser Dinge beobachten — —
Wenn wir den Niederschlag dieser Dinge im Haushaltsplan beobachten, dann stellen wir fest, daß die Zuschüsse des Bundes zur Invalidenversicherung im Jahre 1949 eine halbe Milliarde DM betragen haben und im Jahre 1953, wenn auch zum Teil in Kreditform, über 2,4 Milliarden DM, also eine Verfünffachung, eine Vermehrung um annähernd 2 Milliarden DM. Ähnlich liegen die Dinge bei den Kriegsopfern, wo auch die frühere Summe von 1,9 Milliarden inzwischen auf insgesamt 3,3 Milliarden im Jahr gesteigert worden ist.
.
Es ist unser eiserner Wille, diese Steigerung weiter fortzusetzen,
sobald und wo wir in der Lage sind, die Mittel dafür aufzubringen; aber ohne Deckung geht es leider nicht, wenn man noch die Gesamtverantwortung für das Ganze überhaupt hat.
Zum Schluß noch eines. Ich habe eingangs ein Zitat von Herrn Dr. Schumacher über seine Beurteilung der Aussichten der Wirtschafts- und Sozialpolitik aus dem Jahre 1948 gebracht. Lassen Sie mich nun, nachdem ich diese Zahlen ganz kurz in Ihr Gedächtnis zurückgerufen habe, noch ein Zitat von Herrn Dr. Schumacher vom September 1951
bringen. Im September 1951 hielt Herr Dr. Schumacher eine Pressekonferenz in Kiel ab. Man glaubte damals anscheinend in der SPD, daß wir in der Regierung Sehnsucht hätten, die SPD in die Koalition aufzunehmen. Ich erinnere mich persönlich dieser Sehnsucht nicht; aber Herr Dr. Schumacher hat daran wohl gedacht, als er auf der Pressekonferenz in Kiel folgendes sagte:
Die Idee der großen Koalition in der Bundesrepublik ist ganz hart abzulehnen. Wir sollen in die Situation kommen, jetzt in der offensichtlichen Periode des Bankrotts der Bundesregierung und ihrer Politik uns an der Verwaltung des Bankrotts und damit in den Augen Urteilsloser an der Schuld am Bankrott zu beteiligen.
Wenn jetzt
- so sagte Herr Dr. Schumacher weiter —
die Regierung gezwungen ist, Brotkarten einzuführen , nun, dann möchten gewisse
weite Kreise der Regierungsparteien uns beim Regierungsgeschäft mitsehen. Zu sagen hätten wir nichts, weil nach dem Mehrheitsverhältnis wir jeden Tag wieder herausgesetzt werden können. Aber die Verantwortung zu tragen hätten wir. Und in den Augen des Publikums wäre dann die SPD für Zeit und Ewigkeit die Partei der Brotkarte und der Zwangswirtschaft.
Nun, meine Damen und Herren, wir sind ohne die SPD und auch ohne die Brotkarte ausgekommen, und ich hoffe von Herzen, daß es weiter in beider Hinsicht so bleibt.
Noch ein letztes. Zu der wirtschaftspolitischen Beurteilung unserer Politik durch die SPD darf noch folgendes ganz kurz gesagt werden. Neuerdings ist man mit den Ausdrücken „Planwirtschaft" und „Lenkung", nachdem sich das andere nämlich sehr gut bewährt hat, außerordentlich zurückhaltend geworden.
Man müßte diese neue Sprachregelung meines Erachtens nur etwas vorsichtiger in die Öffentlichkeit lenken. Herr Kollege Ollenhauer hat auf der letzten Frankfurter Tagung der SPD eine Rede gehalten, die er der Öffentlichkeit dann in korrigierter Form, aber unter Sichtbarlassen der Korrekturen, übergeben hat. Daraus können wir sehr deutlich erkennen, welche Wandlungen sich im wirtschaftspolitischen Denken der SPD noch während der Frankfurter Tagung vollzogen haben, nachdem man offenbar bemerkt hatte, daß man mit den alten Ladenhütern aus dem 19. Jahrhundert heute nicht mehr zum Zuge kommt.
Da sind z. B. folgende drei Änderungen an der Rede des Herrn Ollenhauer vorgenommen. Gestrichen wurde der Satz: „dazu eine Lenkung der Produktion unter dem Gesichtspunkt der Bedarfsbefriedigung."
Ich nehme mit Interesse davon Kenntnis, daß das also neuerdings — bis zur Wahl —
keine Forderung der SPD mehr ist.
Weiter wurde aus dem Satz: „Allgemeine soziale und wirtschaftliche Sicherung erkämpfen sich die Arbeiter nur in den Reihen 'der politischen und gewerkschaftlichen Bewegung für den sozialistischen Staat" das gefährliche Wort „sozialistisch" gestrichen, offenbar im Zuge der neuen Mittelstandspolitik der SPD.
Und ein drittes. Da hieß es: „eine geplante und gelenkte Wirtschaft in Deutschland". In der neuen Fassung heißt das: „eine Wirtschaft in Deutschland in Verbindung mit Planung und Wettbewerb."
Meine Damen und Herren, wir sind natürlich sehr erfreut, daß die Praktizierung unserer wirtschaftspolitischen Prinzipien solche Erfolge bei Ihnen gezeitigt hat.
Wir werden aber die Befürchtung nicht los, zu erleben, daß Sie nach den Wahlen wieder in Ihre alten Konzeptionen zurückfallen. Deswegen, meine ich, sollte man den Wählern das während des Wahlkampfesdraußen möglichst rechtzeitig sagen.
Aber vielleicht gibt es doch diesen oder jenen, der in der Lage ist, auf Grund dessen, was jetzt vorliegt, von überholten Konzeptionen noch abzugehen und in sich zu gehen. In dem Zusammenhang möchte ich eigentlich meinen Appel1 an meinen im Haushaltsausschuß von mir stets besonders geschätzten Kollegen Schoettle richten. Wie wäre es denn, Herr Kollege Schoettle, wenn man nun wirklich einmal aus den Erkenntnissen, die die vergangenen Jahre jedem denkenden Wirtschaftspolitiker doch geradezu aufzwingen, Konsequenzen zöge? Ich glaube, es wird nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden mehr Freude über einen SPD-Mann sein, der Buße tut, als über 99 Christliche Demokraten, die gewiß der Buße auch bedürfen.